Das waren noch Zeiten: "The Master Game" im Fernsehen!
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Beim Wandern durch verschiedene Webseiten streunte ich heute eher zufällig beim Weltcup in Khanty Mansiysk vorbei. Ich muss sagen: wer immer diese Online-Übertragung arrangiert hat, verdient ein großes WOW !!

Schon vor einiger Zeit sah man bei den russischen Meisterschaften (oder so) eine sehr noble Live-Übertragung. Auf der Turnier-Homepage gab es ein Live-Schachbrett, einen Live-Audiokommentar (auf russisch allerdings, was für manche Zuschauer eine gewisse Hürde darstellte) und (!) Live-Videos (!) von den Spielern am Brett. Sehr innovativ war das alles, und die Bilder auf dem Bildschirm kamen gestochen scharf in die Wohnstuben. 
(Wenn sich die Schach-Bundesliga nochmal reformierern will – hier ist ein Ansatz dafür. Kostet wohl leider nur ein Heidengeld.)

Und heute nun – tolle bewegte Bilder vom Weltcup in Sibirien auf chess.ugrasport.com. Wir sehen die zweite Partien des Achtelfinales mit folgenden Paarungen:

Polgar – Dominguez: 1:1 nach den langen Partien, morgen heißt es: go Judit go!

Bu – Ivanchuk: hier ebenfalls 1: 1 – morgen geht´s weiter

Zherebukh – Navara: Hoppla - Navara marschiert mit 2:0 ins Viertelfinale

Bruzon Batista – Ponomariov: zweimal Remis, morgen geht´s weiter

Gashimov – Nielsen: Nielsen konnte heute ausgleichen – morgen wird auch hier gestochen

Potkin – Grishuk: nach Grishuks Sieg steht es 1:1 – auch hier geht es morgen weiter

Radjabov – Jakovenko: Radjabov zieht mit 1,5:0,5 ins Viertelfinale ein 

Nakamura - Hickl: 0:2 für den Hofheimer - eine tolle Vorstellung gegen den Sieger von Wijk aan Zee

Svidler – Kamsky: 2:0 für Svidler – der russische Meister in guter Form!

Die Videobilder zeigen hübsche Impressionen, und holla! – um wie viel vielseitiger und spannender ist es nun, die acht Partien live zu verfolgen. (Wenn man sich wirklich die Zeit dafür nehmen kann und will - ansonsten werden morgen ab 15 Uhr Ortszeit die Schnellpartien auf http://chess.ugrasport.com/ übertragen.)

 In den alten Zeiten gab es für uns im Internet ja „nur“ die Bretter zu sehen, auf denen ab und zu mal eine Figur auf ein anderes Feld rutschte. Aber immerhin - auch das war schon sehr aufregend. Heute sieht man aus Sibirien dazu nun auch die Menschen, wie sie grübeln, kämpfen und sich mühen – und gleich wird der Sport Schach viel besser fassbar und sogar noch etwas emotionaler. Kompliment für diese Übertragung!, oder um es auf Russisch zu sagen: ????????????!

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Vugar Gashimov hat schwer zu kämpfen

die einsamkeit des turnierpartiespielers

Die Einsamkeit des Turnierpartiespielers

aus den pioniertagen des schachfernsehens - manchmal luft noch jemand durch das bild

Aus den Pioniertagen des sibirischen Schachfernsehens: manchmal läuft auch mal jemand durchs Bild! 

Das alles hat natürlich ein Vorbild, und das stammt wie so oft von der alten Tante BBC in London. In den späten Siebzigern wurden dort für das Fernsehen (unglaublich, unglaublich!!) Schnellpartien gespielt und man filmte die Großmeister am Brett, während sie nachdachten. Hinterher sprachen die Spieler ein paar Kommentare zur Partie im Hotelzimmer auf Band, und fertig war eine Folge von „The Master Game“ (auf Deutsch: Turnier der Schachgroßmeister). Nigel Davies hat auf seiner Webseite The Chess Improver  ein paar dieser schönen Folgen (auch mit dem jungen Helmut Pfleger und dem legendären Tony Miles) verlinkt. Großer, großer Tip!

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Jan Hein Donner fürchtet um seine Bauern c3 und e4

In dieser wegweisenden Serie entstand vielleicht sogar die weltberühmte Pfleger-Diagonale (mit den leuchtenden, blinkenden Feldern von h1 bis nach a8). Sie scheint sich zuallererst in diesen BBC-Filmen materialisiert zu haben.

