
Mein Weg zum ACO-Vize-Weltmeister
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MeinWeg zur Vizeweltmeisterschaft der Amateure -Kategorie D-
Seit einigen Jahren bietet die ACO eine eigene Weltmeisterschaft für Amateure an. Ich entschloss mich zu einer Teilnahme auf Rhodos, da Urlaub und Schach eine willkommene Kombination ergibt.
Von einer Amateur-WM im Boxen hat man mal was gehört, auch im Billard und Wellenreiten (!?) soll es einen derartigen Wettbewerb geben, warum also nicht im Schach? Die Startrangliste D ergab einen Platz 18. Mit der "Bestätigung" dieses Platzes in der Endtabelle wollte ich mich aber nicht zufrieden geben, da ich zuletzt. Zuschauer diverser online-Lektionen war (siehe z.B. schach-seminare.eu) und ich mich daher "gut bewaffnet" fühlte.
Meine wichtigste Vorgabe war, möglichst nie die Kontrolle über die Stellung zu verlieren, um ein Hauen und Stechen mit Spiel auf 3 Ergebnisse zu vermeiden. Dies gelang jedenfalls in den ersten 6 Runden hervorragend. Die Pläne und Züge der Gegner zu antizipieren war mir mindestens genauso wichtig, wie die eigenen Ideen durchzusetzen. Dies führte dazu, dass ich so gut wie nie von gegnerischen Zügen überrascht wurde und die ersten 5 Runden relativ "gemütlich" waren. Nach sehr erfreulichen 2,5 aus 3 Runden gab es 2 x Remis. In Runde 6 wurde ich jedoch plötzlich aus der Komfortzone befördert, nachdem mich ein Spieler aus Schweden durch eine geschickte Zugfolge auf von mir unbetretene Pfade lockte, nämlich in das berühmte (nicht aber berüchtigte) Blackmar-Diemer-Gambit. Eine Kontrolle der Stellung war daher allenfalls bedingt möglich. Nach einem Kavaliersstart mit quietschenden Reifen (kein Wunder bei diesem Gambit, da hat man anfangs eben einige sehr aktive Züge als Mini- Kompensation für das Material) war der Wagen meines Kontrahenten aber bald abgesoffen und einfach nicht mehr zum Laufen zu bringen.
Dieter Bauer bei der Arbeit - oder der Vizekoloss von Rhodos, wie ihn die Nürtinger Zeitung nett beschrieb
In Runde 7 traf ich auf einen Spieler, der sich offenbar selbst mehr als "Schauspieler" sah. Er machte zugegeben richtig spektakuläre Züge und die Raffinesse hätte bei zahlreichen Zuschauern sicherlich zu stehenden Ovatione n geführt. Kleines Problem dabei: a) es gab mit Ausnahme vorbei schlendender Kiebitze keine Zuschauer b) einfache und unspektakuläre Züge hätten zu meiner frühzeitigen Aufgabe geführt. In Runde 8 hatte ich die ehrenvolle Aufgabe, mich zum ersten Mal in meinem Leben (!) an Brett 1 mit 5,5 aus 7 gegen den späteren Weltmeister aus Indien zur Wehr zu setzen. Das Remis durch Zugwiederholung führte dazu, dass nur ein Ausrutscher des Inders in der letzten Runde mich auf die oberste Stufe des Siegertreppchens wegen der besten Buchholzzahl katapultiert hätte. Eine Situation wie gemalt für Adrenalin-Junkies, für mich war es aber der blanke Horror und ich fühlte mich wie bei einer Achterbahnfahrt. Leider hatte der Gegner des späteren WM offenbar "weiche Knie" (um es vorsichtig auszudrücken) und es wurde bald die Friedenspfeife geraucht. Ganz anders dagegen das Schlachtfeld an meinem Tisch 2: ich konnte einen Freibauern bis auf die sechste Reihe bringen. Dieser hatte ungefähr die Wirkung eines rostigen Nagels im Knie, einfach ein ständiger Unruheherd. Irgendwann brach die Stellung des norddeutschen Schachfreunds Mohr wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Als ich langsam den unfassbaren 2. Platz begriffen hatte, ging ich schnurstracks ins Hotel und händigte jeder entgegenkommenden Reinigungskraft ein paar Euro als Ausdruck meiner Freude aus. Ich war kurz davor, dem kompletten Hotelpersonal (welches nicht bis zur Zahl 3 auf den Bäumen war) um den Hals zu fallen. Und vor der ca. 2-stündigen Siegerehrung mit anschließendem Galadinner wollte ich vorübergehend nur allein sein, damit der ganze Film (Trainingsaufwand, Reinstecken von Energie, zielgerichtetes und seriöses bzw. diszipliniertes Vorgehen während der Wettkampfwoche) unter Verdrücken der ein oder anderen Träne in Ruhe nochmal ablaufen konnte.
