Das Gesetz hat seine eigenen Pokale: Werder im Achtelfinale!
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Da waren es nur noch sechzehn: mit zwei eher knappen Siegen in der Hamburger Vorrundengruppe des Deutschen Mannschaftspokals hat sich Grün-Weiß Werder Bremen für die Runde der letzten 16 Mannschaften qualifiziert – hurra, hurra!

Zwar war die kleine Bremer Gesandtschaft, die Mannschaftsleiter Christian Richter an die Elbe zu schicken vermochte, relativ deutlich gegenüber den anderen drei Teilnehmern favorisiert. Unsere ELO war im Schnitt gut 150 oder mehr Punkte höher als die der Mannen aus Graal-Müritz (Mecklenburg-Vorpommern), Segeberg oder des Ausrichters Johanneum Eppendorf.
Mit IM Sven (Joachim) und FM Sven (Charmeteau) waren wir an den vorderen Brettern mit zwei unbändigen Mannschaftsscorern der bisherigen Saison besetzt, während weiter hinten André Büscher und ich absicherten.

Doch schon im Samstagsspiel zeigte sich, dass auch im Schach Ratingzahlen alleine nicht mattsetzen können.

Ganz im Gegenteil fuhrwerkte ich, je länger die Partie dauerte, meine Figuren in dubiose Positionen hinein (Dame auf b1, Springer auf h4, weiche Königsstellung), und so war es kein Wunder, dass der Eppendorfer Peter Wirthgen durch eine gewiefte Doppeldrohung zu erheblichem Materialgewinn kam.
Bezeichnenderweise hatten selbst mehrere Tassen guten Hamburger Kaffees meine Sinne nicht nachhaltig geschärft.

Stef Wirthgen1

In dieser nicht unterkomplexen Stellung fühlte ich mich ansich ganz wohl, verschmähte aber das direkte Fressen 17.exf6, Dxe2 18. fxg7, Sg6 19.Sf5, Lxf5 20.Dxf5 mit gutem weißen Spiel. Unheimlich genug - ich hatte meine Dame auf b1 offenbar ganz vergessen, und allein das wenig aussichtsreiche 20.Tf1xf5 berechnet. OMG!

Alternativ folgte daher am Brett 17.Lc4, e2 18.Tf2, Sg4! 19.Tf2xe2. Alles gut? Nein, Lichter aus im Alten Elbtunnel, denn mit Peter Wirthgens schönem 19...... Dd2-f4 ...drohen Matt und Läufergewinn.

Ste Wirthgen2

Ich überlegte nun gute fünf Minuten, wie ich die Drohung Dxh2 matt am geschicktesten parieren sollte - um erst dann zu bermerken, dass darüber hinaus ja auch noch mein Läufer auf c4 hängt. Wie unschön!

ADM, Aus die Maus, die Partie war praktisch vorüber. Verheerend. In meinem Wahn prüfte ich zeitweilig noch die Antwort 20. h2-h3, um nach 20....Dxc4 jedenfalls noch den Springer g4 schlagen zu können. Leider aber geht auch dann direkt das etwas stärkere 20....Dh2 und 21....Dh1 matt.

Kapow
 Nix mit Karpov, und schon gar nicht mit Kasparov - erst noch ein bisschen Taktik üben!

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Zum Glück für mich und meinen Verein hatten sich Sven & Sven starke Positionen erwirtschaftet, die nach dem frühen Rückstand noch immer zu mancher Pokalhoffnung Anlass gaben. Auch André sicherte versiert ab, was abzusichern war – Remis im komplizierten Springerendspiel gegen den starken Rüdiger Zart!

Den Svens indes geriet derweil etwas Sand ins Punktegetriebe – Sven Joachim fand sich gegen den stark aufspielenden Christoph Schröder in einem Läuferendspiel wieder, das amtlicherseits wohl hätte Unentschieden ausgehen sollen. Doch auf den letzten Partiemetern geriet Christoph noch auf Abwege und verpasste ein elegantes Remismanöver – Punkt für uns nach gut 5 Stunden!

