Es irrt der Mensch, so lang er spielt
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Sonntag, 12 Juni 2016 00:02

Dreiunddreißig Fragen

In vorsichtiger Anlehnung an die 66 Fragen des Schweizer Schriftstellers Franz Hohler freuen wir uns, heute eine kleine Entsprechung aus der Welt des Schachs zu präsentieren.
Nehmen Sie sich Zeit und vielleicht einen Kaffee, lesen Sie, und wenn Sie es für sinnvoll halten, überlegen Sie sich einfach eine Antwort. Aber - es eilt nicht.

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Spielst Du Schach?

Spielst Du Schach im Verein?

Warum spielst Du nicht in einem anderen Verein?

Weißt Du, wie man mit Läufer und Springer mattsetzen kann?

Was ist das Gute am Schach?

Ist das Schachspiel nur ein Vorwand, um mehr Kaffee trinken zu können?

Gibt es so etwas wie eine typische Eröffnung für Beamte?

Was war Deine weiteste Turnierreise?

Musstest Du schon mal mit Läufer und Springer mattsetzen?

Warum gewinnt immer David Höffer den Werder Monatsblitz?

Steht die Entdeckung einer neuen Schacheröffnung kurz bevor?

Wie könnte sie aussehen?

Trainierst Du genug für den schachlichen Erfolg? Warum nicht?

Mancssmall                                                                                               Foto: OSt

Soll Carlsen Weltmeister werden?

Soll Karjakin Weltmeister werden?

Wann ist ein guter Zeitpunkt, um eine Partie aufzugeben?

Welches ist Dein Lieblingszug?

Welchen Fehler machst Du immer wieder?

Ist Schach wirklich nur ein Spiel?

Kann man erkennen, dass jemand ein Schachspieler ist?

Wo liegt Bad Emstal/ Wolfhagen, und werden sie nächstes Jahr wieder deutscher Blitzmeister?

Denkst Du über eine Stellung nach, auch wenn Du nicht am Zug bist?

Kann man fühlen, dass ein Zug stark ist?

Was wäre die Welt ohne ELO-Zahlen?

schlafenszeit
                                                                                                Foto: OSt

Warum gewinnt Holger Hebbinghaus in den allermeisten Schachwelt-Tippspielen einen Preis?

Wer sagt, dass "Schach für Tiger" eines der besten Bücher unserer Zeit ist?

Ist Schach nur ein Vorwand, um nicht boxen zu müssen?

Würden mehr Jugendliche spielen, wenn man während der Partie whatsapp-Nachrichten verschicken dürfte?

Gibst Du immer auf, bevor Du mattgesetzt wirst?

Wem zeigst Du Deine Partien?

Wenn es niemand sieht, nehme ich schonmal heimlich einen Zug zurück: Ja/ Nein.

Für eine ordentliche ELO-Steigerung würde ich auch mein Smartphone auf der Toilette benutzen: Ja/ Nein.

Eigentlich wäre ich ein guter Weltmeister: Ja/ Nein.

One more game
                                                                                                Foto: OSt

Ist Schach nur ein Vorwand, um am Sonntag früh aufstehen zu können?

Wie viele Deiner Partien kennst Du auswendig?

Warum spiele ich bloß immer so einen Murks?

War alles besser, als es noch keine Eröffnungs-Datenbanken gab?

Warum sagt beim Schach im Internet fast niemand mehr zu Beginn "Hallo"?

Hätten wir damals lieber etwas anderes lernen sollen als Schach?

Was soll das eigentlich immer hier mit den Katzen und den Wellensittichen?

Und warum sind es jetzt mehr als dreiunddreißig Fragen geworden?

Yet another Carlsen Anand WM Kampf
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Donnerstag, 06 November 2014 00:00

Yet another Carlsen Anand WM Kampf

„Yet another“ oder „net schon wieder“ wie es im Original gelangweilt durch den Kopf der Krennwurzn schallt: Sotchi, Anand, Carlsen, Schachweltmeisterschaft! In Sotchi wunderschön am Schwarzen Meer gelegen fand heuer die Olympiade statt, dann der Formel 1 Grand Prix und nun die Schachweltmeisterschaft! Wer beim Grand Prix nicht eingeschlafen ist, der bekommt nun eine zweite Chance und da eine Schachpartie vor allem mit Carlsen länger dauert als ein Grand Prix, dürfte der Erholungswert noch besser ausfallen.

2014WM1

Schaut man sich die Wettqouten an ist klar, Carlsen wird mit 1:1,20 seinen Titel locker verteidigen und wer seine Kröten auf Vishy setzt dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Überhaupt urfad immer dieses Sotchi, dieser Anand schon ewig in WM Finalen und Carlsen mit seinem Gequetsche in faden Endspielen - igitt, urfad – wo ist da die Spannung, die Action?

ABER HALLO!!!
Ich hasse zwar diesen Ausdruck mehr als jede Fadesse, aber wie sollte ich mich und die Schachwelt sonst aus diesem negativen Gefühl der Wiederholung herausreißen?
ABER HALLO!!!

Es geht um die Krone im Schach und ja wir hatten jetzt jährlich eine WM und das bei einem Zweijahreszyklus und Anand ist wirklich schon lange in der Weltspitze und aus dem Wunderkind Magnus ist ein junger Mann Carlsen geworden! Aber – ohne Hallo – wird es wirklich so fad wie wir uns das gerne glauben machen wollen, weil wir uns andere WM Paarungen erhofften?

Klar neben dem Altersunterschied von 21 Jahren ist auch der Elounterschied enorm: um die 70 Punkte liegt Magnus da vor Vishy und noch dazu hat dieser im letzten WM Kampf keine einzige Partie gewonnen – die Vorzeichen sind klar: Carlsen wird diese WM gewinnen! „Ja das stimmt!“ sagt auch die Krennwurzn, „aber Hallo“ muss das wirklich fad werden? NEIN ist meine klare Antwort! Carlsen hatte im Vorjahr den Druck endlich Weltmeister zu werden und Anand wollte das „Unvermeidliche“ nur verhindern und aus dieser Kombination ist dann ein etwas fader einseitiger WM Kampf entstanden. Warum soll das gerade heuer in Sotchi anders werden? Carlsen darf den Titel nicht verlieren, weil er dadurch seinen Überfliegerstatus verlieren würde und Anand ist mit seinem Sieg gegen die junge Garde beim Kandidatenturnier in Chanty-Mansijsk endgültig in den Olymp der Schachgötter aufgestiegen. Anand kann nichts mehr verlieren und das wird seinem Spiel gut tun und Carlsen wird darauf reagieren und daher glaube ich, dass wir vor einer spannenden WM stehen und es - ABER HALLO!!! - nur nicht wahr haben wollen!


Links und Spielplan

Offizelle WM Seite der FIDE

Neu die WM-Teilnehmer bei Twitter
Anand bei Twitter
Carlsen bei Twitter

2014WM2

Habemus Carlsen
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Freitag, 22 November 2013 14:34

Habemus Carlsen

Der König ist tot, es lebe der König! Mit dieser Heroldsformel wurde in Frankreich der Tod des alten Königs bekannt gegeben und gleichzeitig der neue ausgerufen, um Kontinuität zu signalisieren – um den Erbanspruch darzustellen und auch um die Angst vor dem Neuen zu nehmen. Nach einigen Unklarheiten wer den rechtmäßiger Weltmeister sei in Anfängen der Nullerjahre des Jahrtausends brachte der Sieg von Anand 2007 mit seinen folgenden Titelverteidigungen Ruhe und Seriosität in die Titelfrage.

Der Titelgewinn von Carlsen war eigentlich eine logische Folge nachdem er 2010 die Führung in der FIDE-Weltrangliste übernahm und dann auch noch den Rekord von Kaparov überbot. Schon im Vorfeld wurde viel diskutiert, ob Anand nach nicht so tollen Turnierleistungen in der Lage wäre Carlsen Paroli bieten zu können. Andererseits zeigte auch Carlsen Nerven als er beim Kandidatenturnier in der letzten Runde gegen Peter Swidler verlor, und nur deshalb Herausforderer wurde, da der punktgleiche Wladimir Kramnik ebenfalls seine letzte Partie verlor und Carlsen wegen der mehr gewonnenen Partien das Turnier doch gewonnen hat.

Die Schachwelt war sich einig, dass die Eröffnungsvorbereitung nicht gerade zu den Stärken von Carlsen gehört und sahen da die größten Chancen für Anand im Wettkampf. Auch dass die Weltmeisterschaft in Indien gespielt wurde, sahen viele als Vorteil für Anand. Ich bin hier vollkommen anderer Meinung – ich denke der beste Ort für eine Titelverteidigung von Anand wäre Norwegen gewesen, nur so hätte man den Druck auf Carlsen maximieren können. Irgendwie hatte die Krennwurzn den Eindruck, dass Anand selbst im tiefsten Inneren nicht wirklich an eine erfolgreiche Titelverteidigung glaubte, aber sehen wir uns die Partien kurz an.