Ich gucke nicht oft Dart im Fernsehen, und auch nicht Snooker. Und wenn es doch mal irgendwo auftaucht, zappe ich schnell weiter, weil es mich nicht direkt interessiert. Frauen jedoch bleiben scheinbar gerne mal hängen, wenn Snooker gezeigt wird. Denn da gibt es ja diesen Spieler, wie heißt er noch …Sullivan? Den mögen viele Frauen gerne, und außerdem tragen die Snooker-Spieler ja schicke Anzüge, und es ist alles sehr stilvoll und dezent. (Das mag sogar ein Argument sein für die geplante neue Kleiderordnung im Schach - aber warten wir lieber erstmal ab, wie die genau aussehen soll.)
Nun ist Schach nicht Snooker, doch wenn M. Carlsen beim nächsten Welt-Cup wieder mit einsteigen sollte und es eine „LIVE-Coverage“ mit Video gäbe, wäre einiges Zuschauerinteresse gewiss (vielleicht sogar bei Frauen).

Ein Problem jedoch bleibt: die schwierigen Schachregeln! Wenn nur das Verstehen der Züge und Ideen nicht so kompliziert wäre – dann hätte Schach richtig gute Chancen, auch für das Fernsehen attraktiv zu werden. Aber was soll´s – da wird der FIDE-Weltzentrale sicher auch noch etwas einfallen.

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Die Firma Geico ist mir zwar unbekannt, aber immerhin machen sie tolle Schachvideos.

Ein visionäres Video zum Thema „Schach als Publikumssport“ findet man im Netz bei Youtube. Im Vordergrund knobeln die Schachmeister, und hinten lauert der spanische Kommentator mit seinem (wie man bald sehen wird) brodelnden Temperament.

Man merkt auch hier: echte Schachmeister sind eigentlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Beeindruckend! Vielleicht sieht so ja die Zukunft aus, und vielleicht bekommen wir dann auch endlich ein paar Cheergirls. Aber bis es soweit ist, können wir uns zurücklehnen und noch ein paar Tage an den Bildern aus dem fernen Sibirien erfreuen . ????, ?? ?????? ???????!

Dienstag, 29 März 2011 10:51

Schüttellähmung

Will niemand Europameister werden? An den vorderen Brettern geht es im französischen Aix-les-Bains ausgesprochen friedlich zu. Was gutteils daran liegt, dass die EM ein Qualifikationsturnier für den Weltcup ist. Viermal klatschen, siebenmal schütteln (für Nichteingeweihte: vier Siege und sieben Remis) sollten, vor allem, wenn man von Beginn an wertungsfördernd gut im Plus ist, für die Qualifikation reichen. Scheiß doch auf die Zuschauer. Es ist allerdings Wasser auf die Mühlen des neuen ECU-Präsidenten Silvio Danailow und seine Antiremislinie, die er an diesem Dienstag bei einer Außerordentlichen Versammlung der europäischen Verbände durchsetzen will, wobei das noch eine der weniger kontroversen Vorstellungen des Bulgaren ist, der auch einen strengen Dresscode und die Einführung der Drei-Punkte-Regel fordert.  

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Zurück zum Turnier. Wladimir Potkin, der als einziger mit fünf Siegen begonnen hat, remisiert inzwischen fleißig mit und ist immer noch alleine vorn. So unbekannt, wie nun manche tun, ist der 29jährige Russe nicht. Er spielt Bundesliga für Mülheim-Nord und gilt als solider, theoretisch beschlagener und auch sehr umgänglicher Spieler. Nicht nur Lewon Aronjan hat ihn des öfteren als Sekundanten eingesetzt. Potkins Elo lümmelte lange im Niemandsland um 2600 und passt sich nun wohl seinem tatsächlichen Spielverständnis an. Ein Siegertyp, der andere weghaut, ist er allerdings nicht, und ich tippe mal, dass er bei plus fünf bleiben wird. Die für den Titel nötigen plus sechs erwarte ich eher von Wolokitin, der mit Weiß alle weghaut und irgendwie überreif ist für einen großen Einzelerfolg und die 2700, oder vom zwar schon gelegentlich und auch jetzt über dieser Marke geführten, aber praktisch ständig formschwankenden Vallejo. Vielleicht, nein hoffentlich wird nach dem Ruhetag an diesem Dienstag ja mehr gekämpft und die Schüttellähmung an den vorderen Brettern überwunden. Das Vorbild liefert Judit Polgar, die am Sonntag gegen Ragger früh eine Figur reinsteckte und es trotz der Niederlage tags darauf gegen Pantsulaja gleich wieder tat - mit mehr Erfolg.?

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