Dezember 2020
Silvester!
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31. Dezember 2020

The Danny Gormally Show

Bye bye 2020 - hello 2021. Ein schweres Jahr liegt hinter uns, schräg und belastend wie lange nicht, und wir können nur hoffen, dass in den nächsten Monaten Licht am Ende des Corona-Tunnels aufscheinen wird.

Und selbst dann ist noch nicht alles wieder gut - denn parallel oder im Anschluss harren unser weitere herkulische Aufgaben, sei es das prophylaktische Retten der Welt nun endlich mal, oder die enorme Kraftanstrengung, die eigene ELO/ DWZ mal wieder nach oben zu biegen.


Gewinnen kann ganz schön sein - hier in einem wilden Video, zuerst gesehen bei den hochgeschätzten Kollegen von den Bodenseeschachperlenfischern

Bis es aber soweit ist mit dem neuen Jahr, können wir uns eigentlich noch ein wenig zurücklehnen und den heutigen Silvestertag genießen.
Berliner essen, das Luftsachen Masters gucken (zusammen mit Magnus Carlsen, der ja schon im gestrigen Viertelfinale von Daniil Dubov stilvoll verabschiedet wurde), Sekt kaltstellen.
Und vielleicht einen Blick werfen auf das wunderbare Kleinod der Danny Gormally Show, in der der britische Großmeister seine Berufskollegen liebevoll porträtiert und tja, wie das so ist, ein paar ihrer Eigenheiten spiegelt. Eine sehr schöne Parodie, es geht langsam los und wird dann noch immer besser.

The Danny Gormally Show! Und - guten Rutsch ins neue Jahr!

 

Aufgepasst im Endspiel!
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Finale, und sogar ein Finale dahaom, denn alle sitzen wir ja nach wie vor im Hoamoffice. Möge der Lockdown bald vorüber sein, und Corona sowieso!

Bis es aber soweit ist, müssen wir alle wohl noch ausdauernd Online-Schach spielen. Zwei, denen dies aktuell und auch sonst besonders gut von der Hand geht, treffen sich am heutigen Abend zum großen Endspiel des Werdertigers-Cup 2.0:

Jonathan Carlstedt! - Spartak Grigorian!

spartak chess house 
Den IM-Titel frisch mitgebracht aus Dänemark: Spartak beim Chess House Turnier in Aarhus (Foto: Mads Boe)

Carlstedt Werderstadion
Der Coach in seinem Wohnzimmer: Jonathan Carlsenstedt (Foto: André Colbow)

Beide haben seit der Vorrunde dieses weltweiten Turniers alle/ alles aus dem Weg geschaufelt, was Rang oder zumindest Namen hatte:

Vorrunde

Jonathan Carlstedt - Alexander Bräutigam 6 - 0 (puh!)
Jonathan - Daniel Elias Ochs 6- 1
Spartak - Holger Burhhart 6 - 1

Achtelfinale

Jonathan - Olaf Steffens 6,5 - 0,5 (arrgh)
Spartak - Veaceslav Cofmann 6 - 5

Viertelfinale

Jonathan - David Höffer 6,5 - 2,5
Spartak - Jari Reuker 6,5 - 3,5

Halbfinale

Jonathan - Collin Colbow 6,5 - 3,5
Spartak - Stephan Buchal 6,5 - 3,5

Nun stehen sie im Finale, und in einem letzten Match Best of Werder's Eleven können wir uns heute auf einen wahrlich titanischen Showdown freuen. Der Sieger qualifiziert sich möglicherweise direkt für das Luftsachen-Turnier mit Magnus Carlsen.

Los geht es um 20 Uhr, die Spiele finden statt in der Werdertigers Lounge bei Playchess. Live übertragen und dumm reingeredet wird wie immer bei den Werdertigers live auf Twitch. Kommt vorbei, drückt die Daumen und fachsimpelt mit!


Nicht nur beim Blitzschach gilt: Aufgepasst bei Standardsituationen!

DSJ-Weihnachtsturnier amoi anders
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Traditionell trifft sich die deutsche Schachjugend zwischen Weihnachten und Neujahr in relativ kleinem Kreis bei den deutschen Jugend-Vereinsmeisterschaften in Magdeburg. Das wurde dieses Jahr, warum auch immer, abgesagt bzw auf "Ende April bis Ende Juni 2021" verschoben. Stattdessen gibt es nun Turniere an einem anderen Ort, nicht ganz klar wo: der Chessbase-Server ist wohl in Hamburg, aber der Turnierleiter stammt aus dem Münchner Bezirksverband. Da durften alle Vereine melden, auch mehrere Mannschaften, und viele taten dies.

"Daten und Fakten" zum U12-Turnier stehen hier, darunter wer alles mitspielte oder mitspielen wollte und auch der Zeitplan. Nur zu ein paar Teams: Welche Schachfiguren haben mitgespielt? Blaue Springer kommen aus Paderborn. Rote Türme fehlten dagegen, auch wenn es diesen Verein in München an der Isar und Halle an der Saale gibt. Der Münchner Verein ist mir ein Begriff: da habe ich mal ein Schnellturnier gespielt - wenn auch keinen Mannschaftskampf. Weisse Damen waren an allen Partien beteiligt, bis sie abgetauscht, eingestellt oder geopfert wurden. Das zweite war wohl häufiger als das dritte, derlei gibt es aber auch unter Weltklassespielern und da heisst es dann "mouse slip". Auch danach spielten sie noch an zwölf Brettern mit Beteiligung eines Berliner Vereins. Doppelbauern waren wohl ab und bis zu einem gewissen Zeitpunkt in einigen Partien vorhanden, durchgehend nur wenn ein Kielär Verein beteiligt war. 

Welche Landesverbände waren beteiligt? Alle, mehr oder weniger. Baden nicht allzu zahlreich, dafür haben sie einen sehr lokalpatriotischen Verein - die nennen sich Baden-Baden. Bayern-Bayern hat dagegen nicht mitgespielt, aber immerhin Bayern München, in anderen Altersklassen hat auch Bavaria Regensburg gemeldet. Es gab noch mehr Fussballer im Turnier, neben Bayern München war auch Werder Bremen vertreten. Hamburger SK im HSV, das war einmal, aber auch sie haben mitgespielt. Das Bundesland Preußen gibt es meines Wissens nicht, aber auch Borussia Lichtenberg aus Berlin war mit dabei.

Der stärkste Spieler war sicher Siegbert Tarrasch (Emanuel Lasker war wohl verhindert), daher der Rest des Berichts aus der Perspektive dieses meines Münchner Vereins.

Ein Team hatten wir frühzeitig, kurz vor Meldeschluss zeigten noch zwei weitere Spieler Interesse. Also brauchte ich als Jugendleiter noch zwei für eine zweite Mannschaft, bekam fünf und brauchte noch einen für eine dritte Mannschaft. Es hat geklappt, damit verbundene Turbulenzen kurz vor Weihnachten bleiben - auch wenn andere Münchner Vereine etwas involviert waren - gerne vereinsintern. Danach noch etwas Bürokratie: Formular für Mannschaftsaufstellungen digital ausfüllen, herunterladen, ausdrucken, unterschreiben, einscannen und wieder hochladen. Auch einen Ehrenkodex habe ich unterschrieben. Da muss man u.a. hoch und heilig versprechen, dass man der Jugend ein gutes Vorbild ist betrifft (kein) Doping und (kein) Missbrauch von Medikamenten - Schach ist schließlich Sport! Zunächst konnte ich mich nicht selbst als Mannschaftsführer angeben, da dieser Teil der DWZ-Liste nur auszugsweise erscheint. Aber auch das hat sich geklärt, und dann war zunächst Weihnachten.

Da konnte ich ausschlafen, heute mussten aber alle für Ferienzeiten recht früh aufstehen: Anwesenheitskontrolle um 9:00, und vorher vereinsintern überprüfen ob auch alle da sind. Das war der Fall - die meisten wohl irgendwo in München, zwei Geschwister aus dem Weihnachtsurlaub in Ägypten zugeschaltet. Da ist es offenbar etwa 20 Grad wärmer bei niedrigeren Corona-Fallzahlen. Digitales Multitasking war angesagt: Zoom-Konferenz für das gesamte Turnier, vereinsintern GotoMeeting und noch einige Details per WhatsApp, Email oder telefonisch klären. 

Pünktlich um 9:15 begannen dann die ersten Partien - wie sich schnell herausstellte nicht alle insgesamt zweihundertzwölf Partien. Zwecks Auslosung wurden die Teams übrigens nicht etwa nach DWZ-Schnitt sortiert, sondern alphabetisch. So übernahm zunächst ATSV Oberkotzau die Tabellenführung, musste sie aber direkt an VSG 1880 Offenbach abgeben - die bekamen in Runde 1 das Freilos und gewannen so schnell 4-0. Zugzwang hat wohl nicht bereut, dass sie mit vollem Namen MSA (Münchner Schachakademie) Zugzwang heissen - schließlich will man Schach spielen und nicht kampflos gewinnen. Letzteres schafften aber dann wohl noch einige weitere Vereine. Partien sollen (mit Klarnamen) in die Chessbase-Datenbank aufgenommen werden, einige (1.e4 1-0) sind da nicht allzu aussagekräftig. SK Tarrasch 1945 München spielte so doppelt gegen den bereits erwähnten SC Borussia Lichtenberg, im ersten Fall war das Nummer 15 gegen Nummer 2 laut DWZ-Setzliste. Tarrasch3 traf auf den SC Brandeck-Turm Ohlsbach (wo ist das denn?).

