Montag, 31 Dezember 2012 15:57

Meine Spieler des Jahres 2012

Ein Schachjahr ist zu Ende, und der Tradition folgend veröffentliche ich hier meine Spieler des Jahres. Die ersten drei fielen mir leicht, die weitere Reihenfolge schon schwerer. 

1. Magnus Carlsen bekommt von mir wie im Vorjahr die Bestnote. Er leistete sich kein einziges schwaches Resultat, aber einige sehr gute und brach mit seiner ab 1. Jänner gültigen Elozahl 2861 Kasparows Rekord. Sein Sieg gegen Anand in Bilbao war für mich die Partie des Jahres.

2. Lewon Aronjan gewann in Wijk aan Zee mit einem Riesenresultat (sieben Siege!) und führte Armenien schon zum dritten Mal zu Olympiagold. Auch seine Rückkehr in die Schachbundesliga für die sympathischen Schachfreunde Berlin gefiel mir. Dass Lewon das Jahr schwach abschloss und auf Weltranglistenplatz drei zurückfiel, Schwamm drüber.

3. Fabiano Caruana spielte sich 2012 mit zweiten Plätzen in Wijk aan Zee und Moskau sowie geteilten ersten Plätzen in Dortmund und Sao Paolo/Bilbao in die Weltspitze und aus dem Schatten des in den vorigen Jahren stärker beachteten Anish Giri. Ich muss zugeben, dass ich das dem 20jährigen nicht zugetraut hatte.

4. Garri Kasparow steht hier nicht als Spieler (er steht ja nur noch für wenige Schaukämpfe und Simultane zur Verfügung) sondern als Motor der erfolgreichen Kampagne um die Unterstützung des Europäischen Parlaments für Schulschach und dank seiner Ansage, 2014 alles für die Ablöse Iljumschinows an der Spitze der FIDE zu tun bis hin zu einer eigenen Kandidatur. Ich setze ihn als Nummer vier als kleine Zäsur zwischen den ersten drei und den folgenden Spielern.

5. Wladimir Kramnik fiel mir durch einige Gewinnpartien (gegen Aronjan bei der Olympiade oder gegen Meier in Dortmund) auf. Dass er die aktuelle Nummer zwei der Weltrangliste ist, zeigt seine Stärke, auch wenn er 2012 nicht zu einem eigentlich verdienten Turniersieg kam: In Dortmund zermürbte er sich gegen Leko, in London war Carlsen vom Glück verfolgt.  

6. Boris Gelfand rettete die WM mit dem interessanteren Schach. Er hätte den Sieg gegen Anand verdient gehabt. Als Cosieger des ersten Grandprixturniers in London zeigte der immerhin schon 44jährige, dass das Kandidatenturnier 2011 nicht sein letzter Erfolg bleibt.

7. Sergei Karjakin wurde Schnellschachweltmeister, Cosieger in Dortmund und Taschkent, gewann das starke Blitzturnier in Peking. In Erinnerung blieb auch sein Abschneiden in Wijk aan Zee: Fünf Siege, aber auch fünf Niederlagen. Schade, dass er die Qualifikation fürs Kandidatenturnier als Weltcupvierter denkbar knapp verpasst hat.  

8. Daniel Fridman wurde Deutscher Meister, bester Deutscher bei der EM und war der wichtigste deutsche Leistungsträger bei der Schacholympiade. In Istanbul hätte er eine Medaille und einen schönen Geldpreis sicher gehabt, hätte er sich in der letzten Runde gegen die um Gold kämpfenden Russen nicht ans Brett gesetzt. Doch vorbildlich kämpfte er. Das alles rechtfertigt meines Ermessens einen Platz auch in einer internationalen Liste und ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die sich an der vom Deutschen Schachbund ausgelobten Wahl des Deutschen Spielers des Jahres beteiligen.    

9. Dmitri Jakowenko wurde verdient Europameister. An ihm lag es am wenigsten, dass Russland wieder nicht die Olympiade gewann. Pech, dass er weder zum Grandprix noch sonstigen Eliteturnieren eingeladen wurde.

10. Wang Hao gewann in Biel, wurde Cosieger in Taschkent und spielte eine starke Schacholympiade bis zur wichtigen letzten Runde, als er gegen Iwantschuk verlor und China auf den undankbaren vierten Platz abrutschte.

 Noch kurz zu denen, die nicht vorkommen: Dass Mister 50 Prozent Anand trotz geglückter Titelverteidigung nicht auf meiner Liste steht, braucht keine weitere Erläuterung. Radschabow hat für meinen Geschmack zu wenig gespielt. Nakamura gewann zwar in Hoogeveen aber kein größeres Turnier.   