Die ersten beiden Partien endeten schnell durch Zugwiederholungen Remis, was einige als Vorteil Anand ansahen, da Carlsen solche bei der WM Anand - Gelfand heftig kritisiert hatte. Als er dann in der dritten Partie mit Weiß nichts aus der Eröffnung holen konnte und wie er in der Pressekonferenz sagte die Notbremse ziehen musste. Er musste seine Dame nach h1 überführen und kam in Zeitnot, konnte aber mit einem Bauernopfer seine Figuren wieder aktivieren und als Anand dann im 41. Zug Remis anbot, lehnte er dies ab und spielte dann die Partie aus. In der vierten Partie entstand aus der Berliner Verteidigung eine interessante Partie und Carlsen konnte den Bauer auf a2 gewinnen. Anand hatte Kompensation und nach der Abwehr von ein paar Mattdrohungen am Ende der Partie kam es wieder zum Remis. Aber psychologisch hatte sich das Match meiner Meinung nach gedreht – jetzt war Carlsen im Match angekommen und am Drücker.

Die fünfte Partie war dann ein offener Schlagabtausch und als die Kommentatoren und die Schachengines alle im dann entstandenen Turmendspiel das Remis schon kommen sahen und spekulierten wie lange die Anfangsremisserie noch anhalten würde, verschärfte Anand mit 39. ... a4 in Zeitnot von Carlsen die Stellung, statt mit 39. ... g4 den Remishafen anzusteuern.

2013HabemusCarlsen1 

In der Folge traf er dann mehrmals nicht die optimalen Züge und nach 51. ... Ke6 war dann die Partie endgültig verloren.

In der sechsten Partie fand Anand wieder in einem Turmendspiel, dass Carlsen aggressiv mit Bauernopfer anlegte, wieder nicht die rettende Fortsetzung und verlor die Partie und damit wohl schon das Match.

2013HabemusCarlsen2

Hier hätte 60. b4 noch Remis gehalten, Anand spielte jedoch 60. Ta4 und nun stehen ihm seine eigenen Bauern im Wege.Die Wettqoute bei BWIN auf Matchsieg Carlsen wurde auf 1:1,01 gesenkt und dann sogar komplett aus dem Programm genommen.

Die siebte und achte Partie endeten schnell remis, wobei das Spannendste die Dopingkontrolle nach der achten Partie war. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass die Weltmeisterschaft von Anand ohne Kampf und nur durch Eigenfehler verloren wurde und dafür wurde er teilweise heftig kritisiert.

Nach einem Ruhetag kam in der neunten Partie ein scharfer Nimzoinder aufs Brett und beide spielten scharfe und prinzipielle Züge. Carlsen sagte, dass er sich damit abfinden musste, dass er möglicherweise matt gesetzt wird und organisierte dann doch eine coole Verteidigungsstrategie.

2013HabemusCarlsen3

Nach 22. ... b3 von Carlsen sank Anand in tiefes Nachdenken und musste viele Angriffsoptionen durchrechnen. In dieser Phase sah man im Video, dass Anand mehr und mehr resignativ aussah, denn was die Zuseher mit Computerhilfe schon wussten, wurde ihm nun auch immer klarer: es gibt kein Matt – Schwarz kann den Kopf immer wieder aus der Schlinge ziehen. Wahrscheinlich führte diese Hoffnungslosigkeit zu dem finalen Bock 28. Sf1?? anstatt mit 28. Lf1 in eine ausgeglichene Stellung zu kommen. Im Endeffekt war es egal und dieser Partieverlust stellt meiner Meinung nach keine Niederlage dar, auch wenn es die Weltmeisterschaft wohl endgültig gekostet hat, denn nun müsste Anand alle drei ausstehenden Partien gewinnen, um noch die Tiebreaks zu erreichen. Aber alle Schachwelt zollte dem „Tiger von Madras“ Respekt für seinen Kampfgeist und trauerte ein wenig nach, warum er dieses Spiel nicht von Anfang an aufgezogen hat. Vielleicht liegt die Antwort gerade in diesem traurigen Ende der Partie – den ungeheuren aggressiven Verteidigungsfähigkeiten des norwegischen Wunderkinds, den viele jetzt schon als „Mozart des Schachs“ bezeichnen.

In der zehnten Partie kam ein Sizilianer aufs Brett und Carlsen wich einer Stellungswiederholung, die im den Titel wohl gesichert hätte, falls Anand die Schaukel akzeptiert hätte, selbst mit 22. a4 aus dem Weg. Nun entwickelte sich spannendes Spiel und Anand spielte mit 28. ... Dg5 die erste Ungenauigkeit, doch Carlsen vergab mit 30. exd6 statt 30. Sc3 die Chance auf Vorteil und so entstand nach Generalabtausch ein remisliches Springerendspiel. Aber dieses wurde noch ultraspannend und vor allem wurde es total ausgekämpft!

Magnus Carlsen ist der 16. Weltmeister der Schachgeschichte!!

Nun wie ist dieser Wettkampf abschließend zu bewerten? Nun eine grundlegende Erkenntnis könnte sein, dass man mehr Augenmerk auf menschliches Schach legen muss, denn die Ära der menschlichen Überlegenheit den Maschinen gegenüber ist einer totalen Unterlegenheit gewichen. Menschen machen Fehler und wer weniger Fehler macht, der gewinnt langfristig!

Jedenfalls verursachte diese Weltmeisterschaft ein weltweites Medieninteresse und erzielte einige Rekorde, so kam der Twitter hashtag #AnandCarlsen in Indien als Nummer 1 in die Trendliste. Auch sonst wurde viel über diesen Wettkampf berichtet – in Deutschland hatte Spiegel Online beispielsweise einen eigenen Onlineticker im Programm und auf den klassischen Schachseiten wie beim Marktführer ChessBase wurden am Schachserver neue Zuseherrekorde erreicht. Zudem boten die Hamburger den Premiumuser Kommentierung in mehreren Sprachen an. Hervorheben möchte ich die schon als klassisch zu bezeichnende Kommentierung des aktuellen Deutschen Meisters GM Klaus Bischoff, der den Spagat souverän schafft und für alle Leistungsstärken interessante Erklärungen findet – vor allem zeigt er auf, welche Gefahren (Traumvarianten) in den Stellungen lauern, die im Endeffekt die Schönheit und die Faszination unseres schönen Spiels ausmachen.

Bleibt noch eine kleine nicht ganz ernstgemeinte Botschaft an den Nachwuchs übrig: werft die Eröffnungsbücher und die Computer aus dem Fenster – lernt Mittel- und Endspiele und versucht diese am Brett zu gewinnen! Und wie hieß es am Anfang des Artikels? Und da sind wir wieder am Anfang gelandet:

Danke Vishy !! – Gratulation Magnus !!

Aktion Titelverlust
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Donnerstag, 07 November 2013 23:29

Aktion Titelverlust

Nein – nicht schon wieder ein Promi, der sich seinen akademischenTitel erstgCt hat - also durch copy&paste erworben hat und auch kein CM, FM, IM oder GM der seinen Titel nicht durch eigenes Leistungsvermögen erreicht hat. NEIN es geht um wirklich Wichtiges! Olympiasieger ist man ewig, Welt- und Europameistertitel gehen verloren, wenn ein anderer den Titel gewinnt und dieses harte Schicksal müssen – schenkt man den Datenfuzzys Glauben – in den nächsten Tagen und Wochen Anand und Schach-Deutschland ertragen.

Deutschland Europameister 2011

AktionTitel1

und was Google dazu findet.

Am 8. November startet die EM in Warschau und unser Schachweltkollege Olaf Steffens berichtet diesmal sozusagen auswärts auf der DSB-Homepage aus Warschau – eine Ehre, die der Krennwurzn niemals widerfahren wird, denn er gilt in seinem Heimatland ja als Persona non grata und da sich daran nichts ändern wird ... aber lassen wir das und freuen wir uns, dass nicht alle Schachweltler dieses harte Schicksal eines „Parias“ ertragen müssen und auch auswärts geschätzte Schreiber sind – Gut Tastatur Olaf!!

Nun Deutschland ist als Nummer 10 gesetzt und muss den Titel abgeben - da freut sich der Ösi in der Krennwurzn unheimlich und feixt: die EM wird doch nur aus dem Grund gespielt, weil statistisch nicht vollkommen klar ist, wer der Nachfolger von Deutschland werden wird. Die restvernünftige Seite, deren Limes gegen Null konvergieren oder stürmt, wirft ein, dass das erstens ungerecht – das berührt die Krennwurzn aber schon gar nicht - und zweitens auch statistisch möglicherweise auch ein wenig unkorrekt sein könnte, was der Krennwurzn schon ein wenig mehr zu denken gibt, denn sie selbst musste 2002 und 2013 binnen weniger Jahre schon zwei Jahrhunderthochwässer an der Donau miterleben.

