
Der Leser war am Zug: Germaine Kickert - Holger Hebbinghaus
Was bislang geschah:
April 2011 – es ist der letzte Spieltag der Schach-Bundesliga. Holger Hebbinghaus tippt hier im Blog am besten, wie viele Mannschaftspunkte Delmenhorst und Bremen in den letzten beiden Runden wohl erzielen werden. Damit holte sich Holger sehr knapp vor Che Falquito den ersten Preis – eine kommentierte Partie seiner Wahl.
Treue Leser dieses Blogs wissen: solche Gewinnspiele gewinnt der FM Hebbinghaus immer! Schon vor kurzem stellten wir daher eine Partie von ihm vor, und aus einem anderen Wettbewerb schulden wir ihm immer noch ein Kurzstreckenticket für die BSAG in Bremen.
Was soll nun werden?
Heute also ist es nun soweit. Es folgt die kommentierte Partie – und das wird ja nun langsam auch mal Zeit, denn ein halbes Jahr ist schon vergangen seit der Ligarunde in Baden-Baden.
Holger schickte uns eine Partie, die er auf einem Quickstep-Tagesturnier 2009 in Bremen spielte (ein Turnier, das Holger auch gewann). Seine Gegnerin ist die junge Wildeshauserin Germaine Kickert, die sich mit einer DWZ von 1926 wohl eher als Außenseiterin in dieser Begegnung gefühlt haben mag. Aber - man weiß ja nie, wie es am Ende ausgeht.
Wir erleben die solide Caro-Kann-Eröffnung. Die Partie entwickelt sich langsam, wogt hin und her und kommt dann ohne viel Taktik zu einem sehr plötzlichen Ende. Wer gewinnt, verraten wir aber noch nicht!
Wer ist überhaupt Holger?
Holger ist FIDE-Meister und hat eine angenehme ELO und DWZ, die beide schon seit geraumer Zeit im erweiterten Bereich der 2200 pendeln.
Ebenso wie Niclas Huschenbeth, Jan Gustafsson und Falko Meyer entspringt Holger der phänomenalen Jugendabteilung des Hamburger SK. Seit einigen Jahren kämpft er für den SK Marmstorf GW Harburg um Punkte.
Nicht nur die Norddeutschen kennen und schätzen ihn schon seit langem für seine freundliche Art und sein furchtloses Spiel. Holger liebt es zu spielen, man sieht ihn viel auf Turnieren, so auch im Sommer am Millerntor beim St.Pauli-Open.
Auch ich saß Holger schon einige Male in Turnierpartien gegenüber – es wurde bisher immer Remis, zumeist nach einigen Aufregungen und Verwicklungen.
Sollen wir etwas von der Kommentierung erwarten?
Nein.
Wir bieten in diesen hektischen Zeiten eine gefühlte Analyse, bei der es nicht um viele Varianten geht. Gleichzeitig findet sich in dem Artikel eine Vielzahl von Diagrammen, so dass man die Partie auch ohne Brett verfolgen kann.
Kommentiert wurde mit Bordmitteln - das heißt, Fritz, Mephisto 3, Stockfish und Konsorten kamen nicht zum Einsatz. Vielleicht finden sich daher grobe Ungenauigkeiten in den Varianten. Wie so oft im Schach ist also Vorsicht geboten.
Doch nun genug der langen Worte – und viel Spaß mit der Partie!
Germaine Kickert (1943) - Holger Hebbinghaus (2294) [B19]
IX Quickstep Chess Gruppe A Bremen (1), 24.10.2009
1.e4 c6 2.d4 d5
Caro-Kann.
K.O., wann?
Kann Caro Cannes?
Karo? Grand Hand!
Caro kann Cancan.
3.Sc3 dxe4 4.Sxe4
Auf Schnellturnieren im ausgehenden 20. Jahrhundert sah man hier auch manchmal das schöne Gambit 4.f2-f3, doch darauf hofft man als Schwarzer mittlerweile wohl vergeblich.