Runde 2 verzögerte sich etwas: erst wiederholte Versuche, Partien doch noch zu starten, dann Meldung fehlender Ergebnisse (in einigen Partien einigte man sich auf kampflose Remisen), dann nochmals Anwesenheitskontrolle - einige Teams hatten sich bereits verabschiedet. Um 11:00 war es dann soweit. Tarrasch1 spielte nun gegen Karlsruhe aus dem Südweschten. Tarrasch2 blieb gegen Kirchseeon im Münchner S-Bahn Bereich, und Tarrasch3 machte sich auf die weite Reise nach Lübeck. Aus Lübecker Kreisen habe ich im Turnierchat erfahren, dass zwei von vier Partien zustande kamen. Ähnlich war es offenbar in einigen anderen Matches, und weitere Teams verabschiedeten sich. Längere Diskussionen, und um 11:45 wurde das Turnier abgebrochen. Gab es derlei bereits? Jaha, im Kandidatenturnier - da wurden immerhin sieben von vierzehn Runden gespielt, nun ein bis zwei (Ergebnisse der zweiten Runde nicht vorhanden) von sieben.

Woran lag es? Meine Theorie: Der Chessbase-Server wurde positiv getestet (nicht auf Stabilität unter diesen Turnierbedingungen), dann verschlechterte sich sein Zustand rapide und nun muss er beatmet werden. Ich wünsche gute Besserung, schließlich soll ab 15:00 das nächste Turnier (Altersklasse U16) stattfinden. Offiziell lag es an der schlechten Internetverbindung der Teilnehmer: wenn sie mal für einige Millisekunden ausfällt meckert das System, und wenn derlei gehäuft vorkommt bricht alles zusammen.

Hannover, Stadt der Kekse und Schachspieler
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Grüße, liebe Leute, von zwischen den Jahren. Unser Redaktionsbetrieb ruht ein wenig, der Kaffee ist uns auch ausgegangen, und darum wärmen wir ein paar Kamellen auf, kleine Porträts zur Lage der Welt, von denen in den vergangenen Jahren ja einige über den Äther gegangen sind.

Denn unglaublich ... seit wirklichen 10 Jahren schon bin ich hier mit am Schreibtisch der Jörg-Hickl-geführten Schachwelt, und was war da nicht alles los .. ein neuer Weltmeister hat den Thron bestiegen, ein Verein aus Baden-Baden konnte Deutscher Meister werden, Schachpolitik, Präsidenten, Deutsche Meisterschaften, Schachjugend, WerderBremenBundesliga, und und und.

Zur Feier des Tages, nach zehn Jahren bei der Schachwelt, bietet sich ein Artikel aus dem Jahre 2014 an, mit dem wir unser Nachbarstädtchen Hannover zugleich grüßen (moin!) und würdigen möchten (siehe unten).
Die Zukunft liegt vor Euch, Jungs - und Sieger der Quarantäneliga wart Ihr ja bereits, mit dem HSK Lister Turm. Aller Ehren wert!

Hannover All stars

Als Gott die Welt erschuf, nahm er sich auch etwas Zeit für die Großstadt Hannover. Zentral gelegen inmitten von Hamburg, Berlin, Wuppertal und Walsrode, ist sie seitdem bekannt für guten Fußball, sommerliche Feuerwerkskunst, gutes Wetter, ein schönes Schloss und allerlei mehr, das mir aber im Moment nicht einfällt. Der gesamte europäische Keksausstoß wird von den Hannoveraner Bahlsenwerken bestritten, zudem regiert Erbprinz Ernst-August von Hannover aus das gesamte Bundesland Niedersachsen, oder würde es vielleicht zumindest gerne tun. Rein schachlich, und damit sind wir wieder beim Thema, läuft es für Hannover aber seit langem nicht mehr ganz so prächtig.

Wir kennen zwar alle Ilja Schneider, den berühmten Sohn der Stadt, der einst mit dem HSK Post Hannover alle Ligen des Nordens rockte und zu den kühnsten Hoffnungen Anlass gab. Dann aber, eines Tages, machten verwegene Späher aus Berlin ihre Aufwartung im Hause Schneider und entführten den jungen Meister an die Spree, wo er fortan in der Bundesliga um Punkte spielen musste – weiterhin bei Schachfreunden, aber diesmal in Berlin.

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Hier wird noch so richtig nachgedacht: Ilja Schneider kämpft um den nächsten Punkt

Früher auch war es, noch in der Kohl-Ära, da hatte Hannover sogar einen veritabeln,, handelsüblichen Weltmeister in seinen Reihen –Anatoli Karpov absolvierte für Hannover-Stadthagen diverse Einsätze in der ersten Bundesliga. Ruhm und Ehre für die Stadt! Dann aber verschwand der Verein von der Bildfläche, und Karpov mit ihm gleich mit.

Die Hannoveraner Topklubs tummeln sich derzeit entweder in den zweiten und öfter noch in den dritten Ligen des Landes. Doch wer weiß – vielleicht wird die Stadt bald zu neuer schachlicher Blüte streben? Nur sehr sehr knapp zum Beispiel scheiterte in der vergangenen Spielzeit der HSK Lister Turm am Aufstieg in die 2.Liga, letztlich lediglich ein halber Brettpunkt fehlte für den ersten Platz, und was ist das denn schon, ein einziges Remis!
Da hätte der Bundesturnierdirektor doch mal ein Auge zudrücken können und auch den Zweitplatzierten hochwinken können in die höhere Klasse. (Doch wir kennen das ja schon – auch in Abstiegsfragen gibt es beim Schachbund keine Kulanz.)

 Hannover, meine Liebe! Und überhaupt – was sind das nicht alles für starke Spieler, die sich dort in der Region tummeln? Daraus könnte man glatt eine eigene Bundesliga-Mannschaft formen. Wir schauen kurz genauer hin:

- Ilja Schneider: Zwei GM-Normen bislang, schlug neulich erst Laurent Fressinet am Brett 1 der Liga, leuchtender Stern der SF Berlin, und - ursprünglich aus Hannover

Anatoli Karpov: geboren zwar irgendwo in der russischsprachigen Hemisphäre, doch als temporärer Wahl-Hannoveraner wäre seine erneute Aufstellung im Hannover All-Stars-Team natürlich klar gerechtfertigt. Es fehlt eigentlich nur noch die Freigabe aus Hockenheim.

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Ob man ihn mit Keksen nach Hannover locken kann? Einen Versuch wäre es wert.


- Dennes Abel: amtierender niedersächsischer Meister im 960-Schach, und darüber hinaus ein weiterer Bundesligaspieler, der jetzt zwar in Berlin, in der jüngeren Vergangenheit aber für den HSK Post Hannover spielte. Was ist da in Gange – wie machen die Berliner das? Sind alle Berliner in Wirklichkeit ehemalige Niedersachsen? Vielleicht müssen wir auch bei Robert Rabiega nochmal nachfragen – am Ende kommt er, was ich schon lange vermutete, doch aus Papenburg an der Ems?

Nikolas Nüsken: jung, dynamisch, und ein Hannoveraner Jung´. In Ausübung seines Amtes als Spitzenbrett des HSK Lister Turm erzielte er hochrespektable 5 aus 8 Punkte und unterlag fast nur einmal in der entscheidenden Aufstiegspartie gegen den gefährlichen IM Martin Breutigam aus Oldenburg. Sonst aber, Respekt, Nikolas Nüsken! Immerhin war es ihm als Einzigem vergönnt, den für Turm Lüneburg spielenden Falko Bindrich zu besiegen (Falko holte insgesamt 8 aus 9).

 Jörg Hickl: ein würdiger Großmeister, der durch seine Schach-Trainingsreisen bekannt und in der ganzen Welt zu Hause ist. So steht zu vermuten, dass er sicherlich auch schon einmal in Hannover gewesen ist. Er könnte einem All-Stars-Team als Spieler und qualifizierter Trainer zur Seite stehen, und seine Erfahrung aus dem Schachreisen-Business prädestiniert ihn vermutlich so wie niemand anderen als Mannschaftsführer.

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Schachreisen mit Jörg Hickl - was mehr kann man noch wollen im Leben?

- David Höffer: das Kopfball-Ungeheuer aus Delmenhorst, das, wenn man nicht gut aufpasst, mit 1.Sb1-c3 sofort das Brett in Flammen setzt und auch vor den allerverwegensten kombinatorischen Verwicklungen nicht zurückschreckt. (Das musste auch René Stern einräumen, der bei den Deutschen Blitz-Mannschaftsmeisterschaften von David ausgedribbelt wurde. David wurde dort übrigens fünftbester Spieler am Zweiten Brett.)
Im Fußball nennt man solche Spieler „Knipser“, und was könnte einem All-Stars-Team besseres passieren, als so einen Mann zu den Seinigen zu zählen? David wohnt zwar nicht in Hannover, doch wer tut das schon, und andererseits kennt er eine Menge von Menschen, Sportlern und auch Schachspielern dort in der Stadt. Das sollte doch fürs Erste reichen.