Waren die Deutschen 2011 nicht schon krasse Außenseiter und haben sie damals als möglicherweise zerstrittener Haufen nicht doch eine tolle Leistung gebracht und sich nicht nur gegen die favorisierten Gegner sondern auch gegen die übermächtigen Zahlen, die gegen sie sprachen durchgesetzt?

Vom zweiten Titelverlust im sonnigen Indien berichtet der Chef der Schachwelt höchstpersönlich ab Samstag 9. November auf der Seminarseite und wenn man Insidern und den Wettanbietern Glauben schenken darf, dann ist dieser Titelverlust noch klarer als ... ach lassen wir das Piefke-Bashing einfach mal weg jetzt!

AktionTitel2

95 Elopunkte Unterschied – da zittert zwar nicht einmal der staatlich geprüfte Angsthase Krennwurzn am Brett - zwischen Carlsen und Anand, der noch dazu älter ist und in seiner Heimatstadt unter unheimlichen Druck stehen muss und dessen letzter Sieg in einer Turnierpartie gegen Carlsen noch dazu aus dem fernen Jahre 2010 datiert. Dann noch eine Punkterwartung laut Elo von 0,65 zu 0,35 für Carlsen – ja warum wird dieser Wettkampf überhaupt noch gespielt?? Es ist doch alles sonnenklar: Carlsen ist doch bereits jetzt der neue Weltmeister! Es bleibt nur mehr die Fragen zu klären wie hoch und wie bald er den Wettkampf gewinnt und sind wir doch ehrlich: manche hoffen sogar auf eine überfischerische 7-0 Hinrichtung!

Aber ... klar Carlsen ist der Favorit ... aber ist das alles wirklich so sonnenklar? Wer hat den Druck? Anand eher nicht, denn er hat schon alles erreicht: FIDE-Weltmeister, Weltmeister und den Titel mehrmals verteidigt – nicht zu vergessen auch der verlorene Wettkampf gegen Kasparov in dem er zuerst in Führung gegangen ist und dann schrecklich unter die Räder kam. Anand hat Erfahrung im guten und im schlechten Sinn und er ist in einem reifen Alter und hat damit wohl die erforderliche Gelassenheit sich der kommenden Aufgabe zu stellen. Aber die Statistik höre ich die Krennwurzn schreien – die lügt doch nicht und die heiligen Elo schon gar nicht! Gut sage ich, wenn Carlsen so klar und sicher gewinnt, dann können wir in den Keller gehen, die alte sechs schussige Pistole vom Opa mit zwei Patronen laden und russisches Roulett spielen, denn die Überlebenschance ist dann mit 0,66 zu 0,33 sogar ein Spürchen höher als die Gewinnchance von Anand nach Elo. Bitte nicht so brachial wirft nun die Krennwurzn ein – wir sind doch zivilisiert – nehmen wir doch einen normalen Würfel und wenn 1 oder 2 kommt, dann bleibt Anand Weltmeister ansonsten heißt der neue Weltmeister Carlsen.

Gesagt getan: Würfel aus der Spielesammlung herausgenommen – ist auch schneller greifbar als die nichtexistente Pistole vom Opa – und gewürfelt:

AktionTitel3

ZWEI – Anand bleibt Weltmeister und die Krennwurzn und auch der vernünftige Teil atmet tief durch: Würfeln ist unblutiger als russisches Roulett und vor allem: wer hätte dann noch den Artikel online gestellt??

PS österreichische Merksätze:

Statistiken traut man nur, wenn man sie selbst gefälscht hat
und
Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen!

Carlsens Endspielvorbereitung
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Dienstag, 05 November 2013 21:33

Carlsens Endspielvorbereitung

Es ist zwar schwer nachvollziehbar, aber es gibt immer noch ein paar Träumer, die Anand im WM-Match realistische Chancen zubilligen. Ein seriöses Fachmagazin wie der "Spiegel" lässt sich da natürlich nicht täuschen. Die aktuelle Ausgabe verweist (vermutlich basierend auf diesem Artikel) auf eine Simulation über 40 000 Partien, die zu dem Ergebnis kommt, dass Anands Siegchance nur zwischen 6,1 und 10,3 % liegt. Na also, da haben wir's doch, zweifelsfrei mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen! Wie kann es da noch Diskussionen geben?

Eigentlich fragt sich also nur noch, wie hoch und mit welchen Mitteln Carlsen gewinnt. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber ich bewundere an Carlsen vor allem dessen Endspielführung. Durchaus möglich, dass seine Technik auch bei der WM letztlich den Ausschlag gibt. In diesem Zusammenhang ist es interesssant zu sehen, dass das Endspieltraining auch in der Vorbereitung offenbar nicht zu kurz kommt. In einem sehenswerten Dokumentarfilm sieht man Carlsen beim Lösen von Endspielstudien. Auf dem Brett ist ein sehr schönes Exemplar zu erkennen, also schauen wir es uns doch einfach näher an (Diagramm oben, Weiß zieht und gewinnt):

Selbst der WM-Herausforderer hatte hier seine Probleme, denn man muss nach dem auf der Hand liegenden 1.g6 erst einmal eine raffinierte Verteidigungsidee für Schwarz finden. Carlsen dachte nur an 1...e5, was leicht zu widerlegen ist: 2.g7 Lb3 3.h6 usw. Soweit ich es verstehe, dürfte 1...Kf6! 2.g7 Lh7!! die Hauptvariante sein. Die Idee ist 3.Kxh7? Sf3 4.g8D Sg5+ und Weiß muss entweder Dauerschach mittels Sg5-f7-g5 zulassen oder ins Bauernendspiel gehen, in dem beide Freibauern im selben Zug umgewandelt werden. Die Pointe ist nun der auf den ersten Blick sinnlose Zug 3.e4!! Wenn nun zum Beispiel 3...Sf3, dann 4.e5+! und entweder der König oder der Springer wird entscheidend abgelenkt. Nun gut, 4.e5+ ist also eine Drohung, aber was hat Weiß gewonnen, wenn der Bauer einfach mit 3...e5 blockiert wird? Es gibt einen entscheidenden Unterschied: 4.Kxh7 Sf3 5.g8D Sg5+ 6.Dxg5 Kxg5 7.h6 c4 8.Kg7 c3 9.h7 c2 10.h8D c1D und nun gewinnt 11.Dh6+ die Dame, da der Bauer e3 nicht mehr im Weg steht. Wer dies selber gelöst hat, ist anscheinend noch besser als Carlsen und darf sich Hoffnungen auf den WM-Titel machen!

 

Neue Tablebases - Segen oder Fluch?
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Freitag, 14 Juni 2013 18:41

Neue Tablebases - Segen oder Fluch?

Ich wollte eigentlich über etwas anderes schreiben, aber aus aktuellem Anlass (gestrige Partie Carlsen-Kramnik im Tal-Memorial) scheint es mir angebracht, auf ein für die Endspieltheorie nicht ganz unwichtiges Thema einzugehen: die Fortentwicklung der Endspiel-Datenbanken, im guten alten "Denglisch" meist als Tablebases bezeichnet. Der technische Fortschritt ist auch in diesem Bereich unaufhaltsam und der neue Stand sieht so aus, dass alle halbwegs praxisrelevanten 7-Steiner allgemein verfügbar sind - vorausgesetzt, man besitzt ein zum (Online-)Abruf der Daten geeignetes Programm der russischen Firma Convekta, z.B. das recht bekannte "Aquarium". Nähere Informationen findet man auf der Website des Herstellers. Dort sind auch einige Beispiele aufgeführt, u.a. ein schwindelerregendes Matt in 545 und ein uraltes Turmendspiel aus dem WM-Match Steinitz-Gunsberg, gespielt am 29. Dezember 1890. Lange Zeit dachte man, dass Gunsberg gewinnen konnte, aber 122 Jahre später wissen wir Bescheid: es war doch remis!

Hinsichtlich der besagten Partie aus dem Tal-Memorial dauerte es nicht ganz so lange, sondern es genügte ein schlichter Knopfdruck bzw. Mausklick, um sofort die endgültige Wahrheit zu erfahren. Um folgende Stellung (Weiß am Zug) geht es:

 Bemerkenswert ist zunächst, dass dieses Endspiel überhaupt aufs Brett kam, da Schwarz durchaus brauchbare Alternativen zur Verfügung hatte. Kramnik hatte die Diagrammstellung in den letzten Zügen geradezu angestrebt, schätzte sie also anscheinend als remis ein. Auf den ersten Blick erscheint dies auch gar nicht so unplausibel, da Weiß nicht den zum h-Bauern passenden Läufer hat. Schwarz muss daher "nur" irgendwie den g-Bauern erwischen; dies erweist sich allerdings als unmöglich. Weiß kann mit Zugzwang arbeiten und wird früher oder später den schwarzen Läufer von den kritischen Diagonalen abdrängen. In der Tat gewann Carlsen in der Folge relativ leicht und Kramniks Fehleinschätzung erstaunt schon ein wenig. Auf der Pressekonferenz kommentierte der Weltranglistenerste die kramniksche Abwicklung recht diplomatisch: "This surprised me quite a bit", was in seiner Ausdrucksweise wohl ungefähr so viel bedeutet, dass er schier vom Stuhl fiel.

