10.h4!? - Mut zum Neuen!
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Dienstag, 26 Juli 2011 18:36

Ist Schach langweilig?

„Gravissimum est imperium consuetudinis.“
(Groß ist die Macht der Gewohnheit)
, Publilius Syrus (1. Jahrhundert vor Christus)

Schach in der uns bekannten und vertrauten Form scheint in einer Krise zu sein, schenkt man den aktuellen Diskussionen in der Schachpresse und im Internet Glauben. Da ist zum einen das Problem mit den Möglichkeiten des elektronischen Betrugs. Wem kann man noch Vertrauen schenken in einem Zeitalter, in dem Programme auf Handys stärker spielen als die weltbesten Spieler?! Zerstört das gesäte Misstrauen den Ehrenkodex des Fair Play, mit dem über 150 Jahre sportliches Wettkampfschach betrieben wurde?

Und die andere Gefahr: Schach ist tot, ist remis, sagen einige, vor allem die, die es wissen müssen, weil sie an der Weltspitze stehen.

Doch wir sollten uns nicht mit diesen Unkenrufen aufhalten. Unzweifelhaft ist das professionelle Schach auf hohem Niveau sehr hart und der Zwang zur computerintensiven Vorbereitung eine Geisel der Gegenwart, die es allen Beteiligten schwer macht (etwa auch den Lesern von Partieanalysen, die von Großmeistern „erstellt“ wurden, in denen fast ausschließlich mitgeteilt wird, was der Rechner wann von sich gibt…). Aber wenn man nur will gibt es im Schach so viel noch auszuprobieren und zu entdecken. Solange Partien wie die folgende gespielt werden sehe ich nicht den geringsten Anlass dazu, irgendwelche Regeln abzuändern:

Aronjan, Levon (2805) - Harikrishna, Pentala (2669) Damengambit [D56]

8th World Teams Ningbo (6), 23.07.2011

1.d4 ¤f6 2.c4 e6 3.¤f3 d5 4.¤c3 ¥e7 5.¥g5 h6 6.¥h4 0–0 7.e3 ¤e4 8.¥xe7 £xe7 9.¦c1 c6

Aronian-Hari

Die ultrasolide Lasker-Verteidigung gegen das Damengambit gilt gerade als Inbegriff der Remiswaffe. Die Moden wechseln. Vor ein paar Jahren ließ Russisch die Weißspieler verzweifeln und etliche eingefleischte 1.e4-Spieler ins Lager der 1.d4-Anhänger überwechseln. In Kasan beim Kandidatenturnier packten plötzlich fast alle Spieler, wenn sie auf der schwarzen Seite saßen, das orthodoxe Damengambit mit der Lasker-Verteidigung im Speziellen aus, die verzweifelten Weißen sahen sich gar genötigt, auffallend oft mit soften Aufschlägen wie 1.c4 oder 1.Sf3 überhaupt eine Partie ins Mittelspiel hinüber zu retten. Erleben wir bald wieder eine Renaissance von 1.e4 mit so exotischen Sachen wie Evans-Gambit (wie bei Huschenbeth - Gustafsson)?

Zur Partie: rund sechshundert Mal stand die Diagrammstellung in Partien, die den Eingang in die Datenbanken fanden, auf dem Brett. Fast ausschließlich wurde der Läufer gezogen, nach d3 oder e2, Abwartezüge mit der Dame oder a3 fand zuweilen auch Anwendung. Doch was macht Aronian?

10.h4!? ¤d7 11.g4!?

Aronian-Hari2

Selbst wenn die Stellung immer noch objektiv remis sein sollte, so bietet sie doch Anlass zu Glanzzügen wie zu Fehlern. Von Monotonie und angelernten Reflexzügen keine Spur – Kreativität bricht sich Bahn! Jedenfalls ist was ganz Neues entstanden, Weiß will aus dem Stand heraus einfach mattsetzen. Der Inder versucht, einer alten Devise getreu, Flügelspiel mit Zentrumsspiel zu entgegnen. Ob das hier die richtige Strategie ist?

11. ...e5!? 12.cxd5 ¤xc3 13.¦xc3 cxd5 14.g5! h5? Im Bemühen, die Königsseite geschlossen zu halten. Doch bleibt h5 schwach und der Springer gelangt nicht nach f6.

Aronian-Hari3

15.¥b5! exd4 16.£xd4 £e4 17.£xe4 dxe4 18.¤d2 ¤e5!? Will sich mit einem Bauernopfer befreien, doch zeigt Aronian beste, kreative Technik!