Details zu den Gegnern wie Staatsangehörigkeit u.a. , Endtabelle usw. vgl. die Seite www.chess-results.com

Konkurrenz für angestaubte Verbände - ACO, der neue Weltschachbund?
Die Werbemaschine ist angelaufen. Seit Wochen wandert eine Mail durch die Netze, Flyer finden sich auf Schachturnieren und auch uns erreichte die Nachricht: ACO, Amateur Chess Organisation, gemäß eigenem Bekunden „die neue Weltschachorganisation für Amateurschachspieler“, betritt die Bühne.
Auf einer ansprechend gemachten Website, www.amateurchess.com, findet man einige weitere Informationen. Ziel sei es, die von der FIDE bisher nicht ausreichend vertretenen Spieler unter Elo 2400 zu bedienen, und man „werde alles tun, damit Schach, Freude und Spaß wieder in einem Boot sitzen.“ Wie das genau aussehen soll, wird nicht genauer beschrieben.
Geleitet wird die in der Slowakei ansässige Organisation von Lothar Hirneise, Vater des in der deutschen Schachszene gut bekannten Internationalen Meisters Tobias Hirneise (Elo knapp 2450), zusammen mit GM Falko Bindrich auch Geschäftsführer der ACO.
Was bietet die ACO?
Zu Beginn wartet man gleich mit einer ACO-Weltmeisterschaft auf, die im klimatisch unfreundlichen Juli 2012 in Dubai im feudalen 5*-Hotel Jebel Ali über die Bühne geht. Für die Siegerehrung lockt der Ballsaal des Burj al Arab. Hier werden Titel in 7 Ratingklassen vergeben. Drei Anmeldungen pro Land und Gruppe sind möglich, wobei keine Qualifikation nötig ist. Wer zuerst kommt, mahlt (zahlt?) zuerst. Warum wir eine solche Weltmeisterschaft brauchen, bzw. welchen Sinn Weltmeistertitel in Ratingklassen machen, erschließt sich mir nicht. In der untersten Klasse 0-1200 bin ich dann WM der fortgeschrittenen Schachanfänger?!
Auch das zweite publizierte Turnier, die ACO Jugend Schachweltmeisterschaft wird nach ähnlichem Schema an einem attraktiven Ort (Disneyland in Paris) ausgetragen.
Für die Zukunft verspricht man ein neues Rating- und Trainingssystem, Online- und Liveschach, eine komplett neue Form der Schachligen und die Förderung des Jugendschachs.
Wie finanziert sich die ACO?
Beide Startveranstaltungen finden sowohl ohne Start- wie auch Preisgeld statt. Auf Rückfrage erhielten wir die Auskunft, dass Finanzierung/Sponsoring der ACO ausschließlich über mehrere Privatpersonen läuft.
Da ich nicht immer den philanthropischen Grundgedanken unterstelle und keine Einnahmen über Mitgliedschaften angestrebt werden, stimmt mich dieser Punkt etwas nachdenklich. Mit all den angestrebten Punkten besteht großer Personal- und Investitionsbedarf.
Es kann der Eindruck entstehen, dass eine Finanzierung über touristische Leistungen erfolgen wird. Die angebotenen 899 € für ein DZ (Einzelzimmer werden nicht angeboten) ohne Flug und Transfers dürften jedoch im Rahmen dessen liegen, was über deutsche Reiseveranstalter anfallen würde.
Brauchen wir eine solche Organisation?
Unser bestehender Weltschachverband FIDE sieht naturgemäß seine Aufgabe im Spitzenschach und verfolgt diese keineswegs zur Zufriedenheit aller.
Doch sehe ich auch keinen Bedarf an einer anderen weltweiten Vereinigung, die meisten Schachspieler kommen ohnehin nie in Kontakt mit dem Weltverband. Zudem haben wir endlich die lange, dem Schach abträgliche Phase zweier Spitzenverbände und boxartigen Zuständen mit mehreren Weltmeistern überwunden.
Im Moment erweckt die ACO auf mich noch den Anschein eines privaten Veranstalters, der seine Turniere unter dem Deckmantel einer Organisation mit eigenen WM-Titeln verkaufen möchte. Der Mehrwert für die Szene ist (noch) nicht spürbar.
Auf der anderen Seite ist es ausgesprochen schwierig, sei es auch mit noch so hehren Zielen, ohne große Rückendeckung Fuß zu fassen. Bis sich eine entsprechende Reputation eingestellt hat, schaue ich mir die Sache von der Seitenlinie an.
Was halten Sie davon? Brauchen Schachamateure eine weltweite Vertretung?
Ein von der ACO zur Verfügung gestelltes Interview mit dem Präsidenten, Lothar Hirneise, finden Sie hier zum Download als PDF.
Unsere Kurzumfrage brachte ein klares Ergebnis. Mehr als dreiviertel stimmten auf die Frage "Brauchen Ammeteure eine Weltschaorganisation?" mit Nein. Andererseits wollten jedoch fast 25 % organisiert werden...
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