Früher hätte man das Endspiel vielleicht trotz allem mit einigem Aufwand untersucht (wer weiß, vielleicht gab es doch einen versteckten Remisweg?), aber jetzt spuckt die Maschine zu jeder Stellung alle relevanten Informationen aus. Zur Diagrammstellung erfahren wir zum Beispiel: Matt in 40! Aha. Nun handelt es sich hier noch um einen vergleichsweise seltenen Endspieltyp, aber auch z.B. über das äußerst praxisrelevante Turmendspiel mit zwei Bauern gegen einen ist nun alles bekannt und so manches Lehrbuch muss vermutlich umgeschrieben werden. Wo hört das alles auf? Nach Angaben von Convekta war der Abschluss der 7-Steiner-Analysen (die anderweitig schon seit etlichen Jahren im Gange waren!) eigentlich erst für 2015 vorgesehen,  sie hätten das Vorhaben mithilfe eines Supercomputers der Moskauer Universität jedoch innerhalb von nur sechs Monaten abgeschlossen. Über weitere Projekte in dieser Richtung ist noch nichts bekannt, aber es ist zu vermuten, dass auch die 8-Steiner früher oder später in Angriff genommen werden. Dabei muss man sich natürlich im Klaren darüber sein, dass mit jedem zusätzlichen Stein die Komplexität exponentiell anwächst. Neben immenser Rechenkraft sind also auch riesige Speicherkapazitäten notwendig, was neben der technischen Umsetzbarkeit auch eine Frage des Geldes ist. Trotz allem müssen wir damit rechnen, dass auch der nächste Schritt irgendwann bewältigt sein wird, auch wenn es noch Jahrzehnte dauern mag. Dabei muss man sich allmählich aber auch eine "ethische" Frage stellen: Wie weit wollen wir überhaupt gehen? Macht das Ungewisse, Unauflösbare nicht einen Teil der Faszination des Schachspiels aus? Theoretische Frage: Wenn man eine 32-Steine-Datenbank herstellen könnte, sollte man es dann tun? Ich persönlich habe kein gutes Gefühl dabei, aber ich mache mir keine Illusionen: Alles, was technisch machbar ist, wird auch irgendwann von irgendwem umgesetzt werden. Der Mensch an sich ist einfach zu neugierig!

sseu600

Frage an die Leser
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Mittwoch, 08 Mai 2013 16:46

Frage an die Leser

Als Abwechslung zur endlosen Schachpolitik mal wieder etwas Handfestes: Die aktuelle "Schach"-Ausgabe wirft eine Endspielfrage auf, die ich mir genau so auch schon gestellt hatte. Die Sache ist mir bis heute etwas rätselhaft. Vielleicht können die Leser dabei helfen, Licht ins Dunkel zu bringen? Es geht um die Partie Carlsen-Gelfand vom Londoner Kandidatenturnier, Stellung nach dem 44. Zug von Weiß (siehe Diagramm). Zur Erinnerung kurz die Partiefortsetzung: 44...Dxf1+ 45.Kh2 Db1 46.b7 Db5 47.c6 Ld5 48.Dg3 1-0. So weit, so einfach. Was aber ist, wenn Schwarz auf f1 mit dem Läufer nimmt? Es ist verblüffend, wie wenig Beachtung diese Möglichkeit fand. Die Londoner Kommentatoren hielten sie für hoffnungslos, Carlsen im Interview ebenso und Peter Heine Nielsen, der die Partie für "Schach" kommentierte, erwähnte den Zug nicht einmal. Aber wenigstens findet sich nun eine "Anm. d. Red." (vermutlich von IM Dirk Poldauf), die ich hiermit zitiere: "Zu prüfen wäre, ob bzw. wie Weiß nach 44...Lxf1! 45.Dxf7+ Kh8 46.Df6+ Kh7 47.Kh2 De8 gewinnt." Endlich noch jemand, der sich diese Frage stellt - ich dachte schon, ich sei einfach zu blöd! Zur Veranschaulichung noch einmal ein Diagramm:

Schwarz plant, eine weißfeldrige Blockade zu errichten und, wenn möglich, seinen Läufer für die beiden Freibauern zu geben. 48.c6 Lb5! 49.c7 La6 führt zu nichts, ebenso wenig wie 48.b7 Db8+. Also was tun? Dazu noch eine Anmerkung: Jeder kann hier seine Lieblings-Engine einschalten und wird feststellen, dass sie eine Gewinnstellung für Weiß anzeigt. Eine ganz andere Frage ist aber, ob dabei auch ein Gewinnweg herauskommt, ob also z.B. diverse Festungsmotive verstanden werden. Branchenführer Houdini hat hier jedenfalls seine liebe Mühe. Ich glaube, dass ich inzwischen trotz allem einen gewinnträchtigen Plan gefunden habe, aber besonders klar ist die Sache keineswegs. Für mich liegt auf der Hand, dass Gelfand so hätte spielen müssen, und ich verstehe nicht, warum dies so wenig beachtet wurde. Zu viel Engine-Gläubigkeit? Oder gibt es doch eine einfache Lösung? Was meinen die Leser?

Chennais Vertreter und Iljumschinow (Mitte) beim FIDE-Vorstandstreffen in Baku am Sonntag
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Kissingers vielzitierter Anruf bei Bobby Fischer: "Der schlechteste Schachspieler der Welt ruft den besten Schachspieler der Welt..." Das sich über Wochen ziehende Drama, ob Fischer antritt, hat den WM-Kampf 1972 zum meistbeachteten der Geschichte gemacht. Ob FIDE-Präsident Iljumschinow hofft, dass sich so etwas wiederholen könnte? Hat der unberechenbare Kalmücke darum das nächste WM-Match Anand - Carlsen ohne Ausschreibung nach Chennai vergeben, obwohl Carlsen seit Wochen klar macht, dass er auf eine Ausschreibung pocht und lieber nicht in den Tropen spielen möchte? Oder schielt er mit der Vergabe in eine Entwicklungsland vor allem auf die zahlreichen Stimmen der Entwicklungsländer, um 2014 sein Regime um vier weitere Jahre verlängern zu können?

Diesen Sonntag mittag haben Iljumschinows Vorstandskollegen bei ihrer Sitzung in Baku jedenfalls den Vorschlag ihres Präsidenten abgenickt. Dabei hat am Freitag der Französische Schachverband ein deutlich besseres Angebot (2,65 Millionen Euro Preisgeld statt 1,94 Millionen in Chennai) vorgelegt, und der Norwegische Verband hat gegen eine Vergabe ohne Ausschreibung offiziell protestiert. Bevor Carlsen öffentlich mit Nichtantreten droht, dürfte er die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, denn eine WM-Vergabe ohne Ausschreibung könnte gegen die Statuten der FIDE verstoßen.

Nachtrag 6. Mai: Carlsen hat die Sache überschlafen und dann mitgeteilt, dass er die Entscheidung für Chennai trotz ihrer Regelwídrigkeit akzeptiert.

"After qualifying for the World Championship match by winning the London Candidates I have been highly motivated for, and looking forward to the World Championship match against reigning champion V. Anand.

I’m deeply disappointed and surprised by the FIDE decision to sign a contract for the 2013 match without going through the bidding process outlined in the WC regulations, and for not choosing neutral ground. The bid from Paris clearly showed that it would be possible to have more options to choose from.
The lack of transparency, predictability and fairness is unfortunate for chess as a sport and for chess players.

My team and I will now start preparing for the match. The main thing now will be to come to an agreement with the Indian Chess Federation and FIDE regarding terms and conditions before and during the match. I really hope this process will run quick and smoothly.

Lastly, I will not let the news from Baku diminish the joy and excitement derived from playing the top level Norway Chess tournament starting tomorrow."

Am Dienstag abend beginnt in der Uni Stavanger mit einem Blitzturnier das erste Weltklasseturnier auf norwegischem Boden. Dass Carlsen den Kopf jetzt nicht frei hat, kann man sich denken. Auch Anand ist dabei. Das höhere Preisgeld in Paris (wo beide kürzlich spielten) und die Erinnerung an 1994, als er in seinem Heimatland, wo sich alle Journalisten auf ihn stürzten, ein 4:2 stehendes Kandidatenmatch gegen Kamsky noch 4:6 verlor, dürften eigentlich auch ihn eher gegen Chennai stimmen, so lange er sich nicht öffentlich gegen seine Heimatstadt erklären muss. Wenn Anand und Carlsen in Stavanger auf eine gemeinsamen Linie verständigen, lässt sich der Skandal, den Iljumschinow offenbar will, vielleicht noch verhindern. Die WM könnte in Paris oder einer anderen Stadt in einem neutralen Land steigen und Carlsen bald zu seiner ersten Indien-Reise aufbrechen, einer Goodwill-Simultantour nach Chennai. 

