Der Duracell - Mann
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Samstag, 09 Juli 2011 18:13

Der unendlich Verlängerte

„Sein Name war Wowbagger der Unendlich Verlängerte. Er war ein Mann mit Vorsätzen. Nicht sehr guten Vorsätzen, wie er als erster zuzugeben bereit gewesen wäre, aber es waren wenigstens Vorsätze, und sie hielten ihn wenigstens in Trab. Wowbagger der Unendlich Verlängerte war - das heißt, ist einer der ganz wenigen Unsterblichen im Universum. Diejenigen, die unsterblich geboren werden, wissen instinktiv, wie sie damit fertig werden, aber Wowbagger gehörte nicht zu ihnen. Im Grunde hasste er sie inzwischen, dieses Rudel heitergelassener Arschlöcher.“ (Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, 1980).

Herbert_Bastian_DEM_2006


Der Präse sammelt fleißig Punkte. Bei mir. Aber das will nichts heißen, ich hatte ihm das eh zugetraut. Wir kennen uns seit 22 Jahren. 19 davon als Präsident des saarländischen Schachverbandes, sehr viele der Jahre alsLandesmeister (20 Titel), acht Jahre darunter in der Zusammenarbeit im saarländischen Präsidium und sechs der 22 Jahre in seiner Rolle im Arbeitskreis der Landesverbände.

Wie oft ich an seiner Stelle den Griffel hingelegt und aufgegeben hätte, kann ich gar nicht mehr zählen. Der Mann ist schier unverwüstlich, voller Energie, gibt niemals auf - und wiederholt beherzt seine Fehler.

Das macht ihn zu einem unendlich Verlängerten. Im saarländischen Präsidium reichte es bisher nie, in den Landesmeisterschaften selten für einen Konkurrenten. Bastian arbeitet einfach alles weg.


Im derzeitlichen Neuanfangen, Interviewen, Sortieren und Ordnen geht einem leicht der Blick fürs Wesentliche verloren. Vor allem wenn man in seiner Sicht der Dinge so fest verstrickt ist, dass einem kaum Raum zum Reflektieren bleibt. Der neugewählte Präsident des DSB hat in den letzten Wochen zwei sehr bemerkenswerte Interviews und ein Statement zum Status Quo auf der DSB-Seite hinterlassen, in denen es außerordentlich deutliche Aussagen gab. Hier ist der Textmarker:


Am 14. Juni veröffentlichte die Deutsche Schachjugend auf ihren Internetseiten ein Interview während der Jugend-Meisterschaften in Oberhof. Dort antwortet Bastian auf die Frage der Zusammenarbeit zwischen DSJ und DSB: „Wir wissen alle, dass es in der Vergangenheit Spannungen zwischen der DSJ bzw. Jörg Schulz und DSB-Funktionären gab. Unser ausgeschiedener Präsident hat schon auf dem Kongress in Bonn gesagt, dass er die Stirn nicht in Falten legt, wenn er den Namen Jörg Schulz hört, und so sehe ich es auch. An dieser Front muss endlich Ruhe einkehren…“

Herbert_Bastian_Ralph_Alt_Klaus_Gohde

Die Betonung liegt hier auf „Alle“ in „Wir wissen alle…“ . Nein, es wissen eben nicht alle und es gehört Mut dazu,  dies einfach mal auszuplaudern. Der Berufsjugendliche und DSJ-Geschäftsführer Schulz, zugleich  stellvertretender Geschäftsführer im DSB, hat es sich über die vielen Jahre seines Wirkens mit so vielen  verdorben, dass ich es für ein Paradoxon halte, dass der Mann überhaupt noch mitmachen darf.

Genau  genommen fällt es mir schwer zu glauben, dass es auch nur einen einzigen gibt, der mit ihm auskommt – mal  abgesehen von DSJ-Funktionären, die von seiner Machtfülle profitieren und damit im Abhängigkeitsverhältnis  stehen. Denn Schulz zieht nicht nur seit Ewigkeiten die Fäden beim DSB und der DSJ, er ist auch in Dutzenden  anderer Funktionen ausgezeichnet vernetzt. Nachfolger von Horst Metzing als Geschäftsführer wird er  indessen nicht werden – dort strebt jetzt der umtriebige Schatzmeister Michael Langer hin, nachdem  zwischenzeitlich der Bundestrainer im Gespräch war.

Dass solch ein Satz mit dem Namen Schulz überhaupt mal ausgesprochen wird, war bisher fernab jeder  Realität. Dazu muss man wissen, dass im DSB zwar von jeher kreuz und quer intrigiert und übel nachgeredet  wird, dies aber nie öffentlich. Selbst der Autor dieser Zeilen hielt sich an den Ehrenkodex, so lange er im Amt war.

Herbert_Bastian_Wiessee_2007


Zur Frage nach dem neuen Partner Honorar Konzept antwortet Bastian: „Den Vertrag kenne ich noch nicht im Detail“. Auch dazu gehört Mut – und das meine ich durchweg positiv. Meine Gegenfrage würde lauten: „Wer kennt den Vertrag überhaupt“? In meiner Zeit als Referent im Deutschen Schulz Schachbund gab es außer den üblichen Allgemeinfloskeln und Presseerklärungen keine Auskunft. Aber es muss ein verdammt mächtiger Vertrag sein, wenn eine Partnershipfolie so aussieht wie hier unten. Reden wir von Hunderttausenden Euros?:

Sponsorenwand


Im Schachmagazin 64 sagt Bastian, er begrüße die Wahl von Weizsäckers zum  Ehrenpräsidenten, hat aber „trotzdem volles Verständnis dafür, dass eine  solche Entscheidung langjährig verdiente Funktionäre durchaus irritieren kann“.  Betrachtet man rückwirkend den Verlauf des Bundeskongresses in Bonn und  kennt man den Unterschied im Umgang der DSB-Funktionäre miteinander (wer  Macht hat wird beachtet, wer keine hat ignoriert) – dann wird diesen scheinbar  nebenbei ausgesprochenen Worten eine weisheitliche Würde zuteil, wie sie  ihresgleichen sucht. So bricht Bastian auch in anderen Textstellen mit Tabus,  die bisher kaum definiert waren.

Zum Beispiel einfach mal auszusprechen,  dass sich die Topspieler „bei öffentlichen Äußerungen benehmen müssen“, ist  gleichermaßen profan wie absolut notwendig.

Der Neugewählte ist auch auf der DSB-Internetseite ein Mannschaftsspieler. Keiner der drei letzten Präsidenten  (Schlya, Kribben, Weyer – Weizsäcker war ja de facto untätig und hat das Führen des Verbandes seinen  Stellvertretern überlassen) hat es geschafft, einmal das zu unterstreichen was bisher geleistet wurde und wie  diese Lücken zu füllen sind. Im Artikel vom 01. Juli analysiert Bastian die Spuren, die von den ausscheidenden  Präsidiumsmitgliedern hinterlassen wurden.

Herbert_Bastian_Siegerehrung_SEM_2004_2

Und zwar überlegt, deutlich, genau und wahrheitsgemäß. Auch hier  stehen überraschend klare Aussagen, auch wenn zu beobachten ist, dass kritische Worte erst nach unten gelesen  zunehmen und oben an der Pyramidenspitze eher mal was Schlagsahne obenauf liegt, die da nicht hingehört.

Der Mann spricht in aller Regel aus, was er denkt. Dafür wird er im DSB noch viele Ohrfeigen kassieren. Das ist aber  immer noch besser, als die Versuche sich wie ein Klon eines aalglatten Politikers zu präsentieren. Die Wetten stehen  gut, dass der unendlich Verlängerte durchhält. Quod erat demonstrandum? Demnächst in diesem Theater…

Hessenmeisterschaft mit 4 Spielern
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Mittwoch, 20 April 2011 14:07

Hessenmeisterschaft mit 4 Spielern

Anfang Februar wurde an dieser Stelle lebhaft über die Zukunft der Deutschen Meisterschaften diskutiert: Stell dir vor, es ist Deutsche und niemand geht hin! Auslöser  war die mangelnde Beteiligung der Spitzenspieler. Immer wieder gängiges Argument der Verfechter einer Amateurmeisterschaft ist, dass jeder Spieler die Chance haben soll, sich zu qualifizieren.
Doch das scheint die Betroffenen überhaupt nicht zu locken: Die gerade stattfindende Hessische Meisterschaft markiert einen neuen Tiefpunkt in der Geschichte des Landesverbandes. Gerade einmal vier Spieler meldeten sich für das für Hessen ab DWZ 2300 offene A-Turnier, das zur Qualifikation zur DM berechtigt. Drei dieser Spieler rangieren zudem noch deutlich unter dem Startkriterium von DWZ 2300...
.
Interessanterweise gibt es somit mehr Preise als Spieler. Zugegeben, selbst der erste von 750 € ist kaum dazu angetan um nach Abzug der Kosten nach von einem nennenswerten Gewinn zu sprechen, doch sind Schachspieler daran gewöhnt.

Welche Erfahrungen müssen wir noch machen, um das gegenwärtige System zu verändern?

Hier geht es zur Website des Hessischen Schachverbandes.

Schach - der Billigsport!
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Donnerstag, 24 März 2011 15:38

Schach - der Billigsport!

In den vergangenen Wochen thematisierten wir diverse Missstände im deutschen Schach und stießen damit erfreulicherweise auf positive Resonanz bis in die oberen Etagen unserer Schachpolitik. Erhellende Leserkommentare und weiterführende Kontakte zu Funktionären zeigten jedoch auf, dass es zu einfach wäre, den schwarzen Peter einzig dem Deutschen Schachbund in zuzustecken. Oftmals ist dieser aufgrund seiner ehrenamtlichen Struktur zu sehr limitiert, um für das Schach zukunftsträchtige Konzepte aufzubauen und umzusetzen. Zwar hält der weltweit drittgrößte Verband einen beispiellosen Spielbetrieb am Laufen, doch darüber hinaus funktioniert wenig.
Kein Wunder, denn die Unterstützung durch die Mitglieder fällt mit sage und schreibe 8,00 € pro Jahr kaum messbar aus - keine rosige Ausgangslage für vernünftiges Wirtschaften und prosperierende Schachlandschaften..

Zusammen mit den Österreichern scheinen wir allein auf weiter Flur zu stehen. Zum Vergleich: Die Holländer erzielen mit einem Viertel an Mitgliedern ähnlich hohe Einnahmen. Sie fordern mehr als 33 €/Jahr ein, die Schweizer sogar 68 CHF, was ca. 51 € entspricht. Die Beiträge des französischen Verbandes sind mir nicht bekannt, doch erhält er zusätzliche Zuwendungen eines Sponsors in Höhe von 200.000 €, so dass hier sogar ein kleines Gehalt von 2.000 €/Monat an den Präsidenten gezahlt werden kann. Die ersten drei Länder meiner Recherche spielen in einer anderen Dimension, weshalb ich hier weitere Nachforschungen desillusioniert abbrach. Vielleicht können unsere Leser noch weitere Daten beitragen.

