Bastian mit Krennwurzn über Olympia, Prinzen und Geld
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Liest man sich so durch die Forenwelt, dann hat man schnell den Eindruck, dass der DSB praktisch alles falsch macht, aber blickt man auf die Homepage und diverse Interviews in klassischen Medien, dann ist fast alles in Butter und auch die anstehenden Probleme wurden bzw. werden zur vollen Zufriedenheit erledigt. Eine Erfolgsstory – aber viele unzufriedenen Nörgler, da darf die Krennwurzn natürlich nicht fehlen und schickte dem DSB Präsidenten Herbert Bastian kurzerhand einen Einzeiler mit der Frage „Lust auf ein Krennwurzninterview?“. Die Antwort „Warum nicht?“ schockte die Krennwurzn allerdings dann doch zuerst einmal. Da es zwischen uns schon ein paar Mal kurzen Emailkontakt „off the records“ wie man so schön sagt gegeben hat, ist die Zusage dann auch wieder nicht so überraschend – die Schwierigkeit liegt eher darin, dass die Krennwurzn weiß, dass viel gute Arbeit ungelobt von der Schachöffentlichkeit geleistet wird, sie aber gerade respektlos die unangenehmen Themen ansprechen möchte! Aber lassen wir das Gelaber und stellen wir die erste Frage:

Krennwurzn:
Auch wenn mit der ersten Frage gleich der Weg vom Patrioten zum Idioten erfolgreich absolviert wurde: wie sehen Sie das Abschneiden der Nationalmannschaft ohne geborenen Deutschen in Tromsö?

kf2105220pxBastian:
Die Antwort auf diese Frage kann nicht nur lauten, dass wir mit dem Platz 30 der Männer unzufrieden sind, da möchte ich doch etwas weiter ausholen. Georg Meier ist in Trier aufgewachsen, ich sehe ihn, auch wenn seine Mutter aus Uruguay stammt, als „geborenen Deutschen“. Aber die Tatsache, dass alle anderen mehr oder weniger einen Migrationshintergrund haben, spricht weder für die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems, noch für die Leistungsfähigkeit unseres Ausbildungssystems und auch nicht dafür, dass der Schachsport in Deutschland eine angemessene Wertschätzung erfährt. Das hat zuletzt auch die katastrophale Haltung des Bundesinnenministeriums in der Frage der Leistungssportförderung bestätigt. Dass ich schon länger Reformen im Ausbildungssystem anstrebe, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Leider mangelt es noch an der Umsetzung, weil ich bisher nicht ausreichend mit meinen Forderungen überzeugen konnte. Aber ich bin sicher, dass die Diskussion noch dieses Jahr in Gang kommt und im nächsten Jahr Handlungen folgen werden.

Unsere Männer haben bis zur 9.Runde hervorragend gespielt. Herausragend sind die Siege von Naiditsch über Carlsen und von Meier über Kamsky. Diese zeigen, dass die „Akklimatisierung“ an die Weltspitze durch die Kooperation mit Dortmund und Baden-Baden Früchte trägt. Ein halber Punkt mehr gegen Indien (10.Runde) bringt uns in die Nähe zum Setzplatz 12, ein ganzer Punkt mehr sogar in Medaillennähe. Gegen Australien war die Luft dann wohl raus, obwohl ich mir einen abschließenden Sieg gewünscht hätte. Auffällig ist auch, dass wir kaum Gegner aus der Spitzengruppe hatten. Gegen weniger bekannte Gegner schien die Mannschaft verunsichert zu sein. Wir sind unter den besten 17% und sollten laut Setzliste unter den besten 7% sein.
Anders ist die Situation bei den Frauen mit drei „geborenen Deutschen“. Die Frauen haben einen Durchbruch geschafft und ihre Leistungsfähigkeit deutlich unter Beweis gestellt. Aber ihnen fehlt noch die „Akklimatisierung“, weshalb sie mit dem Druck in der letzten Runde gegen die starken Georgierinnen noch nicht zurechtkamen. Mit dem Frauenschachfestival in Erfurt (24. – 31.8.) und der Deutschen Frauenmeisterschaft in Dresden (17.11. – 25.11.) machen wir wichtige Schritte, um unsere Frauen an ein höheres Niveau zu gewöhnen. Die Frauen haben es unter die besten 7% geschafft, gesetzt waren sie unter den besten 9%.

Krennwurzn:
Ok zu den Frauen möchte ich am Ende des Interviews noch einmal zurückkommen - die wichtigsten Fragen später, um die Spannung aufrecht zu erhalten! Die Krennwurzn möchte ganz sportmen like zuerst einmal ein Nisipeanu-bashing betreiben. Ein teurer Einkauf eines alten 38jährigen mit 2700 und einem Performanceeinstieg von 2550 - damit habe ich alle ungerechten Vorbehalte gegen einen netten Menschen in einen Satz verpackt und es graust mir vor mir selbst, aber dennoch bleibt die Frage übrig: was hat das für einen Sinn und ist das nicht gerade das falsche Zeichen an den Nachwuchs? Hätte ich nicht die Altersmilde meiner 50 Lenze sondern wäre ein heißblütiger 17jähriger Prinz mit Perspektive, würde ich schreien: warum habt Ihr diesen Oldtimer eingekauft und nicht mir eine Chance auf Olympiaerfahrung gegeben?

Bastian:
Der Wunsch zu wechseln ging von Dieter aus, und sein Wechsel wurde von unserem Sponsor begrüßt. Da sich auch die Trainer dafür ausgesprochen haben, hat das Präsidium zugestimmt. Bis zur 9. Runde war in Tromsö alles okay, und wenn Dieter gegen Indien gewinnt, spielen wir um eine Medaille mit. Wegen einer misslungenen Partie und der im Anschluss daran verkorksten Schlussrunde möchte ich noch kein negatives Fazit ziehen. Nun steht eine gründliche Auswertung an. Der Bundestrainer muss entscheiden, wie er weitermachen will. Es ist sicher eine Überlegung wert, unsere Prinzen so schnell wie möglich ins Feuer zu schicken, damit sie eventuell für die nächste Olympiade eine Option werden können.

Krennwurzn:
Ich möchte das Thema nicht an der Person Dieter Nisipeanu aufhängen, sondern die Frage stellen, ob so ein Legionärskauf nicht demotivierend auf die jungen aufstrebenden Spieler wirken kann, wenn ihnen ein "fertiger" Spieler vor die Nase gesetzt wird. Nisipeanu selbst hatte um die 20 auch erst 2400 und stieg dann auf 2600 und mit 29 schließlich auf 2700. Ein junger Spieler könnte sich da denken: diese Entwicklung will und würde ich auch machen, aber mein Verband gibt mir diese Chance nicht, denn Spielstärke und -härte kann ich nur steigern, wenn ich gegen stärkere Gegner antreten kann und genau diese Chance hätte mir eine Olympiateilnahme geboten!

