Mit Feuereifer, im Hinterzimmer

Schach und Füchse - beide schaffen es nur selten in die Medien Schach und Füchse - beide schaffen es nur selten in die Medien OSt

Das erste Wochenende der Schach-Bundesliga ist vorbei – zwei Spieltage sind vorüber, und Baden-Baden liegt schon wieder vorne, direkt vor Altmeister Solingen. Glückwunsch!




Gratulation auch an Schachprinz Rasmus Svane, der den Ex-Bundeseröffnungstrainer Rustam Kazimdzhanov im späten Mittelspiel überfallen konnte und seinem Hamburger SK einen vollen Brettpunkt gegen ebenjene Baden-Badener erkämpfte – ein tolles Ergebnis für den früheren Lübecker.

Der Schach-Bundesliga e.V. hat von allen 8 Begegnungen wunderbar informiert, und wie immer war es eine Freude, die Partien unbeschwert im Netz zeitnah mit ansehen zu können. Auf der Seite der Liga stellte Georgios Souleidis auch sofort eine Zusammenfassung der Samstags-Runde ein –ein toller Service, denn neben den reinen Ergebnissen sind interessante Details zu den einzelnen Matches wohltuend und eine schöne Ergänzung. Das alles gibt es dort umsonst – man kann lesen, ohne zu zahlen, und sogar ohne Werbung in irgendeiner Form umschiffen zu müssen. Erstaunlich eigentlich, dass es so ist, aber auch sehr nobel von Seiten der Schach-Bundesliga. Herzlichen Dank dafür!

Kurios ist es dennoch - für viel Geld kaufen und fliegen die 16 Vereine ihre Spieler ein, die dann zwei Tage lang edles Bundesliga-Schach bieten, und das Ganze kann sich jeder kostenfrei im Netz ansehen. Ich bin nicht sicher, ob es bei anderen Sportarten ebenfalls so läuft. Beim Fußball zum Beispiel - bekommen die Vereine da nicht sogar Geld dafür, dass man ihre Spiele live sehen kann? Das gesamte Bundesligaschach wird dagegen quasi verschenkt. Warum werden die Bildrechte nicht einfach an Sky Sports verkauft?

Doch im Ernst: bei allem Bemühen der Bundesliga e.V. scheint sich kein einfacher Weg anzubieten, den Schachsport auf gute Weise zu vermarkten. Es ist, wie es ist - habemus randsport, wir sind Randsport, und als solcher trotz vieler Anstrengungen für die breite Menge kaum attraktiv zu machen in irgendeiner Weise. Ähnlich wie beim Turnschuhweitwerfen, Skat, Extrembügeln und Prellball will vom Schach kaum jemand etwas Genaueres wissen  - das ist nicht wirklich sehr schlimm, aber schade irgendwie schon.

Wir sind ein Sport für das verrauchte Hinterzimmer, und da könnte sich die Schach-Bundesliga wohl auf den Kopf stellen und an jedem Spieltag ein Feuerwerk abbrennen - ändern würde es wohl nichts am allgemeinen Interesse. Ungewöhnlich aber ist es doch, dass die Liga keinen Partner gefunden hat (oder finden will?), der sich die freie Werbefläche auf der Homepage zunutze machen möchte.

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Alle Spiele, alle Tore - die Schach-Bundesliga präsentiert sich in einer glänzenden Optik.

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Von Werbeflächen ist im Netz (leider?) nicht so viel zu sehen.

Doch wie sieht es aus bei den deutschen Schachspielern, der Kern-Zielgruppe für ein Bundesliga-Wochenende? Hat Schach-Deutschland den Atem angehalten zum Ligabeginn, oder gab es eher ein Schweigen im Walde?

Tatsächlich war es für interessierte Schachspieler und Laien erst einmal gar nicht so einfach, vom Auftakt der Bundesligaspiele zu erfahren. Hier sind einige Eindrücke vom ersten Wochenende der stärksten Liga der Welt. Wie breit war die allgemeine Berichterstattung im Netz?

