TataRemisen
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Sonntag, 25 Januar 2015 12:49

TataRemisen

Remispartien waren beim Tata Masters in Wijk an Zee heuer erstaunlich wenige zu sehen und vor allem sehr wenige wirkliche Kurzremisen ohne wirklichen Kampf am Brett. Von den 91 Partien wurden 46 entschieden und davon gingen 28 Siege auf das Konto von Weiß und 18 Schwarzsiege waren zu verzeichnen – damit blieben 45 Remispartien übrig und eine Remisqoute von unter 50% zählt bei Topturnieren eher zu den Ausnahmen. Wie schaffen es die Organisatoren es den Spielern so eine kämpferische Partieanlage zu entlocken. Nun es erscheint mir gar nicht so schwer zu sein, denn nicht das Streben nach einer möglichst hohen Turnierkategorie bringt das gewünschte Ergebnis, sondern gerade die Einmischung von „schwächeren“ Spielern – sofern man das bei Elo 2600++ sagen darf – bringt die Würze ins Feld.

Gewonnen hat Magnus Carlsen mit einem halben Punkt Vorsprung auf vier Verfolger.

2015tata01

Und hätte Ivan Saric seine etwas bessere Stellung nach der Eröffnung ausnutzen können, dann wäre fünf Spieler punktegleich am Ende dagestanden und am Anfang des Turnieres schaute es auch nicht nach einem Carlsensieg aus, denn er startete nur mit 1/3 ins Turnier und erst seine sechs in Folge gewonnenen Partien zur Turniermitte brachten ihn wieder in den Kampf um den Turniersieg zurück.

Aber eigentlich wollte ich hier über die Tataremisen schreiben, weil sich einige regelrecht ins Remis gezittert haben – teilweise mit beidseitig ausgelassenem Gewinn – das sollte keine Kritik an den Fähigkeiten der SuperGM darstellen, sondern Ausdruck der Freude am sportlichen und kämpferischen Schach sein.

Zwei Beispiele aus der 9. Runde zeigen, dass auch dramatische Änderungen der Stellungsbewertungen immer wieder noch in den Remishafen führen können! Und das Menschen nun einmal Angst haben und nicht perfekt Schach spielen können - Gottseidank!!

Aber nicht immer konnten die möglichen Remisen wirklich „ertattert“ werden und ich möchte ihnen lieber Leser noch zwei Beispiele zeigen, wobei ich mir nicht wirklich sicher bin, ob die Remisen hier wirklich in trockenen Tücher gelegen sind und ob die Maschinen richtig liegen.

Irgendwie absolut unglaublich - kann diese Stellung wirklich remis sein? Weiß am Zug - viel Spaß beim herumtattern!!

2015tata02

Der weiße König hat Probleme die Freibauern zu unterstützen ohne dass mal hie mal da einer verloren gehen könnte ... nahezu unglaublich, aber die Maschinen zeigen hier im Endspiel immer 0,00 an und alle meine Versuche die Stellung zu gewinnen sind gescheitert, aber das sagt ja nicht wirklich viel aus :-)

Entscheidender könnte die Tatsache sein, dass wenn man das Bauernpaar auf der g-Linie entfernt, der entstehender 6 Steiner laut Tablebases doch remis ist!

2015tata03

Hier noch die Partien zum Download in PGN

Endspiele aus Wijk, Teil 2
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Montag, 18 Februar 2013 17:16

Endspiele aus Wijk, Teil 2

Ich beobachte schon seit Jahren einen gewissen Niedergang der Endspielkultur, aber was es in Wijk aan Zee dieses Jahr zu sehen gab, war zum Teil schon ziemlich starker Tobak. Irren ist menschlich, Fehler können immer passieren, aber wenn ich sehe, dass es gestandenen Titelträgern im Endspiel an elementaren Fähigkeiten und Kenntnissen fehlt, verblüfft mich das schon einigermaßen. Immerhin brauchen wir uns aus deutscher Sicht nicht zu beklagen, denn unser Vertreter Arkadij Naiditsch profitierte in seiner sportlich sehr bedeutsamen Schlussrundenpartie von der eklatanten Endspielschwäche seines holländischen Gegners Sipke Ernst, um die B-Gruppe zu gewinnen. Und damit wollen wir ohne großes Drumherum auch gleich in die kritische Phase dieser Partie einsteigen.

Unmittelbar nach der Zeitkontrolle ergab sich die obige Diagrammstellung. Naiditsch musste als Weißer unbedingt gewinnen, aber wie sollte das gehen? Auf dem Brett stand ein Bauernendspiel, wie es harmloser kaum sein könnte: symmetrische Struktur, genügend Reservetempi auf beiden Seiten - einfach nur totremis, das Ding. Der guten Form halber spielte Naiditsch noch ein paar Züge... 41...Ke6 42.Kc4 a6 43.a4 Kd6 44.b4 Ke5 45.h4 Gut, für den Fall eines Wettrennens, bei dem Schwarz den Damenflügel abgrast, steht der Bauer schon mal weiter vorne. Aber wieso sollte es überhaupt ein solches Wettrennen geben?

 

45...h5?? Mit diesem schrecklichen Zug gehen die Probleme los. Auf einen Schlag nimmt sich Schwarz am Königsflügel sämtliche Reservetempi. Weiß kann dort noch g2-g3 ziehen, Schwarz nichts mehr, da müssen doch die Alarmglocken schrillen! Zum leichten Remis führte stattdessen so ziemlich alles andere, z.B. 45...Kd6 46.Kd4 a5= 46.a5 Ich kann nur spekulieren, ob Ernst vielleicht diese Idee übersehen hat. So schwer war es doch eigentlich nicht?! 46...bxa5 47.bxa5 Kd6 48.Kd4 Und schwupps, schon ist Schwarz im Zugzwang. Es kommt also doch zu besagtem Wettrennen, wobei Schwarz auch schon seine Struktur maximal geschwächt hat. Sauber hingekriegt! 48...Kc6 49.Ke5 Kb5 50.Kf6 Kxa5 51.Kxg6 Kb6 (?) Im Prinzip ist auch das ein richtig blöder Zug, auch wenn er objektiv noch lange nicht verliert. Den Grund erkläre ich gleich, wenn wir ins Damenendspiel kommen. 52.Kxh5 a5 53.g4 a5 54.g5 a3 55.g6 a2 56.g7 a1D 57.g8D

Die Stellung ist eigentlich immer noch glatt remis. Im solchen Damenendspielen (D+B gg. D) nehmen die Gewinnchancen stark ab, je weiter der Bauer vom Zentrum entfernt ist. Mit dem Randbauern kann man es normalerweise vergessen. 57...Kc7?? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Ein gestandener GM kennt nicht einmal das kleine Einmaleins von Damenendspielen? Kann es wahr sein? Es sieht ganz danach aus. Für die Leser, die hier ebenfalls eine Bildungslücke haben sollten, seien die grundlegenden Zusammenhänge kurz erklärt: Das Problem aus Sicht des Verteidigers ist keineswegs, dass der h-Bauer einfach durchläuft. Nein, Damenschachs hat man im Prinzip immer genügend. Der Gefahr besteht nur darin, dass Weiß auf Schachs eventuell so mit der Dame dazwischenziehen kann, dass ein Gegenschach oder eine Fesselung entsteht, so dass ein gewonnenes Bauernendspiel erzwungen wird. Dies funktioniert natürlich nur, wenn der schwarze König passend steht. Wer mag, kann diesen als Experiment einfach mal vom Brett nehmen und schauen, ob Weiß in dieser hypothetischen Stellung noch irgendwie gewinnen kann. Kann er nicht, denn er kommt nie aus dem Dauerschach. Daraus folgern wir: Für Schwarz ist sein König ein reiner Störfaktor. Er sollte einfach nur möglichst weit weg stehen und sich ja nicht einbilden, dass er irgendwie ins Geschehen eingreifen müsse. Am besten läuft er in die schräg gegenüber liegende Ecke, hier also die bei a1. Diese hätte man natürlich schon früher anvisieren können und sollen, nämlich mit 51...Kb4! Zur reuevollen Umkehr mittels 57...Kb5! war es hier aber auch noch längst nicht zu spät. 58.Df7+ Kd8? Immerhin konsequent, aber leider gnadenlos falsch. Der König erinnert an jemanden, der mit der Gießkanne sein brennendes Haus löschen will, dabei aber nur die Feuerwehr behindert. Man hört den Löschtrupp förmlich schreien: "Mensch, lauf doch einfach weg, Junge, bring dich in Sicherheit! Wir kommen alleine gut zurecht, brenzlig wird es erst, wenn wir dauernd auf dich aufpassen müssen!"  59.Kg6 Dg1+ 60.Kh7 Db1+ 61.Kg8 Dg1+ 62.Dg7 Dh2 63.Df8+ Kd7 64.Df7+ Kd8 65.h5 Dg3+ 66.Dg6 Df4!  Objektiv ist es hier immer noch remis, aber Schwarz wandelt schon auf einem sehr schmalen Grat und muss einzige Züge finden. Wenn sein König nicht so beknackt stünde, könnte er hingegen z.B. Schach auf der achten Reihe geben. 67.Df7