4...Lf5 5.Sg3 Lg6
Verwegen wäre hier 5.. . Sbd7 gewesen, in der Hoffnung auf 6.Sxf5, Da5+ und Dxf5. Allerdings sagt sich Schwarz zu Recht, dass er seinen Läufer am liebsten behalten möchte, um seiner Gegnerin nicht "die kleine Qualität" (= den Vorteil des Läuferpaars) zu überlassen.
6.h4 h6 7.Sf3 Sd7 8.h5
Eilt nach vorne, schubst den Läufer und erobert einigen Raum. Auf h5 ist der Bauer aber auch auf sich alleine gestellt und muss von nun an auf Unterstützung hoffen.
8...Lh7
Einmal mehr bringt sich der Läufer vor dem Abtausch in Sicherheit. Weiß greift darum nun zu energischeren Schritten.
9.Ld3 Lxd3 10.Dxd3 e6
Die Eröffnung ist beendet, und wahrscheinlich geht die Partie für echte Caro-Kann-Spieler nun erst richtig los. Wie ist die Lage? a) Weiß hat Raumvorteil durch den Bauern auf h5. b) Der Läufer c1 hat kein richtiges Angriffsziel. c) Weiß könnte versuchen, lang zu rochieren. d) Schwarz steht kompakt und solide - keine Schwächen, und vielleicht bald ein schönes Springerfeld auf d5. Gesamturteil: irgendwie ausgeglichen.
11.Lf4 Da5+
Verhindert eine allzu leichte lange Rochade und nervt ein bisschen herum auf dem Damenflügel.
12.Ld2 Lb4 13.c3 Le7
Die Älteren werden sich hier an die Leichtfigurenmanöver Anatoli Karpows erinnern - und auch in dieser Partie findet der Läufer nach dem klugen Umweg über b4 ein Zuhause auf e7.
14.Se4 Sgf6 15.c4 Dc7
Und da ist er nun - der berühmte Hebbinghaus-Igel. Schwarz hat sich auf den letzten drei Reihen zusammengerollt und harrt der Dinge, die da kommen mögen. Für Weiß ist es schwer, eine Angriffsmarke zu finden - Germaine probiert es daher mit c3-c4, um das Feld unter Kontrolle zu nehmen und vielleicht beizeiten die Mitte zu öffnen. Einen Nachteil bringt das allerdings mit sich: der Bauer d4 fängt an, ein wenig freihändig in der Luft zu hängen.
Sieht freundlich aus, hat aber Stacheln: der Igel (Photo: Gibe/ Wikicommons)
16.g3
Versucht weiter aktiv etwas zu tun - doch das mag hier die falsche Idee sein. Warum immer etwas unternehmen? Abwarten wäre vielleicht besser. Andererseits - wie soll Weiß abwarten? Beide Rochaden sind nicht so einfach zu realisieren.
16...0-0 17.Lf4
Erkämpft sich das Feld d6, doch ...
17...Da5+!
... der Hebbinghaus-Igel fährt seine Stacheln aus! Die Dame überschreitet ein weiteres Mal mutig die dritte Reihe und gibt sogar ein Schach - ein Ausrufezeichen gibt es für die psychologische Wirkung dieses Zuges.
18.Ld2 Lb4
Hello again - die Position der Läufer kommt uns irgendwie bekannt vor. Haben wir vielleicht schon eine dreifache Stellungswiederholung? Immerhin kann Weiß nun das Feld d6 in Besitz nehmen.
19.Sd6 Lxd2+ 20.Dxd2 Dc7
Die Dame kehrt zurück und, wie man früher gerne sagte, befragt den Springer. Viele Felder hat dieser nicht zur Auswahl, es bleibt ansich nur ...
21.c5
Hat Germaine erreicht, was sie wollte? Das Feld d5 musste sie zwar aufgeben, doch der Springer d6 zerteilt jetzt das schwarze Lager in zwei Hälften, so dass dort Probleme mit der schnellen Koordination drohen. Wenn Weiß noch zu g3-g4-g5 kommen könnte, wäre alles gut. Doch nun ist der Augenblick gekommen, wo Schwarz gegenhalten kann, und er setzt an bei der stärksten gegnerischen Figur.
21...b6!
Der Igel wird zum Maulwurf und fängt an, das Fundament des Springers zu untergraben.
22.b4 a5!
Und Weiß fällt auf den Rücken. Das schwarze Gegenspiel ist SCHNELL, und Weiß hat Probleme, seine Figuren beisammenzuhalten. 23.a2-a3 wäre nun schön, doch es geht leider nicht. Darum alternativ ...
23.bxa5 bxc5!
RuckeldieKatz - nachdem Schwarz so lange ganz friedlich die Figuren bewegt hat, erhöht er nun das Tempo und ribbelt die weiße Mitte auf.
24.Sc4 cxd4 25.Sxd4 Tfd8
Das Spiel hat an Tempo gewonnen, die ersten Drohungen tauchen auf. Nach dem Turmzug nach d8 fängt die Dame auf d2 an, sich leicht unwohl zu fühlen. Weiß würde gerne rochieren, doch dann hängt der Bauer auf h5. Und auch einige weiße Felder machen einen ungedeckten Eindruck - die schwarzen Springer streben schon nach f3, d3, d4, um dort für Verwirrung zu sorgen. Jonathan Rowson hat einmal vom "Raumnachteil" gesprochen, in dem Sinne, dass ein Spieler zuviel Raum hat, den er gar nicht mehr decken kann: „We might say that White has a huge castle, but only a few soldiers. while Black has the same number of soldiers and uses all the empty spaces in the castle as posts to attack the white army." (The Seven Deadly Chess Sins, S.63). Überdehnt, sozusagen. Wir sehen das auch in dieser Partie.
26.Dc2
Weiß tut etwas für den Seelenfrieden ihrer Dame und sichert gleichzeitig ein wenig die weißen Felder ab. Vielleicht wäre hier auch die Rochade aussichtsreicher gewesen, um erst einmal die Sorgen um den König zu lindern.
26...Se5!
Behält den Schwung im Spiel und fängt an, so dies und das zu drohen.
27.Sb3 Sxc4
Auch 27...Sd3+ sieht sehr verlockend aus. Es könnte folgen 28.Kf1, und dann ist 28... .Sg4 oder Se4 eine Idee. Weiß hat Probleme damit, die vielen schwarzen Pferde im Zaum zu halten.
28.Dxc4 De5+
Weite Wege ging die Dame in dieser Partie, und immer auf den schwarzen Feldern. Das ändert sich aber nun - von jetzt an wandert sie weiter auf Weiß.
29.Kf1 Dd5
Im Blitzen wäre Txa5 ein lustiger Zug, der aber nach 30.Te1 nicht so recht weiterhilft. In der Partie dagegen lädt Holger furchtlos ins Endspiel ein. Wenn Weiß nun auf d5 tauscht, wird sie lange unter ihrer Bauernstruktur zu leiden haben. Schwarz kann dann noch lange weiterspielen, mit langen Hoffnungen auf den vollen Punkt. Germaine entscheidet sich darum für einen Zug mit einigem dynamischen Flair.
30.Th4!
Hübsch! Wenn Holger nun die Damen tauscht, ist der weiße Turm gleich mittendrin im Spiel. Darum verzichtet Schwarz (natürlich) lieber darauf.
30...e5
Verhindert den entlastenden Abtausch mit 31.Td4.
31.Tc1
Drückt auf c6.
31...Td6
Und verteidigt c6, während zeitgleich die Turmverdoppelung angebahnt wird.
32.Kg1
Es sieht fast so aus, als hätte Weiß sich berappelt. Der König steht endlich froh hinter seinen Bauern, die Figuren spielen mit, und auf der a-Linie lauert sogar ein Freibauer. Doch Schwarz ist am Zug, und er entdeckt eine Schwäche im weißen Lager - das Feld f3!
32...Df3!
Wieder ein psychologisch wichtiger und sehr unangenehmer Zug. Schwarz nimmt in der Nähe des weißen Königs Platz und fängt an, diffus zu drohen. Vielleicht sollte Weiß sofort Dc3 oder Tc3 spielen, um die Dame zu verjagen? Aber dann ist die Partie nach Td1+ sofort entschieden.
33.Dc5 Tad8
Dunkle Wolken ziehen auf ... und wirklich, die weiße Stellung ist nicht mehr leicht zu spielen! Was hilft denn eigentlich noch gegen Td1+?
34.Dc4 Td1+ 35.Kh2 Dh1#
So gewinnt Holger, und so gewinnt man wohl auch gerne mal mit Caro-Kann. Eine schöne Partie, in der vielleicht auch die größere Geduld zum Erfolg geführt hat.

Hebbinghaus ringt mit den Meistern
Die Leserpartie auf Schach-Welt.de
Was bislang geschah
Wir erinnern uns an den Januar 2011: das Wetter war damals schon genauso schlecht wie jetzt im August, und beim groten Holland-Quiz räumt SF Holger Hebbinghaus aus Hamburg den grandiosen ersten Platz ab. Holgers Gewinn: er kann eine Partie einsenden, die wir dann hier in diesem schnuckeligen und vielfach beschimpften Blog veröffentlichen.
Was soll nun werden?
Spielschulden sind Ehrenschulden, und das gilt natürlich auch für die Redaktion dieses Blogs. Darum lösen wir heute unser Versprechen ein und und veröffentlichen die Partie Rogozenco – Hebbinghaus, auf dass sie weltweit bekannt werde. Danke, Holger, an dieser Stelle, dass Du etwas für uns herausgesucht hast, und dass Du so geduldig gewartet hast!
Wir sehen eine Begegnung der Internationalen Hamburger Meisterschaften aus dem Jahr 2003. Am Brett treffen sich der rumänische Großmeister Dorian Rogozenco, der damals und auch heute noch für den Hamburger SK um Punkte ringt, und dem FM Holger Hebbinghaus. Holger geht in diese Partie mit Schwarz und als Außenseiter – der GM hat eine ELO von 2519, sein ELO-Vorteil beträgt 250 Punkte. (Mehr ist ja beinahe gar nicht möglich!). Wir werden dabei sein, wenn der Großmeister den Druck langsam zu erhöhen versucht – ganz so, wie man das eben so kennt von Großmeistern. Doch SF Hebbinghaus hält aus und bekommt seine Chance.
Ich möchte allerdings sogleich einige Worte der Warnung sprechen: die Partie beginnt mit 1.c2-c4! Da ahnen wir schon, dass alles eher so langatmig und positionell werden wird. Sogar die Damen werden früh getauscht. Trotzdem aber lohnt das Nachspielen – versprochen!
1.c2-c4 - Was soll man da noch sagen? |
Wer ist Schachfreund Hebbinghaus?
Holger ist FIDE-Meister und hat eine angenehme ELO und DWZ, die beide schon seit geraumer Zeit im erweiterten Bereich der 2200 pendeln.
Er spielte früher mal beim Hamburger SK und kämpft seit einigen Jahren für den SK Marmstorf GW Harburg um Punkte.
Nicht nur die Norddeutschen kennen und schätzen ihn schon seit langem für seine freundliche Art und sein furchtloses Spiel. Holger liebt es zu spielen, man sieht ihn viel auf Turnieren, so auch im Sommer am Millerntor beim St.Pauli-Open (das in diesem Jahr wiederum von Dorian Rogozenco gewonnen wurde!) Auch ich saß Holger schon einige Male in Turnierpartien gegenüber – es wurde bisher immer Remis, zumeist nach einigen Aufregungen und Verwicklungen.
Holger auf dem Quickstep-Turnier in Wildeshausen 2009 | |
(Foto mit freundlicher Genehmigung von Dirk Rütemann und dem Turnierbüro)
|
Was dürfen wir von der Kommentierung erwarten?
Nichts.
(Falls der eine oder andere sich aber dennoch erbaut zurücklehnt und über eine spannende Partie freut, dann sind wir schon zufrieden.
Wer (zu Recht!) ein Freund tiefer und genauer Partieanalysen ist, wird diese Tiefe in den folgenden Anmerkungen leider nicht wiederfinden. Vielmehr habe ich mich auf eine gefühlte Analyse beschränkt – mehr war leider nicht drin!
Um ein Zeichen zu setzen in dieser von Computern durchtränkten Welt, wurde bei bei der Kommentierung auf den Einsatz von Fritzen, Mephisto 3, Rybka und Konsorten verzichtet. Auch Chessbase und das Handy von Christoph Natsidis kamen nicht zum Einsatz. Es kann daher sein, dass zahlreiche oder massive Fehler in den Kommentaren lauern – Vorsicht ist geboten, liebe Leser. Ich bitte um Nachsicht. Vielen Dank!)
*******
Der Worte sind genug gewechselt. Vorhang auf für ….
Dorian Rogozenco – Holger Hebbinghaus
Internationale Hamburger Meisterschaft 2003
Weiß am Zug
|
1.c4!?
Die Englische Eröffnung, Schrecken aller Schachspieler. Schwarz muss sich darauf einstellen, sechzig Züge lang gequält zu werden. Beliebt ist/ war diese Eröffnung ja vor allem auch in Bremen, wo Meister Carls mit seiner "Bremer Eröffnung" vor einiger Zeit für Furore sorgte.
1...e5
Holger stellt sofort einen Fuß ins Zentrum und führt eine leichte Asymmetrie herbei. Das kann ja so verkehrt eigentlich nicht sein!
2.g3 Sf6 3.Lg2 c6
Nach drei Zügen droht Holger schon damit, mit den Bauern auf d5 und e5 ein hübsches Zentrum aufzubauen. Rogozenco ist das nicht geheuer, und daher spielte er ...
4.d4 exd4 5.Dxd4 Sa6!
Sehr schön! (Randspringerzüge bekommen von mir immer ein Ausrufezeichen.) Wenn auch die schwarze Bauernstellung nun etwas anrüchig aussieht und der Bauer d7 formaljuristisch gesehen rückständig ist, ergeben sich zum Ausgleich dafür Möglichkeiten für Figurenspiel und Tempogewinn. Dynamisches Gleichgewicht also?
6.Sf3 Lc5
Dynamisch, wie gesagt!
7.Dd1 0-0 8.Sc3 Te8
Stellt die Figuren erst einmal auf aktive Felder. Später wird Schwarz sich entscheiden, was er mit dem Bauern auf d7 anstellen will.
9.a3
Droht mit b2-b4 dem Läufer einen "Tritt" zu geben und dabei Raum zu gewinnen. Schwarz baut darum schnell um und bereitet das befreiende d7-d5 vor. Weiß verfolgt daraufhin den Plan mit b2-b4 nicht mehr weiter - wodurch sich 9.a2-a3 vielleicht als kleiner Tempoverlust erweist.
9...Sc7
Sieht irgendwie hübsch aus.
10.Lf4
Gegen d7-d5 gerichtet ....
10...d5
... das aber trotzdem gespielt wird! Wir fragen - wieso ist das möglich?
11.Lxc7 Dxc7 12.cxd5 cxd5 13.0-0
Warum nicht Sxd5? Der Bauerngewinn scheint Rogozenco nicht geheuer gewesen zu sein. Es ergibt sich dann eine Stellung, bei der Schwarz eine Menge Spiel bekommt - nichts also, worauf ein GM große Lust verspürt. Er hält darum lieber alles ruhig und versucht es mit kleinen positionellen Sticheleien. [13.Sxd5 Sxd5 14.Dxd5 Db6 15.e3 Le6 und Schwarz hat gutes Spiel für seinen Bauern. Als 15.Zug wäre alternativ auch Dxb2 möglich. Und auch 15...Lxe3 sieht gefährlich aus: 16.fxe3 Dxe3+ 17.Kf1 b6 18.b4 La6+ 19.b5 Tad8. (Alternativ zu 17.....b6 reicht hier 17...De2+ 18.Kg1 De3+ mindestens schon für ein Remis.) ]
13...Lg4 14.Tc1
Wieder ist es nichts mit Sxd5, weil am Ende der Bauer e2 hängt. Vielleicht fragt man sich nun als Großmeister: wie gewinne ich diese Stellung bloß? Aber noch kann man viel versuchen, mit dem Bauern d5 gibt es ja auch etwas anzugreifen, und das auf lange Sicht. Erstmal aber wird die Stellung der einzelnen Figuren verbessert, und zunächst droht ganz plump (aber effektiv!) b2-b4 nebst Sxd5.
14...Dd7 15.Da4
Eine interessante Idee - die schwarzen Schwächen lassen sich ohne Damen besser massieren. Schwarz hält seine Stellung für sicher genug und willigt ein in den Tausch. [15.Sxd5? Lxf2+]
15...Tac8 16.Dxd7 Lxd7
Schon sind wir im damenlosen Mittelspiel - und der Bauer d5 macht dem Schwarzen nach wie vor leichte Sorgen. Darum erstmal: Fäuste hoch und alles gut abdecken. Und immerhin hat Schwarz das Läuferpaar - wer weiß, wozu das nochmal gut sein kann.
17.e3
Blockiert den Isolani, um ihn danach in Ruhe zu belagern, frei nach Nimzowitsch. Alles läuft nach Plan für den Großmeister?
17...Kf8 18.Tfd1 Le6 19.Sd4 Ted8
Optimale Figurenaufstellung von Weiß, optimale Aufstellung auch bei Schwarz. Weiß hat aber Zeit und kann ein bisschen herumspielen, um den Verteidiger auf Abwege zu führen.
20.h3 h5
Verhindert g3-g4-g5, mit dem Weiß sonst immer mal den Verteidigungsspringer auf f6 anstupsen könnte.
21.Tc2 g6 22.Tcd2?
Weiß erhöht den Druck und lässt alle Figuren auf d5 wirken. Die Idee ist sehr gut, aber ... (leider gibt es oft ein "aber"!)
22...Lxa3!
Hellwach gespielt! Durch den Turmzug nach d2 ist der Springer c3 ungedeckt, und Holger wartet nicht lange damit, Unruhe im weißen Lager zu stiften.
23.Sxe6+ fxe6 24.Sxd5
Der Springer, der sonst vielleicht auf c3 genommen worden wäre, stürzt sich als "Kamikaze-Springer" ins Getümmel, um den Bauern zurückzugewinnen.
24...exd5 25.bxa3
Weiß hat den Bauern zurückgewonnen, und - Schwarz hat immer noch einen Isolani auf d5! Außerdem fühlt es sich unangenehm an, gegen den pulsierenden Läufer g2 spielen zu müssen. Alles wie gehabt also, mit nettem weißen Vorteil? Nein, denn hier ist Schwarz am Zug, und auf der offenen c-Linie kann Holger nun aktiv werden. Gegenspiel, immerhin!
25...Tc3
Wenn der Bauer a3 fällt, sehen die Bauern auf b7 und a7 gleich noch viel bedrohlicher aus!
26.e4
[26.Td3 Tdc8]
26...Txa3 27.e5!