19.¤xe4 ¥e6 20.f4 ¥d5 21.fxe5 ¥xe4 22.0–0 ¥d5

Aronian-Hari4

23.¥d7! ¦fd8 24.¦c7 a5 25.a4 ¦a6 26.¦f4 ¦f8 27.¦d4 ¥c6 28.e6 fxe6 29.¥xe6+ ¢h8


Aronian-Hari5

 

30.¥f7! Ein Echozug zu Ld7. Brückenbau im Feindeslager; die gegnerischen Figuren werden wirkungsvoll gehemmt und am Zusammenspiel gehindert.

30. ...¦b6 31.b3 ¥f3 32.g6 ¦c6 33.¦xc6 bxc6 34.e4 ¥e2 35.e5 1–0

Tolles Ding, in allen Phasen sehr pointiert und unterhaltsam vom Armenier gespielt! Es gibt also viel zu entdecken - für die Weltspitze wie für uns Zuschauer.

Energie für die ganze Mannschaft
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Donnerstag, 30 Juni 2011 12:00

Elf Kekse sollt Ihr sein

Mit Apfelsaft an die Weltspitze? Viele von uns hatten es ja schon seit langem geahnt – und nun endlich ist es auch amtlich: Allein durch die richtige Ernährung während der Partie können SchachspielerInnen ihre Rating gehörig steigern (Quelle: Gesellschaft für Lebensmittelforschung (Berlin) in Kooperation mit Foodwatch, dem Deutschen Wetterdienst und dem Freiburger Institut für Indogermanische Sprachen).

Wie eine seit 1951 in der Oberliga Württemberg durchgeführte Vergleichsstudie ergeben hat, steht der schachliche Erfolg in erstaunlichem Zusammenhang mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel:

- Apfel und Bananen essende Oberligaspieler konnten ihre Rating deutlich um 5 Punkte pro Monat erhöhen im Vergleich zu den nichtapfelundbananenessenden Schachsportlern. Bei Kiwis und Kürbissen ließen sich von den Forschern dagegen keine derartigen Wertungssprünge nachweisen.

kis bann

- Kekse knistern zwar und man muss sie deshalb abseits des Brettes verzehren, doch ist die Wirkung beachtlich: durchschnittlich ein Anstieg von 3 DWZ-Punkten pro Monat bei den schwäbischen Keksessern. Als besonders ergiebig erwiesen sich Schokoladenkekse (mindestens elf davon bei der klassischen Bedenkzeitregelung) und kleine Mandelspätzle.

- Der Verzehr der nicht nur im Süden, sondern vor allem auch im Ruhrgebiet beliebten „Stullen“ (mit Butter, Käse und/oder Marmelade) scheint indes auf das Ergebnis einer Partie kaum Einfluss zu haben – durchschnittlich nur 1 DWZ-Punkt Zuwachs im Monat, aber immerhin. Besser als nichts!

- SpielerInnen, die am Brett viel Wasser, viel Apfelsaft oder viel Wasser mit viel Apfelsaft tranken, konnten ihre nervösen Spannungen während der Partie deutlich besser abbauen – das führte zu durchschnittlich 2 Punkten mehr DWZ pro Monat. (Nicht umsonst wird erzählt, dass der Sieger des Opens, welches 1994 parallel zur Deutschen Meisterschaft auf Rügen stattfand, sich vor allem durch das beständige Trinken von Coca-Cola zu ausdauernder geistiger Hochform aufschwingen konnte. Man ahnt es schon – der Mann war Amerikaner!)
Ein schöner Nebeneffekt: manchen DWZ-Punkt erkämpften sich die Probanden im Südwesten auch durch das ständige Auf-und Zuschrauben ihrer Flaschen–viele Gegner ließen sich davon nerven, waren abgelenkt und machten Fehler.

(Ähnlich populär ist auch das dauernde An-und Ausknipsen von Kugelschreibern, doch fällt das nicht in die Kategorie der Lebensmittel. Über den psychologischen Einsatz von Nahrung zum Zwecke der Gegnerstörung sind ja schon ganze Enzyklopädien verfasst worden. Man denke nur an Zwieback (wundervoll laut, aber mittlerweile nicht mehr so verbreitet), krachendes Knäckebrot, Wurzeln, Möhren und knirschende Karotten, an Popcorn, zerbrechende Chips, die Bahlsen Prinzenrolle, Knoblauch (leise vor der Partie verzehrt erzielt er starke Effekte), an Kieler Sprotten oder auch an Spinat-Omelette. Früher gab es im Turniersaal ja auch noch das Rauchen, doch das ist lange her.

