Roland-Michel's coming home!
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Montag, 27 August 2018 20:46

HH - HB: Roland Michel's coming home!

Diese Bremer! Über Jahre hielten sie im prestigeträchtigen Vergleichskampf "Hansestädter spielen Schach" gegen Hamburg den Ball ganz ganz flach, verloren mal hier, verloren mal dort, und eigentlich war es stets die andere, die größere Stadt an der Elbe, die die inoffizielle hansestädtische Mannschaftsweltmeisterschaft für sich entschied.

Hamburg rules, doch offenbar nicht für immer - denn kaum hatten Boris Bruhn, Chef des Hamburger Schachverbandes, und Oliver Höpfner, ebensolcher Chef des Bremer Komitats, in diesem Jahr erstmalig einen Pokal ausgelobt für die siegreiche Équipe, schon rissen sich die Bremer am Riemen und zack!, gewannen das große 2018er Match mit einem verwegenen und durchaus historischen 32,5 : 27,5 Erfolg in Hamburg. Auswärtssieg, Pokalsieg - was für ein Tag für das Bremer Schach!

Der prunkvolle Roland-Michel-Pokal, so heißt die nach den beiden Wahrzeichen Michel (Hambuurch) und Roland (Brrremen) sehr hübsch benannte Trophäe, wird nun für zwölf Monate einen würdevollen Platz in den Bremer Stadtmauern erhalten und Ruhm, Ehre, Ansehen und Reichtum der Hansestadt mehren.

Präs
            Boris Bruhn und Oliver Höpfner eröffnen die Spiele

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Ehre wem Ehre gebührt: der Roland-Michel-Pokal geht an das Bremer Team!

Selbst die Älteren unter den Bremern vermochten sich nicht daran zu erinnern, dass es in diesem noch sehr jungen Jahrtausend jemals einen Bremer Sieg gegen Hamburg gegeben hatte (außer wenn Werder Fußball gegen den HSV spielte natürlich, und da dann (leider) auch umso öfter).

Doch im Schach, und darum geht es ja in unserem kleinen Blog, da waren die Hamburger einfach immer zu stark gewesen. Andreas Calic, ein profunder Kenner des bremischen Schachs, wusste zu berichten, dass dieser norddeutsche Vergleichskampf allerdings eine sehr lange und schöne Tradition hat, und schon nach dem Krieg in den späten Vierzigern waren wohl um die 100 Bremer zu einem großen Match an die Elbe gereist.

Und vorher!, hundert Jahre und mehr ist es her, auch da schon hieß es Bremen-Hamburg, oder Hamburg-Bremen, immer wieder, ein Highlight des jährlichen Turnierkalenders im Norden. Oft besuchten sich auch weniger die Landesverbände als eher die großen Vereine der Stadt, in Gestalt der Bremer Schachgesellschaft von 1877 und ihres Hamburger Gegenparts.
So war die 2018er- Auflage in den Worten von Andreas mit einem Match an dreißig Brettern zwar nicht die größte, doch immerhin die neueste in dieser langen Reihe von freundschaftlichen Veranstaltungen. Es ist wundervoll und auch inspirierend, dass diese Tradition in 2018 eine weitere Fortsetzung fand, toll und gemeinsam organisiert vom Hamburger und Bremer Verband - und Kinners, was vergeht die Zeit doch immer schnell!

BSG Hamburger Schachheim 1924
Ein Blick zurück: 1924 empfängt die Bremer SG das Hamburger Schachheim
                                                     Foto: Schach-Archiv der Bremer Schachgesellschaft (super!)

Gegen Bremen kamama verlier'n

Dreißig wackere Bremer machten sich also am letzten August-Sonntag auf den Weg, erst fix mit der Bahn bis Hamburg Hauptbahnhof, dann mit der Unter(?)grundbahn U3 überraschenderweise über der Erde entlang der Elbe bis zum Schlump. Und dort, im Hamburger Haus des Schachsports, empfingen dreißig ausgewählte Elbstädter ihre Gegner für zwei mittellange Schachpartien mit je einer Stunde Bedenkzeit (kein Zuschlag!).

