Samstag, 25 Dezember 2010 09:35

Regeln im 19. Jahrhundert

Das erste Internationale Schachturnier startete am 26. Mai 1851 in London. Die Einzelheiten wurden von Howard Staunton in seinem Buch "The Chess tournament-London 1851" beschrieben: 16 der besten Spieler der Welt kämpften im "Knockout" Format und ohne Schachuhren oder Zeitkontrollen für fast zwei Monate. Der Gewinner hieß Adolf Anderssen und ging nach Hause mit 183 Pfund. Mich faszinieren die damaligen Regeln die Staunton festgelegt hatte. Unentschiedene Partien zählten nicht, die Spieler sollten acht Stunden spielen und dann abbrechen. Wer mehr als eine halbe Stunde zu spät kam, musste eine Strafe von einem Guinea zahlen. Da keine Rangliste existierte, kam es zu unerwünschten Paarungen wie zum Beispiel Anderssen-Kieseritzky in der ersten Runde. Anderssens Gegner im Finale war der unbekannte Amateur Wyville. Noch eine Kritik war das manche Spieler ewig lang überlegten.
Bei dem Londoner Turnier von 1883 versuchte man einige dieser Probleme zu beseitigen. Es war ein doppelrundiges Rundenturnier – nur die ersten zwei unentschiedenen Partien wurden verworfen, die dritte zählte. Johannes Zukertort machte 22/26. Angeblich verlor er die letzten drei Partien weil er den Stress nicht ausgehalten hat und seine Nerven mit Opium beruhigte. Doping Kontrollen gab es offensichtlich auch nicht.
Die größte Innovation war jedoch die von Thomas Wilson erfundene Schachuhr. Jetzt kam Schwung in das Schachspiel. Es wurde natürlich nicht an Wochenenden oder Feiertagen gespielt und die Zeitkontrollen waren, verglichen mit heute, nicht stressig – 15 Züge pro Stunde.
Im Jahre 1929 legte die F.I.D.E Regeln fest, die sich wenig änderten bis ich anfing Schach zu spielen. Man spielte 40 Züge in zweieinhalb und dann 16 pro Stunde. Nach fünf Stunden wurde abgebrochen, man hatte Zeit für das Abendessen, analysierte ein bisschen und spielte weiter. Es gab auch reichlich Ruhetage. Jetzt hat jedes Turnier eine andere Zeitkontrolle, manchmal werden neun Runden an fünf Tagen gespielt. Und wir wissen alle was Doppelrunden bedeuten: Morgenrunden!
Das "London Classic 2010" Turnier hatte acht Spieler, sieben Runden.
Also lieber Leser/Leserin, welches Turnier wünschen Sie sich für Weinachten? Wer weiß, vielleicht liest Santa Klaus ihren Wunsch.
Anmerkung der Redaktion: Stauntons Turnierbuch ist in einer deutschen Übersetzung als Bd. 8 der Schachklassiker erschienen: http://www.schachklassiker.de/band8.html
Donnerstag, 23 Dezember 2010 10:35

Shogi - das bessere Schach?

In Kontakt mit Shogi, der japanischen Variante des uns bekannten Schachs, kam ich auf einer Jugendeuropameisterschaft in Holland. Mein Sekundant, Gerald Hertneck, nahm an dem parallel ausgtragenen Open des dortigen Shogi-Clubs teil und brachte mir das exotische Spiel näher. Als nahezu gleichwertige Schachspieler verliefen unsere Kämpfe ausgewogen. Leider folgte mangels Spielpartner eine gut einjährige Pause bis sich wieder die Gelegnheit bot, mit Gerald die Klingen zu kreuzen. Nach dem ersten gewerteten Turnier erklärte mir die neue Nummer 20 der europäischen Rangliste, dass er große Fortschritte in der Shogi-Theorie erzielt habe - der "Bär im Loch" wäre seine Spezilität. Nichtsdestotrotz gingen die ersten beiden Partien an mich (but, they ever come back).
Das kurzweilige Spiel zog uns beide in den Bann und ich möchte die Gelegnheit nutzen, es jedem spieleinteressierten Menschen ans Herz legen. Seine Verwandschaft zum Schach ist erheblich, wobei der größte Unterscheied wohl in der Möglichkeit des Einsetzens geschlagener Figuren un der damit verbunenen Taktiklastigkeit besteht. Für jeden Schachverein bietet es eine ideale Ergänzung zur traditionellen Variante an. SCHACHWELT bietet deshalb auf der Website einen neuen Bereich "Shogi", der über Regeln und Wissenswertes informiert.
Hier übergebe ich nun an Oliver Orschiedt, der in Zukunft diese Rubrik betreut.
Jörg Hickl