- Vorsicht hingegen scheint geboten beim Genuss von Kaffee. Wir wissen ja schon aus vielerlei Quellen, dass Koffein das Denken beschleunigt – leider machten die kaffeetrinkenden Württemberger dadurch auch ihre schlechten Züge schneller und verloren ihre Partien durchschnittlich 48 Minuten früher als die teetrinkenden Kollegen am Nachbarbrett. Die freie Zeit, die sie so gewannen, mussten sie mit einer sinkenden Rating teuer bezahlen (monatlich minus 3 DWZ im Vergleich zu den Teetrinkern).
Auch Marc Lang, König des Blindsimultanspiels, schiebt bei seinen Wettkämpfen die Kaffeetasse beiseite – stattdessen baut er auf grünen Tee.

turm
Wir meinen: Wer hätte das gedacht? Mit ein wenig blindem Vertrauen in die Wissenschaft scheint sich anzudeuten, dass man seiner Karriere durch die richtige Nahrung noch einen weiteren Push geben kann. Das bestätigt auch Mr.Y auf Schachfeld.de: „Ich bin Angriffsspieler, und sobald ich merke, dass es zur Sache geht, dass ich jetzt den Sack zu machen muss, nehme ich meistens auch nochmal Schokolade oder Traubenzucker zu mir.“ Und darüber hinaus schmeckt es oft auch noch ganz gut! Biologen werden wahrscheinlich ohne Mühe ergänzen, dass das irgendetwas mit dem Blutzuckerspiegel und solcherlei Dingen zu tun hat. Die Energie für die langen Stunden am Schachbrett sollte man regelmäßig und auch rechtzeitig nachlegen – wenn sich ein Energy Low erst einmal ausbreiten konnte, hat man den Bauern vielleicht schon eingestellt, bevor die Konzentration wieder ganz zurückgekehrt ist.

Monty Python trainierten schon vor vierzig Jahren in einem wunderbaren Sketch die Selbstverteidigung gegen Angriffe mit frischem Obst („Also, ich würde sagen, es ist ganz simpel, mit einem Bananenfanatiker umzugehen!“). Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns Ähnliches auch für unsere Turnierpartien überlegen? Die Konkurrenz schläft nicht!

Beim SV Werder, meinem Verein, ist davon noch nicht viel zu spüren. Noch immer werden in der Vereinsgaststätte die traditionellen Pommes gekocht und verzehrt, und manche essen dazu eine Currywurst. Von DWZ-steigernden Keksen, Äpfeln und Bananen keine Spur (auch bei mir nicht) - bedauerlich! Ich weiß, es ist gewagt, doch vielleicht ist diese Form der schachlichen Ernährung mit ein Grund dafür, weshalb wir Bremer nun schon seit einiger Zeit immer nur Zweiter wurden in der Bundesliga (und – beinahe noch schlimmer - beim Blitzen immer von Delmenhorst geschlagen werden).

Doch können wir den Forschungsergebnissen wirklich trauen? Oder sind die Interpretationen so gewagt wie jede Prognose zum griechischen Haushaltsdefizit? Mir zumindest ist aufgefallen:

Großmeister essen im Allgemeinen nichts während einer Schachpartie!

Unheimlich, oder? Vielleicht können das die Leser des Blogs ja sogar bestätigen? Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass ein GM jemals einen Apfel, eine Butterstulle oder einen Keks neben das Brett gestellt hätte. Kaffee dagegen, ja!, Kaffee geht immer, auch für Großmeister – doch scheint es ihrer Spielstärke nicht zu schaden. Zumindest nicht, wenn sie mal gegen mich spielten.
Auch Internationale Meister essen eher nicht so viel während ihrer Partien. Je weiter man aber nach unten klettert mit der DWZ, desto mehr scheinen die Spieler rein intuitiv auf das Essen und vor allem das Trinken während der Partie Wert zu legen. Die Ergebnisse der Studie scheinen ihnen jetzt Recht zu geben.

