Juli 2017
Weiss am Zug, was tun?
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Die heutige Partie vorab kurz zusammengefasst: Nach (scheinbar) harmloser Eröffnung bekam Weiss doch starken Königsangriff und konnte ab dem 26. Zug vierzügig mattsetzen. Das Titeldiagramm setze ich schon vorher - was ist hier der beste (und in der Partie gespielte) Zug für Weiss? Ähnlichkeiten zu einem anderen Titeldiagramm vor kurzem im deutschsprachigen Schach-Internet sind vorhanden. Matt wurde es nicht, dann gewann Weiss eben auf Umwegen - nach genau 100 weiteren Zügen im Damenendspiel. Zwischendurch war erst das Mittelspiel unklar-ausgeglichen, und dann auch das Endspiel mehrfach (Tablebase-)remis.

Erst ein bisschen Kontext: Die Protagonistinnen sind Zhao Xue (Elo 2499) und Zhang Lanlin (Elo 2080) - Elozahlen jeweils vor Beginn der chinesischen Mannschaftsmeisterschaft. Zhao Xue, Jahrgang 1985, ist relativ bekannt - aufgrund ihrer sicher für Damenverhältnisse respektablen Elo (war auch mal oberhalb der "damen-magischen" 2500) und da sie auch ausserhalb Chinas spielt, z.B. Weltmeisterschaft, Mannschaftskämpfe nicht nur für Beijing sondern auch für China sowie in der deutschen Damen-Bundesliga für Bad Königshofen, usw. . Zhang Yanlin ist Jahrgang 1999, inzwischen hat sie - da sie vor kurzem für die Juni-Liste mächtig von K-Faktor 40 profitierte - bereits Elo 2262. In der chinesischen Liga ist sie allerdings etwas überfordert - mittlerweile (einschliesslich Niederlage gegen Kateryna Lagno tags nach dieser Partie) 1/6. Auf der Habenseite immerhin ein Sieg gegen Ju Wenjun, die in für sie zumindest klar besserer Stellung einen Turm einstellte.

Die chinesische Liga wird mit drei Herren- und zwei Damenbrettern an mehreren langen Wochenenden ausgetragen, morgen (29.7.) ist die elfte von elf Runden. Wie bereits erwähnt, auch Ausländer(innen) spielen mit, allerdings relativ wenige. In Runde 8-11 - Ladies first - neben Kateryna Lagno auch Olga Girya, Anastasia Bodnaruk und Antoaneta Stefanova. Bei den Herren in diesen Runden Grischuk, Malakhov, Moiseenko und Naiditsch. Sagte Arkadij Naiditsch nicht anlässlich seines Verbandswechsels nach Aserbaidschan "Nun bin ich finanziell abgesichert und muss nicht mehr mal eben nach China düsen um in der dortigen Liga Geld zu verdienen"? Gut, diesmal kombinierte er es offenbar mit der Teilnahme an einem chinesischen Superturnier.

Nächster Punkt um auch das zu erwähnen: In China wird momentan nonstop und quasi überall Schach gespielt: erst das Superturnier in Danzhou (19ºN 109ºE), danach ein Match Grischuk - Yu Yangyi in Jiayuguan (39ºN 98ºE) [auch Grischuk hat also zwei, vielleicht - siehe gleich - drei Termine in China], nun die chinesische Liga in Ningbo (30ºN 121ºE), dann ein Match Russland-China in Quinghuangdao (40ºN 119ºE) und zum Schluss ein Match Ding Liren - Giri in Wenzhou (28ºN 120ºE). Ich hatte erwogen, eine Karte in diesen Artikel einzubauen, aber empfand das dann doch als zu mühsam. Jiayuguan liegt im Landesinneren nahe der chinesischen Mauer und der Grenze zur Mongolei, alle anderen Orte an der Küste aber auch recht weit voneinander entfernt. Grischuk war bisher recht erfolgreich - 3-1 im Match gegen Yu Yangyi und dann 2.5/3 in der chinesischen Liga (Remis gegen Ding Liren, Siege gegen Elo 2438 und 2385). Naiditsch remisierte dreimal gegen Elo 2425, 2606 und 2585. Und nun zur Partie:

Zhao Xue (2481) - Zhang Lanlin (2262) 1-0 (nun mit den aktuellsten Elozahlen)

1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.Lf4 e6 4.e3 - schon kommt das erste Diagramm:

Zhao Zhang move 4

So hat u.a. auch Carlsen bereits gespielt, Komplikationen - bzw. in Carlsen-Partien bevorzugt gegnerische Fehler - kommen später. 4.-Le7 (4.-c5 5.c3 und 4.-Ld6 5.Lg3 ist üblicher, auf hohem Eloniveau und überhaupt) 5.Sbd2 0-0 6.Ld3 b6 7.0-0 Lb7 8.Se5 (Sinn des weissen Aufbaus, oft bereits im 7. Zug gespielt und dann rochierte Weiss vielleicht lang oder auch gar nicht) 8.-Sbd7 9.Df3 Se8 (Ursachenforschung warum Schwarz schnell in einer Verluststellung landete sollte vielleicht hier beginnen - das ist an dieser Stelle neu und eventuell zu langsam und gekünstelt) 10.Dh3 f5 11.g4

Zhao Zhang move 11

Doch nicht so harmlos!? 11.-Sd6 12.Sdf3 Se4 13.Sxd7 Dxd7 14.Se5 Dc8 15.f3 Sd6 16.Kh1 c5 (konnte man - oder frau - auch schon früher spielen, z.B. im vierten Zug) 17.gxf5 exf5 (17.-c4? funktioniert aus diversen Gründen nicht, Weiss spielt jedenfalls nicht brav 18.Le2) 18.Tg1 Lf6 19.Sg4!? c4 20.Lxd6 cxd3 21.Sxf6+ Txf6 und nun haben wir wieder das Titeldiagramm:

Zhao Zhang move 21 Titel

22.Txg7+! Kxg7 23.Le5 dxc2 (bekommt von Computern ein Fragezeichen, die 23.-Kf8 24.Lxf6 dxc2 25.Dxh7 [muss nicht sein, 25.Dh6+ Ke8 26.Dh5+ Kf8 27.Tc1 oder gleich 25.Tc1 ist auch etwa +2] 25.-c1D+ 26.Txc1 Dxc1+ 27.Kg2 Dxe3 28.Dg7+ Ke8 29.Dxb7 De2+ 30.Kg3 f4+ 31.Kh4 vorschlagen - das wird dann allerdings ein für Weiss glatt gewonnenes Damenendspiel. Nachvollziehbar, dass Zhang Lanlin die Gegnerin mit ihrem entstandenen Freibauern zumindest etwas beschäftigen oder ablenken wollte, und in der Partie funktionierte es.) 24.Tg1+ Kf8 25.Dxh7 Tf7? wieder ein Computer-Fragezeichen, die Alternative 25.-c1D 26.Dh8+ Kf7 27.Dxf6+ Ke8 28.Dh8+ Kf7 29.Dh7+ Ke8 30.Dg6+ Ke7 31.Lf6+ - einmal ist der Läufer dran - 31.-Kd6 32.Dg3+ Kc6 33.Txc1+ - jetzt aber! - 33.-Kb5 34.Txc8 - auch das noch - war allerdings auch hoffnungslos:

Zhao Zhang move 25 Variante

Diagramm nach dem Partiezug 25.-Tf7:

Zhao Zhang move 25 Matt in 4

Weiss am Zug, Matt in vier - der Leser ist am Zug! In der Partie geschah 26.Ld6+?? - so nicht!! 26.-Ke8 27.Dg8+ Kd7 28.Dxf7+ Kc6! (dachte Zhao Xue, dass man hängende Figuren immer schlagen muss und berechnete nur 28.-Kxd6?? 29.Tg6+ De6 30.Txe6# ?) 29.La3 Kb5! - nun droht tatsächlich 30.-c1D

Zhao Zhang move 29 Partie

Und diese Stellung nach dem 29. Zug von Schwarz ist unklar, im Gegensatz zur möglichen Stellung nach dem 29.Zug von Weiss ab 26. "Leser am Zug". Ein paar Züge notiere ich noch: 30.b3 a5 31.Tc1 Ka6 32.Dg6 Ka7

