Januar 2021
1...Sc6 - mehr kann man ja eigentlich nicht wollen
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Von IM Dirk Schuh!

Wer schon die eine oder andere Rezension von mir gelesen hat, weiß um meine Launen, wenn es um die Eröffnungsphase geht. So spiele ich nach 1.e4 manchmal längere Theorievarianten, unter anderem in den offenen Spielen nach 1. ...e5 oder diversen sizilianischen Abspielen nach 1. ...c5, bin aber auch für allerlei seltenere Systeme empfänglich. Mir gefallen dann vor allem frühe Springerzüge sehr. Neben dem etablierten 1.e4 Sf6, von dem ich viel halte und das mir trotz schlechter Form immerhin eines meiner wenigen Bundesligaremisen einbrachte, packe ich dann auch gerne 1.e4 Sc6 aus.

Die Nimzowitschverteidigung wird aus mir unerfindlichen Gründen extrem selten gespielt und begleitet mich als Überraschungswaffe bereits seit über 20 Jahren. Nun gibt es mit "The Modernized Nimzovich Defense 1.e4 Nc6" von Großmeister Christian Bauer aus dem Hause Thinkerspublishing ein neues Werk zu dem Thema. Der Autor spielt diese Variante selbst, weiß also, wovon er schreibt.
Er schätzt, wie er zugibt, Stellungen, die nicht so gut erforscht und recht flexibel sind. Die Nimzowitschverteidigung kann in dem Bereich gut überzeugen. In vielen gut kommentierten Modellpartien zeigt er sehr gut die Ideen, die Schwarz nach den Abspielen nach 1.e4 Sc6 haben kann. Dabei wird kein enges Eröffnungsrepertoire, sondern eher ein Potpourrie aus verschiedenen Strukturen und Möglichkeiten geboten, bei denen Schwarz die Partie oft in die Stellungen lenken kann, die ihm gefallen.

bundesarchiv bild 102 14194 emanuel lasker
Spielte noch selbst gegen den Namensgeber von 1...Sc6: Chief Lasker

Nach 1.e4 Sc6 2.d4 beginnt es bereits, da Schwarz sowohl den klassischen Nimzowitschzug d5 wählen oder mit e5 im Zentrum gegenschlagen kann. Nach ersterem kann 3.e5 Lf5 zu einer interessanten Blockadestellung führen, in der Schwarz häufig eine Französischstellung mit einem guten weißfeldrigen Läufer erreichen kann.
3.Sc3 kann nach e6 direkt in ein Abspiel der Französischen Verteidigung übergehen, das im Buch nicht näher erläutert wird, man kann aber auch mit 3. ...dxe4 4.d5 Sb8 5.Sxe4 c6 ganz schnell eigene Wege beschreiten, die GM Bauer analysiert, oder nach 3. ...Sf6 4.e5 Sd7 5.f4 Sb6 6.Sf6 Lg4 wieder eine blockiertere Stellung anstreben, in der Schwarz versucht, erst den weißfeldrigen Läufer zu aktivieren, ehe er mit e6 eine Französische Struktur baut. 3.exd5 Dxd5 riecht hingegen sehr Skandinavisch!

Nach 1.e4 Sc6 2.d4 e5 hingegen landet Schwarz nach 3.Sf3 in den offenen Spielen, hat aber natürlich viele Weißvarianten ausgespart. Nach 3.d5 Se7 kann Schwarz früher oder später auf den Hebel f5 spielen und am Königsflügel angreifen und nach 3.dxe5 Sxe5 4.Sf3 wird die Stellung wieder offener, aber auch schnell unerforscht. Dieses Abspiel ist in den Augen des Autors allerdings recht kritisch und etwas besser für Weiß, auch wenn das in der Praxis der meisten Spieler wohl kaum eine Rolle spielen wird.

Ein wenig problematisch finde ich persönlich für Schwarz die Variante nach 1.e4 Sc6 2.Sf3. Objektiv am besten ist hier wohl der Übergang in die offenen Spiele nach 2. ...e5, aber das ist etwas unkreativ. Im Blitzschach vertraue ich auf das Colorado Gambit nach 2. ...f5, das in dem Buch leider keine Erwähnung findet. Stattdessen werden die Züge 2. ...Sf6 und 2. ...d5 ein wenig unter die Lupe genommen.