Pokal Hamburg 4
   Die Svens in Aktion

Und Sven Charmeteau? Sven stand fett, fett, fett gegen Birger Wenzel, zwei Mehrbauern oder so, alles gut. Dachte man zumindest, bis eine auch überregional bekannte Engine am späteren Abend Zweifel an- und sogar klaren gegnerischen Vorteil vermeldete. Indes, Taktik ist immer schwierig, und auch wenn sozusagen jeder der Spieler mal hätte gewinnen sollen – am Ende wurde es Remis.

So hatten wir nach sechs langen Stunden ein ausgewogenes 2 : 2 im Mannschaftsergebnis. Schiri Hugo Schulz, Originalhamburger und veritable Stammkraft an deutschen Schachschiedsrichtertischen, rechnete die Berliner Wertung zusammen, und siehe da – 6 : 4 für Werder durch den Einzelsieg am höheren (Sven-) Brett!

Damit durften wir am nächsten Tag noch einmal wiederkommen und gegen den SSC Graal-Müritz auflaufen. Die Mecklenburger hatten sich im Spiel mit Segeberg ebenfalls durch Berliner Wertung durchgesetzt. Sehr sehr knappe Verhältnisse in der nördlichsten Pokalgruppe!

Pokal Hamburg 2
Schiedsrichter Hugo Schulz - da brennt nichts an! Und überhaupt: Áku pollá, míla ta aparétita.

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Im Pokal können die 14 Spieler eines Mannschaftskaders in vogelwilder Folge zu jeder Runde neu aufgestellt werden. Anders in den Ligaspielen gibt es hier keine Rangordnung, die streng eingehalten werden muss. Wer kommt, sucht sich Farbe und Brett – und dann wird gespielt!

Wir Werderaner fanden das einen spannenden Modus – ähnlich wird doch irgendwie auch in den Niederlanden gespielt? Das wäre doch mal was, auch für die deutschen Ligen. It’s a free country!

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Samstag abend in Hamburg, Werder reiste nach Wilhelmsburg, wo Teamchef Christian Richter in weisester Voraussicht bereits ein nettes Hotel reserviert hatte. Nach einem hübschen italienischen Abend im Di Matteo, viel Knoblauch sowie einem dramatischen Duell Hand and Brain* fielen wir um Mitternacht ins Bett.

Doch nicht für lang, die Frühschicht rief! Um 08:49 Uhr saßen wir schon wieder im Bus, der uns über die Elbe bis hin zur Außenalster bringen sollte. Hugo Schulz war bereits vor Ort, ebenso Hendrik Schüler, der als Vertreter des Ausrichters bereits die formidable Hamburger Kaffeemaschine angeheizt und eine Auswahl von Snacks kreiert hatte. Und so machten wir um zehn Uhr die ersten Züge – Vorrundenfinale in Hamburg!

Pokal Hamburg
Auf zur Sonntagsrunde - schön, dass wir noch dabei sind!

Pokal Hamburg 5
   Norddeutsches Abtasten zu früher Stunde

Auch gegen Graal-Müritz, nahe der Ostsee gelegen, gleich neben Rostock, waren wir ELO-mäßig recht deutlich favorisiert. Doch – siehe Samstagsrunde – hilft das im Zweifel ja auch nicht.

Es dauerte eine ganze lange Weile, ehe sich zählbar etwas an den Brettergebnissen tat – die Svens standen beide aussichtsreich (jeder mit Mehrbauer), André fand sich in einer schwerblütigen Kampfpartie wieder, und mein Orang-Utan hatte zu einigen Felderschwächen bei meinem Gegenspieler Horst van Bentum geführt. Auszunutzen wusste ich diese allerdings nicht – geschmeidiges Variantenrechnen geht … anders.
Und doch, eine Überzahl von Figuren am Königsflügel ermöglichte schließlich ein Opfer, einen Angriff und ein Matt, wir führten 1 : 0!