- wir fanden einen einen schönen Vorbericht auf der Seite Schachbundesliga.de

- dagegen keine (in Worten: KEINE) noch so vereinzelte Meldung über den Saisonstart beim Schachbund. Stattdessen gab es dort einen Bericht über den Auftakt der Deutschen Amateurmeisterschaft in Bad Soden: „Fast 300 Amateure mit Feuereifer in Hessen am Brett“. Auch ganz schön – aber kann man den Beginn der Bundesliga einfach so übergehen? Die Antwort des Schachbundes lautet „Yes, we can!“. Es sind ja auch nur 128 Titelträger aus Europa, Berlin und der Welt, die in der ersten Liga mit Feuereifer am Brett sitzen – wahrscheinlich einfach keine Meldung, die man jetzt breiter auswalzen müsste.

 -     - à propos Schachbund – im Gegensatz zur Schachbundesliga kann man hier neuerdings viele Werbeflächen für alle möglichen Anbieter finden. Neben den drei Hauptsponsoren des Deutschen Schachs, der UKA (ich weiß irgendwie gar nicht, wer die sind), Honorarkonzept (dasselbe hier) und Chessbase gibt es dort zum Beispiel Informationen zu Fritz 13, Jörg Hickls Schachreisen und „ASS – Günstige Autos für den Sport“. Wirbt dort aber auch irgendwie die Schach-Bundesliga zum Saisonauftakt?
Ich habe nicht lange recherchiert, aber mein Eindruck war: Nein, sie wirbt nicht. Die Schach-Bundesliga – irgendwie scheint sie eine Art Geheimzirkel zu sein, der gar nicht viel Aufmerksamkeit erregen möchte. Das ist schade, denn das Produkt, das sie anbietet, ist einmalig und gut. Andererseits - warum sollte die Schach-Bundesliga für etwas werben, mit dem sie gar kein Geld verdienen wird? So gesehen ist es gar nicht mehr so unlogisch, dass beim Schachbund kein blinkendes Bundesliga-Banner zu sehen gewesen ist.

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-       Auch wenn es um Werbung in eigener Sache geht, hält sich die Schach-Bundesliga eher diskret zurück.

       - weiter geht´s: wir surfen zu Chessbase.de, dem großen Anbieter von Schach-Neuigkeiten im Lande. Und wirklich, wir haben Glück! Chessbase meldet sich zum Ligaauftakt mit einer kurzen, eher geballten Vorschau und anschließenden Links zu Presseberichten im Netz. Berichte zum Saisonstart gab es demnach unter anderem in den Zeitungen von Solingen, Forchheim, Bremen, Wiesbaden, Emsdetten, Trier und Wattenscheid.

Die Ergebnisse der Samstagsrunde fasst Chessbase ebenfalls kurz zusammen und verweist dann wiederum auf die schon erwähnte Seite der Schach-Bundesliga. Chessbase ist meines Wissens die am häufigsten genutzte Anlaufstation von interessierten Spielern auf der Suche nach schachlichem Input. Und tatsächlich, hier kann man fündig werden – so geheim scheint die Schach-Bundesliga dann doch wieder nicht zu sein.

 

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Vielleicht ist es an der Zeit, dass auch Schachspieler zu drastischeren Mitteln greifen, um Aufmerksamkeit zu erregen.

 

- Letzte Station: die überregionale Presse. Hat sich zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung in der letzten Zeit irgendwie mit Schach befasst? Es gab ja immerhin den Europapokal in Israel, den Bundesliga-Auftakt, den Werder- Monatsblitz im Oktober und die Schach-Olympiade in Istanbul …. aber (gääähn, gäääähn,) nichts dergleichen fand scheinbar den Weg auf die Online-Seiten der SZ.
Nun mag dies eine verfälschende Untersuchung mit grob manipulativen Absichten sein – aber es zeigt irgendwie doch den fehlenden Stellenwert eines Sports, den in Deutschland immerhin knapp 100.000 Menschen vereinsmäßig betreiben.

Ist es nicht kurios? Das sind die Themen bei SZ Online, wenn man das Stichwort „Schach“ eingibt:

-    a) 3 Google-Links führen die Liste an: „Schach kostenlos spielen“, „Schach online – kostenlos“, und „Schach spielen“. Für heute prüfen wir lieber nicht, was sich dahinter wohl alles verbirgt.