Zhao Zhang move 32

Nun hat sie ihren König definitiv versteckt. Die nächsten gut zwanzig Züge überspringe ich - es wurde manövriert und auch mal einmal wiederholt - und steige nach dem 55. schwarzen Zug wieder ein:

Zhao Zhang move 55

55.-Td2 war kein Turmeinsteller, sondern ein berechtigter Versuch, dem bunten Treiben ein (Remis-)Ende zu bereiten. 56.Dxd2 Dh3+ 57.Kg1 Dxg3+ 58.Kh1 Dxh4+ 59.Kg2 Lh3+ 60.Kg1 Dg3+ 61.Kh1 Lg2+

Zhao Zhang move 61

62.Dxg2 (muss sein, wenn Weiss weiterspielen will - nach 62.Kg1 geht 62.-Lh3+ oder auch 62.-Lxf3+ 63.Kf1 Le4) 62.-Dxe1+ und nun haben wir ein ausgeglichenes Damenendspiel. Ich zeige nun, wie da im weiteren Partieverlauf aufgeräumt wurde:

Zhao Zhang move 82

Nach zuletzt 80.Ke4 Dh1+ 81.Kxd4 Da1+ 82.Ke4 Dxa2

Zhao Zhang move 89 Tablebase

Nach zuletzt 88.Kg6 a4 89.bxa4 bxa4 - ab hier wissen Tablebases Bescheid. 90.Dc4+ - "mein Stockfish" sagt +3, Tablebases sagen remis, änderen ihre Meinung allerdings nach 90.-Kd8? - 90.-Kb6!, nur so! Dann bekommt Weiss zwar auch einen Mehrbauern, kann allerdings offenbar den schwarzen König nicht entscheidend abdrängen - paradoxerweise geht das nach dem schwarzen Partieversuch, in der Nähe des Umwandlungsfelds zu bleiben. 91.Dd4+ (richtig, Matt in 54, genauer war 91.Dd5+ Matt in 52) 91.-Kc7 (Matt in 38, nach 91.-Kc8 Matt in 53 muss Weiss erst mit 92.Dc4+ wiederholen). Und nun?

Zhao Zhang move 91

92.Dxa4? - so nicht! Richtig war nur 92.Da7+ - zuerst die einfachere Variante: 92.-Kd8 (92.-Kc8?? ist natürlich noch einfacher für Weiss) 93.Db8+ Ke7 94.Db4+ Ke8 95.Dxa4+ Ke7 96.Da3+ Ke8 97.Dxf8+ Kxf8 98.Kf6

Zhao Zhang move 92 Variante Bauernendspiel

Alles mit Schach, und am Ende ein gewonnenes Bauernendspiel. Weniger kooperativ ist 92.-Kd6 93.Db6+ Ke5 94.Db5+ Kd4 95.Dxa4+

Zhao Zhang move 92 Variante

Auch hier nimmt Weiss den a-Bauern mit Schach, und sie kann den schwarzen König weit abdrängen = Gewinnstellung. Experte in Damenendspielen bin ich wahrlich nicht, aber anhand neuerer Beispiele auf hohem Niveau (Diagramme in abweichendem Design) bilde ich mir ein, ansatzweise zu verstehen was Sache ist. Da war zunächst am 23.6. Carlsen-Karjakin 1-0 1/2, Schnellschach bei der Chess Tour in Paris:

Carlsen Karjakin

Aus einem Springerendspiel wurde zuvor ein Bauernendspiel, zuletzt geschah 56.h8D b1D, und nun? Richtig war 57.De8+! Kd6 58.De5+! Kd7 59.Kg3! usw. (Matt in 52, also noch viel Technik notwendig). Carlsen spielte sofort 57.De5? und Karjakin fand 57.-Dd3! was Kg3 zunächst verhindert (57.-Db3 ging auch), nun war es remis und dabei blieb es. Am Ende stand der schwarze König vor dem weissen Freibauern, und so war es nach Damentausch sofort remis. Dann war da Riazantsev - Li Chao 1/2 1-0 am 13.7. beim GP-Turnier in Genf (zuvor Turm- und Bauernendspiel), Stellung nach 71.Dh7+