Steffens van Bentum
Mit 20.... Kg8-h8 hatte Schwarz soeben auf die weiße Agression Tf3-g3 reagiert. Was macht Weiß?**

IM Sven hatte mit Hans-Eckhard Lüthke ein fiegelinsches Springerendspiel mittlerweile zum Remis austariert, während André im Spiel mit Hartmut Moritz trotz Mehrqualle in einiger Not war, seine Stellung beisammenzuhalten. Allerdings, Zeitnot allenthalben, und ein Trick zu viel für seinen Gegner – Figurenverlust, und schon bald ein Sieg für André. Zweieinhalb Punkte, wir waren weiter!

Pokal Hamburg 3
André Büscher - erneut ein Big Point für Grün-Weiß

Noch aber wurde gespielt, FM Sven wollte seinen Mehrbauern zur Geltung bringen, was in schwer verschachtelter Stellung allerdings recht knifflig und möglicherweise sogar riskant war.
Sven versuchte Manöver um Manöver, Andreas Jansen parierte links, Andreas Jansen parierte rechts, und dann, was war das? Plötzlich stand ein Bauerndurchbruch im Raum, jedoch für Graal-Müritz, ein gefährlicher Jansen- Konter mitten auf dem Brett!

Doch schien die Lage nicht ganz eindeutig zu sein, und so einigten sich die beiden Spieler sicherheitshalber auf ein Remis. Somit 3 : 1 für Werder, und Einzug in die nächste Runde. Hoch die Kaffeetassen!

kaffeeschach Achtelfinale!

Weiter geht es mit der bundesdeutschen Mannschaftspokalzwischenrunde am 07 und 08 März. Hübsch dezentral gestreut ruft dann der in allen Belangen sehr souveräne Turnierleiter Thomas Wiedmann die 16 verbliebenen Pokalteams erneut an die Bretter, und auf geht es ins landesweite Last 16.

Acht der sechzehn Achtelfinalisten sind durch das gute Abschneiden im Vorjahr noch vorberechtigt für das laufende Pokaljahr – sie mussten in der nun gespielten Vorrunde noch nicht “ran”. Alle Clubs, die es im März durch einen Sieg ins Viertelfinale schaffen, sind wiederum vorqualifiziert für das Achtelfinale des nächsten Jahres.

Nun ist es einerseits schön, dass ein gutes Turnierergebnis auf diese Weise honoriert wird. Andererseits scheint es fast schon ein wenig zu nobel und risikoabfedernd, dass man sich mit nur einem einzigen Sieg im Achtelfinale schon wieder für das Achtelfinale des kommenden Jahres qualifizieren kann.
Würde nicht auch eine Wildkarte für die erste Runde auf Bundesebene genügen? Gleiches Pokalrecht für alle.

Große Vereinsnamen sind noch im Lostopf dieses traditionsreichen Wettbewerbs, darunter mit Baden-Baden und Solingen zwei echte Großkopferte. Werder Bremen wird im März auf Bavaria Regensburg, die SG Leipzig und seinen Bundesliga-Reisepartner SV Lingen treffen. Eijeijei, das werden sicher spannende und sehr enge Kämpfe. Wir freuen uns drauf!

Turnierseite Mannschaftspokal


* Hand and Brain – echter Teamsport, bei dem jeweils zwei Spieler gemeinsam gegen zwei andere antreten. Bei jedem Zug benennt der eine Spieler einer Mannschaft eine Figur, die gezogen werden soll, der andere denkt sich dann einen möglichst guten Zug aus für diesen Stein. Kurios, aber macht Spaß! Man kann/ sollte auch Bier oder Lambrusco dabeii trinken.

Steffens van Bentum

** Steffens - van Bentum: Da geht doch was! Mit 21.Txg7 kann Weiß gleich reinhacken, denn 21.... Kxg7 22.Dg4+, Kh6 führt nach 23.Dh4+, Sh5 24.e3-e4! zum Matt - leider habe ich die e4-Idee nicht gesehen und schon gar nicht gespielt. Jedoch - auch 21.e3-e4 sofort geht gut (Partiezug!), und sowohl 21....Dh5 22.Lxf6! oder 21....Dd7 22.Txg7! als auch die Partiefortsetzung 21....Sxe4 22. Lxg7, Kg8 23.Le5+ gewinnen.