67...Dg4+? Nach Computermaßstäben kommt hier erst der entscheidende Fehler (richtig war 67...Dg3+!), aber dies ist der geringste Vorwurf, den man GM Ernst in dieser Partie machen kann. Er hätte niemals in diese Lage kommen dürfen! 68.Kf8 Db4+ 69.Kg7 Dg4+ 70.Dg6 Dd7+ 71.Kf8 Und da hat es sich ausgeschacht. Wenn da bloß nicht dieser Blödmann auf d8 wäre... Dd4 72.Dg5+ Kc8 73.h6 Und den Rest schenken wir uns. Weiß spielte zwar auch nicht optimal weiter, gab den Gewinn aber nicht mehr aus der Hand.

 

Zur Entspannung nun eine etwas kürzere Geschichte, ebenfalls aus dem B-Turnier, nämlich van Kampen - Nikolic. Mit einer forcierten Abwicklung hatte die holländische Nachwuchshoffnung gerade einen Bauern abgegriffen. Ich interpretiere die Sache einfach mal als Endspiel im weiteren Sinne, auch wenn natürlich noch ein paar Schwergewichte auf dem Brett sind. Vier gegen drei Bauern am selben Flügel, tja, sicherlich nicht leicht zu gewinnen, aber man kann ohne jegliches Verlustrisiko lange kneten. Oder? So weit die Theorie, in der Praxis dauerte die Partie nur noch 10 Züge und endete mit einem Sieg für... Schwarz. Schauen wir mal, wie dieses Weltwunder vor sich ging: 29.g4?? Junge, Junge! Van Kampen tut so, als sei es ein "echtes" Endspiel, reißt sich bedenkenlos die Königsstellung auf und entwurzelt seinen Springer f3. Der Normalzug ist natürlich 29.Dc6, Computer finden zudem noch das trickreiche 29.Kh2!? mit der Pointe 29...Txe4? 30.Se5+-  Das schlichte 29.e5 ist ebenfalls möglich, wenn auch wegen 29...Sd4 vielleicht nicht ganz so aussichtsreich. 29...Txe4! Schwupps, da war der Mehrbauer weg. Nach 30.Txe4 Dxe4 hängt auch der weiße Springer und nach 31.gxf5 Dxf3 ist der Bauer f5 gefesselt. Das ist alles kein Zufall, sondern die Konsequenz des groben positionellen Missgriffs. 30.Td1? Objektiv gar kein besonderer Fehler, aber das Fragezeichen vergebe ich aus schachpraktischer Sicht. Weiß hat gerade seinen Mehrbauern eingestellt und verbleibt mit einer geschwächten Königsstellung. Da sollte man doch schauen, dass man wenigstens noch den halben Punkt mitnimmt. So gesehen lag der Turmtausch wirklich nahe, zumal Schwarz noch einen Trick sehen muss, um überhaupt das Remis zu erreichen: 30.Txe4 Dxe4 31.Se5 De1+ (oder auch 31...Db1+ 32.Kh2 Da2!) 32.Kg2 De4+ 33.Kh2  Df4+ 34.Kg1 und nun nicht etwa 34...Dc1+ 35.Kg2 und es gibt kein gutes Schach mehr, sondern...

34...Sg3!! Unnötig spektakulär, ich weiß, denn dieselbe Idee lässt sich auch einfacher mit 34...Sd4! verwirklichen, aber der Zug ist irgendwie einfach cool, und er funktioniert ebenso, z.B. 35.Dxf7+ Dxf7 36.Sxf7 Se2+ 37.Kf1 Sf4 38.Sxh6+ (38.Se5 g5) Kg7 39.g5 Sxh3=  Damit zurück zur Partie, die aber kein so großes Interesse mehr bietet. Das Remis wäre immer noch locker zu erreichen gewesen, aber van Kampen setzte seine leichtsinnige Spielweise nahtlos fort: 30...Sg7 31.Se5?! (warum nicht 31.Td8+ ?) Tf4 32.Dd6 De4 33.Dd5 De2

34.Tf1? Se6-+ Das Spiel ist aus, der schwarze Springer kommt mit verheerender Wirkung nach g5. 34.Sxg6! hätte stattdessen noch die Balance gehalten, da der Einschlag auf f2 gar nicht so schlimm ist, aber auch hier gilt: der größte Fehler war, sich überhaupt in diese heikle Lage zu bringen!  35.Sd7 Sg5 36.Da8+ Kh7 37.Da1 Sxh3+ 38.Kh2 Sxf2 0-1

 

Zur Abrundung auch noch eine unglaubliche Episode aus dem C-Turnier, nämlich van der Werf - Swinkels. Um das Ausmaß des Dramas zu vermitteln, zeige ich mit obigem Diagramm zunächst einen Schnappschuss aus dem Mittelspiel: Weiß hat einen kerngesunden Bauern mehr, die deutlich aktivere Stellung, Druck gegen e6 usw. Nach dem naheliegenden 34.Tc7 hätte eigentlich innerhalb von wenigen Zügen Feierabend sein sollen. Weiß spielte jedoch anders, zeigte in der Folge grausige Technik und verpatzte die Partie immer weiter. Irgendwann kam folgendes Bauernendspiel heraus:

Weiß am Zug kann hier immer noch leicht remis machen, aber das Ende der Fahnenstange ist noch keineswegs erreicht. 58.g3?! So kann man auch spielen, aber 58.h4! wäre die saubere Lösung gewesen. Nach 58...gxh4 59.Kh3 Kxc5 60.Kxh4 entsteht eine bekannte Remiskonstellation, in welcher mit dem doppelten f-Bauern nichts anzufangen ist. Das darf man als IM ruhig wissen oder auch am Brett finden, denn so kompliziert ist es ja nicht. 58...Kxc5 59.h4 Kd5 60.Kg2