Riazantsev Li Chao

Wohin mit dem schwarzen König? Li Chao spielte 71.-Kf3? (71.-Ke3 oder 71.-Kd4 ist remis) und Riazantsev fand 72.Df5+! Kg2 73.Dd5+! Kh3 74.g6 usw. 1-0 . Lehre aus diesen Beispielen; Es kann zumindest nicht schaden, ein Tempo zu gewinnen, die Dame gleichzeitig zu zentralisieren (im dritten Beispiel unter Chinesinnen nicht der Fall) und den gegnerischen König abzudrängen. Dann steht der eigene König vor dem Freibauern gut (das musste Carlsen noch erreichen) und letztendlich kann er sich da vor Schachgeboten verstecken. Natürlich ist das vereinfacht dargestellt, ob ich es in eigener Praxis hinbekommen würde sei dahingestellt. "Die russische Schachschule" (neben Karjakin auch Riazantsev) machte es richtig, ein Norweger und ein Chinese machten es falsch, zurück zur aktuellsten Partie: zwei Chinesinnen fanden auch im weiteren Partieverlauf nicht immer die besten Züge. Nach dem Exkurs erst nochmals das letzte Partiediagramm:

Zhao Zhang move 91

Wie gesagt, sofort 92.Dxa4? - im weiteren Verlauf Zeichensetzung nach Tablebase-Definition: Einzige Gewinn- bzw. einzige Remiszüge bekommen ein Ausrufezeichen, Züge die das Stellungsurteil verändern ein Fragezeichen. 92.-Dg8+! 93.Kf6 Df8+ 94.Kg5 Dg7+! 95.Kf4 Dh6+ (hier musste Schwarz nicht unbedingt Schach geben, 95.-Df6, 95.-De7 und 95.-Kd8 ist/bleibt auch remis) 96.Ke5 De3+ 97.Kd5 Dd3+ 98.Ke6 Dd6+! 99.Kf7 Dd5+! 100.Kf6 Dd8+! 101.Kg6 Dg8+! - das hatten wir bereits nach dem 92. Zug, Zhao Xue versuchte nun 102.Kh5 Dh7+ 103.Kg5 Dg7+ 104.Kf4 Dh6+ 105.Ke5 - auch das hatten wir schon nach dem 96. weissen Zug, und diesmal entschied Schwarz sich für 105.-Dg7+? (105.-De3+ wäre Zugwiederholung, das dürfte aus weisser Sicht - wenn Schwarz reklamiert - nicht ein weiteres Mal passieren. 105.-Dh8+, 105.-Dd6+ und auch 105.-Kd8 bliebe auch remis)

Zhao Zhang move 105

Weiss am Zug, was tun? 106.f6! (Ausrufezeichen nach Tablebase-Konvention, wobei hier gilt "was sonst im Gewinnsinne?") 106.-Dg5+ 107.Ke6! (wieder Tablebase-Konvention, wobei die Alternativen 107.Ke4?? oder 107.Kd4?? viel schlechter sind) 107.-Dg8+ 108.Ke7 Dd8+ 109.Kf7 Dd5+ 110.Kf8? - falsch, aber Zhao Xue sollte noch eine weitere Chance bekommen, die Partie zu gewinnen - insgesamt die vierte. 110.-Dc5+! 111.Kf7

Zhao Zhang move 111

Schwarz am Zug, was tun? Nun hatte sie Remis mit 111.-Dh5+! 112.Ke6 De2+! 113.Kd5 Dh5+ 114.Kc4!? (sonst Dauerschach) 114.-Dg4+ 115.Kb3 und nun gibt es 13 Remiszüge, am einfachsten und forciert 115.-Dxa4+ 116.Kxa4 Kd7 nebst Endspiel König gegen König. Stattdessen wiederholte Zhang Lanlin mit 111.-Dd5+? und Zhao Xue fand diesmal 112.Kg6! Dg8+ 113.Kh6 Df8+ 114.Kg5 Dg8+ 115.Kf4 - vorläufiges Ende der schwarzen Schachgebote. 115.-De6 116.Da5+ Kd7 117.Df5