Der GM tut alles, um das Spiel aktiv zu gestalten. Weniger gut wäre 27.exd5 Td6 mit fieser schwarzer Blockade.
27...Se8
Von hier kann der Springer gut das Blockadefeld e6 erreichen.
28.Lxd5
Ein Blick auf die Stellung: der Läufer dominiert in der Brettmitte. Die schwarzen Bauern a7 und b7 sind noch weit hinten und wirken noch nicht so bedrohlich. Holger klammert sich darum nicht an das Bauernpaar, sondern tauscht Bauern und Figuren, wo es nur geht.
28...h4!
[28...b5 29.Lc6 Txd2 30.Txd2 Ke7 (30...b4 31.Td8) 31.Lxb5]
29.Lxb7 Txd2 30.Txd2 hxg3 31.f4!
Das sieht doch nach was aus - der Freibauer auf e5 bekommt Unterstützung. Noch steht aber der Bauern g6 im Weg.
31...Sc7
Hier ist er wieder, der Springer, auf dem Weg zum aktiven Feld e6.
32.Lc8
Verhindert Se6 und baut eine kleine Falle auf, die Schwarz aber gekonnt umschifft.
32...Tc3
[32...a5 33.Td8+ Ke7 34.Td7+ Uah! So schnell kann das gehen.]
33.Kg2
[33.Ta2 Sd5]
33...a5
Alle schwarzen Figuren stehen schon irgendwie gut, also können nun wieder die Bauern laufen.
34.h4 a4 35.h5!
Wieder sehr dynamisch - Rogozenco opfert seinen Bauern auf h5, auf dass seine Kollegen freie Bahn bekommen.35...gxh5 36.f5 Se8
Der Springer rettet sich vor der Drohung Td8+ und Td7+, so dass der schwarze Turm wieder Bewegungsfreiheit bekommt. Zugleich wird der Lc8 angegriffen. - Wir sehen eine dieser Stellungen, die in Mannschaftskämpfen zu den wildesten Spekulationen über den möglichen Ausgang führen können. In einer gefühlten Analyse würde man Weiß aufgrund der verbundenen Freibauern vielleicht den Vorzug geben. Andererseits hat Schwarz einen Bauern mehr und drei (!) Freibauern. Einfach ist das alles nicht. Schach ist ein kniffliges Spiel.
37.Td8 Ke7 38.Td7+ Kf8 39.Lb7
Auf dem Weg nach d5, wonach Tf7 ginge. Was tun?
39...Tc7
Da brennt nichts an! Nichts ist es nun mit Ld5 - die Türme sollen getauscht werden!
40.e6 a3 41.Ld5
Alles wieder unter Kontrolle?
41...a2!
Wickelt elegant ab und beseitigt weitere Gefahren. [Auch 41...Txd7 42.exd7 Ke7 43.dxe8D+ Kxe8 44.f6 h4 sollte Remis sein, weil Weiß nicht auf h4 zubeißen kann - es würde folgen g3-g2 und a3-a2, wonach Schwarz gewinnt. 45.Kh3 Kf8 46.Kxh4]
42.Lxa2
[42.Txc7?! a1D 43.Tf7+ Kg8 44.e7 Db2+ 45.Kxg3 De5+]
42...Tc2+ 43.Kxg3 Txa2 44.f6
Die weißen Bauern walzen sich nach vorne, und es drohen solche Sachen wie Td8 und f6-f7. Doch der Verteidiger bewahrt einen kühlen Kopf: Material zurückgeben und gut ist. Holger sichert sich das Unentschieden gegen den GM!
44...Te2 45.f7 Txe6 46.fxe8D+ Kxe8 47.Ta7
47.... Te7 48.Txe7+ Kxe7 49.Kh4 Kf6 50.Kxh5
Und hier einigten sich die beiden Spieler auf Remis - vielleicht etwas zu früh, und schade für die Zuschauer. Letztlich aber auch verständlich, denn es war ein langer Kampf!
½-½!
Weiterlesen...