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Das Haus des Schachsports am Schlump  (Foto: Andreas Calic)

Hamburg war dabei vollauf mit seiner Gastgeberrolle ausgefüllt, und Boris Bruhn (siehe oben, der Hamburger Vorsitzende) war zusammen mit seinem Landesturnierleiter Hendrik Schüler vollauf beschäftigt, für die insgesamt 60 Denksportler Kaffee zu brauen, die feine Hamburger Mischung, ganz in der großen Kaffee-Tradition der Hansestadt (Tchibo! Darboven!). So fehlten Boris und Henrik allerdings am Brett, während Präses Höpfner (Bremen) mit seinen Mannen Schulter an Schulter am Brett sitzen konnte und gegen einen Schachfreund aus Fischbek zwei wichtige präsidiale Punkte angelte.

Webner
Ein vortreffliches Handgemenge bei Ole Poeck (HH) - Dennis Webner (HB). Mit sechs
Sekunden auf der Uhr setzte Dennis am Ende noch Matt!

Calic
Die Kunst der Springerführung - Andreas Calic spielte die Eröffnung wie Jörg Hickl
und holt einen wichtigen Punkt!

Während Team Hamburg sowohl an den oberen Brettern (2 starke IMs!) als auch an den unteren Brettern favorisiert schien, brachte Team Bremen an den zahlreichen mittleren Brettern die leicht höhere DWZ an den Start. Da konnte auch Fritz Fegebank, Urgestein von den SF Hamburg (und seit vielen, vielen Jahren... treues Werder-Mitglied) nichts ändern, denn im Mittelbereich sammelten die Bremer gerade am Vormittag deutlich Punkte. Und obwohl Dirk Stieglitz sich zwischenzeitlich sogar von einer HSV-Wespe angegriffen wähnte, fuhr seine Mannschaft letztlich einen klaren 17,5:12,5- Auftaktsieg ein. Fünf Punkte vor, das war schon mal ein Pfund vor dem Rückspiel am Nachmittag, und beruhigend, denn immerhin ging es ja in diesem Jahr um den Roland-Michel-Pokal!

Nach einigen recht mauen Turnierergebnissen in den langen letzten Monaten und leichter Schachunfreude noch während der Anreise startete auch ich gut in den Tag:

Steffens Serrer
Olaf Steffens - Christoph Serrer: Schwarz am Zug sicherte
mit 10. ... Sb8-a6 das Feld c7.
Was war darauf eine gute Antwort?

Es ist wahrscheinlich nur ein schöner Zufall, dass im Haus des Schachsports im Erdgeschoss eine Burger-Bar logiert - nach dem wohltuenden Ergebnis am Morgen konnten die Bremer hier gleich noch ein paar schöne (Achtung, Kalauer) Hamburger verputzen!

Im unvermeidlichen Rückkampf wurden streng die Bretter gedreht, und dieselben Gegner beharkten sich aufs Neue. Team Hansestadt Hamburg blies noch einmal energisch zur Aufholjagd, und tatsächlich wackelten einige Bremer Stellungen bedenklich im Elbwind hin und her. Doch dann, Überraschung, ein solides 15:15 auch am Nachmittag, und wenn man dann beide Ergebnisse zusammenzählte ... ein klarer Gesamtsieg für die kleinere Hansestadt!

"Nach so einer bitteren Niederlage wird traditionell der Trainer gefeuert - dummerweise hatten wir gar keinen." (Hauke Reddmann, auf der Seite des Hamburger Schachverbands)

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Team Wesertiger vor der Heimreise:
             wer entdeckt den Roland-Michel-Pokal?      (Foto: Andreas Calic)

Danke an die Hamburger für einen schönen Tag voller Schach - Ihr wart tolle Gastgeber. Wir Bremer freuen uns (vor allem über den Pokalsieg, aber auch) auf den Rückkampf im nächsten Jahr. Dann wird neu ausgespielt. Hummel Hummel!

So haben Erwachsene noch nie gespielt
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Montag, 29 August 2011 20:20

Weltneuheit beim Hamburch-Wettkampf

Ein bisschen Regen – na gut.
Etwas mehr Regen – wenn´s sein muss, auch gut.
Immer nur Regen – was soll das denn??

So wie es schon Stanislaw Lem in seiner Kurzgeschichte „Der Regenplanet“ beschrieb, gefällt uns Menschen das Regenwetter auf Dauer eher nicht.

Regen
Regen
Regen!