Kasparow am Freitag in Oslo
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Samstag, 13 April 2013 15:10

Happy birthday, Garri!

Vor acht Jahren hat Garri Kasparow dem Turnierschach adieu gesagt. Dieser Tage meldeten russische Medien, dass er Russland verlässt. Schluss mit Schach, Schluss mit Politik, Rückzug auf der ganzen Linie? Von wegen. Der Eindruck trügt. Kasparow, der an diesem Samstag fünfzig wird, arbeitet unermüdlich an seinen großen Zielen, Russland zu demokratisieren, Iljumschinow abzulösen und Schach in die Schulen zu bringen. Das alles unter einen Hut zu bringen, verlangt einen brillianten Netzwerker, als der er von dem Journalisten Igor Jakowenko in einer lesenswerten Hommage beschrieben wird.

 Kasparow in Oslo
Kasparow am Freitag in Oslo, civita.no

Seinen Geburtstag feiern wird er erst mit einigen Tagen Verspätung am 19. April in New York, wo seine Frau und siebenjährige Tochter leben. Denn im Moment ist er wie meist unterwegs und zwar, sehen wir es symbolisch, im aktuellen Schachboomland Norwegen. Der Thinktank Civita hat ihn zu einer Rede über Putins Russland eingeladen. Nebenbei erklärte Kasparow die von Chennai reklamierte Vergabe des WM-Kampfes Anand-Carlsen ohne Ausschreibung zum Skandal. Und ein Treffen mit Magnus Carlsen und seinem Manager Espen Agdestein steht an, um über die Wiederaufnahme ihrer Zusammenarbeit zu verhandeln. Liebend gerne würde Kasparow Carlsen als Trainer dabei unterstützen, Anand zu schlagen. 

Schon vor der Reise nach Norwegen war es wieder eine ereignisreiche Woche für Kasparow. Er zog sich aus dem Vorstand der russischen Oppositionsbewegung Solidarnost zurück. Danach musste er aufkommende Emigrationsgerüchte dementieren. Und er erhielt einen renommierten Menschenrechtspreis zugesprochen. 

Vermisst Kasparow das Turnierschach und bereut seinen Rücktritt, wie Hartmut Metz Anand zitierend schreibt? Ich glaube nicht. Er hat seine Spielerkarriere gegen ein reicheres Leben eingetauscht. Bei allen seinen Zielen wünsche ich ihm viel Erfolg. Und natürlich: S dnjom raschdenja, Garri Kimowitsch!

Die Hand Gottes
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Donnerstag, 14 März 2013 15:49

Die Hand Gottes

Wegen Zeitmangels komme ich im Moment nicht zu tiefschürfenden Analysen, aber eine kleine Einstimmung auf das morgen (na gut, bei Veröffentlichung des Artikels fast schon "heute") beginnende Kandidatenturnier will ich hier schon noch loslassen - natürlich wieder unter dem Blickwinkel des Endspiels. Meine Prognose ist nämlich, dass Magnus Carlsen gerade wegen seiner Überlegenheit im Endspiel das Turnier gewinnen wird. Eröffnungstechnisch werden alle Teilnehmer exzellent vorbereitet sein, auch der sonst etwas theoriefaule Weltranglistenerste, der mit Peter Heine Nielsen einen der besten Sekundanten verpflichtet hat, die man sich vorstellen kann. Im Mittelspiel sehe ich Kramnik und Aronian auf Augenhöhe, vielleicht sogar auch Iwantschuk, falls er in Topform sein sollte. Im Endspiel hingegen kann niemand Carlsen das Wasser reichen. Es ist unglaublich, wie viele Punkte er in dieser Partiephase holt und was für scheinbar leblose Stellungen er immer wieder gewinnt. Faul wie ich bin, verweise ich zu diesem Thema auf einen Artikel, den ich Anfang Dezember anderswo veröffentlicht habe, damals anlässlich der Partie gegen McShane in London. (Und wo ich schon dabei bin, auch noch der Hinweis auf den Artikel meines Vereinskameraden Martin Schmidt, der sich einige Endspiele aus der Bundesliga angeschaut hat, u.a. die hier in den Kommentaren angesprochene Partie Balogh-Khenkin.) Von vielen wird auch Kramnik als überragender Endspielexperte angesehen, aber das halte ich (auch wenn es in der Tendenz natürlich nicht ganz falsch ist) für übertrieben. Wenn man es konkret überprüft, stellt sich heraus, dass er bei weitem nicht immer das Optimum aus seinen Endspielen herausholt. Zu ein paar Beispielen kommen wir gleich noch.

Auch wenn ich mich in diesem Artikel um eine objektive Bewertung bemühe, will ich keinen Hehl daraus machen, dass ich ein langjähriger, eingefleischter Carlsen-Fan bin und natürlich meinem Idol fest die Daumen drücke. Woher kommt eigentlich diese Faszination, dieser "Carlsen-Hype", wie Blogkollege Thomas Richter es leicht abschätzig bezeichnet? Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht genau, aber das ist ja gerade das Tolle. Es hat irgendwie etwas Mystisches. An der Spielstärke allein liegt es wohl nicht. Wunderkinder gibt es immer wieder, z.B. wurde Karjakin noch deutlich früher Großmeister, hat mich deswegen aber trotzdem nie besonders interessiert. Carlsens Spiel hat irgendetwas Besonderes, etwas Magisches, das man nicht erklären kann, sondern entweder fühlt oder eben nicht. Mir scheint jedenfalls, dass es ziemlich viele Leute fühlen, darunter auch einige von Carlsens Gegnern, die davon so beeindruckt sind, dass sie unter ihrem üblichen Niveau zu spielen scheinen. Ich selbst habe mich 2003 zum ersten Mal mit Carlsens Partien beschäftigt, als der damals 12-Jährige beim Open im österreichischen Schwarzach auftrat und die Titelträger das Fürchten lehrte. "Ein neuer Leko?" fragte "Schach" damals. Mir wird vielleicht keiner glauben, aber ich hatte schon damals das Gefühl, dass es sogar noch besser kommen würde. Ein Leko reicht ja auch schon, oder? :)  Ein Schlüsselerlebnis kam für mich jedenfalls einige Jahre später, als ich einem Playchess-Livekommentar von Daniel King folgte. Ich erinnere mich nicht mehr an die Begleitumstände, ich habe nur noch einen Satz im Kopf, mit dem der Großmeister kurz und knapp seine Eindrücke von einer Carlsen-Partie zusammenfasste: "Man konnte die Hand Gottes spüren." Ich bin eigentlich kein gläubiger Mensch, aber trotzdem scheint mir dieser Ausspruch den Nagel auf den Kopf zu treffen, auch wenn ich es, wie gesagt, nicht erklären kann. Und nein, mit Maradona hat das alles gar nichts zu tun. (Zur Illustration siehe übrigens Bild oben. Man beachte auch rechts den ebenfalls nicht unwichtigen O-Saft Gottes.)

Damit wieder zu einer irdischeren Betrachtungsweise. Man findet anderweitig bereits eine Untersuchung von Carlsens Eröffnungsrepertoire, entscheidender erscheint mir allerdings sein "Endspielrepertoire". Da Kramnik und Aronian vermutlich die härtesten Konkurrenten sein werden, folgt nun ein kleiner Rückblick auf Carlsens Endspiel-Duelle mit diesen beiden, angefangen mit dem Armenier.

Es ist keineswegs so, dass Carlsen im Endspiel schon immer besonders gut war, eher im Gegenteil. Zu Beginn seiner Karriere verdaddelte er noch einiges, aber die vorliegende Niederlage gegen Aronian (Tal-Memorial 2006) war ein sehr heilsamer Schock. Etwas ungenau hatte der Jungmeister auch schon vorher gespielt, aber die Diagrammstellung war immer noch remis und die richtige Spielweise aus der Endspielliteratur auch gut bekannt. Weiß droht hier eigentlich nichts, aber Schwarz ist dran und es ist nicht so einfach für ihn, einen unschädlichen Zug zu finden. 73...Tb8? wäre z.B. nicht gut, denn später bei Seitenschachs wäre dann die Distanz zum weißen König zu kurz. Details bitte ich ggf. in den einschlägigen Büchern nachzulesen. Richtig ist jedenfalls einzig 73...Kg6!=, falsch war hingegen die Partiefolge 73...Ta7+? 74.Ke8 und bereits aufgegeben, da der Durchmarsch des Bauern nicht vernünftig zu verhindern ist. Nach dieser Pleite setzte sich der Norweger auf den Hosenboden, beschäftigte sich intensiv mit der Materie und seine Endspiele wurden bald deutlich besser, auch in nicht-elementaren Stellungen.