Nach 2. ...Sf6 3.e5 kann Schwarz entweder mit Sd5 in eine seltene Variante der Aljechinverteidigung übergehen, die ich ganz nett finde, oder sogar 3. ...Sg4 spielen, das nach 4.d4 d6 5.h3 Sh6, das zu sehr eigenem Spiel führt. Beides wird aber nur sehr kurz abgehandelt. 2. ...d5 mit einem Übergang in eine seltene Skandinavische Verteidigung findet GM Bauer noch ganz ok, aber seine Hauptempfehlung ist hier 2. ...d6 3.d4 Sf6 4.Sc3 g6 mit dem Übergang in eine Art Pirc-Verteidigung. Das Chamäleon hat wieder zugeschlagen! Für Schwarz spricht hier aber, dass die gefährlichsten Pircabspiele solche mit f4 oder f3 sind und Weiß sich schon auf Sf3 festgelegt hat.

Nimzo Christian Bauer

Insgesamt kann sich der Leser hier selbst ein schönes Schwarzrepertoire nach 1.e4 Sc6 basteln, wobei Vorkenntnisse in den offenen Spielen, der Französischen Verteidigung oder allgemein Blockadestellungen, der Skandinavischen Verteidigung oder auch der Pirc-Verteidigung sicher sinnvoll sind, um die flexible Nimzowitschverteidigung optimal zu beherrschen.

Man kann sich die Ideen aber auch von GM Bauer erklären lassen und dann eigene Schlüsse ziehen. Ich denke, dass das Buch ab 1700 DWZ für jeden Leser verständlich sein sollte. Man sollte allerdings hier und da später vielleicht etwas nacharbeiten, da durch die Fülle an Ideen auf nur 261 Seiten einige Oberflächlichkeiten in den Variantenbäumen aufkommen. In den wichtigen Abspielen bekommt man als Leser aber ein gutes Rüstzeug geliefert, um mit Schwarz einige Punkte zu sammeln!

IM Dirk Schuh, Schachtrainer, November 2020

Christian Bauer, The Modernized Nimzovich Defense bei Schach Niggemann (wir grüßen ins Münsterland!)

 

Anmerkung der Redaktionsassistenz:

Wir umranken diese Rezension mit drei kämpferischen Partien der jüngeren Schachgeschichte - eine aus dem Wirken von Dirk dem Schachschuh, eine Weitere von IM Christoph Scheerer (früher Wisnewski), der zu 1...Sc6 ebenso wie GM Christian Bauer ebenfalls ein bemerkenswert schönes Buch geschrieben hat, sowie eine Dritte aus regionalem Anbau.

 

Aus der Frühzeit der DSOL: Vorwärts St. Petersburg (Lasker, Tschigorin, Steinitz und Pillsbury) 1895 bei der Vorbereitung
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Am vergangenen Montag war es endlich soweit – hunderte SchachspielerInnen scharrten landauf, landab mit ihren Computermäusen, bereit für den ersten Zug an den virtuellen Schachbrettern der Deutschen Schach-Online-Liga.

Was folgte, waren 200 intensive, hakelige Mannschaftskämpfe mit Teams aus allen Ecken des Landes zwischen Flensburg, Füssen, Forst und Fölk Völklingen.

Am Brett dabei die Großen unseres Spiels, Lichtgestalten, ELO-Riesen, allein die SF Deizisau versammelt vier Nationalspieler in ihrer Entourage – das macht sie sicherlich zu dem Favoriten der DSOL 2.0.

Mit den SF Berlin, dem FC Bayern, dem SK Zehlendorf, der SG Solingen, dem ruhmreichen Hamburger SK, Werder Bremen, der SG Porz und! dem SC Tigerli PP Aachen sind weitere wohlklingende Namen im Rennen.

(Und wo wir bei reizvollen Namen sind: Grüße natürlich auch an die SG BiBaBo Leipzig in Liga 7B!)

Weiterlesen bei Chessbase.de

Abschied von FAKE NEWS ?!
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Der Großmeister der „FAKE NEWS“ und Selbstüberhöhung Donald Trump ist nun als Präsident vorerst einmal Geschichte. Im Trump Tower in New York gab es schon ein paar Schachveranstaltungen, beispielsweise die Viertelfinali des Kandidatenturniers für die Schachweltmeisterschaft 1995. Damals so wird gemunkelt sollte Trump gesagt haben, dass er in ein, zwei Jahren sicherlich auf diesem Niveau spielen könnte, wenn er denn wollte. Aber was hat das mit Schach zu tun? Nun es gibt auch in der Schachwelt so einige FAKE NEWS, die sich hartnäckig halten und gepflegt werden.

