The fabulous Fabianos: Fabian Brinkmann vs Fabian Stotyn
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Mittwoch, 16 Oktober 2019 21:42

Drei Großmeister für Fabiano

Schwere Zeiten für große Schachnamen: bei der 20.Auflage des Harzburger Opens konnte kein Fabiano an die glamourösen Vorstellungen der Vorjahre anknüpfen und die Bergwertung im großen Harzer Jubiläumsturnier für sich entscheiden.

Fabiano Caruana (leider verhindert durch ein etwas nordseenäher gelegenes Turnier) verpasste letztlich die Preisränge ebenso knapp wie Fabiano Brinkuana (Werder Bremen), und auch der strahlende Sieger der beiden Vorjahre, Harz-Open-Lichtgestalt Fabiano Stotyuana vom Schachklub Nordhorn, vermochte diesmal nicht entscheidend in das Titelrennen einzugreifen.

Doch welch' Wunder auch - schließlich hatten zum runden Turniergeburtstag drei sehr renommierte Schachfachkräfte ihren Hut in den auf 261 Höhenmetern gelegenen Ring geworfen, GM Oleg Korneev (RUS), GM Vladimir Epishin (RUS) und GM Vadim Malakhatko (RUS? nein, Belgien). Und wie so oft in der Schachgeschichte waren die Russen wieder stärker und teilten letztlich verdientermaßen die ersten drei Preise unter sich auf:

Platz 1: Oleg Korneev, 6,5 Punkte

Platz 2: Vadim Malakthatko, 6,5 Punkte

Platz 3: Vladimir Epishin, 6,5 Punkte

 Als Harzburger Titelträger steht Fabian(o) Stotyn in einer langen ehrenvollen Reihe von Schachgroßmeistern, die ebenfalls Sieg und Pokal von dannen tragen konnten. Der Jugoslawe Vasja Pirc gewann 1938 die erste Auflage vor Efim Bogoljubov, ein Jahr später siegte Erich Eliskases (Österreich!), und später unter anderem dann Carl Ahues (1946), Mikhail Iwanov (2002, 2014 und 2016), Aleksandr Karpatchev (2003), Henrik Teske (2004),  Viesturs Meijers (2007 und 2009) sowie Lev Gutman (2008). 
Klangvolle Namen!, und doch ist Schachmeister Stotyn, verdienter Meister der Jahre 2017 und 2018, im gesamten uns bekannten Universum der einzige Spieler, der jemals seinen Titel beim Harzburger Open zu verteidigen vermochte. Chapeau!

Harzburg1
    Ratsvorsitzender Udo Raders, dann Oleg Korneev, Vladimir Epishin und Vadim Malakthatko

Harzburg 2
    Der Meisterbetrieb der russischen Schachschule erklimmt auch im Harz alle Gipfel

Harzburg 4
      It's lonely at the mountain top: GM Malakhatko allein am Spitzenbrett

Bester Vertreter der norddeutschen Tiefebene wurde Kilian Böhning vom SK Hagen (bei Osnabrück, Platz 5), direkt hinter dem offiziellen Gesandten des Rheinlandes, FM Vinzent Spitzl aus Düsseldorf, der seine Sache durchgängig sehr souverän und gut machte.

Das Turniergericht wurde bei der doppelrundigen Veranstaltung auch im Jahr 2019 vielfach aufgerufen. Als beliebtetes Turniergericht erwies sich dabei an allen fünf Turniertagen die klassische Currywurst, dicht gefolgt von auch von mir sehr favorisierten und beinahe schon hübsch vegetarischen Grünkohl mit Kartoffeln.

Wer wollte, konnte die Nachmittagsrunde gar mit Schachkaffee und -kuchen abrunden, in Kombination erhältlich zu sehr fairen 3,-€. Man kann wie immer den Einsatzkräften am Büffet als auch den Ausichtern insgesamt nicht genug danken - ohne ehrenamtliche Arbeit geht bei so einer Veranstaltung ja nichts, und was wäre so ein Schachturnier ohne etwas Nahrung und Kaffee für Leib und Seele? Man möchte sich das gar nicht näher ausmalen.

Bad Harzburg Team
    Open-Team Bad Harzburg!                                                     Foto: Turnier-Homepage

Gleich den drei bereits erwähnten Fabianos war auch mir das Turnierglück nicht durchgängig hold. Der Höhenmesser zeigte bei mir am Ende der Kompetition 5,5 Punkte über Normal-Null an, und damit war ich vermutlich schon sehr sehr gut bedient.

Trotz einiger Verfehlungen zu Beginn kletterte ich zwar zwischenzeitlich auf 4 Punkte aus 5 Runden, in der 6. und 7. Bergetappe jedoch verlor ich an Höhe, da sich meine Gegner Christian Hartogh aus Lehrte und GM Malakhatko aus BEL nur als bedingt friedliebend erwiesen und mir eineinhalb von zwei möglichen Punkten abluchsten.