Bastian:
Dieter sehe ich als Sonderfall, weil er schon so lange in Deutschland spielt und selbst den Wunsch zu wechseln geäußert hat. Grundsätzlich halte ich den Einwand für völlig berechtigt. Ob eine demotivierende Wirkung tatsächlich eingetreten ist, entzieht sich meiner Kenntnis. In der Nachbereitung der Olympiade werde ich meine Mitarbeiter um Vorschläge bitten, wie wir unsere besten Nachwuchskräfte noch effektiver und schneller an die Weltspitze heranführen können.

Krennwurzn:
Ok – kommen wir zu den Prinzen: Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir bei uns in Österreich ebenso wie in Deutschland keine wirklich früh starken Spieler haben und diese dann so bei 2600 oder früher hängenbleiben. Sind das strukturelle Schwächen oder haben wir zu wenig ehrgeizige Schachmütter und –väter? Oder sehen es auch die Jungen schon so pragmatisch wie ich: Schach ist ein wunderschönes Hobby, aber sehr riskant als Beruf und planen von Anfang an mit einem Studium oder einer guten Berufsausbildung?

Bastian:
Wir haben viele Talente und viele gute Trainer, deren Leistung ich keinesfalls in Frage stellen will. Dennoch sehe ich in Deutschland strukturelle Schwächen. Um z.B. ein so herausragender Spieler wie Magnus Carlsen zu werden, müssen viele wichtige Faktoren optimal zusammenwirken, und dazu gehört auch nicht Planbares. Verbessern könnte man in Deutschland die flächendeckende Talentsuche und die Talentschulung. Das Thema Motivation müsste aufgegriffen werden, ebenso die Frage der beruflichen Absicherung nach Durchlaufen einer professionellen Schachphase. Auch muss die Akklimatisierung unserer größten Talente an die Weltspitze früher anfangen und systematischer betrieben werden, wie wir es etwa mit den Kooperationen mit Dortmund und Baden-Baden schon begonnen haben. Und es muss eine konkretere Zieldiskussion im DSB geführt werden. Versucht haben wir das schon einmal mit der Vorlage eines Verbandsprogramms, das ohne weitere Diskussion beerdigt wurde. Diese Themen, und es sind nicht die einzigen, werden innerhalb des DSB nicht ausreichend bearbeitet, und das ist eine wesentliche, strukturelle Schwäche. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Österreich ähnliche Probleme gibt. Das pragmatische Denken spielt wohl eine Rolle, aber gerade deswegen ist es wichtig, dass die Verbände Modelle suchen, wie man junge Spieler motiviert und begleitet, bis sie in den Beruf übergehen.

Krennwurzn:
Ich sage auch rund heraus warum das ein Problem ist: für einen Verband verursachen zur Zeit Jugendförderung und Spitzenspieler nur Kosten und kaum Einnahmen! Zudem kommt ja periodisch immer die Frage auf, warum einigen wenigen „so viel“ Geld bei wenig Gegenleistung von der Schachgemeinschaft gezahlt werden soll. Hier bräuchte man kreative Ideen wie Poollösungen und Schaffung einer Marke „Nationalmannschaft“ – das kann aber kein ehrenamtlicher Funktionär leisten! Zudem müsste man den Begriff „Schachprofi“ erst einmal definieren und diesen dann auch vertraglich an den Verband (Pool) binden – so ein System verwendet beispielsweise der sehr erfolgreiche österreichische Skiverband – aber ist sowas im Schach überhaupt denkbar?

Bastian:
Diese Argumentation überzeugt mich nicht. Investition in Jugendliche, die etwas leisten wollen, zahlt sich immer aus. Oft stehen sie in späteren Jahren der Organisation noch immer als Ehrenamtliche zur Verfügung, oder ihre Vorbildwirkung erzeugt einen positiven Sog. Eine Organisation, die nicht in ihren Nachwuchs investiert, programmiert ihren eigenen Tod. Spitzenkönner erzeugen eine sehr wertvolle Langzeitwirkung, ihre Namen geben der Organisation ihr Profil. Und meistens sind sie dauerhaft Leistungsträger. Beispiel nötig? Siehe Deutscher Fußballbund.
Zustimmen möchte ich der Forderung, „kreative Ideen“ wie Poollösung oder Schaffung einer Marke „Nationalmannschaft“ zu entwickeln. Letztgenanntes tun wir bereits in ersten Anfängen. Das Marketing im weitesten Sinne muss im DSB in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden. Professionelles Marketing ist für uns derzeit unbezahlbar, ehrenamtliches nicht machbar weil es einen Fulltimejob erfordert. Wir bewegen uns irgendwo dazwischen und müssen mit Geduld und Zielstrebigkeit in kleinen Schritten Verbesserungen erreichen. Mehr zu erwarten ist derzeit unrealistisch. Ich kann nur sagen, dass wir uns intern diesen Fragen stellen und Lösungen suchen.

Krennwurzn:
Bleiben wir beim Thema Geld – Schach ist zwar ein billiger Sport und dennoch fehlt an allen Ecken und Enden Geld. Nun gehöre ich nicht zu jenen, die glauben, dass man mit Beitragserhöhungen – auch wenn diese in der aktuellen Situation durchaus vernünftig erscheinen – grundsätzliche Probleme lösen kann. Viel wichtiger ist doch das vorhandene Geld sinnvoller auszugeben – ich glaube wir verlieren zu viel Geld an – doppeltes Anführungszeichen – „Hartz IV Profis“. Das klingt in erster Lesung einmal ziemlich hart und abwertend – das ist mir klar, aber es ist nicht so gemeint, denn ich glaube viele davon haben einfach im Streben nach einer Schachkarriere als Profi den „exit point“ übersehen und da schließen sich meine Fragen an: Was kann dafür ein Verband leisten? Wäre es nicht sinnvoll jungen Spielern und Eltern einen Musterbusinessplan an die Hand zu geben, der auch so profane Dinge wie Sozialversicherung, Rentenversicherung, Steuer, etc. beinhaltet und der Jungprofis zeigt wieviel Geld sie einnehmen müssen, um neben anderen Kosten (Trainer, Reise, ...) auch diese zu tragen und ein vernünftiges und gesichertes Einkommen zu erzielen?

Bastian:
Wie jemand sein Leben konzipiert ist eine individuelle Sache, aus der sich der DSB im Allgemeinen heraushält. Mir ist nicht klar, wo Geld an „Hartz IV Profis“ verloren geht!? Ich glaube eher, dass die Leistung dieses Personenkreises für die Schachbewegung und für die Vereine viel zu wenig wertgeschätzt wird. Vieles geschieht doch entweder total unterbezahlt oder sogar ehrenamtlich, wobei ich vor allem an Jugendarbeit oder Fachartikel denke. Ohne diesen Personenkreis, der sich ganz dem Schach verschrieben hat, würde den Vereinen viel verloren gehen. Einen „Musterbusinessplan“ halte ich für eine sehr gute Idee, obwohl auch das nur ein Mosaikstein zu einer (zeitlich begrenzten) Profikarriere ist.