Mehr Partieverläufe als Elementarteilchen im Universum

Schon mit der Reiskornlegende kamen gigantische, ja astronomische Zahlen ins Spiel und viele Schachfreunde haben eine große Freude diese unglaublichen Zahlen noch extra überhöhen zu müssen und begehen dabei zwei Denkfehler. Erstens ist es nicht wirklich redlich etwas möglicherweise Unendliches wie das Universum mit etwas Endlichem zu vergleichen. Schach wird auf einem endlichen Brett mit einer endlichen Anzahl von Figuren gespielt und egal wie astronomisch die Zahlen auch werden, sie sind endlich. Der zweite Denkfehler ist, dass nicht die Spielverläufe das Thema sind, sondern die möglichen legalen Schachstellungen. Auch hier bewegen wir uns in astronomischen Dimensionen, denn es sollten 10^43 legale Schachstellungen existieren. Der Streit ob Schach jemals berechenbar wird, bewegt die Schachwelt seit dem Eintritt der Computer intensiv.

Fangen wir klein an: ein Tag hat 86.400 Sekunden und ein Rechenmonster wie Deep Blue schafft 200 Millionen Stellungen pro Sekunde. Das sind um die 10^13 Stellungen am Tag, in einem Jahr dann 10^15. Wäre gleichzeitig mit dem Urknall Deep Blue entstanden und würde seit damals ununterbrochen rechnen, so wären fast 10^26 Stellungen berechnet. Viel, verdammt viel, aber schauen wir uns die Zahlen – und außer Konkurrenz zuerst die Zahl der bereits berechneten 7-Steiner Tablebasestellungen als Voreinordnung der Dimensionen:

423.836.835.667.331
87.102.432.000.000.000.000.000.000
10.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000

als Diagramm an:

2021fakenews01

Das wären dann wie im Exceldiagramm sehr grob gerundet 0% - oder um die 8,7^-16 Prozent für jene, die auf genauere Zahlen schielen möchten - der möglichen 10^43 Stellungen. Zusätzliche Übertreibungen sind wirklich absolut unnötig ? „So big – so sad“

Dem Schach droht der Remistod

Auf diese FAKE NEWS oder soll ich besser sagen auf dieses Märchen sind schon Weltmeister und viele Weltklassespieler hineingefallen und mit ihnen massenhaft Schachfreunde aus aller Welt. Nun es gilt für jede Schachstellung, dass sie entweder gewonnen, verloren oder remis ist. Definitiv wissen wir Menschen nur für sehr wenige Stellungen, aber selbstverständlich gilt dies auch für die Grundstellung.

2021fakenews02 

Da die Annahme, dass die Grundstellung REMIS ist, nach heutigem Wissenstand die wahrscheinlicher ist als dass Weiß oder Schwarz gewinnt, kann man seriöser Weise meinetwegen von einer Remisgeburt sprechen, aber der Remistod ist definitiv FAKE NEWS.

Gewinnen aus eigner Kraft

Diese FAKE NEWS wird ebenfalls von der Grundstellung schonungslos aufgedeckt. Da die Bewertung einer Stellung vorgegeben ist und nicht verändert werden kann, muss es mindestens einen Zug geben, der dieses Ergebnis weitervererbt. Aus bitterer eigener Erfahrung wissen wir aber, dass es relativ leicht ist, durch einen Zug eine Stellung herzustellen, die schlechter bewertet ist. Wer hat nicht schon Gewinnstellungen ins Remis oder gar in den Verlust verdorben. Theoretisch unmöglich ist es aber mit einem Zug eine bessere Stellungsbewertung (1,0 oder =) zu erzielen. Eigene Kraft ist purer Nonsens – weder der stärkste Mensch noch ein Supercomputer können beispielsweise aus einer Remisstellung heraus einen Gewinnzug finden – das ist einfach theoretisch unmöglich! Eigene Fehler sind die unangenehme Realität für uns Menschen und auch die heutigen Maschinen sind nicht unfehlbar, das sollten wir auch nicht vergessen, obwohl die schon teuflisch stark sind. Die gute Nachricht für uns Menschen ist, dass wir Unfehlbarkeit nicht erreichen können und daher noch lange Freude am Schach haben werden, auch wenn die Maschinen schon lange nur mehr Remisen gegeneinander schieben.