Doch sei es drum - insgesamt fuhr ich zufrieden und mit neuen Erkenntnissen nach Hause und weiß jetzt, woran ich arbeiten muss, um es doch noch in die Weltspitze zu schaffen.

Malakhatov Vadim Steffens Olaf 16h5
         Zum Auftakt ganz verheißungsvoll für Schwarz: Malakthatko - Steffens

Malakhatov Vadim Steffens Olaf 32Re2
        Zum Ende hin dann lagen die Chancen dann eher bei Weiß


Harzburg 5
         Willkommen im Königreich

Meine Reise in und durch den Harz führte mich abschließend noch in das Königreich zu Romkershall, eine formidable Lokalität unmittelbar am Flusslauf der Oker gelegen - hier wurde 1988 die Monarchie ausgerufen (echt wahr), so dass sich die Woche beim königlichen Spiel mit zwei Nächten in einem beinahe echten und angenehm kuriosen Königreich abrunden ließ. Glück auf!

Turnier-Homepage

Bereit für den ersten Zug
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Dienstag, 08 Oktober 2019 09:59

Bad Harzburg knipst das Handy aus

In diesem Jahr gehen die Bad Harzburger Schachtage in ihre 20.Edition. Grund genug für uns, um herzliche Glückwünsche in die Harzer Bergwelt zu entsenden und uns ebenso herzlich, wenn auch schachlich leider noch etwas indisponiert in das beachtliche Teilnehmerfeld zu mischen.

Vier Großmeister mindestens werden ab heute im Bündheimer Schloss ihre Figuren über die Bretter manövrieren, und wer von ihnen das am stilvollsten zu tun vermag, hat am Ende die Aussicht auf den eintausend Euro schweren ersten Preis.

Der aktuelle Titelverteidiger indes ist kein (noch kein) Großmeister - der Nordhorner Fabian Stotyn entschied den Wettbewerb in den vergangenen zwei Jahren für sich und wird auch 2019 wieder seinen Hut in den Ring werfen. Wir drücken die Daumen für einen veritablen Hattrick.

Anlässlich des schönen Jubiläums schauen wir in unserer Serie "Schatten der Vergangenheit" noch einmal zurück auf das Jahr 2012. Die älteren Schach-Semester unter unserer LeserInnen werden sich entsinnen - als weltweit vielleicht erstes Turnier bannte Bad Harzburg damals das Handy und untersagte nach allerlei Betrugsskandalen in Deutschland und umzu visionär und konsequent das Mitführen der kleinen Computer während der Partie.

(Tja, und seitdem ist meine ELO um viele Punkte gesunken ... - aber das hat vermutlich andere Gründe! Zum Glück besitze ich gar kein Smartphone, und wenn doch, dann habe ich es nicht dabei.)

 Wenn der Daumen im Mundwinkel wackelt (Süddeutsche Zeitung)

 

Schachwelt präsentiert: Schatten der Vergangenheit

Bad Harzburg knipst das Handy aus (2012)

Gestern begann das Bad Harzburger Open, und wie schon in den allermeisten Vorjahren kamen circa 150 Schachsportler aus nah (Bad Harzburg) und fern (Bremen, Russland) in den Nordharz, um an insgesamt fünf Tagen die stattliche Anzahl von acht Turnierpartien zu bewältigen.

Allerdings staunten sie nicht schlecht, als der Schiedsrichter Wolfgang Block gleich zur Eröffnung nicht nur auf die 30-minütige Karenzzeit hinwies, sondern auch – und Achtung! – auf das totale Verbot, Handys, Smartphones und andere elektronische Schach-Hilfsmittel im Turnierbereich bei sich zu führen. Das war beeindruckend - Bad Harzburg setzt damit Maßstäbe im globalen Turnierschach und wagt in Anwesenheit von DSB-Vizepräsident Michael Langer diese ziemlich radikale Innovation. (Oder kam vielleicht sogar die Initiative vom DSB?) So oder so - Glückwunsch zu einer sehr strikten und sehr klaren Regel!

windbeutel

Was mag das sein? Eine Harzer Spezialität!

Viel Zeit für touristische Umtriebe bleibt an den fünf Turniertagen nicht, außer man spielt im Seniorenturnier, in dem Doppelrunden fast völlig vermieden werden (sechs Runden an fünf Tagen). Wer aber Zeit hat, findet in der Nähe aparte Wanderwege, einen Stausee, viel Wald, zahlreiche Bergwerksmuseen, ein Luchsgehege und überall Cafés, in denen es riesengroße Windbeutel zu essen gibt – eine Harzer Spezialität, ohne Zweifel!
(Auch beim Open ist ein besonderer Pluspunkt das wunderbare Buffet, wo man mittags warm und nachmittags Kaffee und Kuchen zu fairen Preisen bekommen kann. Gäbe es Ilya Schneiders beliebte Stiftung Turniertest noch – das Harzburger Open müsste weit vorne landen!) -