Krennwurzn:
Auch ich möchte niemanden vorschreiben, wie er zu leben hat – ich sehe es so: es gibt im Schach eine gewisse Menge Geld zu verteilen und zu viele an die es verteilt wird, daher ist es schwierig als Profi mit Sozialversicherung und Steuererklärung zu existieren. Meine Intention geht dahin darüber nachzudenken, ob man „lizenzierte Schachprofis“ installieren kann – im Idealfall sogar als Angestellte bei einem Verein. Das könnte für die Profis ein sicheres Auskommen bedeuten und für die Vereine böte sich möglicherweise eine bessere lokale Vermarktbarkeit! Den Begriff „Hartz IV Profis“ sollte man eher durch „Wanderarbeiter“ ersetzen...

Bastian:
„Lizenzierte Profis“ – das ist für mich eine neue Idee und sehr interessant! Das werde ich in meinem Team zur Diskussion stellen, ein weiterer Mosaikstein in diesem Themenfeld!
Etwas anders sehe ich die Frage der Geldverteilung. Ein sehr großer Anteil unserer Mitgliedsbeiträge geht bei uns in die Personalkosten. Auch wenn es unpopulär ist: aus der alltäglichen Arbeit weiß ich, dass diese Kosten unvermeidlich sind, auch wenn wir weniger Personen aus dem angesprochenen Kreis hätten. Das allgemeine Sportgeschehen und das Schachgeschehen insbesondere sind so anspruchsvoll geworden (als zwei Beispiele von vielen nenne ich das relativ neue Thema der Inklusion oder die unsägliche Verrechtlichung im Sport), dass ein Verband wie der Deutsche Schachbund von vornherein eine sehr hohe Grundbelastung hat. Bevor wir Geld in den Spielbetrieb stecken können, müssen zuerst einmal die umfangreichen Hausaufgaben der Sportpolitik erfüllt werden. Ich habe große Zweifel, ob unserer Basis das in vollem Umfang bewusst ist, daher auch das oft anzutreffende Unverständnis gegenüber Beitragserhöhungen, die doch (scheinbar!) nicht als Dienstleistungen an die Basis zurückfließen.
Auch wenn ich mich mit dieser Äußerung vielleicht der Kritik aussetze: Der Deutsche Schachbund benötigt ausreichende Mittel mit Reserven, um z.B. solche Konzepte wie „lizensierte Profis“ aufzugreifen. Solange wir finanziell am Limit leben, ist kaum Spielraum da, um solche komplexen Neuerungen auszuarbeiten und in die Praxis umzusetzen. Wir lähmen uns oft selber.

Krennwurzn:
Für die Basis sind vor allem ein funktionierender Spielbetrieb und eine vernünftige Eloauswertung von wesentlichem Interesse und das klappt doch sehr gut und zusätzlich sind nur sehr wenige sportpolitisch interessiert. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Personalkosten extrem ausgedrückt per se als „persönliche Bereicherung“ oder noch schlimmer als „Korruption“ empfunden werden und im milderen Fall eine Neiddiskussion auslösen. Einen Weltmeistertitel und eine der besten Ligen der Welt gibt es im Fußball ja auch nicht zum Nulltarif – warum sollte das dann im Schach möglich sein? Müsste man als Verband nicht offensiver die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit dieser Kosten kommunizieren und wenn ja - wie?

Bastian:
Mit dieser Forderung wird das Präsidium regelmäßig konfrontiert, und ich halte sie (guten Gewissens) für berechtigt. Die Frage des „Wie“ ist schwerer zu beantworten, weil man sicherstellen muss, dass die gegebenen Informationen ankommen und objektiv betrachtet werden. Zuletzt hat unsere Geschäftsführerin Heike Quellmalz am 30.Mai auf dem Hauptausschuss in Frankfurt den Verbandsvorsitzenden in einem längeren Vortrag dargelegt, welche Aufgaben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle in Berlin erfüllen. Dies geschah in Anwesenheit des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann. Herr Hörmann hat sehr interessiert zugehört und uns die Anregung gegeben, gegebenenfalls im Verwaltungsbereich, nicht aber im Sportbereich zu sparen, wenn wir aus der Leistungssportförderung durch das BMI fallen sollten (was inzwischen überholt ist). Im Präsidium haben wir uns das sehr zu Herzen genommen. Zudem gibt es die Absicht der Landesverbände, im Herbst die Geschäftsstelle zu besuchen und die Verhältnisse persönlich vor Ort zu prüfen. Dem stellen wir uns im Sinne der Transparenz gerne. Diesem Ortstermin und der darauf folgenden Auswertung kann und will ich nicht vorgreifen. Dennoch will ich schon hier meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgezeichneten Einsatz zeigen und nicht an Leerlauf leiden.

Krennwurzn:
Ok – Geduld gehört zwar nicht zu meinen Stärken, aber da müssen die Leser und ich noch ein wenig warten. Was mich persönlich im Themenbereich Geld und Arbeit noch interessiert und oftmals auch verunsichert ist das Spannungsfeld zwischen Ehrenamt, Hobby und professioneller Arbeit. Vom Ehrenamt verlangt man professionelle Arbeit zum Nulltarif – das muss man wohl persönlich akzeptieren, wenn man so ein Ehrenamt annimmt und das funktioniert auf Vereinsebene wohl ganz gut – auf Verbandsebene habe ich manchmal das Gefühl, dass wir die Funktionäre an die Grenze des Leistbaren treiben?

Bastian:
Das ist völlig richtig. Die Funktionäre werden heute oft jenseits der Grenzen des Leistbaren getrieben und müssen zudem noch eigenes Geld investieren. Wobei ihnen von denen, für die sie unbezahlt arbeiten, noch Selbstbereicherung und Korruption vorgeworfen wird.

Krennwurzn:
Es muss doch was in der Kommunikation komplett falsch laufen, damit diese Schieflage zwischen Wirklichkeit und Vorstellung bei den Mitgliedern entstehen kann? Oder ist es simpler Zeitgeist, dass alle oben (Politiker, Manager, Funktionäre, etc. ) als – ich wage es gar nicht zu schreiben – „Gauner“ gesehen werden? Und was kann man dagegen machen und was sagt Frau Bastian dazu, dass ihr Mann viel Zeit für „Schimpf und Schande“ opfert?

Bastian:
Ja, es läuft etwas schief, aber ich kann dazu nur meine persönliche Meinung sagen, ob die zutrifft, müssen andere beurteilen. Ich sehe das Hauptproblem darin, dass zu viel von zu wenigen Leuten hinter verschlossenen Türen besprochen wird. Oft aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Meine persönliche Erfahrung ist, dass man am weitesten kommt, wenn man offen und ehrlich kommuniziert und die Leute in die Entscheidungsprozesse so gut wie möglich einbezieht. Meine Frau kennt meine Motive und respektiert das. Sie weiß, dass ich meine Motivation aus der Liebe zum Schach beziehe und dass mir das niemand nehmen kann.

