Wer von Euch ohne Smartphone ist

Der Schach-Polizei sind leider die Hände gebunden Der Schach-Polizei sind leider die Hände gebunden OSt

Ich meine, man muss das doch verstehen. So jung, der Falko, und das ist eben eine ganz andere Generation. Die wachsen doch heutzutage schon auf mit den Handys unter dem Daumen, ist doch so, und für die ist es schon ganz selbstverständlich, dass sie es überall mit hinnehmen müssen, auch aufs Klo. Aber nur weil man mal so ein Handy mit auf der Toilette hat, muss man doch noch kein schlechter Mensch sein, ich meine, wo kommen wir denn da hin? Außerdem ist er doch Geschäftsmann oder so, da würde ich auch nicht jedem zeigen wollen, was meine vertraulichen Geschäftsdaten sind, nicht wahr? Ich meine, wo fängt es an, wo hört es auf? Eigentlich ist Schach ja auch nur ein Spiel, da soll man doch bitte schön die Küche im Dorf lassen.

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Auch Capablanca hätte als Ehrenmann jeden Verdacht einer Smartphone-Nutzung
 deutlich von sich gewiesen. (Berlin 1929, Quelle: Bundesarchiv)


Die Bundesliga, na gut, da hätten sie schon ein bisschen aufpassen können mit den Formalien. Aber andererseits, es gab ja schon eine Menge gute Regeln, und wer denkt denn an sowas? Dass da einer mit dem Handy rumläuft und vielleicht sogar illegale Sachen mit macht. Und dann kann man ihn noch nicht mal bestrafen, sperren, kontumazieren, weil das irgendwie nicht ganz formgerecht in der Satzung stand. Sowas kommt vor – es ist schade, aber es kommt vor.
Der Bundesliga e.V., das sind ja auch keine Volljuristen, das sind doch auch alles nur Schachspieler so wie wir. Die machen das ja nicht, um Geld zu verdienen, und es ist alles ehrenamtlich, ich meine, ist doch so. Auf den Funktionären und Verantwortlichen sollte man jetzt nicht rumhacken. Ich bin ja froh, dass sie das überhaupt machen, den ganzen Stress auf sich nehmen. Vor den Organisatoren ziehe ich meinen Hut, wirklich.

schilder

Auch wenn intensiv geregelt wird, bleiben leider oft noch Lücken

Es ist nur zu ärgerlich, dass nun wegen so einem Formfehler das alles nichts wird mit einer Sperre. Der Falko, nicht wahr, der kommt nun damit durch, dass er sein Handy nicht gezeigt hat. Hatte er einfach nur gute Nerven? Bei der Tour de France, ich meine, da gäb´s das nicht! Keine Blutprobe zugelassen, schon ist der Fahrer raus aus der Chose, Feierabend, Sperre, kann direkt nach Hause radeln.

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Manchmal ist es besser, schnell nach Hause zu fahren. Man kann ja auf dem Weg noch etwas lesen.

Genau so hat es der Falko aber gemacht – keine Handykontrolle erlaubt, den Schiri wieder weggeschickt, und das beim Schach, Spiel der Könige, wo man sich mit dem Smartphone mal eben heimlich gute Züge ausdenken lassen kann.
Wäre er doch bloß ein wenig demütiger gewesen, ich meine, so irgendwie kooperativ. Wenn da der Schiri auf einen zusteuert und böse Dinge unterstellt, da kann man doch mal helfen und sich entlasten!
Hat Uli Hoeness doch auch gemacht, mit seiner Selbstanzeige. So aber, ich weiß nicht, er zeigt sein Smartphone nicht, macht Rabatz und redet von Grundwerten.

dresscode

Das Ringen um sportliche Erfolge lässt Menschen manchmal sonderbare Dinge tun

Ich meine, ist doch Sport, und Bundesliga, da muss so ein Spieler doch wissen, dass das den anderen komisch vorkommt mit dem Smartphone auf dem Klo. Hätte er man sein Handy gezeigt, von innen und von außen, dann wäre doch alles geklärt. Aber Falko hat das nicht, und nun kommt er auch noch damit durch. Formfehler! Ich glaube, das war unverschämtes Glück für ihn.
Andererseits - das wird nun immer an ihm hängen bleiben. Wir wissen nicht, ob wirklich irgendwie geschummelt wurde, aber entlasten wird er sich nun nicht mehr können. Keine Chance auf Reha. Nicht schön für ihn, irgendwie. -

scharnhorststrae

 

Im Paragraphendschungel

Turnierleiter aufgepasst! Bei uns in der Vereinsmeisterschaft werde ich mich von nun an mit einem Smartphone hinsetzen, und wenn sich jemand beschwert, sage ich nur „Satzung!“.