Frank Hoppe: Der Webmaster des Deutschen Schachbundes liebt nicht nur das Schachspielen, nein, auch die Webseite des Verbandes liegt ihm am Herzen. Frank scheiterte vor zwei Jahren knapp an der Nominierung zur Schach-Olympiade in der Türkei und musste dabei Arkadij Naiditsch, Georg Meier und anderen in der Nationalmannschaft nur knapp den Vortritt lassen. Für Hannover aber, da sollte es reichen, und von Berlin nach Niedersachsen ist es ja auch gar nicht so weit. -         

Magnus Carlsen: Hannover gilt ja gemeinhin als norddeutsche Großstadt (auch wenn sie aus Bremer und Hamburger Sicht schon eher zum Süden gehört). Nicht jedermanns Sache ist es, im nordischen Klima Schach zu spielen, doch wenn jemand damit gut umgehen kann, dann wird es Magnus Carlsen sein. Carlsen hat bekanntermaßen vor nichts Angst, weder vor Anand noch vor langweiligen Turmendspielen, und so sollte auch Hannover keine Hürde mehr für ihn sein. Carlsen wird zwar im Spätherbst durch einen vorübergehenden WM-Kampf verhindert sein, wäre ansonsten allerdings einsatzbereit, denn Baden-Baden hatte aufgrund einer Vielzahl von anderen starken Meistern im Kader keine Verwendung mehr für ihn. Hannover also! Eine zweite Chance für den jungen Weltmeister!

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Ahnt noch nichts von seinem Glück, doch die Bundesliga
wartet schon auf ihn: Magnus Carlsen (HSK Post Hannover)  
                                                              
Foto: Ray Morris-Hill

Last but not least Torben Schulze: gefährlich, gefährlich, dieser Mann, und ebenso wie Carlsen eine Verstärkung für jedes Team. Könnte, wenn Carlsen gegen Anand spielt, von Mannschaftskapitän Hickl als mindestens gleichwertiger Ersatz aufgeboten werden. Torben Schulze besticht durch die mutige Wahl seiner Eröffnungen. Er selbst schlug mit 1.e4 – Sc6! bereits den einen oder anderen verblüfften Titelträger, und mit 1.Sc3-David Höffer  hat er ja schon einen Seelenverwandten im Team. Und natürlich: Torben kommt aus Hannover!

Hannover, man merkt es, bietet mehr als Kekse und Autobahnanschlüsse. Wir bedauern die aktuelle schachsportliche Durstphase, doch zeigen unsere Analysen, dass das Potential da ist und es schon bald wieder aufwärts gehen kann. Auf geht´s, Jungens, in die Bundesliga!

Wie wir hörten, zieht morgen bereits zieht ein Tross junger, hungriger Hannoveraner aus ins benachbarte Barsinghausen. Anlässlich der Norddeutschen Blitzmeisterschaften (ab 11 Uhr, VHS-Haus für Bildung und Freizeit,  Längenäcker 38,  30890 Barsinghausen) wird ein beachtliches Kontingent aus der oben umrissenen Mannschaft mit am Start sein. Das macht es nicht gerade einfacher für den Papenburger Robert Rabiega und alle anderen Teilnehmer (geschweige denn für mich), sich mit einem vorderen Platz für die Endrunde der Deutschen Blitzmeisterschaften zu qualifizieren.
Doch so sind sie, die Hannoveraner  - nette Menschen, doch wenn es irgendwo um Punkte geht, hört der Spaß auf. So ist eben Sport, und das wollen wir ja eigentlich auch so.

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Wenn Sie aus Hannover kommen und/oder Ihnen der Artikel gefallen hat, würden ich mich freuen, wenn Sie die Arbeit an diesem Text durch eine kleine Spende würdigen würden. Bitte überweisen Sie einen kleinen Betrag, wie hoch auch immer, an Greenpeace Deutschland, zum Schutz der Meere, Tiere, Zukunft. Vielen Dank!

Ein Füllhorn fulminanter Vorgehensweisen
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Von IM Dirk Schuh!

Auch nach über 25 Jahren Vereinszugehörigkeit und vielen Turnierpartien ist Schach für mich immer noch faszinierend. Der Grund ist die Vielzahl an Möglichkeiten, die es in jeder Phase der Partie gibt. Mir haben es dabei vor allem die Eröffnungen angetan, in denen ich vor allem unkonventionelle Ideen sehr schätze und auch immer wieder ausprobiere. Es begann in den 90er Jahren des letzten Jahrtausends mit FM Harald Keilhacks und Rainer Schlenkers Werk "1. ...Sc6! aus allen Lagen" aus dem Schachverlag Kania. Gerne erinnere ich mich daran, wie ich mit Freunden die krautige Stellung nach 1.e4 Sc6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.d5 Se5 5.Lf4 Sg6 6.Lg3 f5 rauf und runter analysierte und so manche Partie auf der Rasierklinge ritt. [Ich auch! :-), gez. Der Setzer]
Später kamen dann königsindische Aufbauten nach 1.e4 gegen so ziemlich alles dazu und nach dem ersten Band der "Schach ohne Scheuklappen"-Reihe von New in Chess, in der jeweils nebenvariantige Häppchen in Artikeln so gut aufbereitet wurden, dass man sie sofort spielen wollte, war eh alles vorbei. Später habe ich mich dann generell etwas solider aufgestellt, um noch das Lebensziel des IM-Titels zu erreichen, aber manchmal ist mir einfach nach etwas besonderem zumute. Hilfreich ist dabei sicher auch "Unconventional Approaches to Modern Chess Volume 2" von Großmeister Alexander Ipatov aus dem Hause Thinkers Publishing.

Im ersten Band wurden diverse interessante Eröffnungsansätze für Schwarz fernab der Schablone vorgestellt, nun darf Weiß krauten, was das Zeug hält. Der Aufbau ist dabei wieder wie zuvor. Es gibt einige Varianten in gängigen Systemen, die dem ganzen eine etwas andere Richtung geben als sonst, aber auch ziemlich abgefahrenes Zeug. Als e4-Spieler muss man dabei aber sehr stark sein. Nur eine interessante Eröffnungsidee gibt es zu bestaunen und die ist auch noch recht speziell, weshalb man sie auch hätte weglassen können. Ich hatte sowas aber schon befürchtet, denn erstens ist der Autor ganz klar ein Verfechter von 1.d4, 1.c4 und 1.Sf3 und zweitens ist der oft recht konkrete Charakter der Stellungen nach 1.e4 nicht unbedingt förderlich, viele neue Ideen in bekannten Stellungen zu finden.

Was hat das Buch jetzt zu bieten? Natürlich kann ich hier nicht jede Idee aufzeigen, möchte aber doch ein paar Beispiele nennen, um den möglichen Lesern zu zeigen, worauf sie sich einlassen. Ein häufiges Motiv sind Raumgewinne oder Bauernstürme am Königsflügel. Es fängt gleich mit dem guten, alten abgelehnten Damengambit ein. Weiß steht hier oft mit seinem kleinen Raumvorteil nach 1.d4 d5 2.c4 e6 etwas besser, aber wenn Schwarz sich auskennt, kann es doch etwas langweilig werden. Bei GM Ipatov sieht das dann so aus: 3.Sf3 Sf6 4.Lg5 ist schon etwas ungewöhnlich, kann aber nach einem eingestreuten Sc3 immer noch sehr normal werden, weshalb Schwarz wohl einfach seine Schablone runterspielt. Also kommt Le7 5.e3 0-0 6.Dc2 h6 7.Lxf6 Lxf6, aber plötzlich folgt 8.h4 und Weiß deckt seine Karten auf.

AmSee
Trügerische Idylle mit Erdbeerkuchen, denn: Schach ist ein Kampfspiel

Er möchte mit g4-g5 einen Sturmangriff auf den schwarzen König spielen. Antwortet Schwarz klassisch mit dem Gegenschlag im Zentrum, also 8. ...c5, folgt 9.g4 cxd4 10.g5 und schon sieht es recht trübe für ihn aus. Hier sieht man auch die Idee des Zurückstellens von Sc3, denn sonst wäre dieser nach cxd4 angegriffen. Der Autor gibt hier mit 10. ...Da5+ 11.Sd2 dxe3 12.fxe3 Le7 13.gxh6 gxh6 14.Tg1+ Kh8 15.0-0-0 und ein paar mehr Zügen noch eine kurze Orientierungshilfe und analysiert neben 8. ...c5 auch noch 8. ...c6, 8. ...g6 und 8. ...Sc6 sehr genau und gewissenhaft, um dem Leser eine gute Waffe gegen diese Variante zur Hand zu geben. Aber natürlich geht da noch mehr. Der moderne Trend in den Eröffnungen geht immer mehr zu 1.c4 oder 1.Sf3, die auch ineinander übergehen können.