Schach in Deutschland ist auf ein Billiggleis geraten. Der Kostenvergleich mit anderen Sportarten fällt sehr einseitig aus: Wir brauchen zur Ausübung keine besondere Kleidung oder Ausrüstung. Platz- oder Hallenmiete fällt ebenso wenig wie Verbrauchsmaterial an. Ein Plastikbrett mit Figuren kostet 15 € und hält die nächsten 20 Jahre, doch auch dieses hat wohl noch nicht einmal jeder Zweite zu Hause. Auch  Schachtraining ist unpopulär, einzig im Bücher- und DVDkaufen scheinen wir weit vorne zu liegen. Geschätzt geben wir im Schnitt vielleicht 100-150 € für unseren Sport aus. Das reicht noch nicht einmal für einen Tennisschläger, Skier, eine Golfausrüstung oder Futter fürs Pferd.
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Doch wie erwecken wir das deutsche Schach aus diesem ehrenamtlichen Dornröschenschlaf?

Hier eine Anregung:
Vieles sollte über lokale Initiativen laufen, doch ohne Rückendeckung von oben wird es für alle schwierig. Der Schachbund muss deshalb in die Lage versetzt werden, die allgemeinen Rahmenbedingungen zu verbessern. An einer Anhebung der Mitgliedsbeiträge auf ein deutlich höheres Niveau führt deshalb kein Weg vorbei: z. B.  in zwei Stufen – zunächst um 6 auf 14 € und anschließend um weitere 6 auf 20 €
Schon bei einer Anpassung um 50 ct stehen jedoch wilde Diskussionen auf der Agenda. Dabei lassen einige außer acht, dass der Schachbund nicht wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen gewinnorientiert arbeitet, sondern als Zielsetzung haben muss, Schach populärer zu machen. 
Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Es bleibt nur dieser unbequeme Weg, bei dem man es naturgemäß nicht allen rechtmachen kann.
Oberste Priorität besteht dabei jedoch, den Mitgliedern den Mehrwert der Maßnahme zu vermitteln.
Das Geld, nennen wir es „Notopfer Schachbund“, kann in erster Linie dazu dienen, Schach nach außen hin attraktiver zu machen und die sich verstärkende Mitgliedererosion in den Vereinen zu stoppen. Es gilt das gute Image des Schachspiels den Menschen näherzubringen und das mäßige der Schachspieler aufzubessern. Ein großer Teil sollte deshalb in die Schaffung professioneller Vollzeitstellen fließen und für Marketing und Sponsorenakquise verwendet werden. Z. B.  auch in einen repräsentativen Internetauftritt.
Mir ist bewusst, dass nicht jeder bereit sein wird, 50 ct bzw. 1 €/Monat zusätzlich für das deutsche Schach auszugeben und es vereinzelt  deshalb zu Austritten kommen kann. Doch bin ich davon überzeugt, dass ein professionelles Auftreten den Sport beleben und uns aus der aktuellen Misere befreien könnte. Dabei erscheint es auch vertretbar, das Risiko eines kurzfristigen Mitgliederschwundes einzugehen. z. B. 5.000 Mitglieder zu verlieren, wenn die Chance auf 20.000 neue besteht. Die Zukunft des gesamten Sports muss im Vordergrund stehen und nicht die Interessen einiger weniger. Bei der aktuellen Tendenz verlieren wir diese 5.000 übrigens auch, wenn wir nichts tun….
Deutscher Schachbund - Wohin soll’s gehen?
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DSB-Vizepräsident Weyer und AKLV-Sprecher Bastian stellen sich den Fragen der Schachjugend

von Michael Klein – Deutsche Schachjugend und Michael Meier – Württembergische Schachjugend

Nachdem der amtierende Präsident des Deutschen Schachbundes angekündigt hatte, bei der Präsidiumswahl im Mai 2011 nicht wieder kandidieren zu wollen, warf der derzeitige DSB-Vizepräsident Dr. Hans-Jürgen Weyer seinen Hut in den Ring. Dr. Weyer, der auch langjähriger Präsident des Schachbundes NRW ist, gab an, auf dem Bundeskongress des Deutschen Schachbundes in Bonn am 4. Juni für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.
Für die Deutsche Schachjugend als Teil des DSB ist es natürlich von Interesse zu erfahren, mit welchen Zielen und konzeptionellen Vorstellungen der Kandidat in den Wahlkampf geht, wohin also der Weg des DSB mit Dr. Weyer an der Spitze führen soll. Schnell war so die Idee geboren, zur Jugendversammlung der Deutschen Schachjugend den Kandidaten zu einer Frage- und Diskussionsrunde einzuladen und ihm die Chance zu geben, seine Visionen zu präsentieren.
Hinter den Kulissen gab und gibt es aber auch Gerüchte, dass auf dem Bundeskongress ein weiterer Kandidat aus den Reihen der Landesverbandspräsidenten antreten wird. Daher ging eine zweite Einladung der DSJ an den Sprecher des Arbeitskreises der Landesverbände Herbert Bastian, der zugleich Präsident des Saarländischen Schachverbandes ist. Er hatte kürzlich ein strategisches Positionspapier in den AKLV gegeben, das als Prüfstein für die Kandidaten geeignet ist.
Zur Überraschung der DSJ stieß die Fragerunde innerhalb des Deutschen Schachbundes auf solch großes Interesse, dass sich der Vizepräsident Finanzen Michael S. Langer als Besucher ankündigte, sich der hessische Landespräsident Harald Ballo als Delegierter der Hessischen Schachjugend nominieren ließ und gleich den DSB-Referenten für Wertungen, Andreas Filmann, mitbrachte. Und auch der Präsident des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, Dr. Günter Reinemann, erschien zur Fragerunde wieder, nachdem er morgens schon die Jugendversammlung eröffnet hatte.
In einem kurzen Impulsreferat beschrieb Dr. Weyer zunächst die Situation des Schachbundes, die er bei seiner Wahl 2009 zum DSB-Vizepräsidenten vorgefunden hatte. Insbesondere die Strukturreform mit dem ersten Vorsitzenden der DSJ als festes Mitglied im neuen DSB-Präsidium hob er dabei als wichtige Änderung hervor. Zudem hatte der DSB finanzielle Probleme, die massive Sparanstrengungen erforderten. Der DSB erhöht derzeit aber wieder seine Rücklage. Das Thema Mitgliedergewinnung bezeichnete er als ein wichtiges Feld, an dem gemeinsam gearbeitet werden muss. Die Situation im Leistungssport ist gegenwärtig geprägt vom „Knatsch“ (Weyer) mit den Spitzenspielern. Die derzeitige Situation ist zu vergleichen mit einer Art Tarifvertragsverhandlung mit dem Ziel, ein langfristiges Konzept mit neuen Sponsoren zu entwickeln.

In einem daran anschließenden Kurzvortrag fasste der stellvertretende Vorsitzende der DSJ, Michael Klein, einige aus Sicht der Schachjugend zentrale Herausforderungen für den Schachbund und sein zukünftiges Präsidium zusammen. Die DSJ hatte bereits Ende 2009 dem Hauptausschuss des DSB in Frankfurt ein Positionspapier vorgelegt, in dem vier strategische Aufgaben für die erfolgreiche Mitgliederbindung und Mitgliedergewinnung im organisierten Schach benannt wurden:
  • die gezielte Öffnung für neue und bisher unterrepräsentierte Zielgruppen,
  • die Unterstützung der „täglichen“ Vereinsarbeit,
  • die Steigerung des Ereigniswertes im organisierten Schachsport sowie
  • die Stärkung des Ehrenamtes.
Den beiden Vorträgen schloss sich eine Arbeitsphase in Kleingruppen an, in denen die Delegierten der Jugendversammlung jeweils drei konkrete Fragen zu insgesamt fünf Themenkomplexen formulierten:
  1. Mitgliedergewinnung
  2. DSJ – DSB: Wie sieht eine optimale Kooperation aus?
  3. Gestaltung von Meisterschaften als Events
  4. Stärkung des Ehrenamtes
  5. Schulschach
Diesen Fragen stellten sich Dr. Hans-Jürgen Weyer und Herbert Bastian schließlich in einer moderierten Podiumsdiskussion und erläuterten ihre Positionen, die von den Delegierten in offener und konstruktiver Diskussion hinterfragt und kommentiert wurden. Die Standpunkte der beiden Verbandsvertreter fassen wir im Folgenden kurz zusammen. 

1) Fragen der Delegierten zum Thema „Mitgliedergewinnung“
a) Welche Konzepte gibt es, um inaktive Vereine zu aktivieren?
b) Welche Methoden gibt es, um Vereine zur Mitarbeit in solchen Initiativen zu gewinnen? Werden die Methoden evaluiert?
c) Gibt es Methoden zur Mitgliedergewinnung? Wie sehen die Kommunikationswege dazu aus?

Herbert Bastian:
Es gibt keine Konzepte im DSB, die sich mit den Vereinen direkt beschäftigen. Eine Evaluierung von Programmen findet im DSB allgemein nicht statt. Bisherige Versuche, neue Wege in der Frage der Mitgliedergewinnung zu entwickeln wie zum Beispiel Überlegungen zu neuen Beitragsstrukturen oder neuen Formen der Mitgliedschaften führten bisher immer in eine Sackgasse, da es zu viele Bedenkenträger und Ängste gab, so dass die Überlegungen immer gleich wieder eingestellt wurden. Der DSB zusammen mit den Ländern muss sich aber dringend mit dem Strukturwandel in den Vereinen beschäftigen. Die Vereine müssen ihre Angebote überdenken, müssen auch neue Angebote schaffen. Ein gutes Mittel, um mit den Vereinen ins Gespräch zu kommen, sind die Vereinskonferenzen, wie sie von der DSJ erfolgreich zusammen mit den Landesschachjugenden praktiziert werden, und wie sie auch im Saarland regelmäßig angeboten werden.
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Ein großer Mangel der Strukturreform des DSB ist, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen und vor allem zwischen den Fachleuten der Länder und des DSB eingestellt wurde, denn die erfolgreichste Kommunikation ist immer noch das direkte Gespräch miteinander, das es nicht mehr gibt. Dadurch geht viel Wissen und Potential in der Organisation verloren.
Dr. H.-J. Weyer:
Wichtig ist zu begreifen, dass in einem komplexen Gebilde wie dem Deutschen Schachbund jeder seine Aufgabe hat gemäß dem Subsidiaritätsprinzip. Und die direkte Hilfestellung und Beratung der Vereine gehört nicht zu den Aufgaben des Bundes. Selbst der Schachbund NRW als Landesverband zählt dies nicht zu seinen Aufgaben, er hält vielmehr Bezirksberatungen ab, damit wiederum die Bezirke die Informationen an die Vereine weitertragen. Die Kernaufgabe des DSB definiert Dr. Weyer auf Nachfrage als Spitzenverband, der den Rahmen für den Unterbau schaffen muss.
Zum Prinzip der Subsidiarität gehört auch, dass man sich auch anderer Organisationen bedienen sollte. So können die Vereine in NRW auf das umfangreiche Informationsangebot des Landessportbundes zurückgreifen, der Schachbund muss daher kein eigenes Material entwickeln.
Der Präsidialausschuss Verbandsentwicklung des DSB hat konkret eine Liste von Pilotprojekten zur Mitgliederentwicklung wie zum Beispiel „Schach in verschiedenen Berufsgruppen“ entwickelt, mit deren Hilfe die Länder verschiedene Projekte ausprobieren können. Was sich dabei bewährt, kann dann von anderen übernommen werden.
Die Kommunikation im DSB sollte insbesondere über die modernen Wege laufen, wichtig sind zum Beispiel der Aufbau von verschiedenen Mailverteilern und Newslettergruppen.