Freitag, 07 September 2012 12:55

Angst essen Seele auf

Klar, wenn im Match gegen Armenien nicht nur Daniel Fridman seinen Vorteil verwertet sondern auch Georg Meier nicht die Dame eingestellt (Video) und Arkadi Naiditsch seine Remisstellung gegen Aronjan gehalten hätte, wäre auch Igor Chenkin für sein in diesem Fall mannschaftsdienliches Remisgebot auf die Schulter geklopft worden. Aber wie es lief, nämlich 1,5:2,5 und statt geteilter Tabellenführung tschüss Medaille, stellen sich für mich, der nicht live dabei war, einige Fragen an diejenigen, die mehr mitbekommen haben: War Meier, als Chenkin remis bot, aus dem Gröbsten raus? Wie schwer war Movsesians Zeitnot? War Chenkins Stellung zwar vorteilhaft (Computer zeigt fast +1), aber für ihn viel schwerer zu spielen als für seinen Gegner? Hatte Teamchef Uwe Bönsch sein Remisgebot gutgeheißen? Warum ist es kein anderer im Team, der sich durch ein, wie es aussieht, Angstremis in die Diskussion bringt?

 

Okay, kann man alles nach dem Sonntag besprechen. Zwei Siege reichen immer noch für Platz vier oder fünf. Haut rein! 

Daniel Fridman
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Samstag, 10 März 2012 15:47

Daniel Fridman ist Deutscher Meister 2012

Mit eindrucksvollen 7,5 aus 9 gewinnt der an 1 gesetzte Daniel Fridman die Deutsche Meisterschaft 2012. Herzlichen Glückwunsch zum verdienten Turniersieg.

Handelten wir vor zwei Tagen noch Igor Khenkin als klaren Favoriten, ließ dieser in den beiden letzten Runden das Turnier „austrudeln“. Einmal mehr zeigte sich, dass eine risikoaverse Einstellung ausgezeichnet für Mannschaftskämpfe und solide Einzelturniere ist, Turniersiegen aber im Weg steht. Dabei hatte Khenkin das leichtere Restprogramm bei einem halben Punkt Vorsprung. Doch mit zwei mehr als farblosen Remispartien gegen Spieler um die 2400 Elo (seine Eloerwartung lag bei dieser Gegnerschaft bei rund 80%), bei denen bereits die Eröffnungswahl eine gewisse „Are we friends today?“-Grundhaltung signalisierte, blieb am Ende nur der zweite Platz.

Trotzdem waren die beiden Topgesetzten eine Klasse für sich. Der Pulk auf Platz 3 (Kotainy, Siebrecht, Stern und Wagner) weist einen ganzen Punkt Abstand auf.

Khenkins Eloabstand auf den drittenTitelaspiranten, Rainer Buhmann, vergrößerte sich mit diesem Turnier auf fast 40 Punkte, was die lästige Nominierungsdiskussion für die anstehende Schacholympiade in Istanbul durchaus wieder anheizen könnte.

Details unter http://www.dem-2012.de/

Sonntag, 27 November 2011 11:27

Ein Audi in Nordafrika

Welch eine Woche. Lang hat an 46 Brettern kurzen Prozess gemacht. Der Weltmeister hat sich dort, wo er seinen nächsten fetten Scheck abzocken wird, mit einem Vishywaschi-Resultat beliebt gemacht. Hou hat sich (und vielleicht mögliche Geldgeber) für einen Zweikampf gegen Judit warmgespielt. Kasparow hat sein Schulschachengegament in der FAZ erklärt. Die FIDE hat das nächste Kandidatenturnier nahezu stillschweigend in ein doppelrundiges Achterturnier umgemodelt. Fridman hat in Sachen Nationalmannschaft und DSB zu retten versucht, was an Common Sense geblieben ist. Und Naiditsch ist mal eben nach Nordafrika gedüst und hat einen Audi abgeliefert - soll keiner glauben, dass ein noch im Nachhinein so umkämpfter Europameistertitel keine Spuren hinterlässt. Sein Team Marcote war denn auch die große Enttäuschung des Finals der im von hohen Zäunen umgebenen Mellila ausgetragenen Spanischen Mannschaftsmeisterschaft. Zwei mit hochrangigen Legionären bestückte und mit baskischem Geld finanzierte Teams, Sestao und Gros Taldea aus San Sebastian, haben es dominiert. Als Einzelspieler domingierte Dominguez. Fehlt noch was?