Durch das Zurückstellen von d4 herrscht noch weniger Spannung im Zentrum und man hat mehr Freiheiten an den Flügeln, in unserem Fall natürlich am Königsflügel. Unter dem Namen Mamedyarov Angriff präsentiert der Autor eine weitere Idee gegen die klassischen Damengambitler. Nach 1.c4 Sf6 2.Sf3 e6 3.e3 d5 4.b3 Le7 5.Lb2 0-0 sieht die Stellung erst nicht ganz so spannend aus, aber der Autor präsentiert nun 5 hochklassige Modellpartien, die zeigen, wie man hier und in verwandten Stellungen etwas Pepp kreieren kann. Zum Beispiel kam in der Partie Mamemdyarov-Karjakin aus Saint Louis 2018 nun nach Zugumstellung 6.Tg1 b6 7.g4 c5 8.g5 Se4 9.d3 Sd6 10.h4 und Weiß hatte einen schönen Raumvorteil, der ihm später einen starken Königsangriff brachte. Weiter hinten im Buch wird diese Idee sogar schon nach 1.Sf3 d5 2.c4 e6 3.g4 entkorkt, um Raum zu gewinnen und den Gegner zu provozieren.

Neben diesen Bauernvormärschen gibt es aber auch noch andere Ideen. Eine mittlerweile recht respektierte gibt es mit dem Jobava Angriff, der nach 1.d4 d5/Sf6 2.Sc3 Sf6/d5 3.Lf4 entsteht. Er bietet eine recht theoriearme Waffe gegen die beiden Hauptzüge und führt wegen der frühen Drohung e4 meist zu der oben gezeigten Stellung, in der Weiß oft mit f3, g4, h4 am Königsflügel Raum gewinnt oder auf e3, Ld3, Sge2, 0-0, Dd2, Tad1, Tfe1 mit einer soliden Stellung setzt, in der Großmeister Baduur Jobava schon einige tolle Partien gewann, die der Leser in diesem Buch in gut kommentierter Form kennenlernen kann.

Daneben fand ich als letztes Beispiel auch die Gambitideen in der Slawischen Eröffnung ganz gut. Die erste brachte eine schmerzhafte Erinnerung in mir hoch, weil ich nach 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4 5.e4 b5 mit Schwarz einmal mächtig unter die Räder des weißen Angriffes kam. Mein Gegner spielte damals das anerkannte Geller Gambit mit 6.e5, aber das ist für das vorliegende Buch zu gut ausanalysiert. Zum Glück kam zuletzt das etwas ruhiger aussehende 6.Le2, das aber auch schon niemand geringeres als Weltmeister Magnus Carlsen gespielt hat. Es bringt etwas frischen Wind in diese Variante und wird in einer gut kommentierten Partie präsentiert, die Lust auf mehr macht. Ebenfalls sehr interessant wirkte auf mich aber auch die Idee nach 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 a6 5.Dc2. Schwarz spielt eine meiner alten Lieben, das Chebanenkosystem, und Weiß geht es nach b5 mit 6.e4 hart an. Nach dxc4 7.b3 spielt Weiß auf eine typische positionelle Kompensation. Ich hätte mir hier ein paar Varianten nach cxb3 gewünscht, da der Partiezug Da5 zwar kämpferisch, aber nicht unbedingt natürlich wirkt. Das ist hier und da ein kleiner Kritikpunkt, aber meist bekommt der Leser alles mitgeliefert, um die jeweilige Variante gleich erfolgreich ausprobieren zu können.

Unconventional Approaches 2

Bei der Darstellung der Systeme gibt wie beim Vorgänger zwei Arten. Mal wird aus vielen Partiefragmenten und eigenen Analysen ein Bild der Variante gezeichnet, mal gibt es eine interessante Partie als Aufhänger, in der die typischen Ideen in verbalen und Analyse-Kommentaren aufgezeigt werden.

Insgesamt kann ich sagen, dass hier für Freunde der geschlossenen Eröffnung viele moderne und überraschende Ideen aufgezeigt werden, die viel Gift mitbringen. Der Autor ist dabei aber dennoch stets objektiv und versucht nicht, in jeder empfohlenen Variante Vorteil zu zeigen, zeigt aber in den unklaren Stellungen dennoch genug Ideen, dass man aufgrund des Wissensvorsprunges gut gewappnet sein sollte. Ich kann dieses Buch sehr empfehlen, wenn man einmal Lust auf weniger ausgetretene Pfade und skurrilere Stellungen hat!

IM Dirk Schuh

Juni 2020

Frohe Weihnachten, Ihr Lieben!
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24. Dezember 2020

ho ho ho

Ein langes und offenkundig trübes Jahr geht zu Ende. Zeit für etwas Wärme und etwas Licht, für das Chanukkah-Fest und für Weihnachten, oder das Zuckerfest, wenn es denn schon so weit wäre. Es war ein krummes Jahr, und am Besten wird in 2021 alles viel viel besser. Dann gucken wir zurück und sagen "Hey Mann, war das bitter, zäh, einsam in 2020 - aber jetzt haben wir das Schlimmste hinter uns!". Dann machen wir weiter und retten die Welt, und was wir Menschen davon noch übrig gelassen haben. So geht's!

schachstudienkatze
Nächstes Jahr wird besser

Weihnachten also! Ho ho ho, macht es alle gut, bleibt GESUND und seid auf der Hut. Übt auch mal ein bisschen Schach und schiebt die Figuren über das hölzerne Brett - denn das ist wohltuend, so sagt man ja. Frohe und mußevolle Feiertage Euch allen!

Roooar ... hier kommt das Halbfinale!
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Bumm bumm bumm. Lauter Highlights, große und kleine, an diesen letzten Tagen vor Weihnachten, und offenbar geht es in hohem Tempo auch gleich weiter, wenn die Feiertage vorüber sind!

Es locken unter anderem

- die Norddeutschen U12-Vereinsmeisterschaften online am 28.12.

- das Luftsachen-Masters, mit Magnus Carlstedt und vielen weiteren Großmeistern, los geht es am 26.Dezember

 atmo
Bis auf Weiteres erstmal noch nicht wieder so: Schach bleibt online

Vor dem Heiligen Abend schon:

- Matthias Blübaum wird Dritter bei der Online-EU-Meisterschaft!

- Frederik Svane (ja, genau, aus Lübeck!, und Bruder von ... !?) gewinnt den Welttitel der U16-Junioren - heidewitzka, was für ein Erfolg. Wir gratuliiiiiiieren!!

- und ... die Werdertigers regen (räkeln?) sich vor Weihnachten ebenfalls noch einmal und starten mit dem ersten Halbfinale ihres zweiten weltweiten K.O.-Turniers.

 Werdertigers 2

Heute abend ab 19 Uhr treten an in der charmanten Playchess-Lounge zu einem heroischen Match Best of Eleven:

Collin Colbow - Jonathan Carlstedt

In gewisser Weise sind auch hier wieder beide Kontrahenten favorisiert - einerseits der Werderaner Collin, hat er doch Jonathan im Frühjahr aus der gleichnamigen Erstauflage des Wettbewerbs werfen können.

Andererseits natürlich auch der Werderaner Jonathan, der im Frühjahr parallel zu ebenjenem Match auch online kommentierte - das mag ihm schachlich zum Verhängnis geworden sein, denn die letzten Runden gingen mehr oder weniger an Colin.
Jonathan also ist gewarnt, ist präpariert, ist Lichtgestalt, doch das wiederum weiß selbstredend auch Collin und wird sich gut vorbereiten.

Unsere ehrliche Voraussage lautet daher: eijeijei, das wird ein ganz enger Wettkampf!

Collin
Frisch aufgenommen in den Deutschen Leistungskader: Collin Colbow

Carlstedt Werderstadion
Lichtgestalt vor großer Kulisse: Jonathan Carlstedt im Weserstadion (Foto: André Colbow)

Co Kommentatore
Der Kommentatore und sein Team sind bereit

Wir übertragen und kommentieren live bei Twitch - seid dabei und schaut vorbei. Wir freuen uns!

(Das zweite Halbfinale zwischen Stephan Buchal und Spartak Grigorian wird in Kürze terminiert!)

Es kann nur einen geben
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Schooon geht es wieder rund auf unserem viereckigen Spielfeld - heute abend sehen wir das erste Viertelfinale des Werdertigers Cup 2.0!

Wir freuen uns auf die heutige Begegnung, einen modernen Klassiker und heimlichen Weltmeisterschaftskampf zwischen zwei Großen unserer Metiers:

David Höffer (SK Delmenhorster SK) - Jonathan Carlstedt (SV Werdertigers)

Hier ist einer wieder stärker als der Andere, und wir werden es uns in einem Match Best of Eleven gerne live mit anschauen, wer zumindest heute dieser Stärkere sein wird.

Favorisiert ist zum einen Vorjahresfinalist David Höffer, der wie kein anderer den Werder Monatsblitz von alters her dominiert und in mehr als 100% der Turniere den Sieg davongetragen hat. Unglaublich, aber - keine Chance für die anwesenden Blitzschachfreunde aus aller Welt!

Mehr über David erfahrt Ihr hier in einem ausführlichen Interview.

David
Kann auch mit wenigen Figuren gewinnen: David Höffer

Favorisiert ist aber auch Jonathan Carlstedt, Trainer des SVW, Lichtgestalt, Multitalent und 1.d2-d4-Spieler - was haben wir von ihm nicht schon alles für schöne Züge gesehen? (außer vielleicht 2.Lc1-f4 nach 1.d2-d4).

Wenn jemand das Blitzschachungeheuer Höffer stoppen kann, dann ist es unbedingt vielleicht Jonathan. Auch den Berichterstatter hat er schon mit einem glasklaren 6,5 - 0,5 im Achtelfinale auf die stille Treppe verweisen können - und so lauert auf ihn nun ein richtig universell gefährlicher Gegner.

