Iwantschuk studiert die Stellung
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Montag, 19 September 2011 16:59

21 Jahre später

Iwantschuk ist schon soooo lange Weltklasse. Aber wenn es um viel geht, spielen ihm die Nerven oft böse mit. Richtig weit im Kampf um den WM-Titel hat er es nie gebracht. Fast nie. 2002 verlor er das Finale der FIDE-WM gegen den damals gerade 18jährigen Ponomarjow. Aber eine richtige WM war das ohne Kasparow und Kramnik eh nicht. Nun hat er, wieder gegen Ponomarjow, ein wichtiges Match gewonnen, das um Platz drei des Weltcups, der gerade noch zur Teilnahme am nächsten, bereits 2012 geplanten Kandidatenturnier berechtigt. 21 Jahre nach seinem Ausscheiden im Stechen des Kandidatenviertelfinals gegen Jussupow (der dabei die wahrscheinlich bisher beste Schnellpartie aller Zeiten spielte) ist Tschuki wieder WM-Kandidat. Um seine besten 21 Jahre älter. Aber im nächsten Kandidatenturnier gerade so alt wie Gelfand, als der es zum WM-Herausforderer gebracht hat.
 
An Swidlers verdientem Weltcupsieg gibt es nichts zu rütteln. Er hat reichlich mit Schwarz gewonnen, in Chanti-Mansisk auch einiges Material geopfert und seine gute Form, in der er vorigen Monat Russischer Meister wurde, bestätigt. Dass Swidler gut Freund mit zwei anderen Kandidaten, Kramnik und Grischtschuk ist, kann man ihm nicht vorwerfen, steht aber einer Reform zu einem Rundenturnier im Weg. Bleibt der FIDE also nur, die Kandidatenmatche zu verlängern, wenn es nicht wieder wie in Kasan laufen soll. Noch ein Wörtchen zu Grischtschuk. Als er in Kasan im Kandidatenturnier Zweiter wurde,verlor er Elopunkte, ich glaube drei. In Chanti-Mansisk nun schon wieder, diesmal acht. Aber dank Schnellschach hat er beide Male reichlich Preisgeld gesammelt. Sorry, dass ich seinen Zweitberuf Pokern erwähne. Auch da kommt es darauf an, aus den wenigen guten Blättern möglichst viel zu machen. Ich fände lieber sein Schach beeindruckend.
Reise nach...
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Montag, 12 September 2011 09:53

Reise nach...

Der Weltcup hat mich bis zum Viertelfinale nicht besonders interessiert. Das Schach war nicht besonders. Der Modus eignet sich, um genau einen Sieger zu ermitteln, aber nicht, um die drei Besten zu finden. So viele Plätze aber werden in Chanti-Mansisk für das nächste Kandidatenturnier vergeben. Wer unter die letzten vier gekommen ist, hat nun beste Chancen auf einen dieser drei Plätze. Sorry, dass ich das so eng sehe, aber die WM-Quali ist aus meiner Sicht das Entscheidende.

 

Nun ändert der Wettbewerb seinen Charakter radikal. Bis zum Viertelfinale hatte niemand eine Chance von 50 Prozent. Jetzt haben alle Verbliebenen eine deutlich höhere Chance. Gespielt wird quasi die Reise nach Jerusalem. Oder nach Chanti-Mansisk, wo es genug Ölgeld gibt, um vermutlich (Gott behüte) das nächste Kandidatenturnier praktisch ohne nichtrussische Berichterstatter und Zuschauer abzuwickeln. Dass ausgerechnet der Kampf um Platz eins, in dem sich zwei Qualifizierte gegenüberstehen, über vier statt zwei Partien angesetzt ist, macht nur Sinn, weil das halt auch bei früheren Weltcups so war. Idiotisch. Also typisch FIDE.

 

Ich freu mich, dass Iwantschuk Radschabow rausgeworfen hat. Aber gerecht ist das nicht. Radschabow hat diesen Weltcup großartig gespielt, und sein mutiges Opfer auf g5 gegen Iwantschuk war nur eines von ihm gesetzten Highlights. Kein bisschen so destruktiv wie im Kandidatenmatch gegen Kramnik. So sympathisch mir Swidler ist, der mit Te2 gegen Kamsky den stärksten Zug des Turniers fand, so bedauernswert ist, dass Polgar gegen ihn überzogen hat und sich auskontern ließ. Je internationaler das Kandidatenturnier wird umso besser. Nun drohen mit Kramnik (nach Elo), Swidler und Grischtschuk drei (befreundete) Russen, was die Wahrscheinlichkeit einer weiteren russischen Austragung sicher nicht reduziert. Apropo Grischtschuk. Auf ihn hätte ich nach seinem blitzorientierten Spiel im Kandidatenturnier verzichten können. Der Glücksvogel wurde im Viertelfinale von Navara wie schon im Mai von Aronjan und Kramnik schlicht ausgelassen. Hoffentlich wirft er nun nicht Tschuky aus der Bahn. Gaschimow hätte ich die Quali im Unterschied zu seinen mit weniger Skrupeln behafteten Landsleuten ein Weiterkommen gegönnt, aber Ponomarjow tue ich es auch.

Donnerstag, 21 April 2011 21:00

Russische Dreiklassengesellschaft

Russland hat keine Liga, aber eine bärenstarke Mannschaftsmeisterschaft. Sie findet derzeit in Olginka, einem Badeort am Schwarzen Meer statt, siebzig Kilometer nordwestlich vom bisherigen Austragungsort Dagomis, die nächste größere Stadt ist Tuapse, wo Kramnik geboren wurde und aufgewachsen ist. Die zwölf Mannschaften sind von äußerst unterschiedlicher Stärke. Man kann sich das vorstellen wie fünfmal Baden-Baden, viermal HSK und dreimal Delmenhorst. Die HSKs sind gegen die Baden-Badens chancenlos (nun ja, einen Mannschaftspunkt haben die Mittelklasseteams gegen die fünf Spitzenteams doch erzielt), die Delmenhorsts sind es gegen alle anderen. Dafür ist es spannend zwischen denen, die einer Klasse angehören. Von den Spitzenteams haben Ekonomist Saratow und Jugra Chanti-Mansisk kein gutes Jahr erwischt. Das nominell stärkste Team St Petersburg hat seine Punkte auch nicht optimal verteilt. Gemeinsam vorne liegen Tomsk und Moskau, die je nur ein Unentschieden gegen St Petersburg abgegeben und Saratow und Chanti-Mansisk geschlagen haben und zwischen denen in der vorletzten Runde an diesem Freitag (live ab 12.30 Uhr) die Entscheidung fällt. Moskau hat die internationalste Truppe mit Gelfand (Israel), Wang Hao (China), Caruana (Italien, der einzige echte Westler in der ersten Liga), Giri (Niederlande, aber russischer Pass, seine Mutter heißt zwar Olga ist aber nicht zu verwechseln mit der in der Frauenliga antretenden Olga Giria) und Europameister Potkin. Die meisten Punkte am ersten Brett hat übrigens neben Ponomarjow (danke für den Hinweis, Thomas) der nicht zu den bekannten Größen unseres Spiels gehörende aber Insidern für seine Brachialoriginalität bekannte Boris Sawtschenko.