2) Fragen zum Thema „Kooperation von Schachjugend und DSB“
a) Selbständigkeit der Jugend, was bedeutet das für Sie?
b) Was muss die Jugend tun, damit ihre Ideen Gehör und Akzeptanz im Erwachsenenverband finden?
c) Warum sind jugendliche Vertreter in DSB-Arbeitsgremien nicht vertreten?

Herbert Bastian: Selbständigkeit bedeutet: eigener Vorstand, eigener Etat, eigene Ziele (eingebunden in den DSB beziehungsweise in die Landesverbände). Die Jugend muss Ideen entwickeln und einbringen, die Erwachsenenverbände wiederum müssen offen sein für diese Ideen und sie aufgreifen. Es stellt wirklich ein Problem dar, dass zu wenige jugendliche Vertreter in den Gremien der Erwachsenenverbände sitzen. Vom DSB erwartet Bastian, dass mehr Jugendliche bzw. Jugendvertreter eingebunden werden.
Wichtig findet er auch, dass die DSJ beim DSB-Qualitätssiegel „Deutscher TOP-Schachverein Kinder- und Jugendschach“ überprüft, dass die Vereine die Selbständigkeit der Jugend achten müssen, wenn sie das Siegel bekommen möchten.
Dr. H.-J. Weyer: Die Selbständigkeit der Jugend ist politisch gewollt, ein bewährtes Modell und zukunftsträchtig. Die zweite Frage stellt sich jedoch nicht, denn die DSJ ist selbstbewusst genug, auf ihre Ideen aufmerksam zu machen. Und die Ideen werden auch aufgegriffen. Die Schachjugend sollte allerdings nicht versuchen, den DSB zu überholen.
Dass es so wenige jugendliche Vertreter im DSB gibt, liegt auch daran, dass in der Tat die DSB-Gremien sich immer nur aus dem Erwachsenenbereich speisen - und das ist auch so gewollt, keiner ist bisher auf die Idee gekommen, daran etwas zu ändern. Jedoch, und das ist wichtig, ist die DSJ ja direkt durch ihren Vorsitzenden im DSB-Präsidium vertreten. Auf die Nachfrage, ob diese Form der Partizipation nicht selbstverständlich ist, erhalten die Delegierten ein deutliches „Jein“ als Antwort mit dem Hinweis, dass erst seit der Strukturreform der DSJ-Vorsitzende Mitglied im DSB-Präsidium ist.
Nachgefragt wird auch, warum das DSB-Präsidium den Antrag der DSJ abgelehnt hat, in den Präsidialausschüssen mitwirken zu dürfen, in denen es Schnittmengen zwischen den DSJ-Aufgaben und den DSB-Aufgaben gibt. Eine generelle Einbindung hält Dr. Weyer für nicht sinnvoll, der DSB hat zudem ja auch keine Möglichkeit, in den DSJ-Gremien mitzuwirken. Herbert Bastian zeigt sich sehr erstaunt darüber, dass das DSB-Präsidium diesen gerechtfertigten Wunsch der DSJ abgelehnt habe, da man doch nur durch Zusammenarbeit weiter käme.
Konkret wird ergänzend von den Delegierten erfragt, in welchen Bereichen sich der DSB künftig eine Zusammenarbeit mit der DSJ vorstellen kann.
Dr. H.-J. Weyer: Trotz Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Vereinsberatung und im Bereich Vereinskonferenzen, da die DSJ dort über große Erfahrung verfügt. Außerdem hat der DSB im Bereich Werbung und Informationsmaterial kaum etwas zu bieten, die DSJ ist hier zum Beispiel mit ihren Plakaten sehr viel weiter.
Herbert Bastian: Im Bereich der Ausbildung ist eine enge Zusammenarbeit ganz wichtig, da die DSJ dort Großartiges leistet. Zudem benötigt der DSB dringend ein Verbandsprogramm, das nur zusammen mit der Schachjugend entwickelt werden kann.

3) Fragen zum Thema „Gestaltung von Meisterschaften als Events“
a) Warum gibt es keine zentrale Ausrichtung der Deutschen Meisterschaft durch den DSB (wie bei der Jugendmeisterschaft durch die DSJ), sondern die wechselnden Ausrichtungen durch einzelne Vereine?
b) Warum, gibt es keine Deutsche Meisterschaft des DSB als Event mit zum Beispiel 500 Teilnehmern?
c) Wie kann man die sportliche Attraktivität der DEM für Leistungssportler erhöhen?

Dr. H.-J. Weyer: Eine zentrale Ausrichtung der Meisterschaften ist bisher kein Thema beim DSB gewesen. Das würde zwar Jahr für Jahr einheitliche Standards bedeuten im Vergleich zu den jetzt vorhandenen Schwankungen durch die Vereinsausrichtungen. Eine zentrale Ausrichtung würde aber auch einen höheren finanziellen Einsatz des DSB bedeuten, und die Organisation müsste durch die Geschäftsstelle abgewickelt werden, was ein entsprechendes Knowhow erfordern würde.
Ein Eventcharakter bei Deutschen Meisterschaften ist schwer vorstellbar, denn die Erwachsenenmeisterschaft ist mit der Jugendmeisterschaft nicht vergleichbar.
Der Modus der DEM muss aufgebessert werden, zum Beispiel durch ein zusätzliches (internationales) Turnier für die Spitzenspieler. Es darf in diesem  Bereich keine Denkverbote geben, der Plan muss es sein, gemeinsam ein Ziel zu entwickeln.
Herbert Bastian: Eine zentrale Ausrichtung ist nicht denkbar, denn dafür gibt es weder ein Organisationsteam noch ist die Finanzierung geklärt. Auf den Einwand eines Delegierten, dass es bei der Deutschen Amateurmeisterschaft dieses professionelle Team doch auch gibt, merkt Bastian an, dass es sich dabei nur um Wochenendturniere handelt.
Die DEM verfolgt ein sportpolitisches Ziel. Es soll ein hohes leistungssportliches Niveau erreicht werden - dem steht die Eventidee entgegen. Die DEM ist attraktiv auch in der jetzigen Form, zum Beispiel durch Internetübertragung aller Partien etc. Zudem haben es die Ausrichter immer wieder geschafft, durch Anreize zusätzliche Spitzenspieler einzuladen. Nur in diesem Jahr klappt das aufgrund von Platzproblemen in Bonn nicht.
Das Ziel muss es sein, die Landesmeisterschaften zu retten. Daher müssen die Landesmeister das Ziel vor Augen haben, die Deutsche Meisterschaft spielen zu können. Zusätzlich sollte jedoch eine Internationale Deutsche Meisterschaft eingeführt werden mit dem Ziel, Spieler aus der Weltspitze einzubinden.

4) Fragen zum Thema „Stärkung des Ehrenamtes“
a) Gibt es Ansätze und Überlegungen, wie man Ehrenamtler für ihr Engagement belohnen kann?
b) Welche Überlegungen gibt es, durch Ausbildungsangebote das Ehrenamt zu stärken?
c) Gibt es konkrete Angebote des DSB zur Unterstützung des Ehrenamtes?
Herbert Bastian: Er gibt zu, dass ihm beim Einstiegsreferat der Schachjugend klar geworden ist, dass er sich und dass sich der AK der Landesverbände bisher noch nicht mit der Frage der gezielten Stärkung des Ehrenamtes beschäftigt hat. Die häufig mangelnde Bereitschaft zur Übernahme eines Ehrenamt ist zwar ein gesamtgesellschaftliches Problem, weshalb unklar ist, ob Belohnungen helfen, trotzdem muss dieses Thema auf die künftige Agenda. Der Bereich Ausbildung ist sehr wichtig, bisher beschränken sich die Angebote im Erwachsenenbereich aber nur auf die Trainerschiene. Wichtiger aber noch ist es, eine Gruppenzugehörigkeit der Ehrenamtlichen zu schaffen, ein Kameradschaftsgefühl zu entwickeln, wodurch man gerne als Ehrenamtler dazu gehört.

Dr. H.-J. Weyer: Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sind Belohnungen für Ehrenamtler kein Aufgabenfeld des DSB. Dies gilt auch für den Ausbildungsbereich.
Dr. Weyer unterstreicht das, was Herbert Bastian mit Kameradschaft umschrieben hat. Wichtig ist, dass man pfleglich mit dem Ehrenamt umgeht, dass mehr gelobt wird, anstatt immer nur zu kritisieren. Dass man eine Atmosphäre schafft, in der es Freude macht, mitzuarbeiten. Dr. Weyer räumt jedoch ein, dass dies wohl eher ein Problem der Erwachsenenwelt ist, und der Jugendbereich in diesem Punkt eher Vorbildcharakter hat.
Bei der dritten Frage räumen beide DSB-Vertreter ein, dass es keine konkreten Angebote des DSB zur Unterstützung des Ehrenamtes gibt und man wohl im DSB fälschlicherweise davon ausgeht, dass immer nur „fertige“ Funktionäre sich wählen lassen.