-    b) Nächster Eintrag: „Rasenschach – die Bundesliga-Taktikkolumne: Wie Schwedens Trainer die Wende schaffte“ (es geht wohl um das 4:4 vom letzten Dienstag ...). Na gut, das hat mit den 64 Feldern nicht so viel zu tun. Aber immerhin erinnert man sich unseres Sports …

-    c) FC Bayern in der Einzelkritik“ – eine schöne Meldung, aber ich verstehe nicht, warum sie an zweiter bis dritter Stelle bei den Schach-Meldungen auftaucht …

 -    d) Steinbrück wird Antworten finden“ – hier geht es schon irgendwie um Schach, denn FM (Finanzminister) Steinbrück hat ja damals die Weltmeisterschaft nach Bonn … aber das wissen wir schon. Gibt es nicht auch eine Meldung mit echtem sportlichem Inhalt – Schach-Olympiade oder so? Nein.

-     e) eine weitere „Rasenschach –Die Bundesliga-Taktikkolumne“ folgt als nächstes, und dann „Rasenschach –Die Bundesliga-Taktikkolumne“ gleich noch einmal hinterher: Thema diesmal: „Wie Dortmund sein Defensivproblem löst“. (Scheinbar hat es gegen Schalke leider noch nicht ganz geklappt.)

Und das war´s dann aber auch schon, mit dem Schach bei der Süddeutschen Zeitung, auf den großen Seiten im Netz zum Start der Schach-Bundesliga, und überhaupt.

Schade, doch es scheint uns gar nicht zu geben - 100.000 SchachspielerInnen und ihre erste Liga finden sich nicht in der Zeitung wieder.

Wie gut, dass wir das ohnehin schon gar nicht mehr erwartet haben.

Olaf Steffens

Olaf Steffens, Diplom-Handelslehrer, unterrichtet an einer Bremer Berufsschule. FIDE-Meister seit 1997, ELO um die 2200, aufgewachsen in Schleswig-Holstein. Spielte für den Schleswiger Schachverein von 1919 (moinmoin!), den MTV Leck (hoch an der dänischen Grenze!), den Lübecker Schachverein, die Bremer Schachgesellschaft und nun für Werder Bremen.

Seit 2012 Manager des Schachbundesliga-Teams des SV Werder Bremen.

Größte Erfolge:
Landesmeister von Schleswig-Holstein 1994, Erster Deutscher Amateur-Meister 2002, 5.Platz beim letztenTravemünder Open 2013, und Sieger des Bremer Hans-Wild-Turniers 2018.

Größte Misserfolge:
Werd´ ich hier lieber nicht sagen!

Größte Leidenschaften:
früh in der Partie irgendetwas mit Randbauern und/ oder g-Bauern auszuprobieren und die Partie trotzdem nicht zu verlieren – klappt aber nicht immer.

Kommentare   

#2 Olaf Steffens 2012-10-21 20:25
Danke für den Hinweis - es ist zum Davonlaufen, und es verleidet einem beinahe alle langen Partien.

Verdammte Handys, es ist eine Seuche. Gut, dass Sebastian Siebrecht gleich reagiert hat, und der Schiri ebenso.
#3 Thomas Richter 2012-10-21 21:47
Einige Ergänzungen:
Auf der Bundesliga-Livepage werden die Sponsoren der Vereine durchaus erwähnt, allerdings unten d.h. man muss scrollen was wohl nicht jeder macht (Olaf z.B. nicht). Zehn Vereine haben offenbar einen oder mehrere Sponsoren (da wechseln dann die Link-Banner), haben die sechs anderen eigentlich keine oder geheime Sponsoren? Letzteres oder generell Privatpersonen statt Firmen oder Kommunen hiesse dann wohl Mäzen!?
In der Kopfleiste wäre ja ein bisschen Platz, zumal wenn man auf das schön nichtssagende "Strategie und Emotionen" verzichten würde.