Schwarz muss sich zuerst um Ausgleich bemühen

Da wird es bei einigen schon Klick machen – Ausgleich? Richtig Schwarz hat schon Ausgleich egal mit welchem Zug Weiß die Partie beginnt. Natürlich hat Weiß ein Mehrtempo aber verloren ist Schwarz dadurch nicht. Auch wenn in der Praxis Weiß um die 55% der Punkte holt, braucht man keine Aversionen gegen Schwarz entwickeln. Die Partie ist ausgeglichen und kann nur durch Fehler aus diesem Gleichgewicht gekippt werden – aus menschlicher Sicht sind Fehler mit Schwarz ein wenig wahrscheinlicher oder leichter zu machen.

Die Stellung ist unklar

Nun das ist ein klarer Fall von FAKE NEWS – jede Stellung hat genau eine Stellungsbewertung (1,0 oder =), da existieren keine Unklarheiten nur Unwissenheit unserseits – gemein irgendwie.

Der beste Zug

Das ist ein sehr schwieriges Thema. Wir wissen nun ja, dass wir mit einem Zug maximal die bereits feststehende Stellungsbewertung (1,0 oder =) weitervererben können – verschlechtern ja, verbessern nein! Verschlechtert sich die Stellungsbewertung (1,0 oder =) so ist der Zug objektiv schlecht, wobei er aber praktisch durchaus gefährlich sein kann. Jene Züge die weitervererben sind theoretisch gleichwertig, praktisch gibt es aber doch viele Unterschiede. Wieder so ein Beispiel wo sich Theorie und Praxis ein wenig auf die Füße steigen. Den „besten Zug“ gibt es wohl nicht, aber den besten Zug in dieser Situation und gegen diesen Gegner zu diesem Zeitpunkt … das könnte existieren.

Wir brauchen neue Schachformen – 960er, ohne Rochadeschach, …

FAKE NEWS in reinster Form!! Wir haben mit klassischem Schach ein Spiel, dass beiden Seiten in der Praxis gute ähnlich gleiche Chancen bietet. Weiß erreicht 55% der Punkte – das liegt nicht so weit weg vom theoretischen Wert 50% - diese Voraussetzung müssen die anderen Schachvariationen erst einmal nachweisen. Und Schach ist für uns Menschen immer noch kompliziert genug – denken wir an das kreative Spiel von Dubov oder an die aktuellen Schlachten von Caruana gegen Duda und Tari gegen Firouzja beim Tatasteelchess in Wijk.

Was wir wirklich brauchen, ist uns die Angst vor dem Verlieren zu nehmen, denn diese treibt uns zu unattraktivem Schach, falschem Ehrgeiz und damit einige leider auch zum Cheating! Verabschieden wir uns von unnötigen FAKE NEWS, Übertreibungen usw. und erkennen wir, dass noch niemand eine Schachpartie gewonnen hat, ohne dass ein anderer diese verloren hätte. Verlust und Gewinn sind untrennbar miteinander verbunden. Also erfreuen wir uns am Spiel, am Wettkampf, an der Spannung, … und nicht an den Elopunkten!!

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Kommen wir zu einem der schlechtesten Verlierer aller Zeiten – und hoffentlich kein Vorbild mehr für die nachkommende Schachgenerationen – Donald Trump zurück, der statt versöhnlicher Worte zum Abschied lieber drohte:

"We will be back in some form" – das gilt leider wohl auch für FAKE NEWS.

Ran an die Bretter!
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Von Dr. Oliver Höpfner, Bremen

Nach der ersten Folge der kleinen Kolumne „Endspielmagie - Studien für die Praxis“ soll diese Artikelserie nun fortgesetzt werden.

Vorgestellt werden sollen dabei gemäß dem Credo des früheren Trainers der Schachabteilung von Werder Bremen Claus Dieter Meyer (1946 – 2020) – von allen nur C. D. genannt – Studien, die auch eine gewisse Praxisnähe haben.

Wie schon in der ersten Folge der Kolumne kurz ausgeführt, war C. D. ein großer Freund der praxisnahen Studien des französischen Schachmeisters und Studienkomponisten russischer Herkunft Alexei Sergejewitsch Selesnjow (1888 – 1967).

Selesnjow
Alexei Selesnjow (1888 - 1967)

Studien von Selesnjow verwendete C. D. deshalb auch regelmäßig in seinen Trainingsstunden. So daher auch die folgende Studienkomposition von Selesnjow aus dem Jahr 1912.