Jonathan und Werder 2020
Jonathan (3.v.l.) und die Werderboys beim CD Meyer-Gedenkturnier 2020

Das titanische Match wird wie alle anderen auch ausgetragen bei Chessbase, Partner des SV Werder, auf dem Playchess-Server in der coolen Werdertigers-Lounge. Die Spieler sind dort in Bild und Ton zu sehen - ein besonderes Feature, sehr schön, sehr schön!

Übertragen und mit etwas Kommentarsenf versehen wird dieses Viertelfinale ab 20 Uhr auf www.twitch.tv/werdertigers. Schaut vorbei und diskutiert ein wenig mit!

Zwei weitere Viertelfinal-Runden sind bereits avisiert, auch hier kommentieren wir live auf Twitch:

Spartak Grigorian (Werder) - Jari Reuker (Werder), Sonntag 15 Uhr

Matthias Ahlberg (SG Weißensee 49) - Stephan Buchal (Werder), Sonntag 17 Uhr

Die vierte Begegnung lautet

Rolf Hundack (Bremer SG!) - Collin Colbow (Werder)

Studien - meist nur mit wenigen Figuren
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Von Dr. Oliver Höpfner, Bremen

Der im März 2020 gestorbene frühere Trainer der Schachabteilung von Werder Bremen Claus Dieter Meyer (1946 – 2020) – von allen nur C. D. genannt – hat im Laufe seines Lebens unzählige Schach-Trainingsstunden für die verschiedensten Spielstärke-Gruppen durchgeführt.

Die Spannbreite der Teilnehmer bei seinen vielen Trainings-Terminen reichte dabei vom fünfjährigen Anfänger, über fortgeschrittene erwachsene Schachspieler mit einer DWZ um 1500, den ambitionierten Vereinsspieler, ehrgeizige Jugendspieler in Hamburger und Bremer Leistungskadern bis hin zum erfahrenen Bundesligaspieler.

Inhaltlicher Bestandteil des Trainings von C. D. waren dabei seinerzeit oft auch Schachstudien. C. D. hielt sehr viel von dem Training mit Studien. Studien – der Rezensent Harry Schaack schrieb bei der Rezension des Studienbuches "Studien für Praktiker" in der Schach-Zeitschrift KARL 1/2009 einmal sehr blumig, dass „Studien (…) die Umsetzung von Schachwissen in ein reines, ästhetisches Konstrukt einer Schachposition - Poesie auf karierten Feldern“ sind, waren deshalb ein wichtiger Bestandteil seiner Trainingsstunden.

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Zu Ehren von C. D.: Gedenkturnier bei Werder im Herbst 2020

Ebenso wie die leider auch schon verstorbene russische Trainer-Legende Mark Dworetski war C. D. auch außerordentlich an der Praxisnähe der Studien interessiert, die er in seinem Training verwendete. Der frühere russische Weltklasse-Schachgroßmeister Artur Jussupow schrieb in dem Vorwort des oben schon erwähnten Buches "Studien für Praktiker", warum Dworetski – und damit auch C. D. - partienahe Studien bevorzugte. Er schrieb:

„Und noch dazu liegen diese Studien sehr nah am praktischen Spiel, weswegen der aufmerksame Leser viel davon lernen kann: Angriff und Verteidigung, Endspiel, taktisches Sehvermögen und Variantenberechnung werden in diesem Buch stark gefördert.

Mein Schachtrainer und der zweite Autor dieses Buches Mark Dworetsky benutzt wahrscheinlich wie kein anderer Studien im Training. Er hat bereits in der "vor Computer"-Zeit eine große Stellungskartei mit mehreren tausenden verschiedenen Übungen erstellt. Diese Übungen sind auch nach verschiedenen Themen sortiert und werden sehr aktiv im Training genutzt. Dabei spielen auch die Studien eine wichtige Rolle.

Einige Studienstellungen muss man von Anfang bis zum Ende berechnen. Andere darf man mit einem Trainer oder gegen einen Trainingspartner ausspielen. Dabei trainiert man sich in echten Kampfbedingungen, muss viele schwierige Entscheidungen treffen und die Zeit für die ganze "Partie" richtig verteilen, da wir oft nicht genau wissen, wo der kritische Moment liegt.“

Ein Studienkomponist, der immer sehr praxisnahe Studien mit spektakulären und unerwarteten Ideen komponierte, war der französische Schachmeister und Studienkomponist russischer Herkunft Alexei Sergejewitsch Selesnjow (1888 – 1967).

Selesnjow
Alexei Selesnjow (1888 - 1967)

Selesnjow war ein sehr starker Turnierspieler und hatte eine historische höchste Elo-Zahl von 2619 (Januar 1920). Er belegte zum Beispiel 1927 außer Konkurrenz Platz eins der ukrainischen Meisterschaft.

C. D. war ein großer Fan der praxisnahen Studien von Selesnjow. Er besaß daher natürlich auch das kleine Studienbuch „35 Endspielstudien von Schachmeister A. Selesnieff“ (Verlag Bernhard Kagan, Berlin 1919), dass Selesnjow zusammen mit dem damaligen Schach-Weltmeister Emanuel Lasker verfasst hatte.

Eine der Studien aus dem kleinen Büchlein war dabei die folgende Komposition von Selesnjow. C. D. zeigte diese kleine Perle der Studienkomposition im Laufe der Jahre relativ oft in seinem Training. Die Teilnehmer an seinem Training waren dabei nahezu immer fasziniert von der Lösung dieser kleinen, aber nichtsdestotrotz sehr einfallsreichen und eleganten Studie.

Nun ist also der Leser am Zug. Wie kann Weiß in der Diagrammstellung – trotz Minus-Bauer und zwei entfernten schwarzen Freibauern – die Partie noch gewinnen? Viel Spaß bei der Lösung der Aufgabe.

Selesnjow1
Alexei Sergejewitsch Selesnjow, 1919

Oliver Höpfner, Bremen

Anmerkung der Redaktion: Das Lösen - überlassen wir unseren verehrten LeserInnen im Kommentarbereich. Zeigt was Ihr könnt ... ! 

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UPDATE: Und nun ist es soweit - am 11.Januar erhaltet Ihr die Lösungen, liebe LeserInnen! (Mit großem Dank an Udo Hasenberg, für den geduldigen und sehr hilfreichen technischen Support)

 

Lieber mal rechtzeitig umsteuern
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Einen guten dritten Advent allen Leserinnen und Lesern!

Bald tauchen wir leider ab in einen neuerlichen Corona-Lockdown, und anders als im Frühjahr werden wir viel drinnen sitzen müssen, Heizung an, draußen grau, es könnten zähe Wochen werden. Zählen wir die Tage bis Mitte Januar, und hoffen wir, es wird dann so langsam alles wieder besser.

Eine weitere Krise bahnt sich derweil hinter den Kulissen an, fast unsichtbar, fast noch unspürbar. Die Erde, unser Planet, heizt sich auf und auf und auf.

Noch ein paar Jahre, und es wird zu spät sein, diesen Trend zu stoppen. Und wir sind es, die in einigen Jahren mit allen üblen Folgen davon leben müssen. Stürme, Hitzeperioden, Dürren, Feuer, Artensterben, Hungersnot, das ganze Programm. Traurig genug.

mit schwalbe oder so
Open Schwarzach/ St.Veit 2019 - alles sieht scheinbar noch gut aus

Ändern können wir im Einzelnen die Welt natürlich nicht. Doch wir können helfen, dass wir persönlich sie nicht noch schlechter machen. Vorschläge dafür gibt es viele:

- Verkauft Euren SUV und fahrt mit dem Fahrrad zum Schach.

- Nehmt die Bahn für die Reise zum Auswärtsspiel, und nicht das Flugzeug.

- Kauft mehr Bio-Artikel, seid radikal - jedes nachhaltig hergestellte Produkt hilft, dass die Bienen, Insekten, Vögel an anderer Stelle nicht durch beinhart pestizid-und düngerversprühende Landwirtschaft umgelegt werden. Bio-Kaffee bei Schachturnieren! Einkäufe sind Stimmzettel - schützt Eure Umwelt mit dem, was Ihr kauft.

- Häuser gut isolieren, Ökostrom fördern, fossile Energien beschränken. Und Wildblumenwiesen pflanzen vor dem Vereinslokal!

scharnhorststrae
OK, es ist kompliziert ...

Was das alles hier soll, auf einem Schachblog? Eine gute Frage! Vielleicht, weil es einfach notwendig ist, und wichtig, und weil wir als Menschen demütiger, zurückhaltender werden sollten.

Schachlich-prophylaktisch im Sinne von Mark Dvoretsky gedacht, vielleicht auch, weil wir ohne ein frühes Umsteuern bald nicht mehr in Ruhe Schach spielen werden. Corona macht es vor, dass andere Probleme gewaltig und wichtig werden können, und uns den gesamten Alltag, so wie wir ihn kennen und kannten, zerschießen.

Können wir nicht den Wandel in die eigene Hand nehmen, und schon jetzt so gut es geht vorbeugen, gegensteuern? Das wäre angewandte Prophylaxe, und hey, wir sind doch alles Schachspieler. Kennen wir doch! Wer, wenn nicht wir?