 

Hier eine Kostprobe aus dem Kandidatenmatch von 2007. Sicher steht Carlsen mit Weiß hier ganz schön, aber wie lautet der Gewinnplan? 27.Sf5!! Zwei Rufzeichen von Mihail Marin, mit dem Kommentar: "Ein fantastischer Zug, der von sehr tiefem Stellungsverständnis zeugt." Das nun entstehende Turmendspiel musste präzise bewertet werden. 27...Sxf5 28.exf5 Kg8 29.Te4! Das Manöver Te4-g4-g7 ist sehr stark; Schwarz kommt gar nicht dazu, den d-Bauern abzuholen. Aronian fand keine Verteidigung, 1-0 nach weiteren 12 Zügen.

Auch Carlsens nächste Weißpartie in diesem Zweikampf war sehr interessant. Die Diagrammstellung sieht nicht sehr vorteilhaft für ihn aus, denn der Bauer c3 geht verloren und das auf der Hand liegende 36.Tf8 nebst Sxf7 führt nur zum Remis. Carlsen hatte jedoch schon einige Züge vorher die Gewinnidee entdeckt: 36.f4! Txc3 37.h5! gxh5 38.Tf8 Ta3 39.f5! und nun sieht man den Unterschied: Weiß erwischt den Bf7, ohne seinen mächtigen Springer abtauschen zu müssen. Gegen dieses Gespann war nichts mehr zu machen, 1-0 nach weiteren 10 Zügen.

Von den weiteren Partien kann ich natürlich nicht alles zeigen; in Linares 2009 verlor Carlsen zugegebenermaßen noch einmal ein objektiv remises Turmendspiel, allerdings nur durch einen sehr späten Fehler in keineswegs einfacher Stellung, nach zuvor starker Verteidigung. Hingegen gab es auch noch mehrere überzeugende Siege im Endspiel. Ich möchte noch an ein recht drastisches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit erinnern (Carlsen-Aronian, London Classic 2012):

So stand es unmittelbar nach dem Damentausch. Weiß hat hier einen Bauern mehr, aber die schwarzen Figuren sind deutlich aktiver. Die Kontrahenten waren sich einig, dass allenfalls Schwarz besser steht und Weiß eigentlich mit einem Remis gut bedient wäre. Es war jedoch erheiternd, wie die weiße Stellung in der Folge Zug um Zug immer besser wurde. Man hatte das Gefühl, dass Carlsen haargenau wusste, was zu tun war, während sein Gegner eher im Nebel stocherte. Schauen wir uns nach Art eines Vorher-Nachher-Vergleichs eine später entstandene Stellung an. Finden Sie die 20 Unterschiede:

 

Krass, oder? Was hat Schwarz mit seinen Figuren angestellt und was hat Weiß erreicht? Natürlich eine rhetorische Frage. Nähere Kommentare dürften sich erübrigen; 1-0 nach weiteren 8 Zügen.

Und damit zu Wladimir Kramnik, der sich auch immer wieder pikante Duelle mit dem jungen "Wikinger" lieferte. Das erste Endspiel zwischen diesen beiden entstand in Wijk aan Zee 2008; Carlsen gewann, aber dies war auch nicht allzu schwer, da er im Mittelspiel schon klaren Vorteil erzielt hatte. Spannender ging es beim Tal-Memorial 2009 zu: In einem eher langweilig aussehenden Endspiel mit Türmen und ungleichfarbigen Läufern spielten beide Seiten mit aller Macht auf Gewinn und nach einigen Komplikationen endete der Kampf remis. Einen Erfolg für Kramnik gab es dann in der Hinrunde des Grand Slam-Finales 2010, wobei die entscheidende Phase allerdings eher eine Art damenloses Mittelspiel war. Aufschlussreicher ist für uns die Rückrundenpartie:

Die Remistendenz von Turmendspielen ist bekannt, aber hier hat Kramnik mit Schwarz einen gesunden Mehrbauern und nach seinen eigenen Kommentaren ist die Stellung in der Tat gewonnen. Dennoch konnte Carlsen die Partie halten! Noch erstaunlicher war jedoch der Gang der Dinge in London 2010:

Mit sehr starker Mittelspielbehandlung hatte Kramnik sich eine Mehrfigur erarbeitet und hätte nach 62.Td3 recht einfach gewinnen sollen.  Er wählte jedoch 62.Txd6+?! und verkannte dabei offenbar die technischen Schwierigkeiten nach dem Abtausch der Türme und Springer. Objektiv war es zwar immer noch gewonnen, aber während Carlsen sich optimal verteidigte, griff Kramnik später erneut fehl und verdarb auch diese Partie zum Remis.

Hier haben wir nun Kramnik-Carlsen aus Wijk aan Zee 2011, auch wieder ein interessanter Fall. Schwarz hat gerade einen Bauern gewonnen, steht aber noch vor erheblichen technischen Schwierigkeiten, da der a-Bauer seine Kräfte binden wird und der weiße Läufer stark zu werden droht. Bei richtigem Spiel sollte Weiß sich behaupten können, aber derjenige, der das Maximum herausholte, war einmal mehr der Norweger!

Die letzten beiden Fälle: In London 2011 hielt Kramnik ein leicht unangenehmes Endspiel remis, ein Jahr später an selber Stelle tat Carlsen dasselbe, wobei diese Aufgabe m.E. die etwas schwerere war. Insgesamt zeichnet sich jedenfalls wieder das bekannte Muster ab: Hat Carlsen realistische Gewinnchancen, holt er auch den Punkt, steht er hingegen schlechter, hält er in der Regel remis. So muss man es machen und so kann man auch Weltmeister werden. Alles Gute, Magnus!

Montag, 31 Dezember 2012 15:57

Meine Spieler des Jahres 2012

Ein Schachjahr ist zu Ende, und der Tradition folgend veröffentliche ich hier meine Spieler des Jahres. Die ersten drei fielen mir leicht, die weitere Reihenfolge schon schwerer. 

1. Magnus Carlsen bekommt von mir wie im Vorjahr die Bestnote. Er leistete sich kein einziges schwaches Resultat, aber einige sehr gute und brach mit seiner ab 1. Jänner gültigen Elozahl 2861 Kasparows Rekord. Sein Sieg gegen Anand in Bilbao war für mich die Partie des Jahres.

2. Lewon Aronjan gewann in Wijk aan Zee mit einem Riesenresultat (sieben Siege!) und führte Armenien schon zum dritten Mal zu Olympiagold. Auch seine Rückkehr in die Schachbundesliga für die sympathischen Schachfreunde Berlin gefiel mir. Dass Lewon das Jahr schwach abschloss und auf Weltranglistenplatz drei zurückfiel, Schwamm drüber.

3. Fabiano Caruana spielte sich 2012 mit zweiten Plätzen in Wijk aan Zee und Moskau sowie geteilten ersten Plätzen in Dortmund und Sao Paolo/Bilbao in die Weltspitze und aus dem Schatten des in den vorigen Jahren stärker beachteten Anish Giri. Ich muss zugeben, dass ich das dem 20jährigen nicht zugetraut hatte.

4. Garri Kasparow steht hier nicht als Spieler (er steht ja nur noch für wenige Schaukämpfe und Simultane zur Verfügung) sondern als Motor der erfolgreichen Kampagne um die Unterstützung des Europäischen Parlaments für Schulschach und dank seiner Ansage, 2014 alles für die Ablöse Iljumschinows an der Spitze der FIDE zu tun bis hin zu einer eigenen Kandidatur. Ich setze ihn als Nummer vier als kleine Zäsur zwischen den ersten drei und den folgenden Spielern.

5. Wladimir Kramnik fiel mir durch einige Gewinnpartien (gegen Aronjan bei der Olympiade oder gegen Meier in Dortmund) auf. Dass er die aktuelle Nummer zwei der Weltrangliste ist, zeigt seine Stärke, auch wenn er 2012 nicht zu einem eigentlich verdienten Turniersieg kam: In Dortmund zermürbte er sich gegen Leko, in London war Carlsen vom Glück verfolgt.  

6. Boris Gelfand rettete die WM mit dem interessanteren Schach. Er hätte den Sieg gegen Anand verdient gehabt. Als Cosieger des ersten Grandprixturniers in London zeigte der immerhin schon 44jährige, dass das Kandidatenturnier 2011 nicht sein letzter Erfolg bleibt.

7. Sergei Karjakin wurde Schnellschachweltmeister, Cosieger in Dortmund und Taschkent, gewann das starke Blitzturnier in Peking. In Erinnerung blieb auch sein Abschneiden in Wijk aan Zee: Fünf Siege, aber auch fünf Niederlagen. Schade, dass er die Qualifikation fürs Kandidatenturnier als Weltcupvierter denkbar knapp verpasst hat.  