Sie zeigt – ebenso wie die erste Aufgabe dieser Kolumne – ein Turmendspiel. In diesem materiell völlig ausgeglichenen Endspiel spielen allerdings ganz andere Motive eine Rolle als in der ersten Aufgabe. Nun sind also die LeserInnen am Zug.

Selesnjow 2 Diagramm

Schwarz scheint in der Diagrammstellung – mit seinem aktiven König und seinem gut positionierten Turm hinter dem weißen Freibauern – sogar ein wenig besser zu stehen. In Wahrheit ist es aber der Anziehende, der diese Position mit präzisem und kreativem Spiel für sich entscheiden kann. Viel Spaß bei der Lösung der Aufgabe.

UPDATE 31.Januar: Genug des Knobelns - ob der Kommentarbereich die richtigen Lösungen gefunden hat, könnt Ihr ab jetzt nachsehen! (Und ich glaube, es sieht gut aus - Glückwunsch an den Chat!)

Ein neuer IM am Firmament (Foto: Mads Boe)
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von (so gut wie) IM Spartak Grigorian

Einmal mehr bekam ich in einem sonst so mauen Turnierkalender die Gelegenheit ein Turnier am richtigen Brett zu spielen. Das GM-Turnier in Aarhus, organisiert im ortseigenen Chess-House der zweitgrößten Stadt Dänemarks, war in der Vergangenheit ein erfolgsversprechendes Pflaster für Werderaner.
So erzielten Bundesligaspieler Martin Zumsande sowie unser Coach Jonathan Carlstedt, der mir die Teilnahme ermöglichte - vielen Dank noch mal an dieser Stelle! - jeweils eine GM-Norm in Aarhus. Voller Zuversicht, meine letzte IM-Norm dort zu verwirklichen, bin ich dementsprechend die Reise angetreten.

Sicherheitshalber machte ich mich schon einen Tag vor Turnierbeginn auf den Weg nach Aarhus, da ich während Schachreisen schon die eine oder andere lange Grenzkontrolle auf mich nehmen musste. Um die Grenze überqueren zu dürfen, war ich verpflichtet, einen negativen Corona-Test und die offizielle Turniereinladung mit im Gepäck zu haben.
Angekommen an der Grenze verlief die Kontrolle nicht nur überraschend zügig, auch enttarnte sich der Grenzkontrolleur in unserem kurzen Gespräch als ehemaliger Schachspieler. Bei offenem Autofenster und kalten Außentemperaturen bekam ich seine abenteuerliche Geschichte zu hören, wie er als Startnummer 80 den Erstgesetzten des Turniers bezwingen konnte. Erfrischt ging es dann weiter in den Norden, nach Aarhus.

Angekommen begegnete ich zum Turnierbeginn den Favoriten und aus Aarhus stammenden GM Jesper Thybo. Schon vor drei Monaten hatten Jesper und ich das Vergnügen, eine sehr spannende Partie in Innsbruck zu spielen, mit dem glücklicheren Ende für mich.
Dieses Mal konnte ich keinerlei Initiative erlangen, kam nicht mal zur Rochade und gab nach 28 Zügen auf. Kein optimaler Start, doch die Erkenntnisse aus dieser Partie waren für den weiteren Turnierverlauf sehr wichtig. Ich muss meine Figuren besser koordinieren und noch viel wichtiger, schneller rochieren!

In den beiden darauffolgenden und richtungsweisenden Partien für mögliche Normen konnte ich aus den Lehren der ersten Runde und der daraus resultierenden besseren Figurenharmonie 1,5 Punkte erzielen.

Spartak Grigorian - IM Filip Boe Olsen 1–0

Spartak Bericht 1 
 

GM Jonas Bjerre - Spartak Grigorian ½–½

 Spartak Bericht 0


Nach drei Runden stand ich bei 50% und begegnete bereits zwei von drei GMs – alles noch möglich. Entschlossen konnte ich in der nächsten Partie gegen WFM Ellen Fredericia Nilssen einen schönen Angriffssieg erzielen. Meines Erachtens nach hat Ellen die beste Partie des Turniers in Runde 9 gespielt hat.

Deutlich schwieriger wurde es in den Runden 5 bis 7. Alle drei Partien hatten einen ähnlichen Verlauf. Trotz nicht optimal gespielten Mittelspielen schaffte ich nach langen Bemühungen, die Partien in ausgeglichene bzw. unklare Endspiele zu führen.

