
In der Niederlage zeigt sich die wahre DWZ-Größe
Was kann man tun? Die ehrliche und teilweise schonungslose Antwort lautet: man kann nichts tun. So etwas passiert, und Schach ist ein schweres Spiel. Das wussten schon die Altvorderen (Emanuel Lasker, Aaron Nimzowitsch, Jan Gustafsson). Und es hat ja vielleicht auch etwas Beruhigendes zu wissen, dass wir trotz bester Absichten und geballten Trainings alle Herausforderungen unseres Spiels zugleich kaum noch in den Griff bekommen werden:
- die verästelten Eröffnungen (und die Langeweile nach 1.c2-c4)
- die Dramen des Mittelspiels
- das Endspiel – wie ging noch Turm + Läufer gegen Turm?
- die Zeitnot (tick tick tick)
- die erfolgreichen Tricksereien des Gegners, der eigentlich schon plattstand
- der psychologische Druck, das Gewinnenwollen, die Angst vor Fehlern
- das frühe Aufstehen bei doppelrundigen Turnieren (besonders hart für Hamburger Großmeister)
Was bleibt zu tun? Beruhigen wir uns – wir brauchen all das gar nicht zu können! Jedenfalls nicht unbedingt. Denn: Schach spielen kann auch so Spaß machen. Betrachten wir es als Spiel - es kommt nicht nur auf die Punkte an, die wir machen. (Ich weiß, ich weiß – das werden die Mannschaftsführer unter den Lesern nicht gerne hören!)
Tatsächlich kann es ja auch eher störend sein, wenn die Jagd auf den vollen Punkt im Vordergrund steht. Man verkrampft, das Ergebnis wird das einzige Kriterium, und zack jagen wir die Bauern nach vorne, überreißen die Stellung und müssen einem lächelnden Gegner die Hand zur Aufgabe reichen. Schade! In seinem wundervollen und sehr psychologischen Buch „Die sieben Todsünden des Schachspielers“ beschreibt der schottische Großmeister Jonathan Rowson dieses Phänomen des „Wollens“ sehr schön. Wir wollen gewinnen, wir wollen das Remis sichern – und achten dann mehr auf das angestrebte Ergebnis als auf die Stellung, die vor uns ist. Als Folge machen wir Züge, die eher zu der Geschichte passen, die wir uns ausgedacht haben („den Bauern opfere ich, greife ihn an, er kollabiert, und ich bekomme den Punkt!“), als dass sie zu der Stellung passen, die vor uns steht.
Schach ist ein schweres Spiel. Wenn wir das fühlen, tut es nicht mehr so weh, wenn wir daneben gegriffen haben. Wir sind nicht allein mit dem Problem. Wir sind ja auch nur Menschen – und weil uns oft schon der Regelbetrieb des Alltags viel Kraft kostet, wie sollen wir da alle Feinheiten der Englischen Eröffnung und der Variantenberechnung auch noch im Griff behalten? Behalten wir also lieber den Spaß im Auge, und behalten wir die innere Distanz zum Spiel. Und kann sein, dass wir allein dadurch dann auch schon wieder viel besser spielen.
Macht es für Euch Sinn, etwas als Sport zu betreiben, wo einen die fiesen Verlustpartien und die gruseligen Last-Minute-Fehler vielleicht noch wochenlang verfolgen?
Schreibt doch mal kurz auf, was Ihr so erlebt habt, und wie das so ist, bei Euch! Danke!
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