Aber na gut, wir wollen nicht maulen. Es könnte alles noch viel schlimmer sein. Und im Regensommer 2011 kann man immerhin entspannt drinnen sitzen, ohne dass man draußen etwas verpasst. Das dachten sich auch 68 Schachspieler aus Bremen und Hamburg, die am letzten Samstag zusammenkamen, um wie schon im Vorjahr   bei „Hansestädter spielen Schach“ in die neue Saison zu starten.

regenplanet

    Ehrliches Schachwetter in Bremen

Die beiden Präsidenten der Schachverbände, Prof. Dr. Perygrin Warneke (HH) und Dr. Oliver Höpfner (HB), hatten mit viel Detailarbeit und in Kooperation mit dem SK Bremen-West die Veranstaltung auf die Beine gestellt.

Die Hamburger reisten morgens mit dem Zug an, wurde am Bahnhof präsidial von Oliver Höpfner empfangen und in der Straßenbahn bis zum Spielort begleitet. (Die letzten Meter ging man zu Fuß, denn - Überraschung! - es regnete nicht an diesem Tag.) Im Bürgerhaus Oslebshausen spielten dann beide Delegationen je zwei Partien mit je 60 Minuten Bedenkzeit. Eine Auswertung für DWZ oder ELO gab es nicht – das führte zu unbeschwertem Spiel auf beiden Seiten, minderte aber keineswegs die Ernsthaftigkeit.

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Weil nach ein paar kurzfristigen Absagen auf Hamburger Seite die zwei Mannschaften unterschiedlich groß waren, erklärte man einige Bremer für diesen Tag zu Schach-Hamburgern. Derart bremisch verstärkt, gewannen die Hamburger auch gleich die Vormittagsrunde knapp mit 17,5:16,5. Nach einigen Grillwürsten mit Salat rückten die Bremer das Bild am Nachmittag dann aber wieder zurecht und gewannen das Rückspiel mit 15,5:18,5. Der Gesamtstand war also 33 : 35 für die Weserstadt Bremen - so gehört sich das!

Was den Sport angeht, war es für die Hansestadt Hamburg also leider kein so richtig gutes Wochenende, denn auch meine Freunde vom HSV verloren fast zeitgleich mit 3:4 gegen die 1.FC Kölner. Uah!

magnus carlsen

   Beim Welt-Cup in Chanty-Mansijsk nicht dabei, dafür aber an Brett 21 im Bremer Team: Magnus Carlsen!
 (Um die Hamburger nicht zu deprimieren, spielte er jedoch inkognito unter dem Namen Kevin Klosa/ SK Bremen West)

Nach der langen Sommerpause machte es Spaß, Freunde und Bekannte am Brett wiederzutreffen. Auch gab es den ganzen Tag Kaffee – sehr schön!

Wie schon im letzten Jahr spielte ich zwei Partien gegen Dr. Hauke Reddmann vom SK Wilhelmsburg – am Morgen konnte mich Hauke einmal böse austricksen, in der zweiten Partie retteten wir uns bei knapper Zeit in ein Remis.

reddmann - steffens

Hier ein kleines Rätsel aus der ersten Partie:

Weiß (= Hauke) hat sich bereitgemacht für einen wüsten Angriff auf den schwarzen König. Klug wäre nun Te6, aber ich dachte bei wieder mal knapper Restbedenkzeit, ach, ich kann auch gleich auf c5 nehmen, oder? Nach Txf5, das halte ich schon aus, und mehr als Remis hat er dann doch eigentlich nicht.

Also folgte 34.... Dxc5, und es folgte auch 35.Txf5! Aber welche Züge zog Hauke danach aus seinem Ärmel und gewann? Der Leser ist am Zug.-

Eine harte Niederlage, aber eben – kein DWZ-Verlust, da freut man sich ja auch schon.


Am neunten Brett hatte Walter Blumenberg (SF Sasel) am Vormittag mit dem schönen 1.b2-b4 den vollen Punkt gegen Gerald Jung (Werder Bremen) eingespielt. Es stellte sich heraus, dass er einst als Jugendlicher nach dem Krieg für die Bremer SG gespielt hatte und dabei auch mit Hans Koschnick, dem späteren Bremer Bürgermeister, in denselben Turnieren angetreten war. Bremer Schachgeschichte, große Namen – unheimlich nur, wie lange das alles schon her ist. Wenn wir später mal zurückblicken und von den Zeiten erzählen, in denen es noch kein Chessbase gab, werden die Jüngeren vielleicht ebenso denken: „Meine Herren, ist DAS aber schon lange her!“

ulrich klose und hans koschnick in bonn 1980

Ulrich Klose (Hamburg) und Hans Koschnick (Bremen) bei einem Empfang der Minsterpräsidenten in Bonn, 1980.