5) Fragen zum Schulschach
a) In welchen Bereichen des Schulschachs sieht der DSB Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen  DSB und DSJ?
b) Inwiefern kann der DSB seine Kontakte nutzen, um das Thema Schulschach in der Politik zu platzieren?
c) Welche Möglichkeiten sieht der DSB, Mitgliedern der Schulschach-AGs die Türen  zum Verband zu öffnen, Stichwort Beitragsstruktur?
Herbert Bastian: Schulschach läuft bei der DSJ so gut, dass der DSB sich da nicht einschalten muss. In den Kultusministerien aller Länder ist Schach weitgehend anerkannt wie zum Beispiel im Saarland, so dass kein  politischer Handlungsbedarf besteht.
Es gab auch im Saarland Überlegungen, Schulschachgruppen als Verbandsmitglieder aufzunehmen. Die Umsetzung scheiterte jedoch an zu vielen Ängsten. Schulen und Vereine müssen miteinander vernetzt werden, dann können auch die Vereine AG-Mitglieder für sich gewinnen. Die Schwachstelle sind häufig die Vereine.
Dr. H.-J. Weyer: Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip ist Schulschach Aufgabe der DSJ. Einen Bedarf für Unterstützung durch den DSB gibt es nicht, zumal  Kultuspolitik Sache der Länder und nicht des Bundes ist. Der DSB kann da nichts machen, aber er ist natürlich bereit zur Hilfe, wenn sie angefragt wird. Modellen, wie man Schulschachgruppen als Verbandsmitglieder gewinnen kann, steht Dr. Weyer offen gegenüber, auch hier gibt es keine Denkverbote.
Aus dem Kreis der Delegierten wird die Einschätzung nicht geteilt, dass in den zuständigen Ministerien aller Bundesländer eine einhellig positive Meinung zu Schach in der Schule besteht. Daher wird mehrfach die Erwartung formuliert, dass der DSB in der Kultusministerkonferenz Initiativen startet, Schach überall in den Schulen abzusichern und zu verankern.
Aus dem Kreis der Delegierten wird weiterhin angemerkt, dass es teilweise im Schulbereich Hemmschwellen beim Übergang von der Schule zum Verein durch die Beitragspflicht in den Vereinen und Verbänden gibt. Beide DSB-Vertreter legen sich zwar fest, dass das Geld nicht die entscheidende Hemmschwelle sei, gleichzeitig sprechen sich aber beide auch dafür aus, sich für mögliche Beitragsfreiheiten einzusetzen.
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6) Schlussstatements der DSB-Vertreter und Landespräsidenten

Dr. H.-J. Weyer:
Wichtig für ihn war, die Schachjugend einmal hautnah erlebt zu haben. Er erkennt die Bereitschaft bei der DSJ, mit den Ländern und dem DSB konstruktiv und enger vernetzt zusammen zu arbeiten.
Herbert Bastian: Er nimmt vor allem mit, dass er sich dringend mit dem für ihn neuen Thema belohnende Unterstützung des Ehrenamtes auseinandersetzen wird, da dies und die Hilfe für das Ehrenamt zentrale Themen für die Zukunft des DSB sein werden. Er spricht sich noch einmal eindringlich dafür aus, dass der DSB die Jugend in seine Gremien holt und die Zusammenarbeit sucht.
Dr. Günter Reinemann: Er erhofft sich eine bessere Außendarstellung des organisierten Schachs durch das neu zu wählende Präsidium, eine bessere Zusammenarbeit des Präsidiums mit der DSJ, aber auch mit den Referenten im DSB. Die Referenten werden in ihrer Arbeit zu wenig geschätzt und erfahren kaum Anerkennung. Die DSJ hat tolle Ideen und Programme, und es ist selbstverständlich, dass sie in die Präsidialausschüsse des DSB gehört. Kommunikation per Mail und Newsletter sind wichtig, das direkte Gespräch kann die elektronische Kommunikation aber nicht ersetzen.
Michael S. Langer: Er nimmt mit, dass hier auf der Jugendversammlung mehr als zwei Stunden konstruktiv über Inhalte geredet wurde, was ein Vorbild für den DSB sein sollte. Er beglückwünscht die DSJ zu ihrem hohen weiblichen Anteil bei den Ehrenamtlichen - und das ganz ohne Quote. Er freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit der DSJ und ist guten Mutes, dass die Zuschusshöhe des DSB an die DSJ einvernehmlich festgelegt werden kann.
Harald Ballo: Die dominante Strukturdiskussion beim DSB ist weltfremd. Kommunikation ist mit das Wichtigste in einem Verband, sie muss aber in beide Richtungen gehen. Er weist die Delegierten darauf hin, dass die beiden DSB-Vertreter „Kreide gefressen“ haben und daher manches netter formuliert haben, als sie es meinen. Fakt ist, die DSJ erhält als Teil des DSB für ihre Aufgabenbewältigung zu wenige Mittelzuwendungen durch den DSB. Zur Eigenständigkeit der DSJ gehört es, die Aufgabenfelder zu bestimmen, auf denen sie aktiv ist, für die sie die notwendigen Mittel erhalten muss, zum Beispiel die Schulschachorganisation. Der Ruf geht an die Jugendvertreter: Kandidiert beim Kongress, wenn man euch nicht einbinden will! Ein zentrales Event, das mit Hilfe der DSJ organisiert wird, benötigt der DSB dringend. Anreize für das Ehrenamt zu schaffen bedeutet so viel Transparenz wie möglich, zuhören können, die Leute ernst nehmen.


Fazit der Deutschen Schachjugend
Schon mit der Einladung der Teilnehmer zu dieser Frage- und Diskussionsrunde war uns  klar, dass alle Redner die Bedeutung der Deutschen Schachjugend herausstreichen, oder wie Harald Ballo sagte, „Kreide fressen“ würden. Dennoch haben wir uns über das ausdrückliche Lob an der einen oder anderen Stelle sehr gefreut. Die knapp eineinhalbstündige Frage- und Diskussionsrunde bot jedoch auch einen intensiven Einblick in die inhaltlichen Positionen von Dr. Hans-Jürgen Weyer und Herbert Bastian, die diese mitunter einhellig, aber in einigen Punkten durchaus auch kontrovers formuliert haben. Die inhaltliche Bewertung durch die DSJ fällt entsprechend differenziert aus.
Insbesondere tun wir uns mit dem häufigen Verweis auf das „Subsidiaritätsprinzip“ schwer. Denn es ist auch für uns selbstverständlich, dass jede Ebene - Bund, Länder und Vereine - sich darum kümmern soll, was sie am besten kann. Es bleibt jedoch die Frage: Welche Aufgaben ergeben sich aus diesem Prinzip für die Bundesebene?
Die Deutsche Schachjugend hat sich in den vergangenen Jahren stets in einer aktiven, gestaltenden Rolle gesehen. Unser Ziel ist es, durch neue Initiativen und Pilotprojekte die Rahmenbedingungen für Vereine und Schulen gezielt zu verbessern. Das ist uns immer dann gut gelungen, wenn wir gemeinsam und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Landesschachjugenden und interessierten Vereinsvertretern an neuen Ideen gearbeitet haben, so zum Beispiel bei den Vereinskonferenzen. Ein anderes Beispiel ist der Bereich der Ausbildung mit dem Kinder- und Mädchenschachpatent oder der DSJ-Akademie. Was gute Zusammenarbeit auch zwischen Jugend- und Erwachsenenverband bewirken kann, zeigt sich derzeit in unserem Pilotprojekt im Bereich Integration (Schach in der Alevitischen Gemeinde in Hamburg), das wir gemeinsam mit dem Hamburger Schachverband durchführen. Indem wir Kompetenzen und Engagement von Bundes-, Landes- und Vereinsebene zusammenbringen, entstehen immer wieder neue und spannende Projekte, mit denen wir versuchen, einen Beitrag für die Zukunft des organisierten Schachs in Deutschland zu leisten.
Die Deutsche Schachjugend möchte Impulsgeber für die Entwicklung der Schachorganisation sein - und genau dies erhoffen wir uns auch vom Deutschen Schachbund. Das Subsidiaritätsprinzip kann dann zum Problem werden - wenn es nämlich zu Abschottung führt anstatt zu zielorientierter und konstruktiver Kooperation zwischen den Engagierten. Gerade auch beim so wichtigen Thema „Stärkung des Ehrenamtes“, auf das die Delegierten die beiden Erwachsenenvertreter hinwiesen, wird das deutlich. Wenige Themen brennen den Vereinsvertretern bei den Vereinskonferenzen so „unter den Nägeln“ wie die Frage, was dort getan werden könne. Wir glauben, hier sind wir auch als Bundesverband gefragt, gemeinsam mit den Ländern an Ideen zu arbeiten - und diese Herausforderung nicht als Aufgabe der Länder oder gar der Vereine abzutun.

Die Deutsche Schachjugend möchte gerne ihren Beitrag leisten, um gemeinsam mit dem DSB an Lösungen für die Anforderungen zu arbeiten, vor denen das organisierte Schach in Deutschland steht. Heute erleben wir jedoch leider viel zu häufig, dass im Erwachsenenverband darauf kaum Wert gelegt wird. Umso mehr freut es uns, dass es in der Diskussionsrunde einige positive Signale in Richtung einer Öffnung des DSB zur Jugend gab. Wir würden diese Herausforderung gerne annehmen, denn wir sind uns unserer Verantwortung für die große Schachfamilie bewusst.

Montag, 14 März 2011 16:07

Schachdeutschland schafft sich ab (2)

Mitte Dezember schilderte Ilja Schneider den Niedergang seines ehemaligen Vereins in einem Beitrag mit dem deutlichen Titel "Schachdeutschland schafft sich ab - Wie wir unser Spiel aufs Spiel setzen". Leider handelte es sich bei dem Hannoveraner Verein um keinen Einzelfall. Die gesamte Vereinsstruktur Deutschlands kämpft mit erheblichen Problemen, die sich in einem spürbaren Mitgliederschwund manifestieren. Verständlicherweise löste dieses Thema rege Diskussionen aus.

Warum funktioniert es in einem Verein nicht und weshalb prosperiert ein anderer?

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Lassen Sie uns nun gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen und dem kommenden neuen Präsidenten eine Aufgabe mit auf den Weg geben.

Vereinsdeutschland erfindet sich neu!

Zur Lage der Schachnation
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Samstag, 12 März 2011 16:34

Zur Lage der Schachnation

Immer wieder flammen in letzter Zeit in der Schachpresse Diskussionen über die künftige Ausrichtung des deutschen Schachs auf - was auf eine größere Unzufriedenheit mit dem jetzigen Status schließen lässt. Vor kurzem hat Chessbase eine Umfrage zum Spitzenschach gestartet, um die Meinung der Basis einzuholen. Die bisher veröffentlichten Kommentare bewegten sich zwischen kritisch-engagiert und dümmlich-anmaßend. Im Folgenden möchte ich meine Sicht der Dinge wiedergeben.

Förderung von Spitzen- und Breitenschach schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Dasselbe gilt für die äußerst wichtige Jugendarbeit und die damit verbundene Mitgliederentwicklung. Auf allen drei Ebenen ist der Deutsche Schachbund aktiv, und er tut gut daran! Beiträge mit einseitig vorgetragener Kritik an der Förderung des Spitzenschachs disqualifizieren sich daher von selbst. Das wäre ungefähr so, als würden die Spitzenspieler fordern, dass der DSB nicht mehr das Breitenschach oder die Jugendarbeit bezuschusst. Da das Breitenschach mit der in Deutschland und den Nachbarländern etablierten und in der Welt wohl einmaligen Dichte an offenen Turnieren bereits bestens versorgt ist, und sich sozusagen selbst trägt, sollte aus meiner Sicht der Schwerpunkt des DSB auf der Jugend- und Spitzenförderung liegen. Die wichtigste Aufgabe bleibt aber die für die Vereine wichtige Organisation des Ligenbetriebs.