Krennwurzn:
Offene Entscheidungsprozesse sind auch meiner Meinung nach ein Schlüssel für mehr Verständnis – allerdings muss auch klar sein, dass diese liberale Herangehensweise eine klare Abgrenzung zum Anarchismus hat und daher nicht alles in allen Details in der Öffentlichkeit diskutiert werden kann, weil es neben Persönlichkeitsrechten auch schützenswerte Interna gibt.
Ich möchte zum Abschluss dieses Teils noch eine persönliche Frage zu der entgeltlosen Hobbyarbeit stellen. Wir haben eine sehr aktive Schachszene im Internet mit vielen Foren, Blogs etc. – aber manchmal bin ich mir nicht sicher, ob wir Gratisschreiber nicht professionellen Journalisten Einkommenschancen mindern?

Bastian:
Mit dem ersten Teil bin ich einverstanden, aber Letzteres kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ja nicht so, dass die Ehrenamtlichen den Profis die Arbeit wegnehmen, sondern es ist genau umgekehrt: Überall dort, wo Ehrenamtliche oder Idealisten etwas Neues aufbauen, entstehen noch Beschäftigungsmöglichkeiten für Professionelle.

Krennwurzn:
Ok – so kann man das auch sehen. Ich möchte noch einmal bei der Offenheit etwas nachhaken – leider gab – und wird es auch in Zukunft auch geben – Fälle wo Funktionäre tatsächlich in Korruptionsaffären oder persönliche Vorteilnahme verstrickt waren. Die bisherige pragmatische Vorgehensweise war so gut wie möglich vertuschen und auch aus juristischen Gründen so wenig wie möglich öffentlich zu machen und die Sache hinter verschlossenen Türen so gut wie möglich zu lösen. Schwarze oder graue Schafe gibt es überall, aber sollte man damit in Zukunft offener umgehen oder ist der Preis drohender Gerichtsverfahren dafür einfach zu hoch und zeitaufwendig?

Bastian:
Da kann ich einfach nicht mitreden, weil ich das in meinem Umfeld noch nicht erlebt habe. Soweit ich weiß war der Deutsche Schachbund bisher nicht betroffen. Wahrscheinlich muss man jeden Fall individuell betrachten. Korruption gab es immer und wird es immer geben. Deshalb muss jede Gemeinschaft Regeln, nach denen sie sich organisieren will, und Konsequenzen bei Regelverstößen festlegen. Es ist völlig unrealistisch anzunehmen, dass wir in Deutschland Regeln festlegen können, die in allen 181 Mitgliedsorganisationen der FIDE akzeptiert werden und sinnvoll sind. In der FIDE muss über das Regelwerk gesprochen werden, es entwickelt sich ja jetzt schon kontinuierlich weiter. Doch bei allen Veränderungswünschen muss man stets berücksichtigen, dass Neuerungen nur einvernehmlich nach den jeweils geltenden Regeln beschlossen werden können. Veränderungspotenzial muss stets geduldig ausgelotet und nach viel Überzeugungsarbeit ausgeschöpft werden.

Krennwurzn:
Die Krennwurzn als hobbymäßiger Interviewer, wagt locker die Frage zu stellen, ob der DSB-Präsident zum Themenkomplex Olympia, Prinzen und Geld selbsttätig nicht gestellte Fragen beantworten möchte?

Bastian:
Bekanntlich ist das Schachspiel wie ein See, in dem eine Mücke baden und ein Elefant ertrinken kann. Auf eine offene Frage zu gleich drei so komplexen Themengebieten wähle ich diesmal die Mückenvariante: Tolle Leistung der Frauen mit Luft nach oben, tolle Leistung der Männer, denen beim Zieleinlauf etwas zu früh die Puste ausgegangen ist, Prinzen als Hoffnungsträger, denen ich einen Quantensprung nach oben wünsche, und ein leidiges Thema, das wir nur durch gute sportliche Leistungen in den Griff bekommen werden.

Krennwurzn:
Danke für die Zeit und die offenen Antworten - vielleicht schaffen wir einen zweiten Teil mit den Themen FIDE und Frauen – ich glaube das würde unsere Leser noch interessieren!

Was ich dem DSB nicht vorschlug
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Mittwoch, 23 November 2011 13:35

Was ich dem DSB nicht vorschlug

Der DSB rief bezüglich der Fragen um die Nationalmannschaft zu einer öffentlichen Umfrage „Sie fragen, wir antworten!“ auf! Anonyme sind aber wie zu lesen ist („Ihre Fragen schicken Sie mit Ihrem Vor- und Familiennamen – nur diese werden beantwortet – bitte bis 30. November an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!“) ausgeschlossen.

Da mich das als Österreicher rein gar nichts angeht und mich nur ärgert, dass die Deutschen einen Jahrhunderterfolg besser als wir Österreicher zermatschkern können, schrieb ich folgendes Email NICHT an den DSB:  


Sehr verehrter, hochwohlgeborener Herr Präsident!

Vorerst möchte ich Ihnen herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren, die meiner Meinung nach viel zu spät erfolgte, denn unter Ihrer Präsidentschaft kommen nun endlich jene Erfolge, die dem deutschen Schach schon lange zustehen, zu Stande. Der Gewinn des Mitropa Cups und der Europameisterschaft zeigt, dass Sie genau auf dem richtigen Weg in eine glorreiche Zukunft des deutschen Schachs sind. Leider führte der Erfolg nicht zu der gewünschten Harmonie und es müssen noch Probleme, deren Ursachen in der Vergangenheit und damit nicht in Ihrer Verantwortung liegen, gelöst werden. Aus dem Fußball ist Ihnen sicherlich die Usance bekannt, dass es leichter ist den Trainer zu feuern als die Mannschaft. Aber warum nicht den mutigen Schritt wagen und die aufmüpfige Mannschaft zu ersetzen, wie dies ein mexikanischer Fußballklub schon angedacht hat.

Natürlich besteht dann die Gefahr - wie bei der Olympiade 2010 - dass der sportliche Erfolg nicht darstellbar ist, wenn man eine B oder gar C Mannschaft zum Bewerb schicken muss. Als Lösung schlage ich vor, Spieler die bereits einen starken Deutschlandbezug haben in die deutsche Nationalmannschaft zu integrieren. Als erster bietet sich hier der schon bewährte Rustam Kasimdzhanov an, der die Mannschaft schon zur Europameisterschaft führte und er könnte natürlich dann seinen Schützling Viswanathan Anand mitbringen, der in Wirklichkeit nicht der Tiger von Madras, sondern ein waschechter Chesstiger aus der Karnevalstadt Mainz ist. Dass dem Berliner Levon Aronian ein Fixplatz zusteht ist ebenso klar wie jener für den vielfachen Dortmundsieger Vladimir Kramnik mit seinem deutschen Manager. Das erste Ersatzbrett geht dann an den netten „Gusti nationale“ um für eine positive Stimmung auf seinem Blog zu sorgen!