Denn ändern wird sich etwas - entweder jetzt durch uns und in halbwegs eigener Regie. Oder in 25 Jahren, wenn die Welt, die wir kannten, untergeht.

Da ist es doch besser, lieber jetzt schon etwas zu tun.


"This is the solution. We are the hope."

"Die Klimaaktivistin Greta Thunberg kritisierte den digitalen Klimagipfel und seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer. "Beim Climate Ambition Summit feiern Anführer ihre schamlosen Schlupflöcher, leeren Worte, unzureichenden Fernziele und den Raub heutiger und künftiger Lebensbedingungen – und nennen es 'Ehrgeiz'", schrieb Thunberg auf Twitter. "Es gibt keine Klima-Anführer. Die einzigen, die das ändern können, seid ihr und ich. Zusammen." (Zeit Online, 13 Dezember 2020)

Warum wir Verlieren lernen müssen!
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Am 12. Dezember 2020 feierte der Österreichische Schachbund sein 100jähriges Bestehen unter anderem mit einem wunderschönen Magazin „Das Spiel der Könige“ in dem bekannte Persönlichkeiten Artikel zum Schach geschrieben haben. Diese Artikel befassen sich mit der Geschichte und Gegenwart des österreichischen Schachs und so kam auch die Krennwurzn zur Ehre seinen Senf – äh Kren (Meerrettich) dazugeben zu dürfen. Und diesen Artikel wollen wir unseren Lesern hier vorstellen.

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Warum wir Verlieren lernen müssen!

Schachspieler sind nicht als gute Verlierer bekannt und es geistern so Sprüche: „Ich habe in meiner Schachkarriere wirklich viel erreicht, aber es ist mir niemals gelungen gegen einen gesunden und ausgeschlafenen Spieler zu gewinnen“ durch die Bonmotsammlungen der Schachwelt. In Filmen wird dieses schlechte Verlieren können mit Wegstürmen vom Brett, Umwerfen der Figuren oder sogar mit körperlichen Attacken auf den Gegner noch dramatisiert – obwohl so manches davon hat sich wohl auch schon in realen Gefilden abgespielt. Das heimliche Leid der Verlierer wird dabei gar nicht beleuchtet, aber fast jeder kennt Schachfreunde, die nach einer Niederlage die Meisterschaftssaison beenden, eine Schachpause einlegen, etc. Eine Niederlage ist natürlich niemals wirklich erfreulich und Emotionen machen unser Spiel auch interessant, aber ein vernünftiger Mensch sollte nach einer kurzen Abkühlphase – am besten noch vor der Aufgabe am Brett – in der Lage sein, sich und seine Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Zur Ehrrettung der Schachspieler möchte ich auf den tschechischen Super-GM David Navara hinweisen, der nicht nur außerordentlich fair ist, sondern auch mit Anstand und Würde verlieren kann. Bei einer Bundesligarunde 2019 in Linz hat sich nach der Zeitkontrolle in einer ultrascharfen Partie der Pulverdampf verzogen und Navara stand vor der Ruine seines Tuns. Er ordnete seine Sachen, kontrollierte die Mitschrift und blickte dann auf die Stellung. Sogar als Nebenstehender merkte man wie er immer ruhiger wurde, dann aufstand einen kleinen Knicks machte und dem Gegner zum Gewinn gratulierte – ganz ruhig und ohne theatralische Geste: einfach ehrlich!

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Was wir von Marcel Hirscher lernen können?

Spielt Marcel Hirscher jetzt nach seinem Rücktritt Schach? Das weiß ich leider nicht, aber es geht obwohl wir vom mindestens besten Schifahrer des zurückliegenden Jahrzehntes sprechen, um die Fähigkeit mit dem Verlieren umzugehen. Hirscher wurde einmal in einem Interview gefragt wie er mit der Gefahr des Einfädelns umgeht.

Als „Einfädeln“ bezeichnet man im Skisport umgangssprachlich das nicht korrekte Passieren eines Tores, bei dem der Innenski auf der falschen Seite einer Torstange vorbeigeführt wird und die Stange somit zwischen Innen- und Außenski gerät. Der Läufer gilt damit als ausgeschieden. Beendet er seinen Lauf dennoch, hat das eine Disqualifikation sowie eine Geldstrafe zur Folge.

2020Verl03Obwohl man Einfädler mit all ihren Zufallskomponenten nicht kontrollieren kann, muss dennoch vorher ein Fehler meinerseits passiert sein. Analysiert man nachher diese Fehler, so kann man zwar einige ausmerzen, aber es bleibt immer ein Rest zur Perfektion über. Hirscher kam zu dem Schluss, dass es den perfekten Schifahrer nicht gibt (geben kann) und er mit dieser Unperfektion leben muss und er folgerte daher: wenn ich mit diesem Risiko fahren möchte, dann muss ich Einfädler einfach akzeptieren und schnell abhacken, denn langsamer und damit sicherer möchte ich nicht fahren. Ich muss einfach nur akzeptieren, dass ich nicht perfekt bin und das ist eigentlich ganz leicht, denn niemand ist perfekt.

Gibt es den perfekten Schachspieler?

Nein – das ist heute in der Computerära allen klar, aber in der Vergangenheit gab es gerne die Illusion davon und dieser eigentlich unrealistische Mythos geistert auch heute noch durch unser Denken und Fühlen. Vor 100 Jahren als der ÖSB gegründet wurde, hatten Schachmeister die absolute Deutungshoheit und als die Krennwurzn vor 30 Jahren die Schachszene betrat, galt noch: Halt die Klappe, wenn die Meister sprechen! Sogar im Vorjahr war in einem Editorial eines Schachmagazins vom fehlenden Respekt der Meute gegenüber den Spitzenspielern zu lesen, dessen Unterton Respekt mit Unterwürfigkeit und Anbetung verwechselte.

Früher dachte man Schach sei eine Kombination aus Kunst, Wissenschaft und auch ein wenig Sport – jedenfalls sind die Meister mit Talent und Wissen gesegnet und ganz sicher aber unfehlbar! Dann kamen die Schachcomputer, die zuerst von allen belächelt wurden. Im Rahmen der zweiten Ars Electronica fand im September 1980 in Linz die 3. Computerschachweltmeisterschaft statt, die Ken Thompson mit „Belle“ gewinnen konnte. Der Unixentwickler wurde im Vorjahr einer größeren Gruppe von Menschen bekannt, weil er vor 39 Jahren das Passwort „p/q2-q4!“ benutzte. Es steht in der nicht mehr so gängigen beschreibenden Notation für die Damenbauerneröffnung d2–d4.

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Aber wie in der Computerbranche üblich ging auch im Computerschach die Entwicklung rasend schnell voran und schon 1997 musste sich der amtierende Weltmeister Garri Kasparow dem Rechner Deep Blue geschlagen geben. Und als dann die 11. Computerschachweltmeisterschaft 2003 in Graz stattfand, war vielen schon klar, dass die Maschinen besser sind als es die Menschen jemals sein werden.

Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, aber alte Vorurteile sterben nie und so dauerte es eine Weile bis diese Erkenntnis mehrheitsfähig wurde. Nur in die Praxis haben wir diese Erkenntnis nicht umgesetzt, denn wir träumen immer noch vom perfekten Schach, der Partie aus einem Guss und damit von unserer Unbesiegbarkeit! Wir sind noch keine Hirscher geworden, denen unsere eigene Fehlbarkeit klar geworden ist. Wir sind noch nicht zu neuen Ufern aufgebrochen!

Warum unsere Fehlbarkeit das Schach überleben lässt?

Das klingt zwar zuerst paradox, ist aber streng logisch. Schach ist klarerweise keine Kunst, denn dafür fehlt die Freiheit sich über Grenzen hinwegzusetzen. Wissenschaftlich ist es ein lösbares Rätsel auch wenn viele jetzt aufheulen und von der „Unendlichkeit“ oder den nahezu unendlichen Möglichkeiten des Schachs immer noch träumen. Aktuelle Computer können Schach auch aus physikalischen Gründen nicht restlos lösen und die fertigen 32 Steiner (aktuell sind wir bei den gelösten 7 Steiner Tablebases) werden wir in den nächsten 100 Jahren mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht haben, aber Schach wird praktisch gelöst sein mit einem kleinen Restrisiko. Und man kann – ebenfalls mit einem kleinen Restrisiko – sagen, dass Schach wohl REMIS ist, denn auch bei den aktuell innovativsten Ansätzen wie Alpha Zero gehen die meisten Partien Remis aus und Alpha Zero verliert nur mehr um die 2% der gespielten Partien.

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Dann ist Schach gelöst und für uns Menschen verloren – diesem Denkfehler fallen vor allem die Romantiker zum Opfer, die die Maschinen verfluchen und nicht begreifen, dass uns eine zu tiefst menschliche Eigenschaft vor dem schon zur Gründungszeit des ÖSB angekündigten Remistod rettet: unsere Fehlbarkeit!! Wir schaffen es nicht perfektes Schach zu spielen – niemand schafft das und wir wissen das eigentlich schon seit 1997 und seit Mitte der Nullerjahre ist das eigentlich sonnenklar!

Aber wir wollen das immer noch nicht wahrhaben: Alle Menschen sind Patzer und das ist gut so!! Und eine weitere Erkenntnis ist, da wir nicht perfekt sind (sein können), müssen wir Verlieren lernen und zwar hurtig.