8. Daniel Fridman wurde Deutscher Meister, bester Deutscher bei der EM und war der wichtigste deutsche Leistungsträger bei der Schacholympiade. In Istanbul hätte er eine Medaille und einen schönen Geldpreis sicher gehabt, hätte er sich in der letzten Runde gegen die um Gold kämpfenden Russen nicht ans Brett gesetzt. Doch vorbildlich kämpfte er. Das alles rechtfertigt meines Ermessens einen Platz auch in einer internationalen Liste und ist ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle, die sich an der vom Deutschen Schachbund ausgelobten Wahl des Deutschen Spielers des Jahres beteiligen.    

9. Dmitri Jakowenko wurde verdient Europameister. An ihm lag es am wenigsten, dass Russland wieder nicht die Olympiade gewann. Pech, dass er weder zum Grandprix noch sonstigen Eliteturnieren eingeladen wurde.

10. Wang Hao gewann in Biel, wurde Cosieger in Taschkent und spielte eine starke Schacholympiade bis zur wichtigen letzten Runde, als er gegen Iwantschuk verlor und China auf den undankbaren vierten Platz abrutschte.

 Noch kurz zu denen, die nicht vorkommen: Dass Mister 50 Prozent Anand trotz geglückter Titelverteidigung nicht auf meiner Liste steht, braucht keine weitere Erläuterung. Radschabow hat für meinen Geschmack zu wenig gespielt. Nakamura gewann zwar in Hoogeveen aber kein größeres Turnier.   

Magnus (on the) rocks
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Dienstag, 13 November 2012 11:30

Magnus (on the) rocks

In nächster Zeit wird das Spitzenschach öfter mal in Norwegen Station machen. Nicht erst im August 2014 zur Schacholympiade in Tromsö. Im zweiten Halbjahr 2013 soll an gleicher Stelle der Weltcup, also das große k.o.-Turnier, dessen Sieger dann WM-Kandidaten werden, steigen. Und im Mai bereits in Stavanger ein Weltklasseturnier mit Carlsen, Kramnik, Aronjan und Anand. Hohe Chancen also, dass der (Noch-)Weltmeister dort auf seinen Herausforderer trifft. Um das Event zu bewerben haben die Veranstalter einen originellen Weg gewählt: Die aus Stavanger stammende Singer-Songwriterin Hanne Sörvaag hat ein Lied geschrieben, und ein Videoclip wurde dazu gedreht, auf dem Magnus auf einem spektakulären Felsen über einem Fjord eine Partie spielt. Enjoy the clip.

Dehnübung fürs Spitzenschach
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Sonntag, 14 Oktober 2012 09:40

Dehnübung fürs Spitzenschach

Wer sagt, dass man nur mit ausgefeilten Varianten auf höchstem Niveau bestehen kann. Mit geradezu antitheoretischer Spielanlage improvisierte sich Magnus Carlsen in Bilbao zum Turniersieg und bis auf drei Elopunkte an Kasparows zwanzig Jahre alten Elorekord heran. Dieser Schnappschuss eines Fotoreporters der baskischen TV-Station Proyeccion (Danke für den Tipp an David Llada) aus der Eröffnungsphase von Carlsens verblüffenden Gewinnpartie gegen Anand (es war die einzige entschiedene Partie des Weltmeisters auf Abruf) sagt mehr als Tausend Worte und könnte das Schachfoto des Jahres sein.

Auf Wiedersehen in Bilbao auch ohne Grand Slam Circuit
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Montag, 18 Juni 2012 13:10

Small Slam

Dass Spitzenturniere Spaß machen können, beweist das an diesem Montag zu Ende gegangene Michail-Tal-Gedenkturnier. Von Moskau sollte es für Carlsen und Radschabow gleich weitergehen ins rumänische Bazna. Auch Karjakin, Iwantschuk und Nisipeanu, ja selbst Anand, sind beim "Turnier der Könige" als Teilnehmer aufgeführt. Doch der Wettbewerb, der Ende der Woche losgehen sollte, ist abgesagt. Nur verschoben, hoffen die Veranstalter. Aber im Herbst ist praktisch zu viel los, um noch ein Spitzenturnier in den Kalender zu quetschen. Also ist Bazna wohl zumindest für dieses Jahr ausgefallen.

 

Nachdem es schon Linares erwischt hat, bleibt von der Grand Slam-Serie heuer wenig übrig. Schliesslich sind London, Moskau, Biel und Dortmund nicht Teil der Serie. Das ist offiziell nur Wijk aan Zee und eben das Finale. Aber deren Ausrichter in Sao Paolo und Bilbao ficht das nicht an. Ihr Turnier zwischen 24. September und 13. Oktober ist gesichert. Kramnik als Sieger von London haben sie schon eingeladen (mal sehen, ob er den Wechsel von Kontinent zu Kontinent dieses Mal mitmachen wird). Carlsen ist nicht nur als Vorjahressieger sondern auch Erster von Moskau eingeladen. Der Sieger von Dortmund soll auch gefragt werden. Und Anand als Weltmeister.

(aktualisiert am 21. Juni) 

 

Kramnik (rechts) und sein Konkurrent in den letzten Dortmunder Runden
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Freitag, 29 Juli 2011 13:31

Stichwort Nanking

Wladimir Kramnik spielt in Dortmund nicht mehr nur um den Turniersieg und gegen die Anwesenden. Sein härtester Konkurrent heißt Magnus Carlsen. Der Weltranglistenerste hat in Biel gerade vorzeitig das Turnier gewonnen und dabei auch einige Elopunkte. Kramniks Ausbeute verspricht größer zu werden. Schafft er noch zwei Punkte in den letzten drei Runden springt er nach acht Jahren wieder über die 2800.
Selbst Nanking (danke fürs Stichwort, strenger Kommentator Thomas Oliver) ist in Reichweite. Nanking? Ja, die 3002-Eloperformance, die Carlsen dort vor zwei Jahren mit 8 aus 10 gegen einen Eloschnitt von 2762  erzielte. Mit zweieinhalb aus drei und damit insgesamt 8,5 aus 10 hätte Kramnik eine Performance von 3026. Darüber, dass sie nicht wirklich besser wäre als Karpows 11 aus 13 in Linares 1994 mag man streiten (und Fischers 6:0 gegen Larsen ist sowieso außen vor, weil 100-Prozent-Ergebnisse sich eigentlich nicht in Performancezahlen umrechnen lassen). Aber die höchste je in einem aussagekräftigen Turnier gemessene Eloperformance bisher wäre es. Und das zählt doch was in unserer zahlengeilen Medienwelt, oder?
 
(Nachtrag zwei Runden später) Kramnik hat es versucht. Gegen Le hat er in Runde acht mit Schwarz viel riskiert (und möglicherweise in einer langen Vorausberechnung übersehen, dass 34...Dxc5 an 35.Sd6 scheitert), so dass er zwischenzeitlich am Rande einer Niederlande balancierte. Mit Schwarz gegen Giri in Runde neun war indessen nichts drin, ging es seinem jungen Gegner doch vor allem darum, Kramnik keine Chancen zu geben. Das Resultat war das langweiligste Remis des Turniers. Als Turniersieger und Elogewinner stand Kramnik trotzdem vorzeitig fest.
Dienstag, 22 Februar 2011 02:35

Psychological elements in chess

 
In most competitive sports there is one a universal psychological element sportsman are facing: “being good when you have to" and problems of achieving it.
Most of the sports psychologists would say: “do your best, concentrate, do not look back – after all, there are no regrets-just decisions!”
Yes, correct,…just decisions! Decisions sportsman constantly has to take. Most of the time in a very, very limited time.
In chess fortunately, we (normally) have considerably more time than someone shooting a football penalty, but the same rule of influence of psychological pressure on players performance, however remains.

Even, the worlds very best are not spared from it and occasionally fail under those pressures. Recently, we had a few examples involving the world very top.
Most of the readers may still remember relatively fresh the London Chess Classic tournament and Kramnik-Carlsen encounter there. Kramnik has played a textbook game, delivering a positional lesson to Carlsen, achieving a technically won position. There was a plenty of time (not even a remotely realistic possibility of a time pressure) and for someone of Kramnik stature such a task should normally have been a matter of easy technique, a ” piece of cake”.  Having an easily won position in this important encounter, Kramnik suddenly became very nervous and an elementary win petered out into a surprising draw.

The following month two stars met in a traditional Wijk aan Zee tournament, Kramnik again playing white, game happening after the rest day, moment Kramnik had a stable tournament with his form steady improving, while Carlsen having a rollercoaster tournament (already losing two of his games).
On the rest day experts came with many different predictions, most of them believing in Kramniks success.  I was thinking about their London game and wondering about the influence spoiling of winning position there would have on Kramniks play.
Kramnik fianchettoed his kings bishop, playing one of his favorite systems, playing kind of position he probably understands the best in the world. Vladimir was unrecognizable, losing with white to Magnus.