Ein Minusbauer im Bauernendspiel ist normalerweise keine gute Nachricht, aber hier hat Schwarz einen Doppelbauern und Weiß einen Freibauern. Weiß kann ohne besondere Probleme remis halten; wie wir sehen werden, ist es sogar ziemlich schwer, überhaupt etwas falsch zu machen. Gefragt ist hier ein bisschen schematisches Denken. Was hat Schwarz überhaupt für Gewinnideen? Sein König muss den h-Bauern im Auge behalten, darf sich also nicht weiter nach vorne wagen. Läuft er nach h5, antwortet Weiß mit Kf3 und es geht nicht weiter, denn doppeltes Schlagen auf h4 führt nach Kf4 zum Verlust beider f-Bauern. Stellt Schwarz den König nach e5, sollte Weiß mit Kf3 oder Ke3 dagegenhalten. Auch das ist kein Problem. Wie sieht es mit Bauernzügen aus? Auf h4 tauschen bringt nichts, g5-g4 ist auch Käse. Bleibt also noch f5-f4. Auch dagegen gibt es ein einfaches Mittel: erst auf g5 tauschen, dann erst auf f4 nehmen. In der Regel geht sogar auch Kf3, denn nach fxg3 kann man immer noch hxg5 spielen. Nur sofort gxf4 ist wegen gxh4 grundsätzlich unklug, aber selbst das, so überflüssig es auch ist, geht in manchen Fällen. 60...Ke6 61.Kf3 Kf7 62.Ke2 Kg6 Nur als kleine Hintergrundinfo: 62...f4 kann, wie gesagt, mit 63.hxg5 nebst trivialem Remis beantwortet werden, aber selbst 63.gxf4!? gxh4 64.Kf3 f5 65.Kg2 Kg6 66.Kh2! kann man sich leisten. Schwarz kommt nicht durch. 63.Kf2 Kh6 64.Ke2 Kg6 65.Kf2 Kg7 66.Kf1 Kh7 67.Ke1 Kg8 Das sind alles nur sinnfreie Manöver à la Leko - Carlsen. 68.Kf1 Kg7 69.Ke1 Kf8 70.Ke2 Ke7 71.Kf2 Kd6 72.Ke3 Ke6 73.Ke2 Ke5 Okay, zu guter Letzt probiert er also noch diesen Zug. Kein Problem, jetzt einfach Ke3 oder Kf3, haben wir gesagt, liegt ja auch nahe...

74.Kf2?? Es darf nicht wahr sein. In Wijk spielen sie doch mit 30-Sekunden-Bonus, wie kann man da auf diesen Zug verfallen? 74...gxh4 75.gxh4 Kf4 Genau das durfte nicht passieren. Und es wäre so leicht zu verhindern gewesen, au weia... 76.Ke2 Kg4 77.Ke3 f4+ 0-1

Damit beschließen wir den zweiten Teil des Wijk-Rückblicks. Ob es noch einen dritten geben wird, weiß ich noch nicht. Material gäbe es genügend, aber ein bisschen Abwechslung wäre vielleicht auch nicht schlecht. Ich hoffe jedenfalls, dass die Botschaft jetzt schon angekommen ist, was für einen großen Unterschied es ausmacht, ob man über eine gute Technik verfügt oder nicht. Vor allem die Naiditsch-Partie ist ein Mahnmal für die Ewigkeit.

Endspiele aus Wijk, Teil 1
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Montag, 04 Februar 2013 01:00

Endspiele aus Wijk, Teil 1

Man kann Endspiele mögen oder auch nicht, jedenfalls sind sie wichtig, sehr wichtig sogar. Wer dies spätestens nach der absurden Partie Naiditsch - Ernst noch nicht kapiert hat, dem ist nicht zu helfen. Zufällig konnte auch ich es im letzten Mannschaftskampf demonstrieren, als ich ein ausgeglichenes Endspiel noch gewann. Ich erwähne es deshalb, weil ich bei der Analyse in einer Nebenvariante auf ein verblüffendes, recht witziges Motiv stieß, das ich den Schachwelt-Lesern nicht vorenthalten will. Ich präsentiere also hiermit die erste Studie meines Lebens, wenn auch nicht wirklich komponiert, sondern eher zufällig gefunden. Siehe nebenstehendes Diagramm, Weiß zieht und macht remis! Irgendwelche Vorschläge? Aber bitte ohne Engine oder Tablebase!

Die Aktualität gebietet aber, dass wir uns nun höheren Eloregionen zuwenden. Nicht dass das Niveau der Endspielbehandlungen dort generell viel höher wäre. Es ist kaum zu glauben, was man selbst auf Spitzenniveau noch für Stellungen gewinnen kann, wenn man im Endspiel halbwegs fit ist. Magnus Carlsen zeigt es ja am laufenden Band. Andere stellen sich da nicht ganz so geschickt an. Schauen wir einfach mal in ein paar Ausschnitte rein:

 In der Partie Harikrishna - Giri hatte Weiß zwar einen "halben Bauern" mehr, konnte damit aber eigentlich nicht sehr viel anfangen. Ein 2700er sollte so etwas mit Schwarz normalerweise nicht verlieren. Im Interview räumte Harikrishna ein, dass das Endspiel natürlich remis gewesen sei, aber sein junger Gegner habe offenbar gedacht, er könne ziehen, was er wolle. Ach ja, der jugendliche Leichtsinn! Möglicherweise wurde Giri von dem Umstand eingelullt, dass Weiß eigentlich gar nichts droht. Was sollte er denn Tolles ziehen, wenn er dran wäre? Der Turm alleine kann nichts ausrichten, die Bauern sind alle blockiert und wenn der König zum Damenflügel läuft, stellt er den Königsflügel ein. Nun ist aber Schwarz am Zug und muss eigentlich nur einen brauchbaren Abwartezug finden. Auf c4 nehmen will man eher nicht, der Turm bleibt also stehen. Gut, kein Problem, dann eben ein Königszug. So weit war Giri in seinen Überlegungen auch gekommen und er zog nahezu a tempo 45...Kf6?? Nach 46.Ta7! verfiel er sodann in tiefe Schockstarre, da er erkannte, was er angerichtet hatte: Zugzwang! Die einzige Idee, die Weiß noch hatte! Was nun? 46...Ke6 47.Txg7 Txc4 48.Tg6+ kann man vergessen, denn die h-Bauern sind zu schnell. Also muss man entweder doch auf c4 beißen oder, wie in der Partie, zähneknirschend mit 46...g6 den weißen Doppelbauern auflösen. Damit ist die Partie übrigens noch längst nicht verloren, aber Giri war durch seinen Fauxpas wohl schon so aus dem Konzept geraten, dass er in der Folge wenig Gegenwehr leistete. Gehen wir noch einmal zur Diagrammstellung zurück und ziehen diesmal 45...Kf7! Ein Tempoverlust? Ja, aber das ist ja gerade der Witz an der Sache! Nach 46.Ta7+ Kf6 erreichen wir dieselbe Stellung wie gerade eben, aber diesmal ist Weiß im Zugzwang (im Fachjargon spricht man von reziprokem Zugzwang). Jeder legale Zug verschlechtert seine Stellung! Im Endeffekt gibt es nichts Besseres als Remis durch Zugwiederholung.

Das Motiv des Zugzwangs wird im Endspiel immer wieder vergessen. Die Partie Nakamura - Sokolov schoss in dieser Hinsicht den Vogel ab. Schwarz hat eine Qualität mehr, aktive Figuren und jede Menge Angriffsobjekte in Form schwacher Bauern. Was will man mehr? Sokolov war hier aber irgendwie im Blutrausch und zog 47...f4??, was zwar bei richtiger Fortsetzung auch gewinnt, aber vollkommen unnötig ist. Zu meinem Entsetzen bedachte Karsten Müller auf Chessbase diesen Schnapszug sogar mit einem Ausrufezeichen. Nein, Herr Müller, auch wenn es an Blasphemie grenzt, hier muss ich widersprechen. Immerhin habe ich Houdini mit einer Bewertung von -9 auf meiner Seite. Auch ohne Engine ist es aber nicht so schwer zu erkennen, dass Weiß sich hoffnungslos im Zugzwang befände, wenn er dran wäre. Jeder legale Zug würde entweder einen Bauern verlieren oder hätte das entscheidende Vordringen des schwarzen Königs zur Folge. Was macht Schwarz also am besten? Einfach mit 47...Tc3! abwarten und Weiß gibt auf, alles klar, danke, auf Wiedersehen. Das war jetzt nicht schwer, oder? Vielleicht zu einfach für Karsten Müller, der sich gerne hochkomplizierten Fällen widmet. Was den weiteren Verlauf der Partie betrifft, überlasse ich ihm daher auch das Feld. Mit viel raffinierteren Ideen, die auch wieder auf Zugzwang basieren, hätte Schwarz wohl auch sehr viel später noch gewinnen können.