Einen Vorbericht gab es auch auf Chessvibes, da informieren sich wohl die internationalen Leser mit Interesse an der Bundesliga (auf 2700chess.com wird sie auch erwähnt).

Betrifft überregionale Presse: Hast Du, Olaf, die Süddeutsche Zeitung bewusst als (Negativ-)Beispiel ausgewählt? Anderswo (jedenfalls Zeit, FAZ und Neues Deutschland) wird zumindest gelegentlich über Schach berichtet.
#4 Olaf Steffens 2012-10-22 10:47
Die Mülheimer haben inzwischen Protest eingelegt für ihr Samstagsspiel gegen Eppingen:

http://www.derwesten.de/sport/lokalsport/muelheim/nord-legt-protest-ein-id7215988.html

@Thomas:
Moin, Recht hast Du, unter der Live-Übertragung tauchen einige Firmenlogos bei den teilnehmenden Vereinen auf. Die habe ich am Wochenende irgendwann auch zufällig entdeckt, nachdem ich schon ungefähr über eine Stunde die Partien verfolgt hatten. Sie stehen dort ein bisschen unglücklich, eigentlich ...vielleicht findet sich dafür noch irgendwo ein besserer Platz ...

Die Süddeutsche ist halb zufällig in der Auswahl gewesen. Sicher hat vor allem auch die FAZ (mit Berichten von Stefan Löffler, über Dortmund z.B.) immer mal wieder etwas drin mit Schach. Zum sportlichen Verlauf der Olympiade aber zum Beispiel war da nichts, und zur Bundesliga ... nun ja, auch nicht.

Vielleicht könnte der Schachbund die Zeitungen auch einfach mit Pressemitteilungen füttern - sie würden es bestimmt gerne nehmen. Aber dafür braucht man wieder Leute, Ressourcen, Zeit, und das ist so einfach nicht zu finanzieren.
#5 Olaf Steffens 2012-10-22 11:01
Team Norddeutschland 3 Punkte
Süddeutsche Spielgemeinschaft: 4 Punkte

Nachtrag: Beim Bundesliga-Tippspiel kann man noch einsteigen bis heute (Montag) abend um 23:52 Uhr - die Frist wurde verlängert.

http://www.schach-welt.de/BLOG/Blog/WerkannDeutscherMeister

Zwischenstand nach dem 1.Wochenende:
#6 Thomas Richter 2012-10-22 18:42
Noch ein paar Gedanken zur Medienresonanz: Als Suchbegriff hat Schach eben das Problem - wenn es ein Problem ist - dass der Begriff auch anderweitig verwendet wird: da werden Fussballteams (oder auch politische Gegner) im Schach gehalten, und ich fand sogar Artikel zum Schach(t) Konrad! Gleiches gilt für Marathon - da findet man auch den einen oder anderen Verhandlungs- oder PR-Marathon - aber nicht für Handball oder Volleyball.

Ansonsten ist Schach aber eben eher für Eingeweihte: Um beim Marathon zu bleiben, der in Amsterdam gestern lieferte genug Schlagzeilen die auch relativ ahnungslose Journalisten und Leser kapieren: Rekordanzahl Teilnehmer aus 82 Ländern, neuer Streckenrekord bei Herren und Damen, und ein Holländer lief die drittbeste NL-Zeit jemals und die fünftbeste eines Europäers anno 2012.

Und im Schach? Die beste Partie aller Zeiten, das bleibt Geschmackssache. Die höchste Elozahl - "Elo, kann man das essen?". Am ehesten ginge letztes Wochenende noch "norddeutsches Jungtalent besiegt Ex-Weltmeister" - aber da hat Olaf recht, mit solchen Fakten müsste man die Massenmedien füttern. Und, im Gegensatz zu den von mir erwähnten Fakten zum Amsterdam-Marathon, konnte man damit nicht gerade (vorab) rechnen.
#7 Helmut 2012-10-22 18:53
Zur internationalen Medienresonanz: zumindest was das Jungtalent angeht hier ein schöner Bericht:
kevinspraggett.blogspot.ca/2012/10/tactics-and-potpourri.html mit der Überschrift "The wild horse"
und dem Kommentar "I love this Knight!"

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