bndheimer schloss

Hier wird gespielt - in der guten Stube der Stadt

Das Turnier im Bündheimer Schloss begann mit der traditionellen Auftaktrunde „Hohe DWZ“ gegen „Nicht ganz so hohe DWZ“. Wahrscheinlich haben viele aus der erstgenannten Gruppe den vollen Punkt nach Hause tragen können. Ich hätte das auch gerne getan, wurde aber (einmal mehr) zusammen gelost mit einem blutjungen Vertreter der Niedersächsischen Schachjugend – und was das bedeutet, werden die erfahrenen LeserInnen dieses Blogs schon erahnen.
Der ungefähr zehnjährige Daniel Alejandro Phunhon Lopez (von Hannover 96, DWZ/ELO um die 1700) spielte gegen mich in dieser ersten Runde ähnlich stark wie der junge Anatoly Karpov. Er machte lange Zeit keine Fehler, baute seine Figuren ordnungsgemäß gegen meinen Hippo-Aufbau auf und profierte schon bald davon, dass ich einen wohlmeinenden, aber zu frühen Versuch machte, die Stellung zu öffnen. Beide Seiten fummelten von da an ein wenig herum, und erst nach ein paar Ungenauigkeiten meines jungen Gegners meinte ich einen leichten Vorteil zu spüren:

phunhon-steffens

Wusel, wusel - Phunhon - Steffens, nach dem 31...Tf8xf3

Im Gegensatz zu Alejandro, der noch ungefähr zehn Minuten übrig hatte, war ich an dieser Stelle leider schon in schwerer Zeitnot - meine Uhr zeigte eine Minute an, hinzu kam zum Glück aber immer noch der Aufschlag von 30 Sekunden pro Zug. Alejandro, ein Kind des neuen Jahrtausends, spielte 32.Te1-e2, was ein sehr plausibler Zug ist und übrigens auch meinen Turm a2 angreift. Weil ich nur mit 32.Te1-f1 gerechnet hatte, sah ich das leider so schnell nicht und verbaselte kurzentschlossen einen ganzen Turm (!) mit dem originellen 32....Tf3-c3 !?
Es folgte 33.Dc4xa2, was ich mit dem optisch ansprechenden, aber leider völlig ungefährlichen Da5xb5 beantwortete:

phunhon-steffens1

Wenn man schon so weit gereist ist, kann man auch ohne Turm noch ein bisschen weiterkämpfen

Nach 34.Td7-d1 schnappte ich mir auf h3 einen Bauern, mit vagen Ideen auf den weißen Feldern 34...Tc3xh3.

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Ich drückte schnell die Uhr, sah auf die Anzeige und merkte, dass ich noch neun Sekunden übrig hatte. Was war mit meinen dreißig Sekunden Zeitaufschlag? Schiri Wolfgang Block stand gerade in der Nähe, und ich machte ihn darauf aufmerksam, dass die Uhr den Aufschlag nicht dazugerechnet hätte: „Die Uhr zählt nicht hoch!“ Der Schiedsrichter, ganz neutrale Vertrauensperson, entgegnete nur kurz: "Es gibt keinen Zeit-Zuschlag.“
So ist der Modus in Bad Harzburg, und tja - da hätte ich mich mal vorher über die Bedenkzeitregelung informieren sollen! Gespielt wurden tatsächlich 40 Züge in den mittlerweile handelsüblichen 90 Minuten - allerdings ohne jeglichen Zuschlag. Und so blieben mir plötzlich noch 9 fette Sekunden für gerade mal 6 Züge in komplizierter Stellung mit Minusturm.

Ähnlich wie Falko Bindrich hätte ich mich nun auch beschweren können, dass mir niemand etwas gesagt hatte über die geltenden Bedenkzeiten (bzw. Handy-Regelungen für die Toilette, im Falle von Falko). Aber Falko und ich sind Profis, und so sagte ich nichts, amüsierte mich über die kuriose Wendung und versuchte, die noch ausstehenden sechs Züge bis zur Zeitkontrolle in den neun Sekunden zu schaffen….

Und tatsächlich gelang das – es wurde im 49.Zug noch Remis durch Dauerschach!

phunhon-steffens3
Hier geht Dh5+, und der weiße König kann sich nicht mehr sinnvoll verstecken

Goldene Regeln fürs Turnierschach:

1) Handys aus,  und auch nicht mit herumtragen (in Bad Harzburg!),

2) Über die Bedenkzeit informieren (vor der Partie)

3) Ab und zu mal zum Kuchenbuffet gehen

4) Vorsicht vor Daniel Alejandro Phunhon Lopez!

Es sollte klar sein, dass alle vier Regeln wichtig sind. (Besonders wichtig ist aber unbedingt auch Regel Nr.3!)

Heute wird das Turnier um zehn Uhr mit der zweiten Runde  fortgesetzt . Oder doch schon um neun Uhr? Ich schaue lieber noch einmal nach ...