Denn bestimmt hat in unserer Turnier-Ausschreibung niemand auf die Regeln des Deutschen Schachbundes verwiesen. Und falls doch, dann sicherlich nicht darauf, dass automatisch auch die Sanktionen des DSB Anwendung finden, falls jemand mit Smartphone erwischt wird. Was die anderen im Verein dann von mir denken? Ist mir ja erstmal ganz egal. Hauptsache, ich kann weiter spielen und ab und zu mal einen Preis gewinnen. Denn darum geht es doch im Schach, oder?
Ich meine, ist doch so, oder nicht?

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Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#1 Thilo Kuessner 2013-05-06 18:54
Mit der wegen Formalitäten gewonnenen Berufung dürfte sich FB keinen Gefallen getan haben. Mit einer Sperre wäre die Sache für ihn nach 2 Jahren erledigt gewesen. Jetzt ohne Sperre und einem Freispruch nur aus formalen Gründen wird kein Turnierveranstalter oder Bundeslogaverein ihn jemals wieder haben wollen, schätze ich mal.
#2 Jörg Hickl 2013-05-07 10:28
Sehr schön, Olaf – alles auf den Punkt gebracht.

Doch leider ist es wohl nicht so wie Thilo schreibt. Auch das Franzosentrio um Feller konnte munter weiter spielen. Hier sind wohl die wenigsten Veranstalter konsequent.
Falls doch, hat Bindrich vorgesorgt: Als Geschäftsführer des Turnierveranstalters ACO, kann er an den eigenen Veranstaltungen teilnehmen und wird dann (ACO-)Weltmeister der DWZlosen
Der DSB hält anscheinend noch immer der Sperrung der DWZ fest.

Bin mal gespannt, ob er Protest einlegt, wenn sein Gegner das Smartphone nicht abgibt. Vielleicht mit der Begründung des Firmengeheimnisses – „ich arbeite für Houdini und teste gerade 4.0 – das geht niemanden etwas an.“
#3 Schachorganisator 2013-05-17 21:18
Olaf Steffens hat den Artikel im Stile eines Kabarettisten verfasst und so muss man ihn wohl auch lesen.

Mal sehen, ob ich das auch so gut kann:
Wieder geht es um die Toilettengänge und was Falko Bindrich dort wohl wollte. Na klar, es kann nicht um menschliche Bedürfnisse gehen, wenn jemand innerhalb von knapp 2 Stunden 3x ...
Es soll ja welche geben, die müssen auch jede halbe Stunde (anderer Thread in einem anderen Forum).
Und dann nimmt er auch noch sein Smartphone mit! Konnte er es nicht zu Hause lassen oder wenigstens im Hotel oder auch beim SR? Fragen über Fragen. Und einem GM Siebrecht entweicht keiner! Er hatte bei der DEM 2010 schon Natsidis zur Strecke gebracht! Wusste das alles Falko Bindrich nicht? Geht völlig unvorbereitet auf das, was da kommen könnte, in so ein wichtiges Spiel!

Und dann dieses Schiedsgericht. Muss man denn wirklich so an den Formulierungen hängen und auf Paragraphen rumreiten, wenn das Präsidium eine deutliche Vorgabe als Maßstab zur Verfügung stellt? Wie kann sich ein SG, auch wenn ihm mindestens 1 oder 2 zum Richteramt Befähigte angehören, sein eigenes Präsidium so bloßstellen?
Oder ging es dem SG gar nicht um so etwas Profanes, sondern man wollte dem DSB und dessen Vertreter nur vor einem Ordentlichen Gericht eine noch größere Blamage ersparen?
Naja, egal wie es nun jeder sieht, etwas bleibt an FB schon hängen ...
Das Präsidium war diesmal kein zahnloser Tiger, konnte allerdings trotzdem das bereits in seinen Fängen befindliche Wild nicht erlegen.
Naja, inzwischen war Bundeskongress und künftig werden sich derartige Vorfälle nicht wiederholen und wenn ... nunmehr ist vorgesorgt!

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