Vernachlässigt wurde übrigens allzu lange der Bereich des Marketings und der öffentlichen Darstellung, hier hat sich erst mit der seit Jahren aktuell und abwechslungsreich gepflegten Nachrichtenseite des deutschen Schachbunds unter Klaus Jürgen Lais eine substantielle Verbesserung ergeben! An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Webmaster des holländischen Schachbunds ein monatliches Festgehalt erhält, von dem er auch gut leben kann, weil man in Holland die Funktion der Öffentlichkeitsarbeit als eine der wichtigsten im Schachbund begreift. Eine in Deutschland geradezu revolutionäre Erkenntnis. Hauptsache, man findet jemanden, der es umsonst macht. Und bitte keine Beitragserhöhung für die Mitglieder - ich zahle doch nicht mein sauer verdientes Geld dafür, dass Schach in der Öffentlichkeit populär gemacht wird!!!

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Besonders amüsant finde ich das mehrfach vorgetragene Argument, dass der DSB zwar darauf setzen muss, nach langer Zeit wieder einen Großmeister in die Weltspitze zu bringen, andererseits sollen aber alle anderen Großmeister, die nicht talentiert genug sind, in die Weltspitze vorzudringen, selbst schauen, wie sie über die Runden kommen. Mit anderen Worten, dutzende talentierter Spieler, die es bis zum Großmeister schaffen, handeln auf eigenes Risiko, und ggf. lässt man sie fallen wie heiße Kartoffeln. Schade um die Jahrzehnte an Lebenszeit die dabei vergeudet wurden! Dies wurde ja in der Diskussion um die deutsche Nationalmannschaft und die skandalöse Diskriminierung der nächstbesten Spieler wie Khenkin & Co. überdeutlich. Heutzutage kann man als 2600er Großmeister nicht mal mehr darauf vertrauen, dass man für die Nationalmannschaft nominiert wird - hier hat sich der DSB wirklich blamiert! Allerdings hielt auch ich die finanziellen Forderungen der Spitzenspieler überzogen. Hochspezialisierte Großmeister fordern einen  Theorie-Trainer, der die Vorbereitung übernimmt - brauchen sie  vielleicht auch noch einen Hilfs-Großmeister, der sie am Brett vertritt oder eine Psychologin, die sie nach einer verlorenen Partie wieder aufrichtet? Der entscheidende Fehler des DSB bzw. des Bundestrainers Uwe Bönsch war aus meiner Sicht also nicht, dass er diese Forderungen abgelehnt hat, sondern dass er nach dem Scheitern der Verhandlungen nicht die zweitstärkste Mannschaft nominiert hat. Außerdem wäre natürlich ein besseres Krisenmanagement gefordert gewesen, aber diese Einsicht hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt. Für die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft bin ich nur bedingt optimistisch, da ehrenamtliche Vorstände und Schachprofis nicht immer dieselbe Sprache sprechen.

Generell finde ich, dass die Kritik am DSB von vielen Seiten zu scharf vorgetragen wurde und wird. In meiner etwa 30-jährigen Schachlaufbahn auch als zeitweiliger Nationalspieler hatte ich kaum Anlass zur Klage über den Schachbund. Hier arbeiten viele Menschen sehr engagiert und  ohne Bezahlung daran, dass Schach vorangetrieben wird. Wer hätte gedacht, dass in Deutschland - dem Land der Bedenkenträger - nach vielen Jahrzehnten wieder eine Schacholympiade ausgetragen wird! Die viele Arbeit, die von allen Seiten in die Ausrichtung investiert wurde, wird nun von einigen selbsternannten Meinungsträgern schlecht gemacht.

Vielleicht sollten diese klugen Herren sich einmal fragen, ob der Hauptorganisator Dr. Dirk Jordan und seine Mitstreiter die Absicht hatten, Schach in Deutschland mit großem Einsatz voranzubringen oder nicht. Mag sein, dass ihnen das im Rückblick nicht optimal gelungen ist, aber sie haben es wenigstens mit allen Kräften versucht, und ich denke mal, es zählt auch der gute Wille. Die vielfach beklagte rückläufige Mitgliederentwicklung im Schach muss meines Erachtens an der Basis bei den Vereinen ansetzen. Insofern halte ich eine Großveranstaltung wie die Schacholympiade positive in Bezug auf die Mitgliederentwicklung für den falschen Ansatz. Das war aber auch sicher nicht das primäre Ziel der Austragung der Olympiade.

Immer wieder lese ich den Beiträgen das Wort Sponsoring, wobei zum Teil auch feinsinnig zwischen Sponsoren und Mäzenen unterschieden wird. Mäzene und Sponsoren hat es in der Geschichte des Schachs immer wieder gegeben. Es ist aber die Ausnahme, wenn ein Mäzen oder Sponsor dem Schach 20 Jahre die Treue hält, wie das bei van Osterom der Fall ist. Insofern müsste der DSB laufend nach Sponsoren Ausschau halten. Da die Schachübertragung aber nicht (mehr) im Fernsehen sondern (nur noch) im Internet stattfindet, und das Internet bekanntlich fast all seine Inhalte kostenlos bereitstellt, ist es schwer, eine finanzielle Gegenleistung für den Sponsor zu erkennen. Und wenn man ehrlich ist, passt ein so intellektuelles und langwieriges Ereignis wie eine Schachpartie nicht mehr so recht zu unserer schnelllebigen Welt (sie hat sich ja wirklich in den letzten Jahrzehnten erheblich beschleunigt) - außer als Ansatz zu einer Entschleunigung, die vielleicht mal wieder als Kontrapunkt zur Hektik des Alltags in Mode kommen wird. Insofern sehe ich nur begrenzte Chancen zur Gewinnung von Sponsoren, einfach weil sich die Gesellschaft im Ganzen in eine andere Richtung bewegt.

Hinzu kommt natürlich der vielfach beklagte kostenlose Imageklau des Schachs. Jede Firma, die mit einem Schachmotiv wirbt, ohne sich im Gegenzug auch dort zu engagieren oder wenigstens eine Spende für die Jugendarbeit zu leisten, verhält sich aus meiner Sicht zumindest unmoralisch. An diesem Punkt müsste man ansetzen: der DSB sollte wirklich jeder Firma, die mit geklautem Schachimage wirbt, erst freundlich zu einem Gespräch einladen, um eine konstruktive Zusammenarbeit zu besprechen, und falls das nicht hilft, Sanktionen androhen. Und sei es nur eine Veröffentlichung auf der Homepage des Schachbunds, dass die Firma Imageklau & Co. unberechtigt bzw. moralisch fragwürdig mit einem Schachmotiv geworben hat! Aber hier scheut man ja sicher das Prozessrisiko, denn eines ist sicher: beim DSB sitzen auch viele Juristen und Angsthasen...

Gerald Hertneck,
Schachgroßmeister

Deutscher Schachbund
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Nicht lange musste man auf Informationen zum Treffen zwischen Nationalmannschaft und DSB am letzten Montag warten. Zwar wurde Stillschweigen vereinbart, doch bereits der Dienstagausgabe der FAZ waren erste Hinweise auf einen ruppigen Verlauf zu entnehmen.

"Der Streit zwischen dem Deutschen Schachbund (DSB) und seinen Spitzenspielern ist am Montag abermals eskaliert. Das DSB-Präsidium hatte während einer Sitzung in Frankfurt den Rauswurf des stärksten deutschen Schachspielers, Arkadij Naiditsch, aus der Nationalmannschaft bereits beschlossen, verlautete aus Schachkreisen. Nach einer Runde mit den Spitzenspielern - außer Naiditsch waren Jan Gustafsson, Daniel Fridman und Georg Meier anwesend - sei dieser Beschluss aber wieder auf Eis gelegt worden. Anlass für den Ärger war ein aktuelles Interview, in dem Naiditsch sowohl Schachbundestrainer Uwe Bönsch als auch den für Finanzen zuständigen DSB-Vizepräsidenten Michael Langer scharf kritisiert hatte."
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2011, Nr. 50, S. 30).
Chessbase geht noch etwas detaillierter Auf den Zeitungsartikel ein.

Soeben ging die offizielle Pressemeldung auf der Website des DSB online. Und nicht überraschend kam mir der Gedanke an das Hornberger Schießen: Der Schachbund legt etwas bei der Turnierunterstützung drauf, eine Honorarerhöhung soll von externen Sponsoren getragen werden. Anscheinend stehen diese nun Schlange. Gleich mit drei unterschiedlichen Kandidaten will man verhandeln. Andere Forderungen der Spieler, wie z. B. die Entlassung des Bundestrainers, fanden wohl weniger Anklang. Vieles deutet nun auf eine autarke Nationalmannschaft leicht außerhalb des Schachbundes mit separatem Geldgeber hin. Womöglich hat die schlechte Presse des letzten Jahres doch einiges Positives bewirkt.

Mit Präsidium und Bundestrainer gegen Spieler wurde in großer Runde verhandelt. Und anscheinend ist es nur der ausgezeichneten Leistung des Mediators Sven Noppes zu verdanken, dass man nicht im Streit auseinanderging. Wie bei harten Tarifverhandlungen (auch hier folgte dem Streik die Aussperrung) üblich, wurde nun aber erstmal vertagt. Anfang Juli, also erst in vier Monaten, soll es weitergehen. Für Spannung ist gesorgt.

Freitag, 25 Februar 2011 10:39

Frauenschach auf dem Prüfstand

Für die Männer die Golddukaten und den Frauen ein Mon Chéri – so ähnlich war es Ende der 80er Jahre in der Publikation „Schachwoche“ zur Honorierung der Nationalmannschaft zu lesen. Seitdem floss viel Wasser den Rhein herunter, und die Gleichberechtigung hielt Einzug. Zwar haben wir nur unwesentlich mehr weibliche Schachspieler, doch stieg der Budgetanteil bei der jüngsten Schacholympiade auf 50%, und damit auf ein Niveau, das für Unmut in den Reihen der männlichen Nationalmannschaftskandidaten sorgte. Gehen einige der gleichgestellten Damen doch in Ihrer Freizeit dem Schachsport nach, während für die gesamte Herrenmannschaft Schach den Fokus des Lebens darstellt – der Spielstärkeunterschied ist entsprechend.