Nationalmannschaft: Anand, Aronian, Kramnik, Kasimdzhanov

Mit dieser Mannschaft braucht man dann auch beinahe kein Glück bei zukünftigen Bewerben – es genügt allein die Teilnahme, um Erfolge zu garantieren. Mittelfristig sollte man daran denken auch Magnus Carlsen in die Nationalmannschaft einzubauen – kurzfristig genügt es den Alterspassus (keine Spieler über 40), der ohnehin diskriminierend ist, aus den Bestimmungen zu streichen.

Nun bietet sich Ihnen die einmalige Möglichkeit es allen Recht zu machen! Die aufmüpfigen Spieler wurden bereits aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen und nun können Sie sich daran machen die Forderung nach einem neuen Bundestrainer ebenfalls zu erfüllen. Da Ihrem Vorgänger es nicht gelungen ist, die größten K‘s der Schachgeschichte an der FIDE Spitze zu etablieren, steht der Weg offen für einen Teammanager Karpov für das Organisatorische und Politische und einen Bundestrainer Kasparov, dessen Eröffnungskenntnisse und -datenbank legendär sind – zudem könnte er das zweite Ersatzbrett als selten spielender Kapitän besetzen, falls er wie viele andere Sportler über 40 den Rücktritt vom Rücktritt machen sollte.

Teammanger Karpov – Bundestrainer Kasparov

Da nun jegliche Probleme mit der Nationalmannschaft zweifelsfrei geklärt sind, müssen Sie sich nur mehr der Kommunikation und Außenwirkung widmen und auch diese radikal umstellen. Als erste Maßnahme ist die Durchsetzung des Hausrechts des DSB klarzustellen. Kein Schachspieler darf sich – auch nicht im privaten Bereich – in irgendeiner Form negativ über Schach und schon gar nicht Schachpolitik äußern. Da aber schon der Begriff „negativ“ nicht positiv ist und auch zu Diskussionen führen könnte, gilt ab sofort das totale Äußerungsverbot für alle Schachspieler, Funktionäre, Blogger, usw. Nur positive Jubelmeldungen mit vielen Fotos am besten ohne Text – das verringert auch die Anzahl der Rechtschreibfehler – dürfen in Zukunft auf der Homepage des DSB und untergeordneten Partnerseiten veröffentlicht werden! Denn ein Bild sagt mehr als tausend Worte! Und ein Präsidentenfoto mit einem oder mehreren Pokalen – was will man da noch mehr?

Da man die Bloggerszene leider nicht vollständig kontrollieren kann und diese Anonymen ziemlich lästig sein können und überall ihren Senf, Kren oder sonst was dazugeben müssen, ist es notwendig auch dort meinungsbildend präsent zu sein. Ich schlage daher vor, dass Sie sich zwar öffentlich niemals zu nichts äußern, aber gerade deswegen mit verschiedenen wechselnden Pseudonymen an diversen Blogdiskussionen teilnehmen und dort auch bei konträren Diskussionen beide Standpunkte einnehmen zu können, denn nur so können Sie sicherstellen, dass Sie schon vorher wussten was richtig oder falsch war! Wie schon bei der Problemlösung Nationalmannschaft gilt: nur wer beiden Seiten recht gibt, steht als Gewinner da!

Hausrecht – nur Jubelmeldungen – keine Kritik

Wie sollte man das alles finanzieren höre ich die Kritiker, die es nun bald gar nicht geben dürfte, dennoch fragen. Auch das ist ganz einfach! Da Beitragserhöhungen beim Schachvolk nicht gut ankommen, Sponsoren schwer zu finden sind und auch noch Gegenleistungen wollen, muss auf eine sichere Einnahmenquelle umgestellt werden: einer Partieabgabe von lächerlichen 10 Cent pro Partie. Das können sich sogar die knausrigsten Schachspieler leisten.

Wie uns zuverlässige Statistiker – auch undiplomatische – sagen, werden alleine am deutschen weltgrößten Schachserver täglich um die 200.000 Partien gespielt, daneben gibt es noch den weltgrößten browserbasierten Schachserver ebenfalls mit Sitz in Deutschland und natürlich werden auch anderswo in Deutschland in Klublokalen, Kaffeehäusern, privaten Wohnungen, etc. täglich unzählige Partien gespielt. Bei vorsichtiger Schätzung von 300.000 Partien täglich ergeben sich Jahreseinnahmen von über 10 Millionen Euro (30.000 Euro täglich).

Finanzierung: Partieabgabe von nur 10 Cent

Sollten sich dennoch Finanzierungsprobleme ergeben, sollte man auch noch checken, ob nicht auch Analysestellungsabgaben, Taktikstellungsabgaben, Tablebase- und Enginestellungsberechnungsabgaben als Einnahmequellen zu erschließen wären.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster gschamsta Diener
Krennwurzn 


 ANHANG

Zur Unperson

Krennwurzn, geht seit einem Jahr = Jahrgang, Volksschulabschluss, Tanzkurs, österreichischer Dauernörgler, größter schachlicher Erfolg: Remis gegen Kasparov in Gewinnstellung (2006)

Sprachliche Eigenheiten

Da sich die Deutschen und Österreicher vor allem durch die gemeinsame Sprache unterscheiden (Karl Kraus):

zermatschkern

Gschamsta Diener

Nörgler

Thema Anonymität

Hier möchte ich auf die bemerkenswerten Zeilen des Schachfreundes „hiphappy“ verweisen - danke für die schöne Ausformulierung:

Zur bösen Anonymität: auch ich werde hier nicht mit meinem Namen unterschreiben. Ein Pseudonym (welches ich seit knapp 10 Jahren verwende) reicht, einigen ist meine Identität bekannt, und wer will, kann meinen Namen wahrscheinlich binnen einer Minute ermitteln. Trotzdem muss ich nicht ALLES mit meinem Namen in Verbindung bringen (Stichwort: neuer Arbeitgeber und Google: der kann nämlich diverse Diskussionsbeiträge unter Umständen überhaupt nicht richtig einordnen). Das halte ich für mein und jedermanns gutes Recht. In jedem regelmäßig geführten Blog/Forum hat man nach kurzer Zeit raus, wer sinnvoll schreibt und wer nicht. Ob da nun realer Name oder Irgendwas steht ist völlig unerheblich.

Schachlicher Erfolg

Remis gegen IM Sergej Kasparov bei einem Onlineblitzturnier – gegen den Garry würde ich mich wohl gar nicht spielen trauen und die Stellung war vorher natürlich für mich verloren.