(Quelle: WikiCommons)


In der Nachmittagsrunde des Hamburch-Wettkampfes (Gerald Jung) folgte am selben Brett dann die Revanche – und das mit einem spektakulären Figurenaufbau von beinahe schachhistorischem Wert (Ausrufezeichen!) :

Jung,Gerald - Blumenberg,Walter [C11]

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Sce2 c5 6.c3 cxd4 7.cxd4 Sc6 8.a3 Sb6 9.Sf4 Ld7 10.b4 Tc8 11.Sf3 a5 12.b5 Sa7 13.a4 Sc4 14.Ld3 Lb4+ 15.Kf1 De7

reddmann - steffens7

 

16.Sh5

Die erste Leichtfigur wagt sich auf die h-Linie.

16. ....f5 17.exf6 gxf6 18.Lh6

reddmann - steffens3

Der Springer bekommt Gesellschaft, doch noch immer ist irgendwie sehr viel Platz am rechten Spielfeldrand.

18.....Tg8

Schwarz sichert vorsichtshalber das Feld g7. Sieht vernünftig aus - doch was kann Weiß nun spielen?

reddmann - steffens4

 19.Lxh7!

Heja, das ist Schach! Der Läufer ist für Schwarz tabu wegen Sxf6. Willkommen im Club - die dritte Leichtfigur nistet sich auf der h-Linie ein.  

19...... Df7

Genug getummelt auf der h-Linie!, sagt die schwarze Dame, und möchte durch den Angriff auf den Springer dem Treiben ein Ende setzen. Was spielte Gerald?

20.Sh4!

 reddmann - steffens5

Sehr schön, sehr kreativ! Die vierte ((!!) Leichtfigur nimmt Platz, und die Dame auf d1 deckt nun den Springer auf h5. Schwarz sieht sich einer WAND, einer WELLE oder, wie Gerald es nannte, einer SÄULE von weißen Figuren gegenüber - nicht einfach, so etwas auszuhalten. (Freunde von Königsblau werden hier wahrscheinlich wehmütig an den berühmten Schalker Kreisel denken.)

 20...Le7 21.Lxg8

Wie sagt man an der Wall Street? "It´s time to cash in."  

21...Dxg8 22.Df3 f5 23.Sg7+ Kd8 24.Df4 Lf6 25.Sh5 Le7 26.Sf3 Dg4 27.Sg7 

reddmann - steffens6

 und die noch intensive schwarze Gegenwehr wurde von Gerald elegant pariert - 1 : 0 im 41.Zug.

 

geraldjung

Gerald Jung in einem Stillleben mit Starkstrom und Apfel, Millerntorstadion, 15.7.2011 (Photo und Bildunterschrift von Gerald Jung in einem Turnierbericht auf der Werder-Homepage)  

Wenn schon die versammelten vier Leichtfiguren verblüffend erscheinen - noch verblüffender ist es vielleicht, dass sich so etwas wie ein Trend zu dieser Figurenkonstellation zu entwickeln scheint! Ihre Erfolgsquote liegt zumindest bei glatt 100%. Bereits vor siebzehn Jahren führte Gerrit Dopatka gegen Patrick Schäffer in einem D-Jugend-Turnier diesen Aufbau herbei - auch wenn alle Figuren eine Reihe nach unten versetzt waren, reichte es zu Schach und Matt in 18 Zügen. Und vor vier Jahren baute sich Monika Motycakova auf den slovakischen U-20-Meisterschaften im Spiel gegen Ivana Kahancova exakt genauso auf wie Gerald - und gewann in 21 Zügen!

motycakova - kahancova

Stellung nach 21.Lxh6 

Sicherheitshalber gab Schwarz an dieser Stelle die Partie auf.

Wir stellen fest: drei Partien, drei Siege für die Weißspieler. Und es geschah zum ersten Mal, dass ein Erwachsener dieser Aufstellung in einer Turnierpartie auf dem Brett hatte. Weltneuheit - herzlichen Glückwunsch, Gerald!

Ob der Sh4 Sh5 Lh6 Lh7- Aufbau vielleicht sogar auch etwas für Daniel Fridman beim Welt-Cup in Chanti-Mansijsk ist? Wir gratulieren jedenfalls zur bravourös gewonnenen ersten Runde!