 

Nur eine kurze Anmerkung zur Partie Aronian - Leko. Schwarz hatte mit präzisem Spiel ausgeglichen, traf nun aber mit 26...Td8? eine Entscheidung, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Aronian verstand es übrigens auch nicht, wie er im Interview bekannte. Wieso um Himmels Willen gibt Schwarz einfach einen Bauern her? 26...Lc6 war eine bequeme Alternative, wonach für Weiß keine vorteilhafte Fortsetzung in Sicht ist. Mit dem Läuferpaar hat Schwarz wenig zu befürchten. 27.Sd6 Lxd6 28.Txd6 Lf3! wiederum führt auch zu nichts, da der weiße König nicht aus der Box kommt. In der Partie mag Schwarz auch lange Zeit noch in der Remisbreite gewesen sein, aber es war eine Quälerei. Irgendwann strauchelte er, verlor die Partie und lamentierte hernach über sein "Unglück". Die Wahrscheinlichkeit dieses Unglücks hatte er aber auch erheblich gesteigert...

Wo wir gerade bei Leko sind: Dieses Läuferendspiel entstand nach 31 Zügen in der Partie Leko - Carlsen. Offensichtlich hat Weiß die bessere Bauernstruktur, so dass nur er auf Gewinn spielen kann. Im Endeffekt hat Schwarz aber gegen alle Versuche genügend Verteidigungsressourcen. Es geschahen noch weitere 52 Züge, aber es passierte im Grunde überhaupt nichts mehr. Ich erwähne die Partie eigentlich nur, weil ich über Carlsens Zusammenfassung so kichern musste: "Er hatte zwei Optionen: a4 und/oder g4 (...). Zwei Stunden lang zog er mit König und Läufer herum, ohne sich entscheiden zu können, und als Remis vereinbart wurde, standen die Bauern immer noch auf a3 und g2 :-) "

So, mit diesem Lacher beschließen wir den ersten Teil des Wijk-Reports. Einige gute Sachen habe ich noch auf Lager, also dranbleiben!

Sergei Movsesian
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Sonntag, 20 Januar 2013 15:21

Das ist eine Parodie!

Ich sag's gleich nochmal: das ist oder wird eine Parodie! Anfangs war als Titel "Hat er geschummelt?" vorgesehen, aber das scheint mir zu riskant. Im Internet gibt es ja Leute die kein Gefühl für Ironie, Sarkasmus oder Satire haben und vielleicht auch Leute die sich von einem Artikel nur den Titel und das Titelbild anschauen. Und dann behauptet jemand dass Thomas Richter behauptet dass er - der gerade als einer von momentan 359 die ACP-Petition unterschrieben hat - schummelt. Wen ich parodieren werde kann sich der Leser vielleicht schon denken, Chessbase schrieb ja zwischenzeitlich (am 18.Januar auf Deutsch) "während zum Beispiel ChessBase Autor Valeri Lilov die Partien Ivanovs in Zadar einer hochinteressanten, präzisen und aufschlussreichen Analyse unterzogen hat, die den Betrugsverdacht stützt, fällt Ivanov zu seinen überraschenden Siegen wenig Konkretes ein. Zweck dieses Artikels ist zu zeigen wie leicht und schnell man (für eine einzelne Partie) einen "konkreten Betrugsverdacht" erzeugen, konstruieren oder erfinden kann. Mit anderen Worten: Cheating-Paranoia ist mindestens genauso schlimm wie Cheating.

Letzten Donnerstag war ich in Wijk aan Zee, zufällig (ich wusste es nicht) am einzigen Tag an dem nur die Profis spielen während die paar hundert Amateure Pause haben - damit ist die Atmosphäre vor Ort irgendwie anders. Anfangs wollte ich dazu keinen Artikel schreiben (ich will mir ja nicht selber Konkurrenz machen) aber dann "fand" ich etwas dass ein bisschen zu meinem letzten Beitrag passen könnte. Bevor ich dazu komme, noch ein bisschen smalltalk im Stile meines Berichtes vor knapp einem Jahr (einer der ersten den ich hier schrieb). Die Spitzenpartie Anand-Carlsen konnte die Erwartungen (falls jemand ein Spektakel erwartet hatte) nicht erfüllen, einige andere Partien durchaus. Die Schach-Welt erfährt nun exklusiv was bei Anand-Carlsen wirklich los war: sie sassen gar nicht selbst am Brett sondern liessen sich vertreten!

Matocha a Boleslav za stolem sampionu

Matocha a Boleslav za stolem sampionu.jpg
(nein ich kann kein Tschechisch, aber das ist der Titel des Bildes das Pavel Matocha mir auf Anfrage freundlicherweise schickte)

Quatsch, das sind natürlich zwei Witzbolde die sich um 13:03 (27 Minuten vor Rundenbeginn, da war sonst noch kaum jemand auf der Bühne) auf deren Stühle setzten und fotografiert wurden. Links Petr Boleslav - der war mir kein Begriff, aber Pavel Matocha schrieb mir dass sein Freund schon mal im Simultan gegen Anand gewann (wird unter anderem hier erwähnt, damals in Prag gewann Anand übrigens die anderen 25 Partien) und auch gegen Harikrishna. Pavel Matocha wurde - warum auch immer - noch öfter fotografiert. Er organisiert unter anderem die Matches "Snowdrops vs. Oldhands" und den "Chess Train" - letztes Jahr von Stefan Löffler hier erwähnt, dieses Jahr im Oktober gibt es das zum dritten Mal (Pavel bat mich dies zu erwähnen, mache ich doch gerne). Matocha durfte später den Gong schlagen zum Beginn der Runde, auch das wurde vorab x-mal simuliert und fotografiert. Nebenbei: bei der Internet-Suche nach (anderen) Bildern von Matocha fand ich unter anderem diese Seite mit ganz unten dem Foto einer Dame die später blond wurde und dann Weltmeisterin (ob das eine was mit dem anderen zu tun hat?).
Allmählich wurde es voller auf der Bühne, und einige Leute unterhielten sich über die Absperrung hinweg mit Leuten aus dem Publikum - in allen möglichen Sprachen: Schiedsrichter Anil Surrender (wohl) auf Schwedisch, Turov (da will ich wirklich nicht dass er sich nackt ausziehen muss) vermutlich auf Russisch, die beiden schon erwähnten und Movsesian auch in irgendeiner slawischen Sprache. Nur der russische Jungstar Daniil Dubov war nicht ansprechbar: 10-15 Minuten vor Partiebeginn setzte er sich ans Brett und verharrte da in voller Konzentrationspose - "soll ich d4 oder e4 spielen?". Später entschied er sich, wie in seinen anderen Weisspartien, für d4 und besiegte damit den etwas älteren Jan Timman.

Soweit ein paar kurze andere Eindrücke, kommen wir nun zur Partie Movsesian-Edouard. Da in der B-Gruppe wurde sie nicht auf den grossen Monitoren übertragen, aber über die Brüstung konnte ich sie doch ab und zu live verfolgen einschliesslich Körpersprache der Spieler. Auch wenn da alles mit rechten Dingen zuging (wovon ich absolut ausgehe - nochmals, das wird eine Parodie) ist sie durchaus bemerkenswert. Zeigen wir erst noch Movsesians Gegner:

1024px-RomainEdouard11

Ebenfalls Stefan64-Wikipedia. Von diversen Fotos habe ich das ausgesucht das Olaf Steffens vielleicht am besten gefällt. In Wijk aan Zee erschienen beide Protagonisten aber nicht in deutscher Vereinskleidung, nur Arkadij Naiditsch (Hemd mit Aufschrift GRENKE).