Verlieren lernen – warum?

Wir lesen immer nur von Siegen und Erfolgen und vergessen komplett, dass es ohne Verlierer keine Sieger geben kann und wir unsere Einstellung zu Sieg und Niederlage ändern müssen: beide sind untrennbar „part of the game“. Starten wir unser Nachdenken mit Berthold Brecht:

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
„Wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich.“

Es ist im Prinzip ganz einfach, denn in einer Schachpartie wird ein Punkt aufgeteilt und zwar entweder zwei gleiche Teile beim Remis oder eben ein Sieger und ein Verlierer. Damit es einen Sieger gibt, muss es zwangsläufig einen Verlierer geben. Gut das ist verständlich, aber warum verlieren wir? Auch das lässt sich einfach beantworten: weil wir Fehler machen und nicht unfehlbar sind! Und jetzt sind wir wieder bei Hirscher und der Erkenntnis, dass die Ursache des Einfädlers nicht irgendwelche bösen und gemeinen Umstände sind, sondern eine einfache Folge unserer eigenen Fehlbarkeit. Und so ist es auch im Schach, die Ursache der Niederlage kann nicht der Gegner sein, nein die Ursache der Niederlage ist man nur selbst bedingt durch die uns Menschen gegebene Fehlbarkeit!

Eigentlich wissen wir auch das schon lange wie uns Sprüche wie „der vorletzte Fehler gewinnt“ usw. sagen, aber wir wollen es nicht umsetzen. Oftmals sind es gerade die romantischen Maschinenstürmer die Probleme mit der Fehlbarkeit haben. Einerseits sagen sie, dass Schach niemals gelöst werden könnte, weil es weniger Elementarteilchen als Schachstellungen gäbe – was zwar nicht stimmen dürfte – aber der Bau so einer Festplatte würde allein schon aus Gründen der Schwerkraft scheitern. Anderseits träumen sie trotz dieser immensen Zahlen von der Unfehlbarkeit des Menschen??

Bevor wir Verlieren lernen, müssen wir daher viele alte Zöpfe abschneiden und Schach auf neue Beine stellen. Und sie werden es nicht glauben: auch diese Entwicklung läuft schon seit den Nullerjahren und Vorreiter ist u.a. der Mozart des Schachs: Magnus Carlsen. Allerdings ist Carlsen noch ein schlechter Verlierer, wie er selbst sagt, geht er nach einer Niederlage oft TILT. Aber Carlsen hat erkannt, dass die alte Herangehensweise mit Eröffnungsvorbereitung und schnellen Remisen in die Sackgasse Remistod führen muss. Er sucht daher nicht mehr nach Eröffnungsvorteil -den es ja aus theoretischer Sicht gar nicht geben kann, da Schach ja wahrscheinlich Remis ist – sondern nach spielbaren Stellungen und spielt auch remisliche Stellung gegen stärkste Gegnerschaft weiter. Das brachte ihm am Anfang seiner Karriere sogar den unterschwelligen Vorwurf der Respektlosigkeit ein.

Ich habe aber den Eindruck, dass Carlsen genau weiß, dass er ohne Fehler seines Gegners nicht gewinnen kann. Und mit diesen Fehlern ist es auch nicht so leicht, denn erstens muss der Gegner diese machen und zweitens muss man selbst diese erst erkennen und auch bestrafen können. Um den Gegner die Chance auf Fehler zu geben, muss man etwas riskieren und asymmetrische Stellungen oder Materialverteilungen anstreben und das ist mit Risiko verbunden. Auch das haben viele schon erkannt und Risiko bedeutet, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt. Hier möchte ich noch einmal Carlsen aus einem Interview nach der Partie gegen Jorden van Foreest in Wijk aan Zee im Jänner 2020 zu Wort kommen lassen: Er sagte, dass er hoffte die zerstörte Bauernstruktur mit dem Läuferpaar und Initiative kompensieren zu können, aber nach dem vorbereiteten 16. g4 stand er komplett auf Verlust. Im Interview wirkte er gar nicht so besorgt über diese Möglichkeit – vielleicht auch weil die Partie dann noch in einem Remis geendet ist und er schon vorher den Weltrekord über die längste ungeschlagene Serie an Turnierpartien gebrochen hatte.

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Die Eröffnungsvorbereitung steht ja schon lange in der Kritik und sogar der Weltmeister Bobby Fischer wollte mit seinem Fischer-Random oder wie mein heute sagt „Chess960“ das Schach vor dem Vorbereitungstod retten. Auch das ist aus theoretischer Sicht ein Irrweg, denn bei der astronomischen Zahl von Schachstellungen (10hoch54) macht ein maximaler Faktor von 960 (der in der Realität noch dazu viel tiefer liegt) praktisch nichts aus. Zudem müssten neben der fehlenden und schönen Symmetrie des Schachs auch alle 960 Anfangsstellungen ebenfalls Remis sein.

Aber lassen wir das und beschäftigen uns mit dem Vorbereitungsmythos. Denn auch hier ereilt die Spitzenspieler ein Schicksal, das wir Patzer schon immer hatten: die Fallhöhe von Vorbereitung zum eigenen Spiel. Natürlich spielt die Krennwurzn auch „Theorie“ und diese wurde früher von Großmeistern und deren Sekundanten in vielen Arbeitsstunden und Diskussionen am und neben dem Brett entwickelt. Nun irgendwann in der Partie ist die Vorbereitung vorbei und man sitzt vor einer 2800er Stellung mit dem schachlichen Rüstzeug einer 1800erters. Eine Fallhöhe von 1000 Elo ist schon ganz schön hoch und sorgt für erhebliche Schwierigkeiten am Brett, denn man hat ja nur etwas auswendig Gelerntes heruntergebetet ohne auf Pläne, Fallstricke, persönliche Vorlieben etc besondere Rücksicht genommen zu haben. Durch die Entwicklung der Computer stehen nun auf einmal auch die besten Spieler der Welt vor dem gleichen Problem: es gibt eine Fallhöhe von der mit Computern mitentwickelten Theorie zum eigenen Spiel und diese Fallhöhe liegt auch schon um die 500 Elo und könnte noch ein wenig steigen. Plötzlich spielt man Theorie, die man nicht selbst entwickelt hat, sondern die man „nur gelernt“ hat – eine neue Erfahrung für Topspieler.

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Und damit steigt das Risiko auf Fehler – das ist durchaus logisch und das haben schon viele von uns am eigenen Leib erfahren: entweder hat man selbst nach der Theoriephase gleich gepatzt oder aber der Gegner. Jetzt kommen wir zur entscheidenden Frage:

Wer oder was ist für Niederlagen verantwortlich?

Mit der Annahme, dass die Grundstellung Remis ist, liegt die Ursache nicht im Spiel Schach selbst. Ebenfalls ausschließen können wir den Gegner, denn dieser kann uns zwar in nicht so geliebte Gefilde, aber nicht aus eigener Kraft in die Niederlage entführen. Bleiben nur wir selbst über! Wir selbst sind der Grund für unsere Niederlagen und zwar weil wir nicht perfekt sind, sondern fehlbare Wesen. Unsere Fehlbarkeit ist der Grund für Niederlagen und das ist eine ganz natürliche Angelegenheit und da landen wir wieder bei Marcel Hirscher:
Wenn wir Schach spielen wollen, müssen wir mit Niederlagen leben!

Und hier haben wir noch große Defizite! Denn es gibt keinen anderen Ausweg – denn Perfektion werden wir Menschen nicht erreichen können. Wir müssen verlieren lernen und lehren. Ja das Lehren ist fast noch wichtiger als das lernen, denn wir dürfen ja nicht uns bekannte Fehler an die kommenden Generationen weitergeben. Das wäre nicht nur dumm, sondern auch unfair. Es gibt ja die Weisheit: wenn Du einen Gegner nicht schlagen kannst, dann verbünde Dich mit diesem. Und da wir unsere Fehlbarkeit nicht ablegen können, bleibt uns nur der Ausweg mit dieser zu leben und die Konsequenzen beispielsweise das Verlieren beim Schach so wie das Einfädeln beim Slalom einfach zu akzeptieren.

Eigentlich ist es ganz einfach: eine Niederlage sagt uns nur was wir auch schon vorher wussten: wir sind fehlbar! Akzeptieren wir das, werden wir mehr Freude am Wettkampf und am Schach finden, denn Verlieren zu akzeptieren ist eine Win-win-Situation!!

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Das komplette Jubiläums-Schach-Magazin zum Onlinedurchblättern!

Die Liga der außergewöhnlichen Jugendlichen
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Ho, ho, ho! Werder lud zum Schachturnier am Nikolaustag, unser Partner Chessbase steuerte großzügig tolle Preise bei, und so saßen am 06.Dezember in aller Herrgottsfrühe (10 Uhr am Sonntag!) rund 20 TeilnehmerInnen aus nah und fern am virtuellen Nikolausstiefel zusammen und wärmten sich am gemeinsamen Bildschirm der Live-Übertragung.