Zum Nachspielen einfach in ein Schachprogramm kopieren oder als PGN abspeichern.

 

[Event "Wertungspartie, 5m + 0s BLITZ"]
[Site "SCHACH.DE Offiziell B"]
[Date "2006.01.20"]
[Round "2"]
[White "Krennwurzn"]
[Black "Masis"]
[Result "1/2-1/2"]
[ECO "A57"]
[WhiteElo "1718"]
[BlackElo "2647"]
[SetUp "1"]
[FEN "8/1r2pk2/p2p1p2/P2P2p1/4P3/5PK1/qpQ3P1/1R6 w - - 0 45"]
[PlyCount "23"]
[EventDate "2006.01.20"]
[EventType "blitz"]

{Masis = IM Sergej Kasparov - Sie dachten doch wohl nicht an Garry - es war für mich das schon ein toller Erfolg :-))} 45. e5 {in verlorener Stellung darf man alles spielen!} dxe5 $4 {oops -der hat die Partie schon abgehakt} (45... Qxd5 $19) 46. Qh7+ Ke8 $4 und Remis will er auch nicht} (46... Kf8 47. Qh8+ Kf7 48. Qh7+ {Dauerschach}) 47. Qg8+ {GEWINNSTELLUNG} Kd7 48. Qe6+ Kc7 (48... Kd8 49. Rh1 $18 {wird matt}) (48... Ke8 49. Rh1 {detto matt}) 49. Qxe7+ {Zeitnot- den Gewinn sehe ich nicht - ich mache Zugwiederholung} (49. d6+ $1 exd6 50. Qxa2 $18 {und die Dame ist weg - leichter Gewinn}) 49... Kb8 50. Qf8+ Ka7 51. Qc5+ Ka8 52. Qc8+ Ka7 53. Qc5+ Kb8 54. Qf8+ (54. Rh1 {wird schon fad - aber das wird wieder matt}) 54... Kc7 55. Qe7+ (55. Qc5+ Kd7 56. Rh1 {nicht schon wieder #6 :-))}) 55... Kb8 00:06]} 56. Qf8+ {GESCHAFFT REMIS - dem Sieg erfolgreich aus dem Weg gegangen!!} 1/2-1/2

Nominierungsroulette zur EM - Der Fall Khenkin
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Mittwoch, 21 September 2011 14:42

Nominierungsroulette zur EM - Der Fall Khenkin

Gerade ein paar Tage ist es her, dass wir vom Comeback der alten Nationalmannschaft und der Hoffnung auf ein Ende der Querelen berichteten und schon verdunkelt sich der Himmel erneut. Betroffen ist diesmal der etwas undankbare fünfte Platz. Die Nominierung Rainer Buhmanns, mit Elo 2606 die Nr. 8 der deutschen Rangliste, löste bei vielen Lesern Verwunderung aus. Rangierte doch unter Anderem der amtierende Deutsche Meister, Igor Khenkin, deutlich vor ihm.

Darüber ob Ballack oder Lahm der bessere Fußballspieler ist, lässt sich trefflich streiten, im Schach hingegen gibt es eine klare Leistungseinschätzung über die Elozahl. Nur selten basieren Mannschaftsaufstellungen auf anderen Kriterien. Warum wich der Bundestrainer von dieser klaren Vorgehensweise ab? Wir machten uns auf die Suche und trafen dabei auf ratlose und enttäuschte Spieler:

Deutschlands Nummer 5 (Elo 2628), Alexander Graf:

Es ist schon 4 Jahre her, dass ich aus dem Team gestrichen wurde. Der Grund wurde mir nicht mitgeteilt. Wegen des Alters vermute ich. Seitdem hatte ich keinen Kontakt mit dem DSB.“

 

seminar-Banner-anz300Igor Khenkins Ratlosigkeit

Damit ist für Graf das Thema Nationalmannschaft wohl passé. Nicht jedoch für den amtierenden Deutschen Meister, Igor Khenkin (2624). Von ihm erreichte uns folgende Stellungnahme:

 

"Letztlich ist Uwe Bönsch natürlich der Bundestrainer und hat das Recht und die Pflicht die Mannschaftsmeldung für die EM zu machen. Aber wie Viele, frage ich mich natürlich auch, nach welchen Kriterien denn die Mannschaft aufgestellt wird ? Die ersten Vier werden wohl nach ELO-Zahl aufgestellt, der fünfte Teilnehmer aber nicht. Sowohl Alexander Graf wie auch ich haben doch eine erheblich bessere Zahl. Nicht einmal der Deutsche Meistertitel war hier ausschlaggebend, auch danach habe ich weiter sehr erfolgreich gespielt und meine ELO-Zahl weiter verbessert. Aktuell habe ich die gleiche ELO-Zahl wie Jan Gustafsson (ELO 2631).

Letztlich mag es noch neben der ELO-Zahl andere Kriterien geben, warum aber nur für den fünften und nicht für alle. Welche Kriterien sind es denn überhaupt?

Hierzu schrieb mir Uwe Bönsch nichtssagend:

"Heute wurden die Mannschaften für die Europameisterschaft nominiert. Leider muss ich dir mitteilen, dass du in der aktuellen Aufstellung nicht berücksichtigt wurdest. Verschiedene Faktoren haben bei der Wahl der Spieler eine Rolle gespielt. Am Ende fiel die Entscheidung jedoch auf Grund des Gesamtpakets."

Welche Faktoren, was für ein Gesamtpaket? - das sind leere Worthülsen. Da ich nicht weiß, warum man mich nicht berücksichtigt, fühle ich mich schlecht behandelt und bin sehr enttäuscht. Es ist eben besonders schmerzhaft, wenn man durch so einen Willkürakt - der nicht sinnvoll begründet wird – daran gehindert wird für sein Land zu spielen. Daher appelliere ich noch einmal an Uwe Bönsch und die Verantwortlichen vom DSB, mir doch irgendwie objektive Gründe für meine Nichtberücksichtigung mitzuteilen."

Igor Khenkin

Nun stellt sich die Frage, ob persönliche oder triftige interne Gründe für die Entscheidung vorliegen. Doch auch dann sollten diese zumindest den Betroffenen, unter Umständen auch der Öffentlichkeit, mitgeteilt werden und natürlich nicht in Form einer unpersönlichen e-Mail.

Khenkins Weg über unseren Blog wirkt wie das letzte Mittel und offenbart, dass die interne Kommunikation nicht funktioniert. Bei unbeteiligten Beobachtern kann schnell der Eindruck entstehen, es gäbe kein Miteinander und Funktionäre die selbstherrlich die Ohnmacht der einzelnen Spieler ausnutzen.

bannersr400anzVon einem der bestbezahlten Funktionäre des deutschen Schachs erwarte ich eine deutlich andere und intensivere Art der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Die Hauptaufgabe eines Bundestrainers liegt dabei in der Führung einer Nationalmannschaft, ihr sich gegebenenfalls unterzuordnen, eben alles für guten Teamgeist und bestmögliches Abschneiden zu tun. Schachliche Unterstützung hingegen kann er auf diesem Niveau kaum noch bieten, aber das muss er auch nicht.