Hier einige Zahlen:
Eloschnitt Herrenmannschaft*: 2534, schlechtester Spieler Elo 2461, ca. Platz 80 in D
Eloschnitt Frauenmannschaft 2344, schlechteste Spielerin Elo 2237, ca. Platz 1100
Eloerwartung eines Matches Herren – Damen 7,5 zu 2,5
(*Mannschaft der letzten Schacholympiade. Zu den aktuellen A-Kaderspielern, den TOP 5, fällt der Elounterschied noch wesentlich deutlicher aus, sie weisen einen Schnitt von 2655 aus.)

Anteil männlicher Schachspieler ü18 im DSB ca. 95,7%
Anteil weiblicher Schachspieler ü18 im DSB ca. 4,3% (ca. 2900)
(Quelle: DOSB-Bestandserhebung 2009, www.dosb.de)

Etat des Schachbundes zur Spitzensportförderung ca. 110.000 €:
Anteil Männer: 65.000 € = 59%
Anteil Frauen: 45.000 € = 41%
Weitere Zuwendungen (u. a. auch Honorare für Nationalmannschaftseinsätze) laufen über andere Töpfe. So kostet z. B. die separate DM der Frauen zwischen 7.000 und 11.000 €/Jahr.

Jahrzehntelange Förderung hat anscheinend die Anzahl schachspielender Frauen keinen wesentlichen Einfluss und trotzdem wird dieses Thema tabuisiert. Ausgehend von der aktuellen Förderung (genaue Zahlen zur Vergangenheit liegen sicher beim DSB vor) sind in das Frauenschach in den letzten 20 Jahren somit weit mehr als eine Million Euro geflossen. In dieser Zeit hat es eine Frau auf über Elo 2400 geschafft und ganz wenige über 2300 - Zeit für einen kritischen Blick.

Spielen Frauen schlechter Schach als Männer? Hierzu liegen keine verlässlichen Angaben vor - sie sind mengenmäßig deutlich unterrepräsentiert, weshalb zwingend auch die Spitze dünner sein muss. Allerdings sollte der Anteil statistisch im Verhältnis stehen, z. B. bei den Spielern der TOP100 = über Elo 2443 (weiblich Ist 1, bei 4,3 % liegt das Soll bei 4)
Wenn Sie jedoch nicht schlechter spielen, warum sind sie schützenswert und werden protegiert? Frauen haben ihre eigenen Meisterschaften, Bundesligen und die Berechtigung, zusätzlich bei den Herren starten zu dürfen. In Sportarten, in denen es auf Muskelkraft ankommt, ist das leicht verständlich, beim Schach hingegen geht mir dieser „Protektionismus“ zu weit.

Letztendlich gilt es zu hinterfragen, ob das deutsche Schach ohne oder mit geringerer geschlechterspezifischer Förderung in Spitze und Breite spürbar schlechter dastehen würde. Hätten wir einen geringeren Frauenanteil? Gäbe es die einzige in der deutschen Spitze (Nr. 70) auffallende Spielerin, Elisabeth Pähtz, nicht oder wäre diese sogar stärker, wenn sie sich mit der männlichen Konkurrenz messen müsste?

Zu diesem Thema führten wir eine kurze Umfrage durch. Anlass bot die Meldung auf der Website des Schachbundes zur aktuellen Runde der Frauenbundesliga. Wir fragten “Was halten Sie von der Frauenbundesliga?“. Die Beteiligung daran hielt sich in Grenzen und das Ergebnis ist dementsprechend nicht aussagekräftig, allerdings fiel es wenig überraschend aus:
Nur 14 % fanden Frauenschach spannend. Ganz bitter war jedoch eine Quote von über 42%, die von dieser Veranstaltung noch nie etwas gehört haben…. Zur Umfrage

Was halten Sie von diesem Thema? Gibt es Handlungsbedarf oder sind wir auf dem rechten Weg? Vor allem interessieren auch Meinungen der Schachspielerinnen. Aus diesem Lager vernahm ich in der Vergangenheit durchaus Aussagen wie "Ich fühle mich durch die Förderung ein bisschen diskriminiert, nehmen sie aber gerne mit."
Über eine angeregte Diskussion würde ich mich freuen.
Kein Interesse an Deutschlands TOP10?
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Sonntag, 13 Februar 2011 21:00

Kein Interesse an Deutschlands TOP10?

Hollands Schachspieler werden zuweilen auf offener Straße von Fans erkannt, in Deutschland ist das undenkbar. Dabei unterscheidet sich die historische Entwicklung nicht wesentlich. Beide Länder konnten in der Vorkriegszeit einen Weltmeister und in den 70er/80er Jahren mit Jan Timman und Robert Hübner einen Spieler in der absoluten Weltklasse aufweisen.
Die Gründe sind sicher vielschichtig. Wesentlich scheinen mir jedoch die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und die Spielmöglichkeit der Topspieler bei Turnieren im eigenen Land. In Deutschland gibt es kaum noch eine Personifizierung, es zählt für viele nur die nackte Elozahl. Dass dies kaum ein zukunftsweisender Weg ist, zeigt sich z. B.  an dem immer weiter nachlassenden Interesse an der Bundesliga und der mangelnden Identifizierung mit der Nationalmannschaft. Dabei hätten wir derzeit eine Truppe, die im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht dastehen könnte, wäre da nicht der immer noch schwelende Konflikt zwischen Funktionären und Spitzenspielern.

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Gemäß Dr. Weyer dem potentiell kommenden Präsidenten soll dieser nun Ende Februar beigelegt werden, doch die angeregte Diskussion in unserem Bericht „Stell dir vor, es ist Deutsche und niemand geht hin!“ deutet auf viele Probleme im deutschen Schach hin. Unter anderem stellte ein Leser in den Raum: „ein Rundenturnier mit den Top-10 der deutschen Elo-Liste würde keine Maus hinter dem Ofen hervorlocken“.
Stimmt das wirklich? Weit mehr als 95% aller Schachspieler sind nicht in der Lage, einen Qualitätsunterschied zwischen Anand-Kramnik und Hübner-Naiditsch  oder Meier-Gustafsson festzustellen.
Sind unsere Probleme hausgemacht und verkaufen wir unsere Spitzenspieler nicht ausreichend? Fehlt nur ein Marketingkonzept oder ist das deutsche Topschach wirklich nichts wert? Einen Rückhalt in der breiten Masse findet es zumindest kaum. Meine Erfahrungen zeigen mir, dass viele Schachspieler die Namen unserer Nationalspieler nicht einmal kennen, was wohl in den wenigsten Sportarten der Fall sein dürfte. Schachspielen wird in Deutschland großgeschrieben, Schachbildung hingegen leider nicht.

Kurzumfrage

Das Ergebnis unserer Kurzumfrage fiel eindeutig aus: Rund 75% der User stimmten für einenen anderen als den bisherigen Austragungsmodus. 60% der Teilnehmer wollten sogar ein Turnier der besten Deutschen sehen. Der Prophet im eigenen Land ist vielleicht doch etwas wert!

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Wie weit kann man Negativrekorde eigentlich noch unterbieten? Über eine dünne, unterklassige mangelhafte, unwürdige Besetzung der Deutschen Meisterschaften beschweren wir uns alle ja schon lange und fleißig – zumindest solange ich mich für Schach interessiere. Ob Osterburg, Saarbrücken oder Bad Liebenzell – alles Meilensteine aus dem vergangenen Jahrzehnt, auf dem Weg zu weniger Preisgeld, weniger Prestige und weniger Begeisterung. Mit einer vorläufigen Krönung im letzten Jahr, als im von öffentlichen Verkehrsmitteln weitgehend unerreichbaren Bad Liebenzell neben der DEM ein großes offenes Open stattfinden sollte – wenn mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt, mit Kapazität für bis zu 180 Teilnehmer. Es kamen 10 (davon etwa die Hälfte Profis aus dem Ausland). Wenn das mal kein Schlag ins Gesicht war… In den letzten Jahren lief es trotzdem irgendwie – zwar mehr schlecht als schlecht, aber immerhin. Das liegt daran, dass zu dem (über die Jahre hinweg sehr konstanten) Feld der 2300er bis 2400er, die sich über die Popel-Landesverbandsturniere qualifizierten, bedingt durch eine sehr großzügige Freiplatzpolitik immer noch eine 8-10 Mann starke GM/Jungtalent-IM-Spitze künstlich aufgesetzt wurde, die dann auch meist geschlossen den Preisfond unter sich aufteilen konnte. Natürlich insgesamt ein recht fragwürdige Praxis, den (jedes Jahr gleichen) „ehrlich“ Qualifizierten jedes Jahr die Termiten vor die Nase zu setzen, die ihnen immer wieder das Holz wegknabbern. Mich persönlich als Klein-Termit würde das ärgern, aber es wurde von der Allgemeinheit im Namen der Steigerung der Turnierqualität und des Zuschauerinteresses ganz gut hingenommen und vermutlich sogar begrüßt. Und die Qualifikanten aus den Landesverbänden, allesamt keine Profis, freuten sich auch bestimmt mal über die Gelegenheit, ein Remis gegen eine GM zu erzielen, oder wenigstens mit Würde zu verlieren.

Von daher war alles nicht so schlimm. Auf niederstem Niveau, aber die DEM siechte vor sich hin, so von Jahr zu Jahr. Es gab zwar noch weitere, eher weniger begrüßenswerte freiplatzpolitisch bedingte Auswüchse – zum Beispiel stellt sich mir die Frage, warum es bei der DEM 2009 in Saarbrücken für das Allgemeinwohl unumgänglich war, 4 Spieler aus dem Saarland mit ELO 22xx aus dem Saarland ins Teilnehmerfeld zu schleusen, aber solche „special cases“ fallen vielleicht auch nicht allen auf.

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Action-Abenteuer Erlebnisse mit dem besondenseren K(l)ick, jetzt auf spassbaron.de Dieses Jahr aber in Bonn/Bad Godesberg, da soll noch einmal wirklich alles anders werden. Da wurde von den verantwortlichen Herren (und Damen? Würde mich wundern!) die „Zitrone“ DEM wirklich bis zum Gehtnichtmehr ausgequetscht. Bis auf die gelben Kerne. Da muss wirklich ein schlauer, fast schon revolutionärer Geist auf die geniale Idee gekommen sein, das mathematische Prinzip „Minus mal Minus = Plus“ auch auf Deutsche Meisterschaften übertragen zu können. Sprich – wenn wir die (normal) unattraktive Meisterschaft der Herren und das Championat der Frauen (ich glaube, es reicht nicht, „nur“ ein Freak sein, um für die letzten 5 Jahre Austragungsort, -Datum und die Siegerin aufzählen zu können, dass können nur Fetischisten!) an einen Ort zusammenlegen, sind die Leute begeistert und rennen bei uns in Scharen die Bude ein wie bei der Fußball-WM.