Zhao Zhang move 117

117.-Kd6 - am zähesten, das Bauernendspiel nach 117.-Dxf5+ wäre verloren, das nun nach 118.Dxe6+? dagegen remis. 118.Kg5 Df7 119.Dd3+ - technisch am saubersten, schwarzen König etwas abdrängen 119.-Kc6 120.Dg6 und nun Damentausch anbieten, sowie danach den König hinter dem Freibauern verstecken 120.-Dd5+ 121.Kh6 Kd7

Zhao Zhang move 121

122.f7?? Ke7 wäre nun voreilig, Zhao Xue spielte richtig 122.Dh7+ Kc8 (122.-Ke8 um in der Nähe des Freibauern zu bleiben scheitert an einem kleinen Detail) 123.f7 aber jetzt! 123.-Dh1+ 124.Kg7 Da1+ (124.-Dg1+ ist zäher, verliert allerdings auch) 125.Kg8 Da2 so kann Schwarz f8D noch verzögern 126.De4 Db3 127.Kg7 Dg3+ 128.Kf6 Dc3+ 129.De5

Zhao Zhang move 129 resigns

Genau 100 Züge nach dem möglichen Matt hab Zhang Yanlin auf da sie keine effizienten Schachgebote hat. Möglich war noch 129.-Df3+ 130.Df5+ Dxf5+ 131.Kxf5 und nur das regelwidrige 131.-Kc8-e7 könnte 132.f8D verhindern (bzw. entschärfen).

Die komplette Partie (auch die hier nicht genannten Züge) mit Varianten und Kommentar zum Durchklicken hier.

Und die Moral der Geschichte? Machen Leser egal welchen Niveaus oder ein Autor mit Elo ca. 1950 es bei nächster Gelegenheit besser als Spieler mit Elo knapp 2500 bis über 2800? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Der Artikel zeigt auch mal wieder: Es reicht nicht, im Endspiel (oder auch im Mittelspiel) eine Gewinnstellung zu haben, man oder frau muss sie dann noch gewinnen. Gilt natürlich ebenso für Remisstellungen, auch das ist erst offiziell wenn der Gegner es akzeptiert oder akzeptieren muss.

 

 

Weiß am Zug gewinnt!
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27. Juli 2017

Helsingör Live

In diesem Jahr war es für mich nur ein kleiner Abstecher in das beschauliche Helsingör zum Xtracon Cup, vormals Poltiken Cup. Diesmal findet es eine Woche früher als gewohnt, vom 22.7. bis 30.7., statt.
Nachdem ich vergangenes Jahr mit meinem Abschneiden sehr zufrieden sein konnte, wartet diese Jahr die interessante Aufgabe im Organisationsteam des Erfurter Frauenschachfestivals auf mich.

Deswegen war für mich eine Teilnahme leider nicht möglich. Ganz ohne das Turnier mit deutlich über 400 Teilnehmern geht es aber auch nicht und so entschied ich mich dem Turnier, alten Freunden, meinen Schülern Dmitrij und Henning und meinen Eltern einen Besuch abzustatten.

Wie ich jedem sage, der es hören oder auch nicht hören will, halte ich den Xtracon Cup rund um seinen Chef Lars Bech Hansen, für das am Besten organisierte Turnier. Es gibt Getränke kostenlos, die Runden fangen pünktlich an, es spielen viele starke und interessante Spieler mit. Zum Dauergast ist zum Beispiel Jan H Timman geworden, der heute gegen meinen Schützling Dmitrij Kollars ran darf. Letztes Jahr spielte Alexei Shirov mit und auch dieses Jahr haben sich die Veranstalter mit Nikita Vitiugov und Baadur Jobava, neben vielen anderen starken Großmeistern, nicht lumpen lassen ein starkes Teilnehmerfeld auf die Beine zu stellen.
Die Räumlichkeiten sind im Konventum mit malerischen Ausblick vorzüglich und die Atmosphäre ist dank der entspannten Schiedsrichter sehr angenehm.
Wie sieht es aus Sicht der deutschen Teilnehmer nach 6 Runden aus?