Während ich in Runde 5 gegen FM Jens Ramsdal ein extremes Risiko eingegangen bin und dafür belohnt wurde, hatte ich in Runde 6 großes Glück. GM Henrik Danielsen führte seinen 40. Zug, trotz mehr als fünf Minuten auf der Uhr, nicht aus.
Das Endspiel in Runde 7 war nach der Zeitkontrolle sicherlich vorteilhafter für die starke Schweizerin WIM Lena Georgescu. Allerdings spürte ich im weiteren Verlauf, dass sie überhaupt keine Gewinnversuche unternimmt. Zwar hatte ich an mehreren Stellen die Möglichkeit, Züge zu wiederholen, dennoch probierte ich in nachteiliger Stellung einen interessanten Gewinnversuch - mit Erfolg. IM-Norm sicher!

FM Jens Ramsdal - Spartak Grigorian (Runde 5)

Spartak Bericht 1

51.Kf5 Kg7 52.Rg6+ Kf7 53.Rf6+ Ke8 [Der sehr riskante Versuch auf Gewinn zu spielen. Bereits bei 50...a5 hatte ich das Figurenopfer geplant. Während ich das Opfer berechnen konnte, waren mir die Varianten nach 54. Ke6! unklar] [53...Kg7 erlaubt die Zugwiederholung] 54.Ke6! [54.Nc7+ Ke7 55.Nxb5? Rf1+–+] 54...Kd8 55.Kd6 a4 56.Kxc5 a3 […] 85. 0–1

Aber wie der Name des Turniers schon andeutet, es gibt mehr als nur eine IM-Norm zu holen. Nächster Angriff - GM-Norm!

norisko
No risk-o, no fun-o - auch bei Normtunieren ist das so  (Foto: OSt)

Um diese zu erlangen, brauchte ich noch 1,5 Punkte aus den zwei verbleibenden Partien. Runde 8 war demnach eine enorm wichtige Partie für mich, zum einen war ich Favorit und zum anderem meine letzte Weiß Partie.
Meine Eröffnungswahl brachte meinen Gegner schon nach fünf Zügen an die Grenzen seiner Theoriekenntnisse. Drei Züge später beging er einen Fehler, der mir 2017 auch widerfahren ist. Den Mehrbauern konnte ich sicher zum vollen Punkt verwerten.

 SpartakBericht 2
 

Wie schon beim CD Meier Gedenkturnier brauche ich in der letzten Runde mindestens ein Remis. In einer zweischneidig angelegten Partie überspielte ich meinen Gegner mit dem Minoritätsangriff am Damenflügel, kennzeichnend für die Richter-Rauzer-Variante im Sizilianer.

Mit sechs Siegen in Folge stand ich demnach bei 7,5/9 Punkten und überfüllte die IM-Norm um zwei Punkte, die GM-Norm um einen halben Punkt. Ein weiteres Turnierhighlight ist der sehr leckere Kaffee gewesen, den ich jetzt schon vermisse und welcher wahrscheinlich mein gutes Abschneiden erklärt. ;)

Kaffee Meisterkaffee
Die Marke für junge IMs ...  (Foto: OSt)

Großes Dankeschön an die Organisatoren und Helfer aus Aarhus, ein wirklich großartiges Schachturnier mit optimalen Spielbedingungen in familiärer Atmosphäre.

Danken möchte ich auch Werder Bremen, insbesondere meinem Trainer Alexander Markgraf. Aber auch meinem ehemaligen Schachklub Wildeshausen und ersten Trainer Jens Kahlenberg, die mich bis zum heutigen Tage unterstützen. Alex und Jens begleiten mich schon seit über zehn Jahren und haben einen großen Einfluss auf meinen Werdegang.

Ergebnisseite Chess House Aarhus 2020

Spiel um Platz 3: Heute morgen live!
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Im Spiel um die Weltherrschaft Platz 3 des Werdertiger Cup 2.0 treten am heutigen Samstagmorgen an:

Stephan Buchal - Collin Colbow

Die beiden Werderaner erweisen sich mit ihrer Terminansetzung als frühe und furchtlose Vögel, denen auch die allerfrüheste Uhrzeit schachlich keine Steine in den Weg zu legen vermag. Beeindruckend, mehr als!

Gespielt wird ab 10 Uhr auf dem Playchess-Server unseres Vertrauens, in der Werderlounge.

Und wir übertragen auf dem altbewährten Twitch-Kanal der Werdertigers. Schaut vorbei und sendet einen Gruß, wir freuen uns!