Leider sind bedingt durch den sich aus der Zusammenlegung ergebenden Platzmangel im Männerturnier nur noch 30 statt der früheren ca. 45 Starterplätze verfügbar (zumindest ist das die offizielle Begründung und an ihren Wahrheitsgehalt zu glauben, erscheint mir zwar durchaus etwas naiv, aber die einzige andere Möglichkeit die sich mir erschließt, wäre eine absolute Benebeltheit der Verantwortlichen, die ich ihnen natürlich niemals vorwerfen würde!) und deshalb wird die Freiplatzpolitik in Bonn 2011 etwas gestutzt werden. Neben den 3-4 Spielern mit 2230 ELO aus Bonn, denen ich die Teilnahme ja durchaus noch gegönnt hätte, bekommen jetzt aber leider im Gegensatz zu den letzten Jahren etwa 8-10 Großmeister einfach mal keinen Freiplatz. Man hätte das Turnier zwar auch ganz GM-frei durchziehen können (die Vorzüge der Frauenmeisterschaft hätten dies mit Sicherheit mehr als wettgemacht), aber mit Jan Gustafsson, Daniel Fridman und Rainer Buhmann fanden sich am Ende doch noch Freiwillige, die sich bereit erklärt haben, den etwas faden aber doch sättigenden Preiskuchen aufzuessen. Kann ich durchaus nachvollziehen, ich hätte an deren Stelle ja auch nicht gefühlte 3000€ EV einfach in den Wind gehauen, hätte man mich gefragt. Wobei ich auch durchaus Verständnis für Georg Meier aufbringen kann, der eben keine Bereitschaft aufbringen konnte, sich in einem IBIS-Hotel an Amateuren die Hände schmutzig zu machen und seine Zahl zu ruinieren. Das muss letztendlich jeder selbst wissen, wie er das handhabt.

Es wird sich zeigen ob die genannten Drei auf ihrem Weg auf irgendeinen Widerstand treffen werden. Vielleicht wenigstens auf einen weiteren GM – wenn Titelverteidiger Niklas Huschenbeth, der zur Stunde beim Aeroflot-Open in Moskau weilt, bis dahin endlich seine 2500 zusammen hat.

Viel Spaß in Bonn, Freunde! Ich bleibe fern.

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Stimmte mich vor einigen Tagen das Interview des potentiellen neuen Präsidenten Dr. Weyer optimistisch, trübt der heutige Tag die Stimmungslage erheblich. Auf der Website des Deutschen Schachbundes wurde das Teilnehmerfeld der nächsten deutschen Meisterschaft in Bonn veröffentlicht: Die Setzliste folgt der unrühmlichen des Vorjahres. Konnte man damals von den TOP 100 neun Spieler für „das gute Open ohne ausländische Beteiligung“ gewinnen, sah es diesmal anscheinend noch düsterer aus. So dunkel, dass Bundestrainer Uwe Bönsch vor einer Woche noch kurzerhand drei Freiplätze dem letztjährigen „Feindeslager“ A-Kader anbot. Doch auch dies kann die Veranstaltung nicht retten. Bei sehr knapper Bedenkzeit war die Sache Einigen zu kurzfristig, für Andere die Gegnerschaft einfach keine sportliche Herausforderung. Letztendlich fanden sich mit Gustafsson, Fridman und Buhmann noch drei Spieler. Wohl einzig aus materiellen Gründen, denn es würde sehr überraschen, sollte ein anderer Spieler für das (weder zu einer amateur- noch zu einer Profimeisterschaft passende) Preisgeld bei gut 100 Elopunkten Differenz infrage kommen.
Andere Spieler über Elo 2500 sucht man vergebens, erwartet der Schachbund doch, dass diese sich über eine Landesmeisterschaft (Turniere mit ca. 200 Punkte schwächerem Schnitt) qualifizieren. Somit haben arrivierte Großmeister wie Hübner, Jussupow etc. noch nicht einmal die Möglichkeit an dieser Meisterschaft teilzunehmen.

Da der Schachbund großen Wert auf eine Teilnahme der Vertreter der Landesverbände legt, empfehle ich, die Veranstaltung in den Ramada-Cup, die Deutsche Amateurmeisterschaft, zu integrieren, was zudem den strapazierten Etat erheblich entlasten könnte…

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Die Besetzung anderer Deutscher Meisterschaften, ob Blitz- oder Schnellschach, sieht keineswegs besser aus. Die letzten hochkarätigen Veranstaltungen findet man im letzten Jahrtausend: Bremen 1998 mit 24 der TOP 25 und auch Altenkirchen 1999 waren durchaus noch brauchbar besetzt, danach wurde es immer dünner.

Auch die Einigung mit der deutschen Nationalmannschaft ist möglicherweise noch nicht unter Dach und Fach. Ein desillusionierter Georg Meier, für den Deutschland keine vernünftigen Turniere zu bieten hat, geht nun zunächst für zwei Monate nach Uruguay (ohne Schach) und anschließend ist ein Studium in Amerika im Gespräch. Damit wäre er das zweite deutsche Großtalent (nach Leonid Kritz) mit Elo 2600+, auf das das deutsche Schach verzichten muss.

Lieber Herr Weyer, ändern Sie schnellstens etwas an der Schieflage, sonst muss ich meine voreilig abgegebene Stimme zurücknehmen.

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Präsidentschaftskandidat Hans-Jürgen Weyer im Interview
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Vor einigen Wochen wurde deutlich, dass Professor von Weizsäcker für eine weitere Amtsperiode als Präsident des Deutschen Schachbundes nicht mehr zur Verfügung steht. Als Nachfolger wird der derzeit einige Kandidat, Dr. Hans-Jürgen Weyer, gehandelt. Am 02.02. stand er Deep Chess für ein Interview zur Verfügung.
Von großem Interesse war dabei seine Stellungnahme zum Thema Nationalmannschaft, das in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu erheblichen Spannungen zwischen Spitzenspielern und DSB geführt hatte. Weyer stellt für den nächsten Termin Ense Februar in Aussicht, unseren Spielern erheblich entgegenzukommen, explizit auch bei den Honoraren.
Ein schöner Zug, doch musste wirklich erst soviel Porzellan zerschlagen werden, bevor es zu einer Einigung kommen kann? Allerdings begeistert mich die Aussicht auf eine dem deutschen Schach würdige Vertretung auf internationaler Ebene und die damit verbundene Perspektive.

Herr Dr. Weyer,  wir nehmen das Interview als Maßstab für die kommende Amtsperiode. Unsere Stimme haben Sie!

Hier das komplette Interview, bereitgestellt von Deep Chess (http://www.deep-chess.de/?p=1145)
Zitat: (Deep Chess)"
Der DSB- Vizepräsident und mögliche Nachfolger von Robert von Weizsäcker, Dr. Hans-Jürgen Weyer, stellt sich diversen Fragen des DC!!!-Media Teams. Erfahren sie etwas über die neue Struktur des DSBs, über den Verhandlungsstand in Sachen Nationalteam sowie zum Thema “Schach als Breitensport”. Eine klare Antwort gibt es auch zur Förderung von Schachprofis sowie zur Förderungen von Jugendlichen und Talenten.
Die Aufnahme wurde am 02.02.2011 in Düsseldorf aufgezeichnet. Das Video wurde in HD-Technik angefertigt."
Ausgedacht: Florian Jenni
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Freitag, 04 Februar 2011 01:05

Spielerschwund: Rücktritt von Florian Jenni

Kürzlich las ich in Schweizerischen Schachzeitung (SSZ), dem Verkündigungsorgan des Schweizer Schachbundes, daß Florian Jenni, seines Zeichens Großmeister und Nationalspieler, seinen Rücktritt vom Profischach bekannt gegeben hat. Zur Begründung dieses Schrittes gab er „Motivationsprobleme und fehlende Zukunftsperspektiven“ an. Der 30jährige war bereits mehrfach Schweizer Meister. Innerhalb der Schweiz hätte er schon alles erreicht, aber international sei ihm der Sprung zu größeren Taten verwehrt geblieben. Neben der zunehmenden Enttäuschung über die Fide-Politik und deren Unfähigkeit, Sponsoren zu akquirieren fühlt sich Jenni auch vom eigenen Verband im Stich gelassen, der sich nur um die Jugendlichen kümmern würde. So zitiert ihn die SSZ: „…wenn die Spieler dem Juniorenalter entwachsen sind, werden sie praktisch fallengelassen.“

Jenni ist einer von nur sechs Großmeistern in der Schweiz. Dabei sind Milov, Kortschnoi und Gallagher eingebürgert, Brunner eher inaktiv und Jenni war in den letzten Jahren neben Pelletier der einzige gebürtige Schweizer, der mit dem Großmeistertitel ausgerüstet an seiner Profikarriere gebastelt hat.

In Deutschland ist diese Position vergleichbar mit der von Georg Meier. Der Trierer hat zwar schon gezeigt, dass er international den Anschluss nicht verloren hat und holte sich zuletzt im Ausland einige Turniersiege, doch in der Unzufriedenheit mit der Unterstützung durch seinen Verband können er und Jenni sich die Hände reichen. Der DSB zeigt sich auch wenig beweglich, zudem ist man auf Funktionärsebene gerade mit dem Übergang beschäftigt, da Präsident Weizsäcker sich bald verabschieden wird. Unsere Spitzenkräfte wie Meier und Naiditsch scheinen sich derzeit auf den Bundestrainer eingeschossen zu haben, aber auf eine Wandlung schient man vergeblich zu warten.

http://www.schachbundesliga.de/medien/audioindex.php?menuid=620&topmenu=46&keepmenu=inactive

Auch uns drohen unsere Aushängeschilder verloren zu gehen. Meier wird vielleicht noch nicht so weit sein, sich vom Schach völlig los zu sagen, dazu ist er noch jung genug und hat sein Potential noch nicht gänzlich ausgeschöpft, aber es kursieren immer wieder Gerüchte, dass er einen Verbandswechsel in Betracht ziehen könnte. Verständlich wär`s ja…

   

Freitag, 31 Dezember 2010 01:27

2010 im Schnelldurchlauf

Das zu Ende gehende Jahr war ein ereignisreiches Schachjahr, aber war es auch ein gutes? Welche Ereignisse, welche Spieler haben es geprägt? Einige Glanzpunkte setzte sicher die Jugend. Als Erinnerungsstütze ein kurzer, nicht ganz unsubjektiver Überblick.

Los ging es mit der Mannschafts-WM im türkischen Bursa und einem Favoritensieg Russlands. Überraschend holten die USA mit dem überragenden Nakamura und Indien, obwohl ohne Anand, die Medaillen vor den höher eingeschätzten Team aus Aserbaidschan und Armenien. Den besten Start des Jahres erwischte Alexei Schirow in Wijk aan Zee mit fünf Siegen en suite. Am Ende wurde er dann doch noch überholt von dem trotz seiner erst 19 Jahre seit 1.Januar Führenden der Weltrangliste Magnus Carlsen. Die B-Gruppe wurde eine Beute des nächsten Carlsen, des 15jährigen Anish Giri.