2 Deutsche stehen nach 6 Runden bei 5 Punkten. Benjamin Dauth gewann gestern dank eines spektakulären Opfers gegen eines der größten Deutschen Talente Jan-Christian Schröder. Ob das Opfer korrekt war...darüber streiten sich die Gelehrter, ich weiß es nicht. Es führte auf jeden Fall zum vollen Punkt und das ist am Ende das was zählt. Der zweite Deutsche mit nur einem abgegeben Punkt ist Dmitrij Kollars. Dmitrij hatte zu Beginn Probleme ins Turnier zu finden. Mit Schwarz musste er 2 Remis hinnehmen. In Runde 6 kreierte er mit Schwarz aber genug Verwirrung um seinen Gegner zu überfordern. In der 7.Runde geht es nun gegen die Legende Jan H Timman.

Bei den Spielern mit 4,5 Punkten finden sich mehrere Deutsche.
2 davon sind meine Vereinskollegen. Julian Kramer konnte bereits ein starkes Remis gegen den Inder GM Sasikiran erreichen, der ansonsten alle Partien gewann. Nach seinem Remis musste Julian allerdings eine Niederlage hinnehmen. Malte Colpe hat bei diesem Turnier in den vergangenen Jahren bereits großartige Leistung gezeigt Bisher ist er noch nicht richtig durchgestartet. 4,5 Punkten sind trotzdem ein gutes Ergebnis.
Die Deutsche Gruppe mit 4,5 Punkten schließt mein Kollege bei SCHACHREISEN IM Erik Zude, der im vergangenen Jahr das Turnier zum Bergfest noch anführte. Davon ist er bisher noch ein wenig entfernt. Aber traditionell landet man bei diesem Turnier mit 8 Punkten in der Top-Gruppe. Also Erik: Du schaffst das, hau sie weg! :-)

Liebe Schachfreunde, der Politiken Cup: absolut empfehlenswert!

Aber ich werde euch natürlich nicht entlassen, ohne eine kleine Aufgabe zu stellen. In Runde 5 traf der talentierte GM Urkedal mit Weiß gegen den weltbekannten GM Ivan Sokolov. Wie schaffte Urkedal in der folgen Stellung an Brett 1 seine Spitzenposition zu verteidigen?

 

Vom 8.7. bis 16.7. 2017 fand die 5. Ausgabe des VMCG-Schachfestivals im 4*-Hotel Seminaris in Lüneburg statt.
Als Spieler wurde mir bereits eine „Schachsucht“ unterstellt, da ich sehr viele Turniere in normalen Jahren spiele. Mir macht es Spaß Schach zu spielen, neue Leute und Länder kennen zu lernen und gefällt mir ein Turnier sehr gut, dann ist es im nächsten Jahr bereits Pflichtprogramm. So kommen hunderte Turnierteilnahme zusammen und jedes Mal bewertet man natürlich auch den Turnierveranstalter, was hat der Organisator richtig gemacht, was lief nicht so gut.


Zusammen mit meinem Kumpel Martin Becker entschied ich mich im Sommer 2012 auf die andere Seite zu wechseln und ein Schachfestival zu organisieren.
Meine Demut gegenüber den vielen Schachveranstaltern, die wir in Deutschland haben ist seitdem ins Unermessliche gestiegen – aber dazu später mehr.


Zunächst hieß es im Sommer 2012 eine geeignete Location für unser Turnier zu finden. Unsere Idee war ein hochwertiges Ambiente zu suchen, da wir uns vor allem auf die Senioren mit einem Seniorenturnier konzentrieren wollten. Wir riefen im größten und bekanntesten Hotel in Lüneburg (dem Wohnort von Martin Becker), dem Seminaris Hotel Lüneburg an, und statt der erwarteten Absage, sagte uns Klaus Anger, seines Zeichens Manager des Hotels „klar, wann wollen wir starten?“ Von dieser Zusage ermutigt machten wir uns an die Arbeit. Wenn wir die Räumlichkeiten schon haben, warum nicht noch ein A, B und C-Open organisieren und wenn man die Gms und Ims ohnehin da hat, warum nicht auch noch 2 geschlossene Turniere für die Normenjäger. So entstand das VMCG-Schachfestival in seiner heutigen Form.
Die Vorarbeit ist sehr intensiv, Eloanmeldung, Material, Schiedsrichter, Live-Bretter (aus unserer Sicht ein Muss für ein richtiges Schachfestival) Unterkünfte, Sponsorensuche, Aufbau einer Internetseite, Bearbeiten der Anfragen und Anmeldungen, PR für das Turnier und vieles mehr sind anstrengend, aber machbar.
Der große Spaß beginnt aber vor Ort denn hier gilt der Spruch, es kommt 1. alles anders und 2. als man denkt.