Und auch rein schachhistorisch gibt es Belege für die Vorzüge einer ausgewogenen Ernährung - wir schauen 75 Jahre zurück und auf das Großmeisterturnier von Nottingham.

emanuel lasker und sein bruder bertold

Emanuel Lasker und sein Bruder Bertold

Emanuel Lasker, der von den Nazis schon 1933 aus Deutschland vertrieben worden war, trat in Nottingham 1936 als Veteran und Vertreter einer früheren Generation an. Darum war es vielleicht kein Wunder, dass Max Euwe, der amtierende Weltmeister aus den Niederlanden, sich für diesen Tag einiges vorgenommen hatte und gegen seinen Great Predecessor streng auf Gewinn zu spielen versuchte.
Als echter Holländer war er dem Kaffee nicht abgeneigt und hatte zu diesem Zeitpunkt in der Partie bereits zwei Tassen Kaffee mit Milch und Zucker genossen. Lasker dagegen, der alte Fuchs, war mit ein paar Keksen, einer Tüte Boskop-Äpfeln und in Begleitung zweier selbstgezüchteter Tauben zur Runde angetreten.

lasker-euwe nottingham 1936

 Nach 23. Zügen war es zu der folgenden Stellung gekommen – Lasker hatte gerade seinen König von e2 nach d3 gespielt. Niemand und auch wir nicht hätten damals geahnt, dass diese Position später einmal so berühmt werden würde. Zeitzeugen berichten, dass Euwe (am Zug) noch an seinem Kaffee sippte, während er überlegte, wie er den Angriff auf seinen Springer parieren sollte. Mit b7-b5? Oder mit Sc4-b6? Doch beides würde seinem berühmten Gegner leichten Ausgleich erlauben. Dann jedoch hatte er einen Geistesblitz – und spielte mit dem gefährlichen impulsiven Schwung des Kaffeetrinkers seinen Läufer von c7 nach a5.


Obwohl Lasker hier schon wieder in seinen nächsten Apfel biss, kalkulierte er bereits die ersten Varianten. Mit der Erfahrung aus über vierzig Jahren Turnierschach hatte der Achtundsechzigjährige Lc7-a5 schon kommen sehen – und mit der Energie aus Schokokeksen und Boskop-Äpfeln fand er eine wuchtige Widerlegung. Wie kam der Ex-Weltmeister in großen Vorteil und gewann gegen seinen Nachfolger? -


Wir Schachspieler   sollten das Potential erkennen, dass die richtigen Lebensmittel für unsere DWZ bereithalten.kis akropolis Der Schachbund ist gefragt. Auch wenn sich unsere Gegner vielleicht nicht so sehr über die vielen Äpfel, Bananenstauden und Butterstullen neben unserem Brett freuen – unsere Mannschaftsführer werden es uns danken!

PS Essen Großmeister denn nun wirklich nichts während der Partie?

Bescherung
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Freitag, 24 Dezember 2010 10:04

Happy Birthday & Merry Christmas

Am heutigen Heiligabend wird im Schachwelt-Blog Geburtstag gefeiert. Allerdings nicht der Ehrentag von Jesus von Nazaret, wie mancher nun vielleicht erwartet haben mag. Dessen offizieller Geburtstermin ist schließlich erst am 25. Dezember (eventuell mag ja einer meiner Kollegen mal in der Qumran-Base nach einschlägigen Partien für einen eventuellen morgigen Artikel recherchieren). Stattdessen soll hier dem Wiegenfest zweier großer Schachhelden der Vergangenheit gedacht werden, welche in ihrer Karriere mehrmals die Klingen miteinander gekreuzt haben: Ex-Weltmeister Emanuel Lasker und Richard Teichmann. Beide  wurden am 24. Dezember 1868 geboren!

Teichmann verteilte stets sehr freigiebig „Geschenke“ an Lasker. Aus der Sicht Laskers lautet die Gesamtbilanz ihrer Begegnungen: +5, =1, -0 (zumindest in den mir zugänglichen Datenbanken). Vermutlich kam es Lasker daher beim hochkarätig besetzten internationalen Schachkongresses St. Petersburg 1909 sehr entgegen, dass er in der Schlussrunde gegen Teichmann spielen durfte. Zu diesem Zeitpunkt lag nämlich Akiba Rubinstein, der neue Stern am Schachimmel und potenzieller Herausforderer des damaligen Weltmeisters Lasker, mit 14 Punkten in Führung. Für Lasker (13,5 Punkte) war die Ausgangslage daher klar. Er musste gegen Teichmann einen Sieg einfahren, wollte er Rubinstein noch einholen. Teichmann (10 Punkte) hätte seinerseits mit einem Sieg noch den geteilten dritten Platz erreichen können.