Kommen wir nun zur Partie, bei den Houdini-Analysen beziehe ich mich der Einfachheit halber auf die Liveübertragung. Man könnte das vielleicht noch näher untersuchen, aber für meine Zwecke reicht es völlig aus.
Movsesian-Edouard, Wijk aan Zee B 2013
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 die ersten beiden Züge waren naheliegend, aber das würde ich NIE spielen, wer verstellt sich schon freiwillig seinen Lc1? Aber Movsesian konsultierte wohl heimlich eine Datenbank die diesen Zug als OK betrachtet. (Übrigens spiele ich selbst doch 3.Sd2 gegen Französisch weil mir die Varianten mit 3.Sc3 Lb4 nicht gefallen - ich mag zwar das Läuferpaar aber keine Doppelbauern. Das nur nebenbei, und diese Bemerkung in Klammern ist eine der wenigen nicht ironischen!). 3.-c5 4.Sgf3 wieder hat er Houdini befragt, sonst hätte er vielleicht 4.Sh3 gespielt denn eigentlich kann er kein Schach spielen. 4.-cxd4 5.exd5 Dxd5 6.Lc4 Houdinis erste Wahl! Noch verdächtiger wäre aber vielleicht wenn er hier den zweit- oder drittbesten Zug gespielt hätte, 6.a3 oder 6.h3 6.-Dd7 Einige kurze Bemerkungen zu einem Zug des Schwarzen: Das würde ich (nicht ironisch gemeint) nie spielen denn es verstellt den Lc8 (mal abgesehen davon dass ich diese Variante nicht spiele). Vielleicht kann Daniel Fridman, der das mehrfach spielte, erklären warum es genauso gut oder besser ist als 6.-Dd6 oder 6.-Dd6. Allerdings ist es ja egal wenn die Dame danach, wie in der Partie, nochmal nach c7 zieht. Andererseits: der Läufer auf c8 und damit auch der Turm auf a8 wurden in der Partie schwarze Sorgenkinder. 7.0-0 Sc6 8.Sb3 Sf6 9.De2 Hier hat die Verbindung gehapert denn das ist nicht in Houdinis top3, Weiss kann das aber verkraften. 9.-Ld6 10.Td1 Houdinis erste Wahl (hier kann Movsesian sich nicht mehr auf Datenbanken berufen denn ab 9.-Ld6 ist es offenbar theoretisches Neuland) 10.-0-0 11.Sbxd4 Sxd4 12. Txd4 Houdinis erste Wahl! 12.-De7 13.Se5 Sd5 14.Ld3 f5 15.Lc4 ein Mensch würde das nie spielen, da kommt der Läufer doch gerade her? Es ist aber Houdinis zweite Wahl (diesen Zug bewertet er mit 0.26, 15.Ld2 mit 0.27). Das kann Zufall sein, aber später wird deutlich wie raffiniert Movsesian betrügt. 15.-Sf6 16.Lg5 Houdinis erste Wahl! 16.-Dc7 17.Lxf6 Houdinis erste Wahl! 17.-gxf6 das gefällt Houdini nicht, aber Edouard konnte das während der Partie nicht wissen. 18.Sf3 Kh8 DIAGRAMM
Movsesian-Edouard1
Was nun kommt ist Kaffeehausschach (mein Eindruck während der Partie), aber auf Houdini ist Verlass: 19.Th4 Houdinis zweite Wahl, lieber will er 19.Tad1 Lc5 spielen und erst dann 20.Th4 19.-e5 20.Th5 wieder zweite Wahl, dachte Movsesian dass er nicht erwischt wird wenn die Partie nur im "Single-PV" Modus untersucht wird? 20.-e4 hier haperte die Houdini-Liveübertragung, den nächsten Zug musste er selbst finden. 21.Sh4 Te8 22.Th6 Houdinis zweite Wahl 22.-Lxh2+ 23.Kh1 Houdinis erste Wahl (nach 23.Kf1 hängt in manchen Varianten der weisse Lc4 mit Schach) 23.-Lf4 24.Dh5 mit grossem Vorsprung Houdinis erste Wahl 24.-Tg8 25.Sg6+ dito 25.-Txg6 26. Dxg6 dito, und hier gab Edouard auf.
Movsesian-Edouard2

Von Anfang bis Ende Houdini pur, wie konnte Movsesian sich so schnell extrem verbessern? Ende der 90er Jahre hat er noch im Travemünde-Blitz gegen mich verloren (nein das war sein Fast-Namensvetter Movsiszian und der war betrunken - Insider wissen Bescheid wie es dort zugehen kann - aber so genau wollen wir es nicht wissen). Wie gesagt, diese "Partieanalyse" war reine Parodie! Es kommen noch ein paar ernst gemeinte Bemerkungen, aber erst einmal die Partie zum durchklicken:


Hinterher analysierten oder diskutierten (Figuren wurden nicht bewegt) beide erst recht lange flüsternd auf der Bühne - Movsesian (wie wohl fast immer) gut gelaunt, und Edouard nahm es zumindest mit Fassung. Später habe ich zufällig mitbekommen wie sie sich ausserhalb des Gebäudes weiter unterhielten - 1024px-JuliaKochetkovada stellte sich (für mich) heraus dass eine Dame die die Partie ebenfalls aus dem Publikum verfolgte Movsesians Freundin ist. Hinterher zu Hause war ich neugierig und das Internet weiss alles (es wurde nur auf der deutschen Wikipedia-Seite erwähnt): sie heisst Julia Kochetkova und ist russisch-slowakische Frauengrossmeisterin; auch dieses Bild ist Stefan64-Wikipedia. Beide Spieler waren sich offenbar einig dass 22.-Lxh2+ der entscheidende Fehler war; Edouard meinte "ich hätte nicht gedacht dass ich ein einzügiges Matt übersehen kann" - roch er den Braten erst nach 26.Dxg6 ? Da war es natürlich zu spät. Am Ende verabschiedete sich Movsesian von seinem Gegner mit dem einen Wort "sorry" - heisst das dass er selbst nicht unbedingt an seinen Angriff glaubte und dachte dass er einfach Glück hatte? Dann kannte er Houdinis Meinung wohl doch nicht (der glaubte schon vorher an weissen Vorteil), davon gehe ich selbstverständlich aus.
Damit könnte sich die Frage stellen: für wen ist 100% Houdini ein Kompliment, und bei wem ist es verdächtig, auch wenn es keine anderen Verdachtsmomente gibt? Manuel Bosboom würde ich an einem guten Tag auch so eine Partie zutrauen (dann ist es vielleicht auch ein bisschen Glückssache dass die Partieanlage korrekt ist?), ab welchem Eloniveau (von oben nach unten gesehen) ist es quasi unmöglich?

P.S.: Falls Sergei Movsesian diesen Artikel selbst lesen sollte - schliesslich kann er offenbar neben Englisch, Russisch, Serbokroatisch, Tschechisch, Polnisch, Armenisch und Georgisch auf fliessend Deutsch - hoffe ich dass er ihn nicht falsch versteht. Nochmals, das war alles Satire - und Zufall dass ich seine Partie dafür auswählte.

 

 

Schloss Schwetzingen: Einer von vielen Schauplätzen eines reichen Schachjahrs
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Sonntag, 06 Januar 2013 15:45

Ein tolles Jahr für (deutsche) Schachfans

2013 bringt keine Schacholympiade, wahrscheinlich keinen WM-Kampf, und doch verspricht das neue Jahr ein gutes Schachjahr zu werden. Das gilt insbesondere für die deutschen Schachfans: Gleich drei Weltklasseturniere sollen in den nächsten Monaten in Deutschland stattfinden: Am 6.-17. Februar in Baden-Baden mit Anand, Adams, Caruana, Fridman, Meier, Naiditsch und einem ganzen Schachfestival. Am 3.-17. Juli ein FIDE-Grandprixturnier in Berlin und ab 22. Juli das Dortmunder Sparkassen-Chess-Meeting.

Wer im Süden wohnt, hat es nicht weit nach Zürich, wo am 23.Februar bis 1. März Anand, Caruana, Kramnik und Gelfand antreten. Die im Nordwesten können sich einen Abstecher zum ersten Knaller des Jahres in Wijk aan Zee von 12. bis 27. Januar überlegen. Ein Leckerbissen für heimische Fans ist auch das zum zweiten Mal zentral ausgetragene Bundesligafinale am 5. bis 7. April im Schwetzinger Schloss.

Den sportlichen Höhepunkt des Jahres erwarte ich vom doppelrundig mit acht Teilnehmern (Carlsen, Kramnik, Aronjan, Radschabow, Grischtschuk, Swidler, Iwantschuk und Gelfand) ausgetragene Kandidatenturnier am 14. März bis 1. April in London, das eher nicht mit einem Aprilscherz sondern der Kürung von Anands designiertem Nachfolger endet. Dass der 43jährige Inder bei seinem Kraftakt in Wijk aan Zee, Baden-Baden und Zürich mit 29 Partien binnen sieben Wochen wieder seit Jahren vermisste Siegerqualitäten zeigt und sich wieder – seinem Titel gemäß – über die 2800 schwingt, erwarte ich nicht, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Offenbar ist Anand klar, dass seine beste Chance, zu alter Größe zu finden, jetzt ist, bevor sein Herausforderer feststeht und die nächste WM beginnt, sich im Kopf breit zu machen.

Nach dem starken ersten Quartal wird das Schachjahr etwas ruhiger. Abgesehen von den schon erwähnten Ereignissen erwarten uns das Festival in Biel,  FIDE-Grandprixturniere in Lissabon, Madrid und Paris, im August der Weltcup in Tromsö als Generalprobe für die ziemlich genau ein Jahr später dort stattfindende Schacholympiade, und im Herbst dann wieder Bilbao, London und das Moskauer Tal-Memorial, falls es nicht beim voriges Jahr provisorischen Juni-Termin bleiben soll. Der WM-Kampf könnte zwar laut einer früheren Ankündigung der FIDE schon Ende des Jahres in Anands Heimatstadt Chennai über die Bühne gehen. Wahrscheinlicher ist aber 2014 und nach einer Ausschreibung, sobald der Herausforderer in London ermittelt ist.

Gespannt bin ich auch, ob es Andrew Paulson, dem von der FIDE beauftragten Impressario des Grandprix, Kandidatenturniers und der nächsten WM gelingt, die Präsentation des Spitzenschachs zu verbessern. Dass Veranstaltungen wie Linares oder die Amber-Turniere in Monte Carlo und Nizza verschwunden sind, merkt man dem gut gefüllten Kalender jedenfalls nicht an. Für Fans hochklassigen Schachs hat ein gutes Jahr begonnen.

Auf Wiedersehen in Bilbao auch ohne Grand Slam Circuit
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Montag, 18 Juni 2012 13:10

Small Slam

Dass Spitzenturniere Spaß machen können, beweist das an diesem Montag zu Ende gegangene Michail-Tal-Gedenkturnier. Von Moskau sollte es für Carlsen und Radschabow gleich weitergehen ins rumänische Bazna. Auch Karjakin, Iwantschuk und Nisipeanu, ja selbst Anand, sind beim "Turnier der Könige" als Teilnehmer aufgeführt. Doch der Wettbewerb, der Ende der Woche losgehen sollte, ist abgesagt. Nur verschoben, hoffen die Veranstalter. Aber im Herbst ist praktisch zu viel los, um noch ein Spitzenturnier in den Kalender zu quetschen. Also ist Bazna wohl zumindest für dieses Jahr ausgefallen.

 

Nachdem es schon Linares erwischt hat, bleibt von der Grand Slam-Serie heuer wenig übrig. Schliesslich sind London, Moskau, Biel und Dortmund nicht Teil der Serie. Das ist offiziell nur Wijk aan Zee und eben das Finale. Aber deren Ausrichter in Sao Paolo und Bilbao ficht das nicht an. Ihr Turnier zwischen 24. September und 13. Oktober ist gesichert. Kramnik als Sieger von London haben sie schon eingeladen (mal sehen, ob er den Wechsel von Kontinent zu Kontinent dieses Mal mitmachen wird). Carlsen ist nicht nur als Vorjahressieger sondern auch Erster von Moskau eingeladen. Der Sieger von Dortmund soll auch gefragt werden. Und Anand als Weltmeister.

(aktualisiert am 21. Juni) 

 

Anish Giri in Wijk
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Sonntag, 30 Januar 2011 01:00

Giri nach mehr

Anish Giri hat in Wijk aan Zee auch seine Schwarzpartie gegen Anand remisiert. Aber nicht etwa remis gehalten. Es war der Weltmeister, der zu kämpfen hatte. Es war ihre erste reguläre Partie, aber voriges Jahr spielten sie vor dem WM-Kampf Sparringspartien zu Eröffnungen, die Anand für Topalow testen wollte. Zwei davon hat Giri übrigens gewonnen, wie er dem NRC Handelsblad kürzlich verriet. Dass er den Ruhetag blokartend am Strand verbracht hatte, rächte sich jedenfalls nicht. Schon um den 20.Zug herum war Schwarz am Drücker, obwohl Anand keinen offensichtlichen Fehler begangen hatte. Während der Inder brütete, wie er sich behaupten konnte, sah man Giri entspannt herumspazieren und sich den Stellungen des C-Turniers widmen. In der Endphase drängten sich Hunderte hinter der Absperrung, um einen Blick auf Giri, Anand und ihre Stellung zu erhaschen. Der einzige Fehler, den der sehr lebendig und lesenswert schreibende Livekommentator Ian Rogers in Giris Spiel nachweisen konnte, war sein letzter Zug. Mit 49...Tb6 hätte der 16jährige zwar nicht unmittelbar gewonnen, aber wohl auf Gewinn gestanden, meint der australische Großmeister. Nach 49...Td2? kam Anand mit dem Schrecken und einem halben Punkt davon. Giri hatte nach 50.Tc7 c2 51.Tc6+ Kh5 den Zug 52.Tff6 nicht auf der Rechnung. Aber wir haben Giri auf der Rechnung. Seine Fortschritte, seit er vor nicht ganz drei Jahren in die Niederlande übersiedelte, suchen im Spitzenschach ihresgleichen. Bei seinem ersten Weltklasseturnier behauptet er sich auf Augenhöhe. Einem gewissen Magnus Carlsen war das nicht gelungen. In Elopunkten legte Giri in den letzten drei Jahren doppelt so viel zu wie der Norweger im entsprechenden Alter.

Der hat übrigens an diesem Samstag einen sehr hübschen Sieg gegen Wang Hao eingefahren, und beißt sich vermutlich in den Hintern, gegen Giri und Nepo nicht remis genommen zu haben. Denn dann wäre er jetzt punktgleich mit Leader Nakamura, der vor seinem ersten großen Turniersieg steht.

Selten verlor eine Nummer eins so
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Montag, 17 Januar 2011 15:18

Selten verlor eine Nummer eins so

Angefangen mit der Schacholympiade hat Magnus Carlsen nun acht Partien verloren, sechs davon mit mit Schwarz und meist, nachdem er zu viel riskiert hatte. Vom 16jährigen Anish Giri wurde er in der heutigen dritten Runde in Wijk aan Zee dagegen als Weißer aus der Eröffnung heraus wie ein Patzer überspielt und verkürzte seine Leiden am Ende durch einen Figureneinsteller. Nur eineinhalb Stunden hielt Carlsen gegen den (von der Schachwelt in einer Leser- und Expertenbefragung ermittelten) nächsten Carlsen aus.  

