Der Tiger stirbt
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Montag, 14 Februar 2011 20:08

Der Tiger stirbt

Hans-Walter Schmitt hat in der Vergangenheit viel Kraft, Herzblut und auch eigenes Geld in seine Schachbabys gesteckt, seinen Club Chess Tigers, seine Schachuniversität, sein Schachzentrum in Bad Soden und vor allem sein jährliches Event, anfangs im Westen von Frankfurt, dann zehn Jahre lang in Mainz und nun, da sich Schmitts "Chess Classic" dem Erwachsenenalter näherte, ist es aus. Das drohende finanzielle Loch war zu groß, als dass es der engagierte IT-Manager noch einmal selbst stopfen konnte oder wollte. Die traurige Nachricht überbringt uns sein früherer Pressechef Hartmut Metz in der Frankfurter Rundschau. Von den Mainzer Sponsoren war praktisch nichts mehr übrig, die von ihm selbst andernorts gewonnenen Sponsoren wie Wolfgang Grenke reichten nicht, das führende deutsche Schachfestival ohne weitere heftige Abstriche über die Bühne zu bringen.

ccmteam
Das Team der CCM

Alle Weltklassespieler von heute und der letzten 15 Jahre mit Ausnahme Gelfands, der es nie schaffte, gaben sich bei Schmitts Turnieren ein Stelldichein. Mainz war in den letzten Jahren der Schachtreffpunkt in Deutschland. Es ist nach Iljumschinows Wiederwahl, Carlsens WM-Ausstieg, Londons WM-Absage und Van Oosteroms Abschied als Mäzen (und Linares könnte ebenfalls ganz aus sein) aber auch ein weiterer Schlag in einem internationalen Abwärtstrend des Spitzenschachs. Und es ist ein Rückschlag fürs Fischerschach bzw. Chess960, das nirgends so gefördert wurde wie in Mainz. Danke an das ganze große CCM-Team! Und ganz besonders danke Hans-Walter, komm gut drüber weg und alles Gute mit deinen verbleibenden Babys!

Chesstigers.de

London Calling
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Samstag, 04 Dezember 2010 21:29

London Calling

Keine Sorge, dieser Blog wechselt nicht zur englischen Sprache.  Das ist nur die Vorfreude auf das am Mittwoch beginnende London Chess Classic, das bei seiner Erstauflage voriges Jahr auf Anhieb neue Maßstäbe in Sachen Publikumsfreundlichkeit setzte. Wo sonst kommen die Akteure nach den Partien nahezu alle zu den Zuschauern und erläutern ihre Partien selbst? Und das nicht etwa, weil es vorher an kompetenten und spannend anzuhörenden Kommentatoren gefehlt hätte. Es ist allererste Sahne, was der Londoner Schachhändler und -veranstalter Malcolm Pein auf die Beine gestellt hat.

Statt wie in Dortmund die immergleichen drei Lieblingsspieler des Veranstalters mit drei Weltklassespielern zu matchen, treffen in London vier Weltklassespieler auf die vier stärksten Engländer. Kritikwürdig ist dabei nur, dass sich das Teilnehmerfeld gegenüber vorigem Jahr nur auf einer Position geändert hat. Statt Ni Hua spielt Anand. Es macht Sinn, den Weltmeister mit den hohen Londoner Standards vertraut zu machen, denn 2012 soll er dort seinen WM-Titel verteidigen. Allerdings dann nicht gegen Vorjahressieger Carlsen, der sich ja aus dem laufenden Zyklus abgemeldet hat. Ihr in Bilbao begonnenes und in Nanking fortgesetztes Minimatch geht übrigens in Runde fünf. Ein zweiter kleiner Makel ist das Open. Das läuft zeitversetzt, aber nicht früher sondern später als die Spitzengruppe, so dass Openspieler weniger Gelegenheit zum Kiebitzen haben als möglich wäre. Ob sich deshalb nur vier Deutsche zur Teilnahme entschließen konnten? Und andere vielleicht ohne Openteilnahme kommen? Wie Hans-Walter Schmitt, der sich, obwohl Deutschlands führender Schachveranstalter, auch noch das eine oder andere abschauen kann, aber offiziell wegen des anstehenden 41.Geburtstags eines guten indischen Freundes nach London reist.  

Besonders wichtig sind dem Festival Besucher anderer Art. Für Schulkinder, die mit ihren Schachgruppen die ganz Großen besuchen kommen, gibt es ein volles Programm. Die Charity Chess in Schools and Communities, die hinter dem Festival steht, ist nämlich nicht dem Spitzenschach sondern dem Kinder- und Breitenschach verpflichtet. Ohne diese Schnittstelle macht das ganze und auch eine WM 2012 wenig Sinn.