Zur Feier des Tages hier nun die Partie zum Durchklicken mit dem Originalkommentar Laskers:


Lasker konnte damit tatsächlich den geteilten Turniersieg erreichen, da Rubinstein in der letzten Runde (mit Schwarz gegen Tartakower) nur ein Remis erreicht hatte.

Das Schachwelt-Team wünscht allen Lesern und Leserinnen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest!

Lasker-Janowski (1)
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Sonntag, 28 November 2010 12:53

Schachwelt anno Tobak (1)

Das waren noch Zeiten! Das eigene Telefon hatte keine ELO-Zahl und die Eröffnungstheorie kam noch ohne Endspieldatenbanken aus. An jene längst vergangenen Tage soll in dieser Rubrik erinnert werden.

Zum Start dieser Serie soll dem wohl abwechslungsreichsten Weltmeisterschaftskampf aller Zeiten gedacht werden. An einem Tag gewann Weiß, am nächsten Schwarz*. Am Ende hatte Weltmeister Emanuel Lasker seinen Herausforder Dawid Janowski mit 8:0 (bei 3 Remisen) deklassiert. Der Wettkampf fand vor genau 100 Jahren in Berlin statt. Obwohl Janowski bereits ein Jahr zuvor von Lasker in einem Privatwettkampf mit 1:7 abgefertigt wurde, bekam er seine WM-Chance. Im Gegensatz zu den heutigen Kandidatenauswahlprozessen wurde der Herausforderer damals nämlich auf eine für jedermann verständlich Art und Weise ermittelt: 5000 Frcs. cash auf den Tisch! Für Janowskis Sponsor Leo Nardus war dieser Betrag offensichtlich keine unüberwindbare Hürde.

Janowski war ein kompromissloser Angriffsspieler, der sich stets ohne Rücksicht auf Verluste auf den gegnerischen König stürzte. Über Laskers Spielstil äußerte er sich herablassend: „Er spielt so dumm, das ich gar nicht auf das Brett sehen mag ...“.  Bis zuletzt glaubte Janowski an seine überlegene Spielstärke. Die eigenen Niederlagen erklärte er stets mit allerlei unglücklichen Umständen. Wie er den Klops der ersten Matchpartie (Weiß: Lasker, Schwarz: Janowski) in sein Weltbild eingefügt hat, ist mir leider nicht bekannt:

s. obige Stellung im Artikelbild nach 19. ... Td8-d6??:

Es folgte 20. Txd5 Txd5 21. Dxd5 Dxb4 22. Txc6 1-0.

In einigen der späteren Begegnungen stand Janowski aber tatsächlich kurz vor dem Partiegewinn. Mit zunehmenden Vorsprung ging Lasker allerdings auch immer größere Risiken ein, in der elften Partie spielte er z.B. das Königsgambit. Insbesondere in der fünften Partie (Weiß: Lasker, Schwarz: Janowski) überlebte Lasker nur sehr knapp:

{fen}2kr1bnr/pp3ppp/2n1b3/q7/3N4/2N1B3/PP3PPP/R2QKB1R w KQ - 0 11{end-fen}

Die Eröffnung ist Weiß schon nicht gelungen, die Fesselung in der d-Linie ist sehr unangenehm. Nach dem Partiezug 11. a3? (besser (11. Dd2) hätte die Partie eigentlich in wenigen Zügen vorbei sein müssen. Lasker wollte 11...Lc5 offenbar mit 12. b4 beantworten. Nach 12...Lxd4 13. Lxd4 (auch 13. bxa5 hätte übrigens nicht geholfen: z.B. 13...Lxc3+ 14. Ld2 Txd2 15. Dxd2  Lxd2 16. Kxd2 Sxa5 -+.) 13...Dg5 wäre der Läufer auf d4 nicht mehr zu halten gewesen. Z.B. 14. Se2 Sxd4 15. Sxd4 De5+. Janowski ging aber an seinem Glück vorbei und spielte 11...Sh6? (statt 11...Lc5) und verlor die Partie schließlich sogar.

Die achte Matchpartie feiert heute übrigens hundertsten Geburtstag. Aus diesem Anlass hier die komplette Partie:

*Okay, okay, ich gebe es zu, die Pointe ist von Georg Marco (ehemals Herausgeber der Wiener Schachzeitung) geklaut. Nachzulesen z.B. in: „Umkämpfte Krone“ v. Raymund Stolze, Sportverlag Berlin 1988.