
Anand reicht es - mir auch
Hat doch genau gepasst. Zwei Selbstmorde Gelfands, einmal durch Rechenfehler, einmal durch Zeiteinteilung, haben Anand gereicht. Nur einmal hat er seinen Herausforderer überspielt, aber dann nicht den Sack zugemacht (3.Partie). Mit Mehrbauer und großem Zeitvorteil in Partie zwölf weiterkämpfen? Als Schnellschachspezialist dann doch lieber ins Stechen. Und am Ende, als in der vierten Stichpartie mit Weiß ein Remis reicht, eine Staubsaugervariante (3.Lb5+-Sizilianer). Dass Anand bei Turnieren zwischen seinen Titelkämpfen wenig leistet, waren wir ja schon gewohnt.
Ich will nicht ungerecht sein. Gelfand hat stark gespielt. Ohne 14...Df6? (8.Partie) hätte er Anand vielleicht niedergekämpft. Gelfand muss Anand so beeindruckt haben, dass der kein unkalkulierbares Risiko gegen ihn eingehen wollte.
Was beschwere ich mich überhaupt? Ich habe in Moskau ein großartig organisiertes Match und drei Partien gesehen, zwei davon wurden entschieden, während der Remispartie gab Kasparow eine unterhaltsame Pressekonferenz und ein ungewöhnliches Kindersimultan, und ich fand im Pressezentrum, anders als es am Anfang und am Ende des Matches gelaufen wäre, sogar ein Plätzchen zum Arbeiten. Trotzdem fand ich es eine WM zum Vergessen.
Vergessen habe ich leider bisher das Verlinken der unübertrefflichen WM-Berichterstattung von ZEIT-Reporter Ulrich Stock mit als Höhepunkt dem Liveblog vom Stechen und des großartigen, bilderreichen WM-Blogs von Eric van Reem aus dem Anand-Team sowie Sergei Schipows brilliante Analysen. Wer noch nicht genug WM hatte, kriegt dort alles.
Goldene Zeiten
FIDE-Präsident Iljumschinow verkündet in einem Interview mit dem russischen Sport Ekspress wieder einmal den Anbruch goldener Zeiten. Das Kandidatenturnier soll Ende Oktober, Anfang November in London über die Bühne gehen. Dass die Ausrichtung dort teuer ist und die britischen Medien das Ereignis links liegen lassen werden, spielt für die Geldgeber keine Rolle. Das Geld kommt aus Aserbaidschan und ermöglicht dem Liebling der dortigen Machthaber, Teimur Radschabow, die Teilnahme. Ursprünglich bewarb sich Baku um die Ausrichtung, doch dort wäre der Armenier Aronjan, einer der Favoriten, nicht willkommen.
Noch dieses Jahr soll auch wieder eine Grandprixserie starten. Die ersten zwei von sechs Turnieren sind zwar, wie der ganze letzte Zyklus 2008-2010, wieder in der Exsowjetunion angekündigt, nämlich in Taschkent und Tscheljabinsk, aber die weiteren Stationen im nächsten Jahr sollen im Westen untergebracht werden. Letztes Mal hat´s nicht geklappt, wir werden sehen.
Die Hoffnungen basieren auf dem amerikanischen Medienunternehmer Andy Paulson, der in Russland ein Vermögen verdient hat mit, man höre und staune, journalistisch vorzeigbaren und politisch nahezu unabhängigen Produkten. Paulson, der im Schach noch nicht vorher aufgetreten ist, soll eine neue Firma namens AGON haben, die die Spitzenwettbewerbe der FIDE in den nächsten Jahren vermarkten soll. Näheres über den Sitz, die Mitarbeiter und Eigentumsverhältnisse von AGON ist bisher nicht bekannt. Dass es Dutzende Firmen dieses Namens gibt, erleichtert die Recherche nicht. Das aserbaidschanische Geld erleichtert AGON den Start: Dem Vernehmen nach will Baku die WM 2013 ausrichten, es sei denn Aronjan wird Herausforderer.
Noch eine weitere Firma wird genannt, von der die meisten Schachfans noch nie gehört haben werden: CNC, die Chess Network Company mit Sitz in Moskau, besteht bereits seit Ende 2009 und gehört laut der New York Times mehrheitlich Chess Lane, einer in London sitzenden Firma von David Kaplan, einem Geschäftsfreund Iljumschinows. CNC hält die Marketingrechte der FIDE und ist auch in den neuen Deal mit AGON involviert.

Nochmal Gelfand!
Mamedscharow - Gelfand


Sechs Bauern für den Turm – eine Konstellation, die in die Schachgeschichte eingehen wird. Sehen Sie, wie sicher der schwarze König steht. Das Läuferpaar verleiht dem ganzen Stabilität.
Das Duell gegen Kamsky sah auch ein paar originelle Stellungsbilder. Hier ein Ausschnitt:
Kamsky - Gelfand
Gelfand - Kamsky
Kamsky - Gelfand

23. …Sa5!! Das Motiv werden wir in der letzten Partie wieder finden: er nimmt eine Verdopplung der Randbauern in Kauf, dafür wird Weiß Probleme haben, das Zentrum zu halten. Etwas später, nachdem weiße Angriffsbemühungen auf der h-Linie abgeschlagen waren, nahm die Überhand in diesem Bereich deutliche Konturen an:

Gelfand gewann das Endspiel in sicherer Manier und beflügelt vom Sieg gleich noch die folgenden Blitzpartien.
Gelfand - Grischuk
Gelfand - Grischuk

Hier war ich überzeugt, dass Grischuk im Angriff gewinnen würde. Gelfand blieb cool mit 19.f4!, er erkannte, dass sein König sich notfalls selber helfen konnte und dass sich langfristig, wenn Grischuk den Läufer auf h4 geben würde, die lange Diagonale a1-h8 für ihn bemerkbar machen würde. Das Kernstück dazu war die spätere Durchsetzung von e3-e4, um die Lücken zu schließen und das Bauernzentrum mobil zu machen:

23.Lb2! Und nicht 23.Lxd5, was zwar die Qualität gewinnt, aber völlig die weißen Felder vernachlässigt. Schwarz kann dann mit …De6 und notfalls …f5 dauerhaft verhindern, dass sich das weiße Zentrum mit e3-e4 in Bewegung setzt. Die Nachteile der weißen Struktur lassen sich nur durch ein bewegliches Zentrum im Verbund mit dem Läuferpaar kompensieren. Grischuk verlor dann den Faden, Zeitnot, und die Gelfandschen Träume reiften:
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