Gaby Assmann, von Chessbase als souveräne Turnierleiterin freundlich nach Bremen entsandt (danke, Gaby!), steuerte ihre SpielerInnen durch die sieben Runden bei einer Bedenkzeit von 12 Minuten + 6 Sekunden pro Zug. Das war ein sozusagen innovatives Zeitformat, auch vor dem Hintergrund, dass in vielen Turnieren allüberall ja auch gerne mal bei 3 + 2 in flotter Folge die Züge aufs Brett gehämmert werden müssen. Doch wie soll dabei weihnachtliche Stimmung aufkommen? 3 + 2 wäre Vorweihnachtsstress geworden in einer ohnehin schon nicht unbelasteten Zeit – darum hatte sich Werder Chief Turnierleiter Udo Hasenberg für eine schöne Runde mit entspannteren 12 + 6 am Nikolaustag entschieden. Angenehm!

Das eher kleine, aber sehr feine Teilnehmerfeld sah zahlreiche Werderanier und Werderanierinnen, ergänzt um Gäste aus fernen Bundeslanden. Und so war es dann auch ein Spieler aus umzu, der mit dem ersten Preis von dannen zog – die neue und weithin gelobte DVDs von Marco Baldauf „Caro Kann - Berliner Geheimvarianten 1 +2“ ging an Paul Plum vom Schachclub ML Kastellaun!

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In Ermangelung aktuellerer Turnierbilder - hier das Simultanspiel Andreas Calic - Luke McShane, Bremen 2019

Wunderwelt des Onlineschachs

Paul ließ die zahlreich vertretenen grün-weißen Schachfachkräfte allesamt hinter sich wie Nikoläuse auf einem abgesagten Weihnachtsmarkt und steuerte entschlossen auf den Spitzenplatz zu. Ein hübscher Sieg gegen FM Stephan Buchal, ein kühler Kopf gegen FM Olaf Steffens und den stark aufspielenden Dr. Irmin Meyer, dann zweimal Abfedern gegen IM Martin Zumsande und FM Collin Colbow – schon stand das Adventskalendertürchen für Paul weit offen und der Gewinn des Turniers war mit 6 Punkten in trockenen Weihnachtsdecken.

Wie schon im Frühjahr, als der Fischbeker Jugendliche David Serrer (DWZ 1550) einige IMs recht sensationell hinter sich ließ, überraschte damit erneut ein junges Talent von unter 18 Jahren . Mit sehr zügigem und fast durchgängig fehlerfreiem Spiel verblüffte er nicht nur die versammelte Spielerschaft, sondern übertraf mit einer schönen Online-Performance von rund 2400 auch deutlich seine Über-das-Brett-DWZ von 1930. So soll das sein – auch ein sehr starkes Computerprogramm hätte das wohl nicht viel besser hinbekommen können.

Glückwunsch an Paul zu diesem außerordentlichen Ergebnis!

Die Plätzchen hinter Paul teilten sich Martin Zumsande (ebenfalls 6 Punkte) vor Irmin Meyer on fire (5!), Collin Colbow und Stephan Buchal.

Nicht den Senioren- (hört, hört), aber den Ü50-Preis gewann zum ersten Mal in seinem Leben Olaf Steffens, und auch Burkard Lloyd Shang (Frankfurt/Main) erhält als bester U1900er einen Gutschein des Schachversands Niggemann.

Tom Hofmann sicherte nach unten alles ab und setzte sich souverän auf den ersten Rang der zweiten Tabellenhälfte. Damit füllte er den Nikolausstiefel für sich mit einem Buchpreis, ebenso wie Matthias Heiligtag (DJK Aufwärts Aachen) als bester U18-Spieler.

Grün Weiß Werder
Grün-weiß macht sich überall gut

Es war ein kurzweiliges Turnier mit guter Laune auch im Chat zwischen den Runden. Beim nächsten Mal (Oster-Open, Karnevalsturnier, Nikolausturnier?) sehen wir uns dann wieder, und gerne noch ein paar SpielerInnen mehr! So schön es auch ist gemeinsam im Netz - am Liebsten aber spielen wir dann aber wieder in echt, in real, mit veritablen Holzfiguren und Uhren, auf denen man raufhämmern kann (aber nicht soll). Mögen die schweren Corona-Zeiten bis dahin schon längst Geschichte sein. Hohoho!

Wenn der Gegner was kann, verliert man doch gerne

Noch ein Fragment aus der Mitte des Turniers – mit Schwarz gegen SF Tinz (= der bärenstarke Martin Zumsande) erreichte ich die folgende Stellung:

Diagramm Tinz Ste
   Nach 10.Lc1-f4, f7-f6

In meinem Wahn meinte ich hier noch, „ganz aussichtsreich“ zu stehen, allein, dem war nicht so. Schwarz knabbert mit f7-f6 zwar am fragilen weißen Zentrum, und weil der Läufer f4 hängt, geht auch nicht 11.exf6.

Martin boxte mich aber nun direktaus der Partie mit einem ungemein hübschen Kraftzug – was spielte er im gewinnbringend im 11.Zug?

Nikolausturnier Werder Bremen 2020 Abschlusstabelle

 

Aufgebaut ist auch schon!
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Und weiter geht es, liebe Schachfans, zwei kundige Denkkampfsportler im Achtelfinale des Werdertigers Cup 2.0 treten an und versuchen ihr Glück im Rennen um die Viertelfinalplätze.

Am Dienstag abend sehen wir

Jari Reuker (SV Werder Bremen) gegen FM Michael Buscher (SG Porz!)

Dienstag, 08 November 2020, 20 Uhr

Und dies ist fürwahr ein Spiel, was sicherlich auf Augenhöhe durch viele intensive Runden gehen wird. Aufstrebender Junior gegen versierte Schachfachkraft, und das alles im Spiel auf 6 Punkte. Wir schauen uns das an!

Aachen Blitz 4
Deutsche Blitzmannschaftsmeisterschaft 2012 in ... Aachen - wenn da mal der Michael Buscher nicht auch mit dabei gewesen ist, sozusagen in seinem Wohnzimmer!
Vielleicht findet ihn jemand? Und wer nur ist der Werderaner auf dem Foto?

Papp Reuker
GM Gábor Papp im Spiel mit Jari Reuker beim CD Meyer Gedenkturnier im Oktober. Das Vergnügen,
wie auch das Poster beweist, war eher auf Seiten von Jari - das Spiel endete Remis, und Jari holte sich eine IM-Norm!

Als Werdertiger Tiger-Olaf kann ich nach meinem eher schmählichen Gescheitert-Werden durch Coach Carlstedt (0,5 - 6,5) immerhin als Kommentatore noch live mit dabei sein.
Um kurz nach 20 Uhr schalte ich mich mit dazu auf www.twitch.tv/werdertigers - vorher erstmal fertig arbeiten in der Schule, dann nach Hause, und flugs geht es ab ins Netz!

Seid dabei bei einem überregionalen Match mit geradezu europäischer Bedeutung. Wir freuen uns auf Euch!

Und ... hier noch ein wenig Regeltechnik, kann ja nicht schaden vor einer großen Begegnung:

Onlineschach geht ja auch draußen
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Die Werdertigers stromern wieder durchs weltweite Netz - heute abend im Duell Werder-Trainer (Jonathan Carlstedt) gegen Werder-Bundesliga-Manager (Olaf Steffens).

Das Gute daran: einer von beiden erreicht auf jeden Fall das Viertelfinale des Werdertigers Cup 2.0! Der Nachteil: einer wird die Heimreise antreten und sich nach erfolgreicher Vorrunde die Zeit anders vertreiben müssen. Doch so sei es!

Wer sich das Match (nun wirklich, wirklich, wirklich) geben möchte: gespielt wird um 19 Uhr auf Playchess, Karl Puccino - Werderjonny, und parallel dazu wird Jonathan diesen Werder-Bruderkampf Best of 11 live auf Twitch kommentieren.

Unstoppable Spartak beim Bremer Silvester-Open
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04. Dezember 2020

Spartak wird IM!

Ein großer Sohn Wildeshausens weilt derzeit bei unseren nördlichen Nachbarn und spielt im Aarhus Chess House ein Normenturnier. Und was sollen wir sagen - Spartak Grigorian, entdeckt und weithin gefördert vom Schachklub Wildeshausen, trainiert unter anderem von Jens Kahlenberg und Alexander Markgraf, er wurde Deutscher U18-Meister und ist seit einigen Jahren engagierter Werderaner in Verein und! Bundesliga.

Und nun in Aarhus - Spartak hat brilliant gespielt, ein fast unbezwingbarer Löwe, ein grün-weißer Tigran Petrosian, und konnte im Chess House Punkt um Punkt unter Dach und Fach bringen! 

Mit einem Sieg unter anderem gegen GM Henrik Danielsen, hatte er schon kurz vor Turnierende die IM-Norm in der Tasche ... und nicht nur eine IM-Norm ist es, es ist sogar die dritte, und letzte, und endgültige - mit der schon vorher erreichten ELO von 2400 wird Spartak alsbald also Internationaler Meister.

Grigorian Steffens
Irgendwas mit Katzen ... in dieser Stellung hatte ich Spartak mal fast am Wickel,
aber ging am Ende (natürlich) doch unter.

Wir gratulieren und sagen: a) gut gemacht!! und ... b) das ruft nach einer Feier! (Bring uns dänische Ringelchips mit, Spartak!)

Bericht von Jonathan Carlstedt aus der Turniermitte

Bericht - die Norm ist komplett!