Weltmeister Anand riss sich in Wijk aan Zee bei seinem letzten Test vor seinem Titelkampf kein Bein aus und holte seine üblichen plus zwei. Anders einen Monat später Wesselin Topalow: Mit unberechenbarem, hoch riskantem Schach gewann der Herausforderer in Linares, wo allerdings weder Carlsen, Anand noch Kramnik am Start war. Das wahrscheinlich stärkste Open des Jahres gewann der 18jährige Vietname Le Quang Liem. Während die Nationalspieler bei der EM in Rijeka unter ferner liefen mit ansahen, wie der 19jährige Jan Nepomnjaschtschi als Nummer 35 der Setzliste Europameister wurde, holte sich ein anderer Junior, der 18jährige Hamburger Schüler Nicolas Huschenbeth den deutschen Titel.

In der Bundesliga war der Titelgewinn des hohen Favoriten Baden-Baden nach einer Niederlage gegen Werder Bremen dank der ebenfalls vorne mitmischenden Solinger erst im letzten Spiel perfekt. Spannend verlief auch die WM. Anfangs überschattet von der Flugsperre, die Anands Reise nach Sofia erschwerte, und Spekulationen über Provokationen in der Heimat des Herausforderers wurde es ein fairer und hochklassiger Zweikampf, den Anand knapp aber zu Recht gewann. Zur gleichen Zeit und ein halbes Jahr zu spät kam der FIDE-Grandprix in Astrachan doch noch zu einem Abschluss, der aber überschattet wurde von Mutmaßungen über eine Partieabsprache zwischen Mamedscharow und Radschabow, die letzterem zum letzten offenen Platz im Kandidatenturnier verholfen haben könnte.

Korruption ist im Weltschach sonst eher auf Funktionärsebene ein Problem. Hoffnungen auf Veränderung nährte die Kandidatur von Anatoli Karpow um die FIDE-Präsidentschaft mit maßgeblicher Unterstützung von Garri Kasparow und dessen Draht zu Financiers im Westen. Das Turnier im rumänischen Bazna mauserte sich zum Elitewettbewerb. Der Sieger hieß einmal mehr Carlsen. Derweil eskalierte ein seit längerem schwelender Streit zwischen den Nationalspielern und dem Deutschen Schachbund um Honorare und die Bedingungen für Profis in Deutschland. Dazu gehört etwa auch, dass in Dortmund nur Naiditsch willkommen ist (das unzureichend gemanagte Turnier gewann heuer Ponomarjow) und in Mainz, dem Treffpunkt des Schachs in Deutschland, aufgrund der Wirtschaftskrise das Programm auf zweieinhalb Tage eingedampft werden musste.

Bei der Schacholympiade holte dann eine Ersatzauswahl mit Platz 64 das mit Abstand schlechteste deutsche Ergebnis. Im sibirischen Chanti-Mansisk enttäuschte auch Gastgeber Russland und musste Gold den leidenschaftlicheren, von einem entfesselten Wassili Iwantschuk angeführten Ukrainern überlassen. Dafür dominierten die Russinnen den Frauenwettbewerb. Bei der FIDE-Wahl unterlag Karpow mit praktisch der selben Marge wie vier Jahre zuvor Bessel Kok gegen Kirsan Iljumschinow, dessen Hintermänner seit 1995 in die eigenen Taschen wirtschaftend das Chaos verwalten.
Als Finale der unabhängigen Grand-Slam-Turniere hatte Bilbao eine schiefe Optik, hatte doch nahezu alle Qualifikationswettbewerbe Carlsen gewonnen, der gerade eine Formkrise durchmachte, während der einzige andere Qualifizierte Topalow von vornherein absagte. Kramnik gewann. Nur wenige Tage später begann der neue Grand Slam Tausende Kilometer entfernt in Nanking, wo Carlsen wie verwandelt agierte und überlegen gewann.

Kurz danach schockte der Norweger, dessen WM-Sieg für viele nur eine Frage der Zeit ist, mit dem Rücktritt aus dem im Frühjahr anstehenden Kandidatenturnier. Keinen klaren Sieger gab es in Moskau. Aronjan (der anschließend die Blitz-WM gewann), Mamedscharow und Karjakin teilten am Ende Platz eins. Das wäre nach der üblichen Wertung auch in London der Fall gewesen. Weil ein Sieg dort aber drei Punkte wert war, wurde Carlsen vor McShane und Anand zum Sieger erklärt. Zwischendurch setzte Marc Lang, FIDE-Meister aus Günzburg, mit einem Blindsimultan gegen 35 Gegner das deutsche Schachhighlight des Jahres. Die Frauen-WM im türkischen Antakya wurde von den Chinesinnen dominiert. Den Titel holte sich die 16jährige Hou Yifan, so dass sie sich künftig wohl öfter mit Männern messen darf.

Russischer Meister wurde nach einem Stichkampf, in dem es nur Remisen gab, und obwohl er zuvor im regulären Vergleich gegen den gleichaltrigen Karjakin unterlegen war, der mittlerweile 20jährige Nepomnjaschtschi. An die Weltranglistenspitze kehrt aber, nachdem zwischenzeitlich Anand vorne war, Carlsen (ebenfalls 20) zurück.

Schachbund weiter abwärts
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Mittwoch, 15 Dezember 2010 20:09

Schachbund weiter abwärts

Passend zu unserer Diskussion über den Zustand der Schachvereine ist die vor kurzem erschiene Bestandserhebung 2010 des DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund), einzusehen unter http://www.dosb.de/de/service/statistiken)

Wie im Vorjahr reduzierte sich die Mitgliederzahl des Deutschen Schachbundes um gut 1200 - die Gesamtmitgliederzahl aller Sportarten hat hingegen erneut zugelegt.

An dieser Stelle mache ich es mir einfach und verweise auf meinen Artikel, der in der Ausgabe 02/2010 des Schachwelt-Magazins erschien. Kaum etwas hat sich geändert - der Moderne Fünfkampf überholte uns mit weiterhin rasanten Zuwachsraten. Es wäre schön, eine offizielle Stellungnahme und Analyse des Schachbundes zu diesem Thema zu bekommen (oder habe ich die verpasst?)

Quo Vadis deutsches Schach?

 

Anfang November 2009 publizierte der Deutsche Olympische Sportbund seine jährliche Bestandserhebung. Wie in den meisten Jahren zuvor, konnte über den Deutschen Schachbund nichts Gutes berichtet werden. Die Mitgliederzahl sank um 1.237 (1,31%) auf 94.149. Damit lagen wir in der Gesamtheit der Verbände unter Schnitt. Die olympischen Sportarten erzielten ein Wachstum von 2,87%, die nichtolympischen immerhin auch noch 2,39%. Eigentlich hätte das Jahr 2009 bei den großen Events des Vorjahrs, der Weltmeisterschaft in Bonn und der Schacholympiade in Dresden, einen Trendumkehr verzeichnen sollen. Solche Veranstaltungen im eigenen Land bringen der Bevölkerung die Sportart positiv ins Gedächtnis und ein Interesse am Abschneiden der eigenen Teilnehmer wird geweckt. Doch anscheinend ist die Botschaft bei den Menschen nicht angekommen – Schach konnte nicht punkten.
Doch blicken wir in die Zukunft: Wie kann Schach populärer werden? Was bringt Menschen dazu, sich mit Schach zu beschäftigen?

Folgende Themen fallen mir dazu spontan ein:

  •  Identifikation mit Persönlichkeiten
  •  Image
  •  Medienpräsenz und Öffentlichkeitsarbeit
  •  Schach in der Jugend
Beim ersten und dritten Punkt müssen wir passen! Seit Dr. Robert Hübner, der es in den 70-er Jahren sogar in die Tagesschau schaffte, wurde kein Deutscher im Spitzenschach auffällig. Von Medienpräsenz war in der letzten Zeit kaum etwas zu spüren. Die Schachspieler werden nicht wahrgenommen. Der breiten Bevölkerung fällt Schach nicht durch eine Olympiade sondern vielleicht durch eine Toilettenaffäre wie in Kramnik – Topalov, Elista 2006, oder einem Vladislav Tkachiev, der am Brett einschläft, auf.
Unser Image ist seit jeher ein Plus, doch muss es entsprechend eingesetzt werden. Viele renommierte Firmen nutzen Schach für Werbezweck. Allerdings besteht auch das Risiko, aufgrund der komplexen Regeln, in eine elitäre oder auch exotische Ecke gedrängt zu werden.
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Einzig der vierte Punkt gibt derzeit Anlass zur Hoffnung: Möglicherweise bringt Schulschach Besserung?! Spätestens seit verschiedene Pilotversuche bestätigen, dass schachspielende Kinder bessere Schulnoten erzielen, bewegt sich auf diesem Sektor vieles. Doch auch hier klagte vor wenigen Tagen der rührige Vorstand eines Schachvereins, dass er zwar die Jugendlichen habe, aber nicht die Infrastruktur (Trainer, Lehrer etc.) um diese auszubilden und auch später bei der Stange zu halten.
Vielen anderen Sportarten geht es nicht besser. Allerdings erwachten Tennis und Golf aus einem Dornröschenschlaf mit der Medienpräsenz eigener deutscher Stars. Boris Becker, Steffi Graf, Bernhard Langer und Co. ermöglichten eine Identifikation mit Personen und damit der Sportart – die Mitgliederzahlen stiegen sprunghaft. Und das würde im Schach genauso funktionieren. Sicher sagen sich im Moment viele Norweger „Magnus Carlsen ist cool – ich spiele jetzt Schach.“ (– mein Kind muss Schach lernen!“) Oder „Schach? Das kannte ich bisher nicht, das ist in den Medien. Wo kann ich es lernen?“ Auch Firmen würden eventuell nicht nur ein Schachbrett für Werbezwecke nutzen, sondern gleich mit einem erfolgreichen Großmeister werben.
 
Ein Spitzenspieler in der Weltelite könnte auch dem deutschen Schach weiterhelfen. Mit Georg Meier haben wir, fast vier Jahrzehnte nach Robert Hübner, wieder ein Talent, das sich auf dem Sprung in die Weltspitze befindet. Wie er in unserem Interview betont, ist seine Spielstärke einzig auf die 2004 eingeleitete (und inzwischen beendete) Sonderförderung der Jugendolympiamannschaft zurückzuführen. Die derzeit vorhandenen Mittel scheinen jedoch nicht annähernd ausreichend, um ihm auf seinem Weg nach oben günstige Voraussetzungen zu bieten. Doch wer steckt Sponsorengelder ein eine Sportart, die nicht medientauglich ist? Hier sind neue Ideen gefragt. Wie soll es weitergehen? Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal Gedanken zu diesem Thema gemacht.