Solange sich Erfolge einstellen, kann man über vieles hinwegsehen. Allerdings fällt mir auf Anhieb keine Veranstaltung innerhalb der letzten 10 Jahre ein, in der eine deutsche Mannschaft über den Setzlistenplatz hinauskam.

Es liegt vieles im Argen!

 

Endlich wieder Nationalmannschaft
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Donnerstag, 15 September 2011 02:41

Endlich wieder Nationalmannschaft

Es scheint wieder alles im Lot - Deutschland wird bei der Anfang November im griechischen Porto Carras stattfindenden Mannschaftseuropameisterschaft endlich wieder mit der nahezu stärksten Mannschaft antreten! Gestern nominierte Bundestrainer Uwe Bönsch die TOP 4 der Rangliste sowie Rainer Buhmann (Nr. 8):

GM Arkadij Naiditsch 2707
GM Daniel Fridman 2652
GM Georg Meier 2648
GM Jan Gustafsson 2631
GM Rainer Buhmann 2606

Dazu DSB-Präsident Herbert Bastian.

"Das Präsidium des Deutschen Schachbundes ist sehr erleichtert darüber, dass es dank der guten Vorarbeit der Kommission Leistungssport unter der Führung von Klaus Deventer gelungen ist, wieder unsere stärksten Spieler für die Nationalmannschaft zu berufen. Damit wird ein Schlussstrich unter die Querelen der Vergangenheit gezogen und der Blick gemeinsam nach vorne gerichtet"...

...Und an unsere Mitglieder in den Vereinen ist die Erwartung gerichtet, dass sie unsere Nationalspieler moralisch unterstützen, wenn diese auf der Europameisterschaft nicht zuletzt um die Wiederherstellung des guten Ansehens der Schachnation Deutschland spielen werden.

Money makes the world go round

Die finanzielle Situation konnte mithilfe eines neuen Sponsors für beide Seiten zufriedenstellend geklärt werden. Mit einer anderen Kernforderung, der Absetzung Uwe Bönschs, setzte sich das Team jedoch nicht durch.

Allerdings scheint mit dieser Konstellation neues Ungemach vorprogrammiert. Nach der über Monate heftig geführten Auseinandersetzung wird es mehr als schwierig sein, ein harmonisches Klima zwischen Mannschaft und Teamkapitän/Delegationsleiter Bönsch herzustellen.

Zur Lage der Schachnation
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Samstag, 12 März 2011 16:34

Zur Lage der Schachnation

Immer wieder flammen in letzter Zeit in der Schachpresse Diskussionen über die künftige Ausrichtung des deutschen Schachs auf - was auf eine größere Unzufriedenheit mit dem jetzigen Status schließen lässt. Vor kurzem hat Chessbase eine Umfrage zum Spitzenschach gestartet, um die Meinung der Basis einzuholen. Die bisher veröffentlichten Kommentare bewegten sich zwischen kritisch-engagiert und dümmlich-anmaßend. Im Folgenden möchte ich meine Sicht der Dinge wiedergeben.

Förderung von Spitzen- und Breitenschach schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Dasselbe gilt für die äußerst wichtige Jugendarbeit und die damit verbundene Mitgliederentwicklung. Auf allen drei Ebenen ist der Deutsche Schachbund aktiv, und er tut gut daran! Beiträge mit einseitig vorgetragener Kritik an der Förderung des Spitzenschachs disqualifizieren sich daher von selbst. Das wäre ungefähr so, als würden die Spitzenspieler fordern, dass der DSB nicht mehr das Breitenschach oder die Jugendarbeit bezuschusst. Da das Breitenschach mit der in Deutschland und den Nachbarländern etablierten und in der Welt wohl einmaligen Dichte an offenen Turnieren bereits bestens versorgt ist, und sich sozusagen selbst trägt, sollte aus meiner Sicht der Schwerpunkt des DSB auf der Jugend- und Spitzenförderung liegen. Die wichtigste Aufgabe bleibt aber die für die Vereine wichtige Organisation des Ligenbetriebs.

Vernachlässigt wurde übrigens allzu lange der Bereich des Marketings und der öffentlichen Darstellung, hier hat sich erst mit der seit Jahren aktuell und abwechslungsreich gepflegten Nachrichtenseite des deutschen Schachbunds unter Klaus Jürgen Lais eine substantielle Verbesserung ergeben! An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Webmaster des holländischen Schachbunds ein monatliches Festgehalt erhält, von dem er auch gut leben kann, weil man in Holland die Funktion der Öffentlichkeitsarbeit als eine der wichtigsten im Schachbund begreift. Eine in Deutschland geradezu revolutionäre Erkenntnis. Hauptsache, man findet jemanden, der es umsonst macht. Und bitte keine Beitragserhöhung für die Mitglieder - ich zahle doch nicht mein sauer verdientes Geld dafür, dass Schach in der Öffentlichkeit populär gemacht wird!!!

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Besonders amüsant finde ich das mehrfach vorgetragene Argument, dass der DSB zwar darauf setzen muss, nach langer Zeit wieder einen Großmeister in die Weltspitze zu bringen, andererseits sollen aber alle anderen Großmeister, die nicht talentiert genug sind, in die Weltspitze vorzudringen, selbst schauen, wie sie über die Runden kommen. Mit anderen Worten, dutzende talentierter Spieler, die es bis zum Großmeister schaffen, handeln auf eigenes Risiko, und ggf. lässt man sie fallen wie heiße Kartoffeln. Schade um die Jahrzehnte an Lebenszeit die dabei vergeudet wurden! Dies wurde ja in der Diskussion um die deutsche Nationalmannschaft und die skandalöse Diskriminierung der nächstbesten Spieler wie Khenkin & Co. überdeutlich. Heutzutage kann man als 2600er Großmeister nicht mal mehr darauf vertrauen, dass man für die Nationalmannschaft nominiert wird - hier hat sich der DSB wirklich blamiert! Allerdings hielt auch ich die finanziellen Forderungen der Spitzenspieler überzogen. Hochspezialisierte Großmeister fordern einen  Theorie-Trainer, der die Vorbereitung übernimmt - brauchen sie  vielleicht auch noch einen Hilfs-Großmeister, der sie am Brett vertritt oder eine Psychologin, die sie nach einer verlorenen Partie wieder aufrichtet? Der entscheidende Fehler des DSB bzw. des Bundestrainers Uwe Bönsch war aus meiner Sicht also nicht, dass er diese Forderungen abgelehnt hat, sondern dass er nach dem Scheitern der Verhandlungen nicht die zweitstärkste Mannschaft nominiert hat. Außerdem wäre natürlich ein besseres Krisenmanagement gefordert gewesen, aber diese Einsicht hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt. Für die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft bin ich nur bedingt optimistisch, da ehrenamtliche Vorstände und Schachprofis nicht immer dieselbe Sprache sprechen.