Carlsen 1.0 - Giri (aka Carlsen 2.0)
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 d5 5.cxd5 Sxd5 6.Sf3 Sb6 7.Sc3 Sc6 8.e3 O-O 9.O-O Te8
Hier beginnt ein Tempokampf. Schwarz wartet mit e7-e5, Weiß zögert d4-d5 hinaus.
10.Te1 a5
Eine mir bisher nicht vertraute Pointe dieses Zugs wird sich im 16.Zug erschließen, ermöglicht wird sie allerdings auch erst durch Carlsens nächsten Zug ;-) 
11.Dd2?! e5 12.d5 Sb4 13.e4 c6 14.a3  
Müsste der Gaul weichen, stünde Weiß nach 14...Sa6 15.dxc6 bxc6 16.Dc2 einfach besser, aber: 
14...cxd5! 15.axb4?
Technisch gesehen der vorentscheidende Fehler. Nach 15.exd5 S4xd5 16.Sxd5 Sxd5 17.Sxe5 Lxe5 18.Dxd5 wäre ein Remis auf dem Brett gewesen, aber das wollte Carlsen nicht. 
15...axb4 16.Txa8 bxc3 17.bxc3
17.Txc8?? cxd2 18.Txd8 dxe1D+
17...Sxa8 18.exd5 Sb6  
Der Springer strebt nach c4, die weißen Bauern auf d5 und c3 sind schwach. Schwarz steht bereits klar besser.
19.Td1 e4
carlsengiri

20.Sg5? 
 
Kostet ein Stück. 20.Se1 Lg4 ist allerdings auch kein Vergnügen mehr.
20…e3 21.Db2 Dxg5 22.Lxe3
Dem Publikum (und Giri) besser gefallen hätte sicher 22.Dxb6 e2 23.Te1 Dxc1 24.Txc1 e1D+ 25.Txe1 Txe1+ 26.Lf1 Lh3.
22...Dg4 0-1
Mit Grüßen aus NL!
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Wegen der interkulturellen Kompetenz und auch ganz allgemein ist der Schachwelt-Blog stets bemüht, die Grenzen zu verwischen und den geneigten Lesern auf spielerische Art und Weise einige mitunter wissenswerte Fakten aus der weiten Welt unterzujubeln. Heute geht es um unser kleines und sympathisches Nachbarland im Nordwesten - die Niederlande!
Anlass ist – wie könnte es anders sein – der Aufgalopp für das große Schachturnier in Wijk aan Zee! (siehe dazu auch diesen schönen LINK). Für alle Freunde der Niederlande präsentieren wir darum heute einen kleinen Wettbewerb (bei dem es sogar tolle Preise (grote prijzen!) zu gewinnen gibt!).

Goldene Regeln für das Quiz:

a) die Teilnahme ist freiwillig und verpflichtet nicht zum Kauf

b) bei jeder der zehn kniffligen Fragen bitte die richtige Lösung suchen!

c) für jede Eurer Antworten bitte die Zahl notieren, die vor der Lösung steht,

d) am Ende diese zehn Zahlen zusammenzählen

e) Damit habt Ihr die Lösungszahl!

f) Tragt Eure Ergebnisse/ Tipps bitte unten ein bei den Kommentaren! Die erste richtige Lösung erhält immerhin ein Lob, und unter allen richtigen Einsendungen, die bis zum Sonntag, 16.Januar, irgendwann abends eingehen, werden die Preise verlost:



1. Preis (Hauptpreis!): Ilja Schneider kommentiert eine Partie von Dir hier bei der Schachwelt! (Aber das muss ich erst noch mit ihm absprechen. Mal sehen, ob er überhaupt Zeit hat. Sonst mach´ ich das.)

2.Preis: ein aktuelles Schachmagazin mit dem Schwerpunkt „Niederlande“!

3.Preis: ein Jahres-Frei-Abo für den Schachwelt-Blog

Und nu geit dat los. -  Veel Geluk!! -

 

Dat grote Holland-Quiz

Frage 1    Wie schreibt man eigentlich den Ort, in dem am Freitag ein großes
Schachturnier beginnt?

15) Wyik an´t Zeh       
23) Wiyk am Zee       
31) Wijk aan Zee

Frage 2    Welches lesenswerte Schachmagazin setzt in seiner aktuellen
Ausgabe einen Themenschwerpunkt „Niederlande“?

6) Der Spiegel       
3) Karl           
19) Europa-Rochade

Frage 3    Wer schrieb den Artikel „Tata Steel Chess 2011 in Wijk aan Zee –
Faszination Schach“ hier im Schachwelt-Blog?

4) Ilja Schneider       
5) Anatoli Karpov       
6) der Schachwelt-Chef Jörg Hickl

Frage 4    Wann wurde Max Euwe Weltmeister?

14) 1933           
16) 1935           
19) 1937

Frage 5    Wieso trägt 1.d2-d4, f7-f5 den Namen „Holländische Verteidigung“?

389) ist eben einfach so   
398) wurde zuerst vom Holländer Stein erwähnt (18.Jh.)
401) wurde in Holland erfunden und patentiert

Frage 6    Wat is in het Nederlands „Danke schön“?

71) Mange tak!       
76) Dank u wel!       
79) Köszönöm szépen!

Frage 19    Wie heißt eigentlich die niederländische (und ansich auch die holländische) Hauptstadt?

1) Den Haag ?!       
2) Amsterdam?!       
3) Was weiß denn ich?!

Frage 8    Welcher holländische GM reiste in den siebziger Jahren mit dem
VW-Bus zu allen möglichen europäischen Opens und glänzte unter
anderem durch seine blonde Lockenpracht?

2000) Anatoli Karpov       
4000) Jan Gustafsson       
6000) Jan Timman

Frage 9    Wie wird bei holländischen Mannschaftskämpfen die Aufstellung/
Reihenfolge der Spieler festgelegt?

10) alle acht Spieler werden am Spieltag an irgendein Brett gesetzt
15) genau so wie in Duitsland – vor der Saison
18) durch das Los am Spieltag

Frage 10    Um welche Lebensmittel geht es in beinahe jedem Holland- Quiz?

9) Oliven, Schafskäse und Knoblauch
10) Hamburger, Coca-Cola und Pappteller
11) Käse, Tomaten, Tomaten und Käse
12) Paprika, Gulasch und ungarischer Tokajer-Wein

So, das war´s schon. Viel Spaß beim Lösen!

Wijk aan Zee 20008
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Der niederländische Stahlkonzern Corus hat nun indische Anteilseigner, doch das tut der größten Schachveranstaltung unseres Nachbarlandes keinen Abbruch. Am Freitag beginnt in dem 2400 Einwohner zählenenden Dorf Wijk aan Zee, Tata Steel Chess 2011, ein Event mit erstklassigem Aufgebot. Im A-Turnier sind die TOP4 der Weltrangliste vertreten, 11 der 14 Spieler haben über Elo 2700 (So ist z. B. Shirow die Nummer 9). Die im B-Turnier startenden Großmeister weisen zum Teil sogar höhere Elozahlen auf, als einige im Topturnier, doch sind die Holländer seit jeher bemüht Ihre Spitzenspieler teilnehmen zu lassen und zu fördern. Eine Tradition, die auf dem holländischen Weltmeister und späterem FIDE-Präsidenten, Max Euwe, basiert und sich bewährt. So rangiert die Nationalmannschaft unseres Nachbarlandes weit vor der aktuellen deutschen – Schachspieler werden von Passanten auf der Straße erkannt – die Medien berichten.
Schade, dass kein deutscher Spieler eingeladen wurde. Für das B-Open hätte es bei Meier, Gustafsson, Najditsch & Co. spielstärkemäßig sicher gereicht. Allerdings sind die Aussichten für holländische Spieler eine Turniereinladung in Deutschland zu bekommen auch nicht deutlich besser.

Gehen Sie in Ihren Schachverein und überreden Sie ein paar Gleichgesinnte, sich dieses Spektakel gemeinsam anzusehen. Die Atmosphäre ist einzigartig. Es lässt sich kaum vermeiden, in den Restaurants des Dorfes neben den Größen des Weltschachs zu sitzen. Schach live zu erleben bedeutet so viel mehr, als auf Dauer langweiliges Internetschach! Zudem bietet sich dadurch eine schöne Gelegenheit, das nur 20km entfernte Amsterdam kennenzulernen. Das 73. Turnier in Wijk an Zee geht bis zum 30.01..