In meiner Jugend war ich viele Jahre aktiver Schachspieler. Mit Anfang zwanzig - ich war mit einer Spielstärke um die 1900 weder besonders gut noch besonders schlecht - ließ die Begeisterung etwas nach. Da bist Du den ganzen Sonntag mit der Mannschaft unterwegs, spielst diese endlos langen Partien, die dann doch nur unentschieden ausgehen, und die Mannschaft verliert 3,5 zu 4,5. Das war einfach frustrierend. Dazu neue Interessen, Studium und Freundin - ich gab das Schachspielen auf.

Fünfzehn Jahre vergingen. Studienabschluss, Beruf, Familiengründung. Du könntest doch mal wieder Schach spielen! Turnierpartien waren mir immer noch zu langweilig. Ich spielte ein bisschen Fernschach, ein bisschen im Internet und schaute auch mal für das ein oder andere Blitzturnier in einem Schachklub vorbei. Eine Internetbekanntschaft von irgendeinem Schachserver spielte eines Tages in Pardubice/Tschechien das große Open mit. Ich verfolgte das auf der Webseite des Veranstalters. Dabei stolperte ich zufällig über die Information, dass auf der gleichen Veranstaltung neben Scrabble, Bridge und zahlreichen anderen Spielen auch die Europameisterschaft im Shogi ausgetragen wurde. Shogi - was ist das? Ich war verblüfft zu erfahren, dass das auch eine Schachvariante ist und begann mich näher damit zu beschäftigen.

Es gab Könige, Türme, Läufer, Bauern und Springer, aber auch so komische Dinger wie Lanzen und Generäle. Kein Remis? Das war schonmal interessant. Figuren wieder einsetzen? Cool - Tandem fand ich eigentlich auch kurzweiliger als Turnierschach. Japanisches Schach mit einem System von 150 vom Verband bezahlten Vollprofis in Japan, die von ihrem Gehalt tatsächlich auch leben können. Ob das unsere Schach-Bundesliga da mithalten kann? Zwei Stunden für eine typische Turnierpartie in Europa? Das hört sich gut an. OK, wo kann ich das spielen? Stuttgart, München - toll, ich komme aus Ludwigshafen. Dann eben mit dem Computer! Das Spielen mit der frei erhältlichen Software Shogivariants hat mir immerhin ein paar Wochen Spaß gemacht und mir genug Praxis gegeben mich mal auf einem Spieleserver online gegen Menschen zu versuchen. Ich stellte fest: das Spiel macht ja richtig Spaß! Es ist wie Schach, nur schien auf dem Brett wesentlich mehr los zu sein.

Ich beschloss die Schachszene meiner Heimat zu infizieren und im Rhein-Neckar-Raum eine stabile Shogiszene aufzubauen. Tatsächlich fanden sich unter meinen Schachfreunden ein gutes halbes Dutzend Leute, die sich für die Idee begeistern ließen. Wir besorgten Material und begannen Spielabende zu organisieren. Das war vor fünf Jahren. Inzwischen sind wir etwas gewachsen, haben eine eigene Webseite und Shogi ist jetzt fester Bestandteil des Oberliga-Schachklubs Ludwigshafen 1912 geworden. Wir haben 2010 zehn Turniere in Ludwigshafen organisiert, unter anderem die Deutsche Jugendmeisterschaft. 2011 sind wir Gastgeber der Europameisterschaft und erwarten den Besuch einiger Profis.

Shogi Deutsche Jugendmeisterschaft 2010

Die meisten aktiven Shogispieler Deutschlands spielen Schach. Einige Titelträger und Spieler mit Bundesligaerfahrung sind darunter. Die Einschätzung "Shogi ist ja eigentlich das bessere Schach, aber es wird hier halt zu wenig angeboten" wird selbst hie und da von stärkeren Schachspielern geäußert. Die Auffassung muss man natürlich nicht teilen. Aber vielleicht lohnt sich doch mal ein Blick auf diese hierzulande noch ziemlich exotische Schachvariante.

Vor einigen Tagen rief mich Jörg Hickl an und bot mir die Mitarbeit hier im Blog an. Ich habe spontan zugesagt und möchte Euch in der nächsten Zeit regelmäßig vertiefende Informationen zum Thema Shogi geben. Hier auf SCHACHWELT gibt es unter dem Menüpunkt Spezial/Shogi ein paar weitere Erläuterungen und die Erklärung der Regeln. Wer sich für die Geschichte und die Szene in Japan interessiert, kann mal bei shogi.de vorbeischauen und von dort weitersurfen. Die besten Infos zur Spielszene in Deutschland findet man auf shoginet.de.

Montag, 20 Dezember 2010 01:39

Georg Siegel - Nachruf

Georg - der Meister der Leichtigkeit
Georg Siegel, der vor kurzem durch einen Unfall an der Dreisam tragisch verstarb,  war nach meinem Empfinden ein Wanderer zwischen den Welten – nie wusste man genau ob er sich auf dieser materiellen Welt wähnte oder bereits in einer höheren Ebene weilte. Die Leichtigkeit, mit der er das Leben nahm, war für Normalsterbliche manchmal unerträglich – und zwar sowohl im Schach, als auch im Leben. Was ich damit meine: im Schach konnte er seine Gegner zur Verzweiflung bringen durch scheinbar mühelos herausgespielte Siege. Im Leben konnte er auf Sicherheit bedachte Menschen zumindest sehr nachdenklich machen, da ihm eine bürgerliche Existenz völlig gleichgültig schien. Aber dies geht noch einen Schritt weiter: fast jedes Spiel, das er lernte, beherrschte er meisterlich, scheinbar wieder ohne sich groß anstrengen zu müssen. Diese unerklärliche Leichtigkeit des Seins: auf einer geistigen oder emotionalen Ebene schien ihm der Erfolg nur so zuzufliegen, nur nicht der materielle Erfolg, den er aber wohl auch nie wirklich anstrebte. Natürlich hatte ich auch von seiner schweren psychischen Erkrankung gehört, die ihn wohl auch sehr bittere Momente durchleben ließ. Allein, auf diesem Weg kann man einem Menschen nicht folgen, sondern muss die Verzweiflung selbst durchlebt haben, um sie voll zu verstehen.
Menschlich habe ich Georg immer sehr geschätzt, aber auch gemerkt, dass wir auf ganz verschiedenen Wellenlängen lagen. Ich denke mir oft, wenn ich in Freiburg und nicht in München gelebt hätte, dann hätten wir sicher zusammen viel Zeit verbracht und viel miteinander gespielt, und ich hätte mich wohl auch noch mehr für Spiele wie GO oder Bridge interessiert, die er offensichtlich mit gleicher Leidenschaft betrieb wie Schach. Ich fragte ihn einmal wieso das so sei, und er meinte, dass ihn Schach allein nicht ausfülle. Bei mir war es immer anders herum – die Liebe für Schach ist in meinem Herzen so groß, dass für andere Spiele wenig Platz bleibt.
Georgs schachlich beste Zeit fällt in die 90er Jahre, im Jahr 1994 wurde er zum Internationalen Meister ernannt. – da war er aber schon Anfang 30, und es war eigentlich zu spät, um noch Großmeister zu werden, was mit Sicherheit immer sein Ziel war. Andererseits hatte er zeitweise auch über 2500 Elo, was sein Ausnahmetalent belegt. Ich lernte Georg kennen, als er Mitte der 80er Jahre für die Schachabteilung des FC Bayern in der Bundesliga tätig war, leider nur eine kurze Zeit, weil er aufgrund privater Probleme die Mannschaft verlassen musste. Ich habe dies immer bedauert, aber andererseits konnte er so wieder seinen Heimatverein Zähringen verstärken, der damals eine feste Größe in der Bundesliga war. In den letzten Jahren war Georg schachlich nicht mehr so aktiv, und ist daher leider in unserer schnellebigen Schwachwelt ein bisschen in Vergessenheit geraten. Dabei hat er am Schachbrett doch wahre Kunstwerke geschaffen! Nach ein bisschen Recherche auf Chessbase fand ich folgendes Kunstwerk, das seine sterbliche Existenz hoffentlich überdauern wird:

Siegel,Georg (2480) - Christiansen,Larry (2590)

Bundesliga 1995

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 a6 5.c5 g6 6.Lf4 Sbd7 7.h3 Se4 Vielleicht legt Larry mit diesem Zug bereits das Fundament für seine späteren Schwierigkeiten. 8.e3 Lg7  

siegel1a

9.Le2!? Eine interessante und auch ein bisschen überaschende Neuerung. Alle Vorgänger griffen hier zu 9.Sxe4 dxe4 10.Sg5, doch nach  10...e5 11.dxe5 Da5+ 12.Dd2 Dxd2+ 13.Kxd2 Sxc5! gleicht Schwarz aus. 9...0–0 10.0–0 Sxc3 11.bxc3 Da5 Die schwarze Dame begibt sich auf Abwege. Stärker ist vielleicht 11...e5 12.Lh2 Te8, doch Weiß steht in jedem Fall besser. 12.c4 dxc4?! Besser 12...e5 13.Lg3 exd4 14.exd4 Sf6, denn wenn der weiße Läufer erst einmal auf c4 steht, ist die Partie für Schwarz kaum noch zu retten. 13.Lxc4 e5 14.Lh2 b6 Oder 14...exd4 15.exd4 Sf6 16.Db3 15.Sg5 exd4 Die Alternative 15...bxc5 16.Sxf7 Sb6 17.Sxe5+ Sxc4 18.Sxc4 ist auch nicht gerade prickelnd.

 
siegel2a

16.Lxf7+! Ein Angebot, das Larry wegen Db3 schlecht annehmen kann. 16...Kh8 17.Ld6 Die schwarze Stellung liegt bereits in Trümmern. 17...dxe3 Ich denke, die letzte Verteidigungschance bestand in 17...bxc5 18.Lxf8 Sxf8 19.Lc4 h6 20.Sf7+ Kh7, auch wenn der weiße Vorteil unbestreitbar bleibt. 18.fxe3 Dc3 19.De2 Spätestens nach diesem stillen Zug ist die schwarze Stellung nicht mehr zu retten. 19...bxc5 19...Sxc5 20.Lxf8 Lxf8 21.Lxg6 20.Tac1 Da3 21.Lb3 h6 21...Tf5 22.Dc4 Sf6 23.Txf5 Lxf5 24.Dg8+ 22.Lxf8 1–0 Aufgegeben wegen der tödlichen Drohung Dc4. Man beachte, dass Georg in nur 22 Zügen mit unglaublicher Leichtigkeit einen zu dieser Zeit gefürchteten 2600er Großmeister bezwang! Mir gelang dies nicht ein einziges Mal. Das meine ich eben mit der Leichtigkeit...

Zum Abschluss möchte ich den Nachruf von Georgs langjährigen Mannschaftskameraden Christian Maier zitieren, der noch viele weitere interessante Informationen enthält.


Freiburg trauert um sein größtes Schachtalent

Georg Siegel wuchs als eines von sechs Kindern in Freiburg Haslach auf. Mit nur 11 Jahren trat er dem Schachklub Freiburg-West bei, in der damaligen Zeit ein ungewöhnlich junges Alter. Schon ein Jahr später erlegte der schmächtige, etwas blasse Junge seine erwachsenen Gegner reihenweise beim Blitz- und Turnierschach, sodass er schon in der darauffolgenden Saison 1975/76, dann 13-jährig, der Verbandsliga-Mannschaft angehörte. Zu dieser Zeit spielte er noch in einer anderen Sportart äußerst erfolgreich bei den Erwachsenen - im Tischtennis!
"Georgie", wie sie ihn bald alle nannten, war wissbegierig, selbstbewusst und mit einem gerüttelt Maß Frechheit (er duzte die meisten Erwachsenen im Verein schon mit 12) und Killerinstinkt versehen. Er hatte eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe, ließ sich leicht für alles Neue begeistern und erreichte bei jedem neu erlernten Spiel schnell Meisterstärke, ob das im Skat, Backgammon, Doppelkopf, Bridge oder Go war, spielte keine Rolle. Seine Spielanlage war tief, aber er war auch immer bereit, ein gewisses Risiko einzugehen, und in vermeintlich ausweglosen Situationen entpuppte er sich als besonders erfinderisch und drehte so manche verloren geglaubte Partie im letzten Moment.
Nach dem Erringen des Badischen Jugendmeistertitels gelang Georg Siegel 1980 im Schach der große Durchbruch: In Saarbrücken wurde er überraschend Deutscher Jugendmeister, vor zahlreichen späteren Großmeistern. Im selben Jahr erzielte er am fünften Brett des gerade in die einteilige Bundesliga aufgestiegenen SK Zähringen mit 10 Punkten aus 15 Partien das beste Ergebnis und hatte damit großen Anteil am sensationellen 8. Platz der Freiburger. Auch in den folgenden Jahren und nach seiner Rückkehr zu Zähringen in den 90er Jahren, war er eine wichtige Stütze für die Bundesliga-Mannschaft.
Dank des Erfolges bei der Juniorenmeisterschaft und seines ungemeinen Talents wurde er vom Deutschen Schachbund (DSB) stark gefördert, er nahm 1981 erfolgreich an den Jugend-Europameisterschaften in Groningen und an den Weltmeisterschaften in Mexico City teil. Dort gelang es ihm auch, den inoffiziellen Titel des Jugend-Blitzschach-Weltmeisters zu erlangen, als er das Blitzturnier aller Teilnehmer gewann. Der DSB schickte Georg zu zahlreichen weiteren Einladungsturnieren, u.a. nach Kuba. Durch seine Erfolge zog er naturgemäß auch das Interesse anderer deutscher Bundesliga-Vereine auf sich, so spielte er einige Jahre für die Schachabteilung des FC Bayern München, mit dem er in der Saison 1984/85 auch Deutscher Mannschaftsmeister wurde.
Bereits im Sommer 1982, gerade 20 geworden, wurde sein steiler Aufstieg im Schach unterbrochen durch eine plötzlich einsetzende und ihm dann über die Jahre immer wieder zusetzende psychische Erkrankung, die er nur widerwillig ertrug, setzten doch die Medikamente seine Leistungsfähigkeit stark herab. Sie hinderten ihn letztlich auch daran, in einem "richtigen" Beruf Fuß zu fassen.
Dennoch gab es immer lange positive gesündere Phasen, die es Georg ermöglichten, über viele Jahre schachlich sehr erfolgreich zu sein. 1994 wurde Georg Siegel der Titel eines Internationalen Schachmeisters verliehen, und im Jahr darauf gewann er überlegen die deutsche Schnellschachmeisterschaft in Essen. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er dann auch zu Beginn der zweiten Hälfte der 90er Jahre, als er einige Turniere gewann (das wichtigste im Dezember 1996 in Zürich), auf zahlreichen Deutschen Meisterschaften auftrat, mehrfach Badischer Blitzschachmeister wurde und seine Elo-Zahl eine Höhe von 2540 erreichte, womit er damals im Deutschland nach der Wende zu den 15 - 20 besten Schachspielern gehörte.
Georg war über Jahre Mitglied in vielen Vereinen der Region, auch in Frankreich und in der Schweiz; zuletzt spielte er wieder für den SK Freiburg-Zähringen, der ihm über viele Jahre als Schach-Heimat diente. Neben den Schachvereinen frequentierte er auch die regionalen Bridge-, Go- und Backgammonvereine und war dort ein respektierter Gegner und Partner.
In den letzten Jahren konnte man eine Verschlimmerung der Krankheit beobachten, die sich u.a. auch durch eine zunehmende Zerstreutheit und Gleichgültigkeit, zuweilen auch Gereiztheit ausdrückte - was war wirklich noch wichtig für Georg? Sein abrupter Abtritt von der Lebensbühne mit gerade 48 Jahren kann auch eine Erlösung für ihn sein und passt irgendwie zu "Georgie", ein Dahinströmen mit unbekanntem Ziel.
Die Schachgemeinde Freiburgs und ganz Deutschlands trauert um eines seiner größten Talente, einen guten Freund und lieben Menschen, und spricht seiner Familie ihr tiefstes Mitgefühl aus.
Samstag, 11 Dezember 2010 16:32

Frauenpower pur!

 Bei der laufenden Frauenweltmeisterschaft in der Türkei fand ich eine herrliche Kombinaton, die mich wieder mal in meinem Eindruck bestärkt hat, dass das Frauenschach im letzten Jahrzehnt gewaltige Fortschritte gemacht hat. Die Stellung ab dem 1. Diagramm hätte ein Weltklassespieler mit 2700 Elo nicht besser spielen können. Über die Spielerin Baira Kovanova kann ich leider wenig sagen, da ich den Namen zum ersten Mal gelesen habe. Auf ihrem Photo auf der FIDE Rating-Seite lächelt sie uns jedenfalls an wie eine glückliche Chinesin, Mongolin oder Tartarin... Doch lassen wir lieber die Partie für sich selbst sprechen.

Kovanova,Baira (2380) - Pogonina,Natalija (2472) B50
2010 WWCC Antakya (2.23), 05.12.2010
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lc4 Sc6 4.0–0 Sf6 5.De2 e6 6.c3 Le7 7.Lb3 0–0 8.d4 Dc7 9.dxc5 dxc5 10.e5 Sd7 11.Lf4 Td8 12.Sbd2 Sf8 13.Tad1 b6 14.Lg3 Lb7 15.Se4 Txd1 16.Txd1 Td8 Die Eröffnung ist Pogonina eher misslungen, da alle Stellungsvorteile bei Weiß liegen. Die schwarzen Hoffnungen liegen im Abtausch, aber es kommt anders.

kovapogo1

17.Sf6+!
Das offensichtliche 17.Sd6 hat auch einiges für sich, aber der Textzug ist noch stärker. 17...Kh8? Vielleicht bereits der Verlustzug. Erforderlich war 17...gxf6 18.exf6 Txd1+ 19.Lxd1! (19.Dxd1 Dd8 20.fxe7 Dxd1+ 21.Lxd1 Sxe7) 19...Dd8 (19...Ld6? 20.Dd2!+-) 20.fxe7 Sxe7 was den Schaden noch einigermaßen in Grenzen gehalten hätte. Vielelicht war auch 17...Lxf6 18.exf6 Txd1+ 19.Lxd1 Dd8 20.fxg7 Kxg7 21.Lc2± etwas besser. Aber  gut dass der König in die Ecke ging, denn sonst wäre die folgende Kombination leider nie ans Tageslicht gekommen.  18.Sg5 Txd1+ 19.Dxd1! Sd8 Überraschenderweise bereits der einzige Zug, denn nach 19...gxf6 20.exf6 Dd7 21.Sxf7+ Kg8 22.Sh6+ Kh8 23.Dg4 gewinnt Weiß sofort. 20.Dh5! Natürlich spielt sich die Stellung für Weiß bereits wie Butter, aber das Beste kommt erst noch!
kovapogo2

20...gxf6
Pogonina musste bereits in den sauren Apfel beißen, denn nach 20...h6 21.Sxf7+ Sxf7 22.Dxf7 gxf6 23.exf6 Ld6 24.Dxf8+ Lxf8 25.Lxc7 kann Schwarz aufgeben. 21.exf6 Dc6! Schlau verteidigt. Pogonina setzt ihre Hoffnung auf die Matt-drohung auf g2, aber die Rechnung geht nicht auf! Die Widerlegung ist allerdings sehenswert.
kovapogo3
22.Ld5!! Eine herrliche Kombination, die im Endeffekt in einer Bauerngabel auf die beiden Springer mündet. Wie kommt man am Brett auf solche Züge? Vielleicht wollte unsere Heldin einfach das Matt auf g2 vermeiden. 22...De8 Die Pointe besteht offensichtlich in der Abwicklung 22...Dxd5 23.Sxf7+ Sxf7 24.Dxd5! (Damentausch, das ist der Witz) 24...Lxd5 25.fxe7 und der Bauer wandelt sich zur Dame um. Und auch nach 22...exd5 23.fxe7 De8 24.exf8+ Dxf8 25.Dxh7 matt ereilt die Schwarze das tragische Schicksal. 23.Dh6 Lxf6 24.Dxf6+ Kg8 25.Le5 1–0 Chapeau!
Donnerstag, 02 Dezember 2010 16:13

Winning democratic elections in FIDE

About ten days ago chess World was shocked by New York Times allegations of the Turkish Chess Federation (later TCF) president Ali Nihat Yazici buying votes of the delegates in order to win chess OL 2012 in Istanbul. The revelation itself (strange enough) came from the TCF financial audit where it stated that TCF president has spent approx 90.000,-euros for the delegates travel, stay and other costs.

Confronted with the issue Mr. Yazici admitted to NY Times that though he did help delegates (who otherwise could not have come) with their travel, he did not spend a single cent for the delegates airfares! Such a contradiction in a one single statement can only mean that a) guy is overconfident in his political position  or b) he is completely insane or c) (the most likely in this case) both.

How do you help someone travel from point A to point B without spending any money on his travel? The best solution I would suggest would be using a famous Aladdin Flying Carpets (probably Ali Nihat found them in Grand Bazaar).

Situation heated up and last weekend TCF had a general assembly in order to approve the financial statements and money spent. Being a true patriot Mr. Yazici honestly admitted that in order to serve a Turkish national interest and bring the Olympiad to Istanbul he should be allowed to bribe.

Fortunately for Ali Nihat 67(out of 119) TCF assembly members have agreed that in order to serve the best of the National interests TCF president should indeed be given a James Bond kind of licence.

Buying votes has been a matter of speculation for many years within FIDE and natural question is : did TCF president “stimulate” delegates to vote only on the Istanbul 2012 OL issue or is it a wide practice going as far as FIDE Presidential elections?

I would say that buying votes, buying people, is not a matter of situation - it is a matter of character.

In Torino 2006, former SWIFT president, Belgacom CEO, accomplished business leader and a known chess mecena Dutchman Bessel Kok decided to run for FIDE president and in the democratic election defeat the current autocratic FIDE president and finally bring to the chess community everything Western values stand for. Naturally, Bessel could not do it alone, so his newly formed team included two impeccable freedom fighters. Two personalities led by principles, turning down any potential bribes and ready to sacrifice everything for the values they stand for. Those two freedom fighters were Ali Nihat Yazici and Geoffrey Borg. According to Mr. Yazici story, current FIDE president has in 2006 election offered him a different sort of bribes - Vice president position within FIDE, direct cash, than even more cash…you name it. True to himself and his principles, freedom fighter Mr. Yazici turned down all this indecent proposals.

Today both of our freedom fighters belong to the inner FIDE circle. Mr. Borg having had a different well paid FIDE top functions, while Mr. Yazici is currently FIDE Vice presidents and one of the strongest supporters of everything he (as a freedom fighter) in 2006 fought against.

According to his own statements, after 2006 election, Mr. Yazici finaly saw” the light” and recognized the genious of the current FIDE president.

Now, we come to the second part of the “democratic election”, OK you have a budget to spend for “the higher cause”, you have unmistakenly identified the target (after all you are top professional there, veteran with  years of experience),but how do you ensure that the agrrements would hold and “the right cause” be supported, because…..you know…..people..could be…. treacherous.

So, (now comes the best part), in order to ensure  “the legitimate” voting procedures, you take the proxy of your “business partner”. Country of my birth, Bosnia & Herzegovina, has recently entered this grey alley. Having, a close historic ties with Turkey and being one of the brotherly nations Bosnian ailing chess federation recently received a financial help (approx 25.000,-euros) from the big Turkish brother.

Naturally, even without  this financial injection Bosnia would have supported the interests of its Turkish brothers.

Also, it would have been terrible if Bosnian official delegate would make a mistake in the voting box crossing a wrong political option (because, you know….vote is secret). So, what we do, (to ensure the correct decision and no mistake in proceedings),…. while official Bosnian delegate (and federation vice president) is underway to Khanty, Ali Nihat already has Bosnian voting proxy.

At the FIDE congress itself , Bosnian delegate Mr. Bogut, turns out to be a loose cannon and (can you believe it !) decides to show up and would even like to vote (also having a major argument with TCF president and proxy behind ones back practice)

True to himself, a freedom fighter, and a staunch democracy supporter Mr. Yazici, naturaly withdraws given proxy and happily allows the present delegate to vote.

During the OL in Khanty I have heard about a dozen of similar stories, only this time without loose cannons