Massiv ausgestoppt - Die Euro 2011
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UPDATE am 2.April:

So kann das gehen - gestern noch beinahe das Turnierende, und heute wird einfach weiter gespielt? Es scheint, als hätten sich die über 400 Teilnehmer einfach über den Turnierabbruch hinweggesetzt - sie spielen jedenfalls die heutige letzte Runde so, als wäre nichts gewesen. Sehr sympathisch!

Durch diesen klugen Schachzug bleibt allen 400 die Reise nach Trondheim und/ oder ins nicht minder reizvolle Turkmenistan erspart, und einen neuen Europameister gibt es somit auch heute schon. Was will man mehr - die Schach-Welt scheint wieder in Ordnung zu sein! -

 

Gestern, am ominösen 1.April, klang das Ganze noch ganz anders. Aber Leopold Bloom (siehe Kommentar unten) und bestimmt viele andere auch ließen sich natürlich nicht davon täuschen:


 

+++ Eilmeldung +++ Europameisterschaften in Aix-les-Bains vor dem Aus +++ Eilmeldung

 

Das hat es in der Geschichte der Schach-Europameisterschaften noch nicht gegeben: eine Runde vor dem Ende des Wettbewerbs muss das Turnier im französischen Aix-les-Bains vorzeitig beendet werden – aufgrund von Formfehlern bei der Ausschreibung (!). „Heute werden wir noch spielen wie immer, aber nach dieser zehnten Runde müssen wir leider abbrechen. Es ist uns sehr unangenehm.“, so Turnierdirektor Bastien LeFabre.

 

Was sich durch verschiedene Gerüchte in den letzten Tagen schon abgezeichnet hatte, scheint sich nun also zu bewahrheiten.  

Wie das ungarische Online-Portal origo.hu (naturgemäß mit Fokus auf Judit Polgár) mitteilt, sind bei der Ausschreibung der Veranstaltung massive Formfehler unterlaufen. Offenbar hat man es bei d er Vergabe des Turniers nach Frankreich unter anderem versäumt, die seit August 2010 geltende EU-Sportrechtsverordnung Nr. 236/EC-Sp-270 ausreichend zu würdigen. Diese Verordnung regelt die Vergabebedingungen für europäische Sportwettbewerbe – doch scheinbar wurde nun bei den Meisterschaften in Aix-les-Bains die elementare Ausschreibungsfrist, innerhalb derer sich Städte europaweit um die Ausrichtung des Turniers bewerben können, nicht eingehalten. Um hohe Strafzahlungen nach Brüssel zu vermeiden – die Rede ist von 360.000,-€ -, hat man sich daher nun entschlossen, aus Vorsichtsgründen den laufenden Wettbewerb nicht mehr zu Ende zu führen. (Die Homepage des Turniers schweigt sich dazu bislang noch immer aus – auch  das ist durchaus verblüffend.)

 

Was diese dramatische Entscheidung für die bisher führenden Spieler bedeuten könnte (darunter auch Markus Ragger und … nun ja, Sébastien Feller), wurde dagegen noch nicht offiziell bekanntgegeben. Die  23 ersten Plätze berechtigen ja immerhin zur Teilnahme am lukrativen FIDE World-Cup. Wenn die Veranstaltung nun nicht mehr zu Ende gespielt wird, bliebe offen, wie diese Plätze dann auf die Schnelle noch vergeben werden können. Ersatzweise sollen sich schon Trondheim (einer der Ausrichter der kom menden Schach-Olympiaden) und auch Turkmenistan bereiterklärt haben, vom 20.06. – 02.07.2011 das nun notwendige Ersatz-Turnier auszurichten. (Wir hoffen, dass es fristgerecht ausgeschrieben wurde.)

 

Dennoch – die Teilnehmer in Aix-les-Bains sind verunsichert und außer sich. „Das ist ein dicker Hund – so kurz vor dem Ende! Was wird nun mit meiner Rating?“ äußerte sich ein deutscher Teilnehmer, und „Trondheim wäre ja noch ganz ok, aber wie soll das mit Turkmenistan gehen?“ bloggte sogleich Jan Gustafsson im Kommentarbereich seiner Webseite noch kurz vor Beginn der zehnten Runde. Gerade der Hamburger Gustafsson wäre von einem Abbruch des Turniers erheblich betroffen, denn mit einem guten Lauf in den letzten Partien hatte e r sich wieder in Reichweite der Qualifikationsränge gespielt.

Den Blick nach vorne richtete dagegen schon der englische Schach-Profi Luke McShane: „Well, we´ve had our fair share of games, haven´t we? So let´s play the 10th round today and then forget about Aix. We can move on and have another nice event in Trondheim!“

 

Dem Vernehmen nach sollen die Teilnehmer in Aix mit einer Pauschalzahlung von 430,-€ für den Turnierabbruch entgolten werden. Für den Veranstalter wäre das immerhin die kostengünstigere Lösung – selbst bei einem Teilnehmerfeld von über 400 Spielern. -

 

Haben wir nun also Glück gehabt oder doch etwas verpasst, wenn wir nicht in Aix-les-Bains mit dabei waren? Wir hätten zumindest dabei sein können, als Judit Polgár in einer gefühlten Kurzpartie den vollen Punkt sicherte. 

Hier die wuchtige Partie in analoger Form direkt zum Nachspielen: 

  

Pantsulaia,Levan - Polgar,Judi t [A13 ]pantsulaia - polgr 

Europameisterschaften 2011

 

1.c4 e6 2.Sf3 Sf6 3.g3 d5 4.Dc2 c5 5.d4 cxd4 6.Sxd4 e5 7.Sb3 Sc6 8.Lg2 Sb4 9.Dd1 dxc4 10.S3d2 Lf5 11.Sa3 b5 12.Lxa8 Dxa8 13.Sf3 Sd3+ 14.exd3 Lxd3 15.Sxb5 Lb4+ 16.Sc3 0-0 17.Tg1 Se4 18.Ld2 Td8 19.Tc1 Sxc3 20.bxc3 La3 21.Le3 Lxc1 22.Lxc1 Tb 8 23.Sd2 Dd5 24.Da4 a5 25.Dd1 h6 26.Df3 Tb1 27.Kd1 e4 28.Df4 Ta1 29.Db8+ Kh7 30.g4 Dd7 31.De5 e3 32.fxe3 Da4+ 33.Ke1 Txc1+ 34.Kf2 Txg1 0-1