Generell finde ich, dass die Kritik am DSB von vielen Seiten zu scharf vorgetragen wurde und wird. In meiner etwa 30-jährigen Schachlaufbahn auch als zeitweiliger Nationalspieler hatte ich kaum Anlass zur Klage über den Schachbund. Hier arbeiten viele Menschen sehr engagiert und  ohne Bezahlung daran, dass Schach vorangetrieben wird. Wer hätte gedacht, dass in Deutschland - dem Land der Bedenkenträger - nach vielen Jahrzehnten wieder eine Schacholympiade ausgetragen wird! Die viele Arbeit, die von allen Seiten in die Ausrichtung investiert wurde, wird nun von einigen selbsternannten Meinungsträgern schlecht gemacht.

Vielleicht sollten diese klugen Herren sich einmal fragen, ob der Hauptorganisator Dr. Dirk Jordan und seine Mitstreiter die Absicht hatten, Schach in Deutschland mit großem Einsatz voranzubringen oder nicht. Mag sein, dass ihnen das im Rückblick nicht optimal gelungen ist, aber sie haben es wenigstens mit allen Kräften versucht, und ich denke mal, es zählt auch der gute Wille. Die vielfach beklagte rückläufige Mitgliederentwicklung im Schach muss meines Erachtens an der Basis bei den Vereinen ansetzen. Insofern halte ich eine Großveranstaltung wie die Schacholympiade positive in Bezug auf die Mitgliederentwicklung für den falschen Ansatz. Das war aber auch sicher nicht das primäre Ziel der Austragung der Olympiade.

Immer wieder lese ich den Beiträgen das Wort Sponsoring, wobei zum Teil auch feinsinnig zwischen Sponsoren und Mäzenen unterschieden wird. Mäzene und Sponsoren hat es in der Geschichte des Schachs immer wieder gegeben. Es ist aber die Ausnahme, wenn ein Mäzen oder Sponsor dem Schach 20 Jahre die Treue hält, wie das bei van Osterom der Fall ist. Insofern müsste der DSB laufend nach Sponsoren Ausschau halten. Da die Schachübertragung aber nicht (mehr) im Fernsehen sondern (nur noch) im Internet stattfindet, und das Internet bekanntlich fast all seine Inhalte kostenlos bereitstellt, ist es schwer, eine finanzielle Gegenleistung für den Sponsor zu erkennen. Und wenn man ehrlich ist, passt ein so intellektuelles und langwieriges Ereignis wie eine Schachpartie nicht mehr so recht zu unserer schnelllebigen Welt (sie hat sich ja wirklich in den letzten Jahrzehnten erheblich beschleunigt) - außer als Ansatz zu einer Entschleunigung, die vielleicht mal wieder als Kontrapunkt zur Hektik des Alltags in Mode kommen wird. Insofern sehe ich nur begrenzte Chancen zur Gewinnung von Sponsoren, einfach weil sich die Gesellschaft im Ganzen in eine andere Richtung bewegt.

Hinzu kommt natürlich der vielfach beklagte kostenlose Imageklau des Schachs. Jede Firma, die mit einem Schachmotiv wirbt, ohne sich im Gegenzug auch dort zu engagieren oder wenigstens eine Spende für die Jugendarbeit zu leisten, verhält sich aus meiner Sicht zumindest unmoralisch. An diesem Punkt müsste man ansetzen: der DSB sollte wirklich jeder Firma, die mit geklautem Schachimage wirbt, erst freundlich zu einem Gespräch einladen, um eine konstruktive Zusammenarbeit zu besprechen, und falls das nicht hilft, Sanktionen androhen. Und sei es nur eine Veröffentlichung auf der Homepage des Schachbunds, dass die Firma Imageklau & Co. unberechtigt bzw. moralisch fragwürdig mit einem Schachmotiv geworben hat! Aber hier scheut man ja sicher das Prozessrisiko, denn eines ist sicher: beim DSB sitzen auch viele Juristen und Angsthasen...

Gerald Hertneck,
Schachgroßmeister

Deutscher Schachbund
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Nicht lange musste man auf Informationen zum Treffen zwischen Nationalmannschaft und DSB am letzten Montag warten. Zwar wurde Stillschweigen vereinbart, doch bereits der Dienstagausgabe der FAZ waren erste Hinweise auf einen ruppigen Verlauf zu entnehmen.

"Der Streit zwischen dem Deutschen Schachbund (DSB) und seinen Spitzenspielern ist am Montag abermals eskaliert. Das DSB-Präsidium hatte während einer Sitzung in Frankfurt den Rauswurf des stärksten deutschen Schachspielers, Arkadij Naiditsch, aus der Nationalmannschaft bereits beschlossen, verlautete aus Schachkreisen. Nach einer Runde mit den Spitzenspielern - außer Naiditsch waren Jan Gustafsson, Daniel Fridman und Georg Meier anwesend - sei dieser Beschluss aber wieder auf Eis gelegt worden. Anlass für den Ärger war ein aktuelles Interview, in dem Naiditsch sowohl Schachbundestrainer Uwe Bönsch als auch den für Finanzen zuständigen DSB-Vizepräsidenten Michael Langer scharf kritisiert hatte."
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2011, Nr. 50, S. 30).
Chessbase geht noch etwas detaillierter Auf den Zeitungsartikel ein.

Soeben ging die offizielle Pressemeldung auf der Website des DSB online. Und nicht überraschend kam mir der Gedanke an das Hornberger Schießen: Der Schachbund legt etwas bei der Turnierunterstützung drauf, eine Honorarerhöhung soll von externen Sponsoren getragen werden. Anscheinend stehen diese nun Schlange. Gleich mit drei unterschiedlichen Kandidaten will man verhandeln. Andere Forderungen der Spieler, wie z. B. die Entlassung des Bundestrainers, fanden wohl weniger Anklang. Vieles deutet nun auf eine autarke Nationalmannschaft leicht außerhalb des Schachbundes mit separatem Geldgeber hin. Womöglich hat die schlechte Presse des letzten Jahres doch einiges Positives bewirkt.

Mit Präsidium und Bundestrainer gegen Spieler wurde in großer Runde verhandelt. Und anscheinend ist es nur der ausgezeichneten Leistung des Mediators Sven Noppes zu verdanken, dass man nicht im Streit auseinanderging. Wie bei harten Tarifverhandlungen (auch hier folgte dem Streik die Aussperrung) üblich, wurde nun aber erstmal vertagt. Anfang Juli, also erst in vier Monaten, soll es weitergehen. Für Spannung ist gesorgt.