
Russische Schachschule lässt Frauen keine Chance
Viszontlátásra – das war es für Judit Polgár beim Weltcup in Khanty-Mansiysk. Das Aus kam im Viertelfinale gegen Peter Svidler, der als russischer Meister und Mannschaftskollege von Jan Gustafsson zwei exzellente Referenzen vorweisen kann. Nachdem Polgár die erste Partie noch recht locker mit den schwarzen Steinen zum Remis abwickeln konnte, wurde ihr taktisches Spiel in der zweiten Partie von Svidler geduldig ausgebremst, so dass sie sich von einem geopferten Bauern nicht mehr erholen konnte.
Früher Rückflug also für die Ungarin, die sich als Nr. 33 der Setzliste äußerst respektabel geschlagen hat und nun immerhin mit dem schönen Titel „Beste Frau der Welt“ nach Hause reist.
Neben Svidler haben sich Alexander Grischuk (nach Stechen gegen David Navara), Ruslan Ponomariov (1,5:0,5 gegen Vugar Gashimov schon in den regulären Partien) und Vassili Ivanchuk (im Tiebreak gegen Teimour Radjabov) für das Halbfinale qualifiziert. Die Paarungen dort lauten:
Svidler - Ponomariov
Ivanchuk - Grishuk
Gespielt wird schon ab morgen, und wiederum zwei Turnierpartien mit nachfolgenden Tiebreaks. Erst im Finale gibt es ein Mini-Match, für das vier Partien mit langer Bedenkzeit angesetzt sind. -
Einige längere Analysen zum Match Radjabov vs Ivanchuk findet man auf der sehr abwechslungsreichen Homepage des kanadischen Großmeisters Kevin Spraggett. Sehr gut gefallen hat mir die zweite Partie, in der Radjabov unbedingt gewinnen musste, um im Rennen zu bleiben. Kein leichtes Unterfangen gegen einen Riesen bzw. Bären wie Ivanchuk, doch Radjabov spielte einfach ein paar muntere Züge:
Nach sechs gespielten Zügen und einer relativ englisch aussehenden Eröffnung ist hier eigentlich noch nicht viel los. Umso schöner, dass Weiß hier in weniger Zügen eine Figur opfern wird!
7.h2-h4!
Radjabov schickt einen Außenstürmer auf dem rechten Flügel ins Rennen. Ähnliches probierte auch Levon Aronjan vor kurzem - Frank Zeller hat von dieser turbulenten Partie berichtet. Aber wie sieht es hier aus - die schwarze Verteidigung steht doch eigentlich. Was will der Bauer genau erreichen?
7..... h7-h6
Ivanchuk bleibt cool und stellt sich darauf ein, nach h4-h5 einfach mit g6-g5 zu antworten. Danach bleiben die Linien am Königsflügel weiterhin geschlossen. ( ... so könnte man zumindest meinen!)
8. Lc1-d2, b7-b6
Spraggett kritisiert diesen Zug, weil das Feld d6 dadurch geschwächt wird. Er hat wohl Recht damit - aber es ist schwer, das an dieser Stelle schon zu ahnen.
Radjabov spielt nun munter weiter - und zwar mit den lustigen Zügen ...
9.h4-h5!
Das kann man ja erstmal so spielen. Ivanchuk antwortete mit dem geplanten ...
9.... g6-g5
und fiel nach der unbeschwerten Antwort
10.Sf3xg5!!
wahrscheinlich erst einmal vom Stuhl (Videobilder liegen der Redaktion leider nicht vor.).Hoppla!
Tatsächlich hat Radjabov einige Kompensation für seinen Läufer. Ein tolle Idee, die man wahrscheinlich ganz ohne die Hilfe von Fritz finden muss. Toll finde ich, dass Radjabov diesen Zug spielte, obwohl es für ihn um alles oder nichts ging und er unbedingt gewinnen musste. Aber so ist das manchmal - und der Druck lastet dann ja auch auf dem Gegner. -
Die stärkste Frau des Teilnehmerfeldes ist nicht mehr dabei, und nach dem Ausscheiden von Jörg Hickl stehen nun also je zwei Spieler aus der Ukraine und aus Russland in der Runde der letzten Vier. Somit sind die Vertreter der russischen Schachschule mal wieder ganz unter sich (auch wenn sich die Ukrainer streng genommen wahrscheinlich nicht dieser Schule zugehörig fühlen werden – ich bitte vorsorglich um Verzeihung). Interessant ist an dieser Stelle vielleicht, dass GM Alexander Yermolinski in seinem Buch "The Road to Chess Improvement" die Existenz einer russischen Schachschule ziemlich direkt in Frage stellt und sie als reinen Mythos beschreibt. Doch wie dem auch sei - die Besetzung des Halbfinales gibt der von Michail Tchigorin schon vor langer langer Zeit entdeckten russischen Schachschule wieder einmal Recht!
Mal schauen, wem wir von nun an die Daumen drücken. Das Spektakel geht weiter!

Effektives Schachtraining (1)
In den ersten Ausgaben des Magazins Schachwelt erschien mein Artikel zum Thema Schachtraining. Nun möchte ich das Thema nun allen unseren Blogbesuchern näherbringen.und hoffe mit dem neuen Medium zu einer Diskussion anzuregen, die in den herkömmlichen Printmedien nicht erfolgen kann.
Effizientes Schachtraining (1)
Die viel zitierte russische Schachschule
… gibt es nicht! Zumindest konnte ich trotz Nachfrage bei diversen russischen Großmeistern, nichts Bestimmtes in Erfahrung bringen. In Zeiten des Kalten Krieges wurde Schach zu einem Politikum. Die wirtschaftlich schwächere Sowjetunion sah hierin eine Möglichkeit, den Klassenfeind USA zu übertrumpfen. Entsprechend wurde das Schach finanziell gefördert. Ein Schachtrainer erhielt Anfang der 80er-Jahre ein doppeltes Ingenieursgehalt und die Aussicht auf Turniere reisen zu dürfen. Für Spieler war es natürlich nicht minder attraktiv.
Eine Ausbildung anhand eines speziellen, pädagogisch aufgebauten Trainingsplans, dem alle folgen mussten, gab es jedoch nicht. Konzentriert man eine große Anzahl Kinder an einem Stützpunkt und lässt sie permanent mit starken Trainern arbeiten, erscheint es eine logische Folge, Spitzenspieler in Masse produzieren zu können.
Die Entwicklung im kapitalistischen Westen musste zwangsweise anders verlaufen. Nahezu alle deutschen Großmeister der vergangenen Jahrzehnte sind Autodidakten. Wie viele meiner Kollegen habe auch ich niemals Schachunterricht erhalten. Mit 18 Jahren kam es zur ersten Open-Teilnahme, mit 21 Jahren folgte jedoch schnell der IM-Titel, mit 22 der des Großmeisters. Verglichen mit geltenden Maßstäben spät und nicht besonders effektiv, doch mit der entsprechenden Motivation sind erhebliche Steigerungen auch im fortgeschrittenen Alter möglich.
Heutzutage ist einiges erheblich einfacher geworden. Neben einem breiten Turnierangebot stehen dem Lernenden viele die Ausbildung unterstützende Maßnahmen zur Verfügung. Neben einer Flut an Publikationen gibt es eine Reihe elektronischer Hilfsmittel, und auch qualifizierte Trainer sind vorhanden.
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