So bewertete der Provider (oder wer auch immer sowas bewertet) des Hotelinternets im ersten Jahr unsere Livebretter und den hohen Datenaufwand als Hackerangriff und zerschoss unsere Seite.
Ein Teilnehmer konnte nicht so recht mit seinem Geld auskommen und auf ein Mal seine Unterkunft, die er in Ruinen zurück ließ nicht bezahlen und hatte auch kein Geld mehr um zum Flughafen zu kommen.
Im zweiten Jahr, sowie in diesem Jahr sagten Spieler aus den Rundenturnieren kurz vor Start ab. Seitdem weiß ich, es ist gar nicht so einfach innerhalb von 2-3 Tagen einen ausländischen Titelträger zu engagieren, der kurzfristig einspringt.
Auch dem Organisator selber passieren Fehler, so buchte ich letztes Jahr für den Mädchen Grand Prix das Essen falsch und musste innerhalb von 30 Minuten Essen für 30 hungrige Mädels und deren Eltern organisieren.
Außerdem mussten wir lernen, dass es nicht gut ist jemanden mit Katzenallergie in ein Haus mit Katzen zu stecken...wer hätte darauf kommen können.


Mein persönliches Highlight war dieses Jahr, als einer unser algerischen Teilnehmer an der Niederländisch/Deutschen Grenze verhaftet wurde und ich versuchte der Familie einen Anwalt zu besorgen…


All das bekommen die anderen Teilnehmer des Turniers nicht mit, als Organisator knabbert das aber an den Kraftreserven.
Aber es gibt natürlich auch viele positive Überraschungen. So hatten wir unglaubliches Glück seit 2014 mit der Vonhoff Management Consulting AG einen starken Partner an unserer Seite zu haben. Die positiven Rückmeldungen unserer Teilnehmer sind mit das größte Geschenk, aber auch dass man einfach viele Freunde um sich hat und eine Woche ihnen mit einem gut organisierten Turnier Freude bereitet, ist ein tolles Gefühl.
Als dieses Jahr dann auch noch Alexei Shirov sich zwischen vielen Terminen Zeit nahm und ein Seminar gab, war das für uns ein kleiner Ritterschlag.
Meine Bilanz aus 5 Jahren VMCG-Schachfestival ist, dass ich große Hochachtung für die Veranstalter habe, die aller meisten verdienen damit kein Geld, sondern leisten einen Dienst an unserem Sport um die Szene am Leben zu halten. Ohne Turnierveranstalter könnte weder ich noch viele meiner Kollegen mit Schach ihr Geld verdienen, denn ohne Turniere keine Jugendliche, die man trainieren kann, keine Journalisten die über die Turniere schreiben könnten. Ein Verband wäre beinah obsolet und die Schachprofis selber säßen auf dem Trockenen. Schach würde zur Internetbeschäftigung. Deshalb sind wir als Schachliebhaber den Veranstaltern zu einem großen Dank verpflichtet!
Das entlässt die Veranstalter aber nicht aus der Verpflichtung, sich weiterzuentwickeln. Sponsoren gewinnen. Öffentlichkeitsarbeit, Live-Bretter und vor allem pünktlicher Start von Runden und Siegerehrung so wie viele weitere Details sollten Stück für Stück zum Standard gehören.
Das Wichtigste ist jedoch, dass wir als Schachszene das zusammen organisieren müssen. Denn auch die Spieler sind dem Veranstalter gegenüber verpflichtet, sportlich aufzutreten und für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen. Denn alle haben ein Interesse daran, dass Schachturniere zu schönen unvergesslichen Veranstaltungen werden. Wie sagt man heutzutage: „es ist eine ganzheitliche Aufgabe!"