Obviously, their London game and a failure of Kramnik to cash in on the easily won position played a crucial psychological role.
Carlsen is not immune from problems caused by psychological pressure either and mistakes arising from it. Magnus refusal to participate in the candidates, many are still speculating the real reason behind.
Being a very young, a prodigy ….did put Magnus in a favorable psychological position playing an established, considerably older giants.
But, how did Magnus recently fare with his (or even younger) generation? How did he deal with the situation where he is the champ, he is world rated nr. 1, while his young opponents are considerably lower rated (than Magnus himself) and have no psychological pressure?
Well, …..not great. To put it mildly!
Against two considerably younger opponents Russian Sjugirov and Dutch Giri,  Magnus got crushed in a mere 20 moves, while against two opponents of his age La Grave and Nepomniachii, he scored ½ out 2.
On the World junior ½ out 4 would not be get you far!
Psychology in sport remains a complicated issue to deal with. Sometimes, difficult even for the very best.

Die beiden Kramnik-Carlsen-Partien zum Nachspielen





Anish Giri in Wijk
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Sonntag, 30 Januar 2011 01:00

Giri nach mehr

Anish Giri hat in Wijk aan Zee auch seine Schwarzpartie gegen Anand remisiert. Aber nicht etwa remis gehalten. Es war der Weltmeister, der zu kämpfen hatte. Es war ihre erste reguläre Partie, aber voriges Jahr spielten sie vor dem WM-Kampf Sparringspartien zu Eröffnungen, die Anand für Topalow testen wollte. Zwei davon hat Giri übrigens gewonnen, wie er dem NRC Handelsblad kürzlich verriet. Dass er den Ruhetag blokartend am Strand verbracht hatte, rächte sich jedenfalls nicht. Schon um den 20.Zug herum war Schwarz am Drücker, obwohl Anand keinen offensichtlichen Fehler begangen hatte. Während der Inder brütete, wie er sich behaupten konnte, sah man Giri entspannt herumspazieren und sich den Stellungen des C-Turniers widmen. In der Endphase drängten sich Hunderte hinter der Absperrung, um einen Blick auf Giri, Anand und ihre Stellung zu erhaschen. Der einzige Fehler, den der sehr lebendig und lesenswert schreibende Livekommentator Ian Rogers in Giris Spiel nachweisen konnte, war sein letzter Zug. Mit 49...Tb6 hätte der 16jährige zwar nicht unmittelbar gewonnen, aber wohl auf Gewinn gestanden, meint der australische Großmeister. Nach 49...Td2? kam Anand mit dem Schrecken und einem halben Punkt davon. Giri hatte nach 50.Tc7 c2 51.Tc6+ Kh5 den Zug 52.Tff6 nicht auf der Rechnung. Aber wir haben Giri auf der Rechnung. Seine Fortschritte, seit er vor nicht ganz drei Jahren in die Niederlande übersiedelte, suchen im Spitzenschach ihresgleichen. Bei seinem ersten Weltklasseturnier behauptet er sich auf Augenhöhe. Einem gewissen Magnus Carlsen war das nicht gelungen. In Elopunkten legte Giri in den letzten drei Jahren doppelt so viel zu wie der Norweger im entsprechenden Alter.

Der hat übrigens an diesem Samstag einen sehr hübschen Sieg gegen Wang Hao eingefahren, und beißt sich vermutlich in den Hintern, gegen Giri und Nepo nicht remis genommen zu haben. Denn dann wäre er jetzt punktgleich mit Leader Nakamura, der vor seinem ersten großen Turniersieg steht.

Wie oft verliert ein Weltklassespieler?
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Donnerstag, 27 Januar 2011 01:05

Wie oft verliert ein Weltklassespieler?

Aufgrund Entwicklungen wie Anands und Aronjan persönlichen Elorekorden und einer weiteren Weiß-Niederlage Carlsens an diesem Mittwoch in Wijk aan Zee habe ich gerade mal etwas Statistik gemacht und mir für die fünf besten Spieler der Welt durchgesehen, wie sie seit Januar 2010 abgeschnitten haben, einmal in Sachen Elo, dann ihre Verlustprozente (ohne Gewähr, dass ich nichts übersehen habe).

Carlsen begann das vorige Jahr mit 2810 als Nummer eins, hält aktuell bei 2807 bzw. Rang drei, spielte 64 reguläre Partien, verlor davon 10, also fast jede sechste seiner Partien bzw. 15 Prozent.

Topalow 2805 (2) auf 2775 (6), 9 Niederlagen in 41 Partien (20 Prozent)

Anand 2790 (3) auf 2821 (1), 3 Niederlagen in 60 Partien (5 Prozent)

Kramnik 2788 (4) auf 2792 (4), 6 Niederlagen in 70 Partien (9 Prozent)  

Aronjan 2781 (5) auf 2813 (2), 2 Niederlagen in 60 Partien (3 Prozent) 

Spannendes Finale in Wijk
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Mittwoch, 26 Januar 2011 10:09

Spannendes Finale in Wijk

Selten war der Ausgang eines Spitzenturniers so unklar wie der des diesjährigen A-Turniers des Tatasteelchess-Events in Wijk aan Zee. Vier Runden vor Schluss kommen noch 6 Spieler für den Sieg infrage. Vier davon liegen gleichauf.

Die Tendenz der letzten Jahre  bestätigt sich: Nach mehr als 100 Jahren in denen der Weltmeister zumeist unbestritten der beste Spieler war, ist die Weltspitze eng zusammengerückt.

Der Überflieger der letzten zwei Jahre, Magnus Carlsen, scheint eine (Zwischen-) Landung eingelegt zu haben. Eine bittere Niederlage warf ihn in Wijk zunächst deutlich zurück. Nach einem glücklichen Sieg gegen l‘Ami hat er jedoch den Anschluss an die Spitzengruppe wieder gefunden. Mit 5,5 aus 9 teilt er sich mit Frankreichs Jungstar Vachier-Lagrave den 5.Platz.
An der Spitze der vier Spieler mit 6 Punkten finden wir den aktuellen Weltmeister, Viswanathan Anand,  der ebenso grundsolides Schach darbietet wie der Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik und Lewon Aronian. Die drei haben bisher keine einzige Partie verloren. Anders der Vierte im Bunde, der sich zwischenzeitlich kurz absetzen konnte, ehe ihn eine heftige Niederlage gegen Carlsen wieder auf den Boden zurückbrachte. Amerikas Schachspieler des Jahres, Hikaru Nakamura ist für extravagantes und taktisches Schach berkannt. Nachdem er aber seine Experimente, wie z. B. 1. e4 e5 2. Dh5 einstellte, ist er ein ernstzunehmender Kandidat, der sich fest unter den TOP Ten etablieren wird.
Mein Favorit ist Aronian. Unauffällig rangiert der Blitzweltmeister seit geraumer Zeit knapp hinter den Führenden in der Weltrangliste und es würde mich nicht überraschen, wenn er es an Position 1 schaffen würde. In Wijk hat er eindeutig das leichteste Restprogramm. Mit zwei Holländern, einem angeschlagenen Schirow und Ponomariov stehen nur noch Spieler des Tabellenendes auf dem Speiseplan.

Vier spannende Runden liegen vor uns. Wagen Sie eine Prognose – unsere Umfrage steht ab sofort links oben zur Verfügung.
Weiß am Zug
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Donnerstag, 20 Januar 2011 20:09

Soeben bei Magnus Carlsen

in Wijk kam die Diagrammstellung aufs Brett. Scheinbar gewinnt Weiß mit 63. g7 Bxg7 64. Rg5+ Kh4 65. Nxg7 spielend leicht Läufer und Partie, doch Schwarz verfügt über die Pattressource Ne3+ 66. Bxe3 Rd2+ 67. Kc1 Rd1+ 68. Kb2 Rd2+ 69. Kc3 Rd3+ 70. Kc4 Rxe3 71.
Rxh5+ Kg4 und hier griff der Norweger fehl. 72. Rh2 Den Bauern kann man wahrscheinlich bequem mit 71. Th6 halten (was zu prüfen wäre) und nach Re7

 mc2

73. Nh5 Re5 74. Nf6+ Kg3 75. Rh7 Kxg2 war der Bauer weg. Es läuft nicht gut für unsere wohl ehemalige) Nummer 1.

Turm und Springer gegen Turm ist natürlich remis, aber nachdem Kasparow dies vor Jahren gegen Judith Polgar gewann, spielt es wohl jeder weiter.  Ich gehe jedoch lieber essen, als mir den Rest anzuschauen...

Und während ich den Artikel zu Ende bringe stellt lÁmi den Turm ein...

mc3

Kf3?? 94. Sh4+ Genug Weltklasseschach für heute.


Zum Nachspielen am Bildschirm: