Michael Prusikin

Michael Prusikin

Mittwoch, 01 Dezember 2010 11:32

Nobody is perfect

Am 20.11.2010 trafen in der ersten österreichischen Bundesliga die Mannschaften Styria Graz und Wüstenrot SIR Salzburg aufeinander. An der Tatsache, dass die Begegnung am Spitzenbrett GM Henrik Teske (2520) gegen GM Michael Prusikin (2527) lautete, kann man deutlich erkennen, dass beide Mannschaften akut abstiegsgefährdet sind.
 
Nach einem, sagen wir mal, wechselhaften (OK, „völlig niveaulos“ wäre sicher treffender, muss aber zensiert werden, um das Ansehen zweier gestandenen Großmeiser nicht zu untergraben) Verlauf entstand bald nach der ersten Zeitkontrolle immerhin eine ganz unterhaltsame Stellung:

Teske H. - Prusikin M.
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42...Df6!
ausnahmsweise erkannte ich die richtige Idee, der Zug ist nicht nur trickreich, sondern sogar objektiv der stärkste! 43.d6 schlicht der einzige, das Schlagen auf d1 verliert:  43.Lxd1 Lc3! 44.Txc3 Dxc3! - die Pointe von 42...Df6. Nun versuchte ich angestrengt, die Folgen von 43...Dxd6 und 43...Lc3 zu berechnen. 20 von den verbliebenen 25 Minuten waren verstrichen, als ich von meinen Qualen dadurch erlöst wurde, dass sich unsere Führung auf 3:1 erhöhte (in Österreich wird an 6 Bretter gespielt, muss man wissen). Denn immerhin habe ich inzwischen erkannt, dass ich mit 43...Dxd6 kein Risiko eingehe, während mir 43...Lc3 eher gefährlich erschien. Erleichtert griff ich zur Dame: 43...Dxd6 Nach kurzem Nachdenken Schlug Henrik auf d1 und bot gleichzeitig Remis an. 44.Lxd1 Eine kurze Analyse zeigt, dass unsere Stellungseinschätzung richtig war: 44.Lxd1 Dc6 (44...exd1D 45.Dxd1 Dc6 46.Kg2 Te3 47.Lf2 Txf3 48.Dxf3 Dxf3+ 49.Kxf3 Lxf2 50.Kxf2 a5=) 45.Lxe2 Te3 46.Kg2 De4 47.Ld1 Txe1 48.Kh2 a5 49.h4= ½–½
Auch als korrekt erwies sich die Entscheidung, von 43...Lxc3 Abstand zu nehmen: 43...Lc3? 44.Dd5+ De6 45.Txc3 Sxc3 (45...Dxd5+ 46.cxd5 Sxc3 47.d7 Td8 48.Lxc3 Txd7 49.Kg2+-) 46.Dxc5+-
Leider musste ich mir von Rybka aber auch noch ein großes ABER zeigen lassen!
Was ich nämlich gar nicht ahnte (nicht ahnen konnte?!) war die Tatsache, dass es im 43 Zug einen dritten Kandidatenzug für Schwarz gab, der die Partie glatt gewinnt! Genießen Sie einfach die folgenden Varianten:

 

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43...Te6!! 44.d7 (44.Lxd1 Lc3!–+) 44...De7!! 45.d8D Dxd8 46.Lxd1 exd1D (46...De7!? Ist schöner, aber weniger genau, weil das Endspiel nach 47.Lc2 Db7 48.Kg2 Te3 49.Dxe3 Lxe3 50.Ld3 De7 51.Lxe2 Lxf4 52.Kf2 Le5 53.g4 eventuell gar nicht gewonnen ist) 47.Dxd1 De7 48.Ld2 Te2 49.Lc3 De4! 50.Dd3 Tc2! 51.La5 Tb2 mit vollständiger schwarzer Domination.

Meine Lehren aus diesem Fragment:
  1. Der Mensch (ja, ich meine in erster Linie mich selbst, aber die Verallgemeinerung scheint mir hier auch nicht ganz falsch zu sein) ist unvollkommen.

  2. Die Viecher können sehr wohl eine Bereicherung sein – von wegen Tod des Schach durch die Engines! 

  3. Schach ist ein faszinierendes Spiel!

    In diesem Sinne – bis zum nächsten Mal!