  A-Turnier                                        B-Turnier

Magnus Carlsen
NOR 2814
1
Viswanathan Anand
IND 2810
2
Levon Aronian
ARM 2805
3
Vladimir Kramnik
RUS 2784
4
Alexander Grischuk
RUS 2773
5
Hikaru Nakamura
USA 2751
6
Ruslan Ponomariov
UKR 2744
7
Wang Hao
CHN 2731
8
Alexey Shirov
SPA 2722
9
Maxime Vachier-Lagrave
FRA 2721
10
Ian Nepomniachtchi
RUS 2715
11
Anish Giri
NED 2686
12
Jan Smeets
NED 2662
13
Erwin l'Ami
NED 2628
14
Radoslaw Wojtaszek POL 2726
David Navara CZE 2708
Laurent Fressinet FRA 2707
Zahar Efimenko UKR 2701
Gabriel Sargissian ARM 2667
Le Quang Liem VIE 2664
Wesley So PHI 2673
Luke McShane ENG 2664
Surya Ganguly IND 2651
Li Chao CHN 2649
Jon Ludvig Hammer NOR 2647
Vladislav Tkachiev FRA 2636
Friso Nijboer NED 2584
Wouter Spoelman NED 2547

Daneben findet noch ein C-Turnier statt, auf dessen Besetzung die deutsche Schachszene stolz wäre sowie ein Open.

Zur Veranstaltersite Tatasteelchess.com


Im Folgenden noch einige Impressionen der Vorjahre,
bereitgestellt von Joachim Schulze, www.litzowhaus.de


Wijk 2008 Kiebitze im großen Spielsaal
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Wijk 2009, Kreisläufer im großen Zelt
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Wijk 2010, Konzentration im Restaurant
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Wijk 2007, Die Partie des Jahrhunderts auf einer Coladose
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und hier noch einmal in lesbarer Form

Freitag, 31 Dezember 2010 01:27

2010 im Schnelldurchlauf

Das zu Ende gehende Jahr war ein ereignisreiches Schachjahr, aber war es auch ein gutes? Welche Ereignisse, welche Spieler haben es geprägt? Einige Glanzpunkte setzte sicher die Jugend. Als Erinnerungsstütze ein kurzer, nicht ganz unsubjektiver Überblick.

Los ging es mit der Mannschafts-WM im türkischen Bursa und einem Favoritensieg Russlands. Überraschend holten die USA mit dem überragenden Nakamura und Indien, obwohl ohne Anand, die Medaillen vor den höher eingeschätzten Team aus Aserbaidschan und Armenien. Den besten Start des Jahres erwischte Alexei Schirow in Wijk aan Zee mit fünf Siegen en suite. Am Ende wurde er dann doch noch überholt von dem trotz seiner erst 19 Jahre seit 1.Januar Führenden der Weltrangliste Magnus Carlsen. Die B-Gruppe wurde eine Beute des nächsten Carlsen, des 15jährigen Anish Giri.

Weltmeister Anand riss sich in Wijk aan Zee bei seinem letzten Test vor seinem Titelkampf kein Bein aus und holte seine üblichen plus zwei. Anders einen Monat später Wesselin Topalow: Mit unberechenbarem, hoch riskantem Schach gewann der Herausforderer in Linares, wo allerdings weder Carlsen, Anand noch Kramnik am Start war. Das wahrscheinlich stärkste Open des Jahres gewann der 18jährige Vietname Le Quang Liem. Während die Nationalspieler bei der EM in Rijeka unter ferner liefen mit ansahen, wie der 19jährige Jan Nepomnjaschtschi als Nummer 35 der Setzliste Europameister wurde, holte sich ein anderer Junior, der 18jährige Hamburger Schüler Nicolas Huschenbeth den deutschen Titel.

In der Bundesliga war der Titelgewinn des hohen Favoriten Baden-Baden nach einer Niederlage gegen Werder Bremen dank der ebenfalls vorne mitmischenden Solinger erst im letzten Spiel perfekt. Spannend verlief auch die WM. Anfangs überschattet von der Flugsperre, die Anands Reise nach Sofia erschwerte, und Spekulationen über Provokationen in der Heimat des Herausforderers wurde es ein fairer und hochklassiger Zweikampf, den Anand knapp aber zu Recht gewann. Zur gleichen Zeit und ein halbes Jahr zu spät kam der FIDE-Grandprix in Astrachan doch noch zu einem Abschluss, der aber überschattet wurde von Mutmaßungen über eine Partieabsprache zwischen Mamedscharow und Radschabow, die letzterem zum letzten offenen Platz im Kandidatenturnier verholfen haben könnte.

Korruption ist im Weltschach sonst eher auf Funktionärsebene ein Problem. Hoffnungen auf Veränderung nährte die Kandidatur von Anatoli Karpow um die FIDE-Präsidentschaft mit maßgeblicher Unterstützung von Garri Kasparow und dessen Draht zu Financiers im Westen. Das Turnier im rumänischen Bazna mauserte sich zum Elitewettbewerb. Der Sieger hieß einmal mehr Carlsen. Derweil eskalierte ein seit längerem schwelender Streit zwischen den Nationalspielern und dem Deutschen Schachbund um Honorare und die Bedingungen für Profis in Deutschland. Dazu gehört etwa auch, dass in Dortmund nur Naiditsch willkommen ist (das unzureichend gemanagte Turnier gewann heuer Ponomarjow) und in Mainz, dem Treffpunkt des Schachs in Deutschland, aufgrund der Wirtschaftskrise das Programm auf zweieinhalb Tage eingedampft werden musste.

Bei der Schacholympiade holte dann eine Ersatzauswahl mit Platz 64 das mit Abstand schlechteste deutsche Ergebnis. Im sibirischen Chanti-Mansisk enttäuschte auch Gastgeber Russland und musste Gold den leidenschaftlicheren, von einem entfesselten Wassili Iwantschuk angeführten Ukrainern überlassen. Dafür dominierten die Russinnen den Frauenwettbewerb. Bei der FIDE-Wahl unterlag Karpow mit praktisch der selben Marge wie vier Jahre zuvor Bessel Kok gegen Kirsan Iljumschinow, dessen Hintermänner seit 1995 in die eigenen Taschen wirtschaftend das Chaos verwalten.
Als Finale der unabhängigen Grand-Slam-Turniere hatte Bilbao eine schiefe Optik, hatte doch nahezu alle Qualifikationswettbewerbe Carlsen gewonnen, der gerade eine Formkrise durchmachte, während der einzige andere Qualifizierte Topalow von vornherein absagte. Kramnik gewann. Nur wenige Tage später begann der neue Grand Slam Tausende Kilometer entfernt in Nanking, wo Carlsen wie verwandelt agierte und überlegen gewann.

Kurz danach schockte der Norweger, dessen WM-Sieg für viele nur eine Frage der Zeit ist, mit dem Rücktritt aus dem im Frühjahr anstehenden Kandidatenturnier. Keinen klaren Sieger gab es in Moskau. Aronjan (der anschließend die Blitz-WM gewann), Mamedscharow und Karjakin teilten am Ende Platz eins. Das wäre nach der üblichen Wertung auch in London der Fall gewesen. Weil ein Sieg dort aber drei Punkte wert war, wurde Carlsen vor McShane und Anand zum Sieger erklärt. Zwischendurch setzte Marc Lang, FIDE-Meister aus Günzburg, mit einem Blindsimultan gegen 35 Gegner das deutsche Schachhighlight des Jahres. Die Frauen-WM im türkischen Antakya wurde von den Chinesinnen dominiert. Den Titel holte sich die 16jährige Hou Yifan, so dass sie sich künftig wohl öfter mit Männern messen darf.

Russischer Meister wurde nach einem Stichkampf, in dem es nur Remisen gab, und obwohl er zuvor im regulären Vergleich gegen den gleichaltrigen Karjakin unterlegen war, der mittlerweile 20jährige Nepomnjaschtschi. An die Weltranglistenspitze kehrt aber, nachdem zwischenzeitlich Anand vorne war, Carlsen (ebenfalls 20) zurück.