Schachgeflüster #68 - Die Krennwurzn
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Donnerstag, 04 November 2021 09:52

Schachgeflüster #68 - Die Krennwurzn

Diesmal die Krennwurzn zum Anhören im Interview auf dem sehr hörenswerten Schachpodcast SCHACHGEFLÜSTER.

PK&K Präsident Krause und Krennwurzn
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Mittwoch, 26 Mai 2021 17:51

PK&K Präsident Krause und Krennwurzn

„Gegen“ und als Streitgespräch tituliert war die letzte Begegnung der Krennwurzn mit dem DSB Präsidenten Ullrich Krause hier in der Schachwelt. Von seinen Konkurrenten wird dem Präsidenten Krause gerne vorgeworfen, dass er Konflikten aus dem Weg geht oder diese durch Kommunikation im Schneckentempo lösen wolle. Die Krennwurzn hatte also keine große Hoffnung als sie eine Interviewanfrage an den Präsidenten schickte. Aber im Leben kommt es zweitens immer anders als man erstens denkt. Voila …

Krennwurzn:
In unserem ersten Gespräch waren wir bezüglich DSIM und DSOL konträrer Meinung. Ich muss vorab einmal zum Erfolg der beiden Veranstaltungen herzlich gratulieren, ich hätte nicht gedacht, dass diese so gut angenommen werden! Aber ich wäre nicht die Krennwurzn, wenn ich nicht sagen würde, dass ich bezüglich Cheating doch Recht gehabt habe.
Keine Angst ich möchte in diesem Gespräch nicht auf die technischen Hintergründe eingehen, sondern Sie als Präsident fragen: Was läuft im Schachbetrieb falsch, dass ein doch signifikanter Prozentsatz von Schachspielern unter Klarnamenangabe und in offiziellen Meisterschaften keine Scheu haben zu betrügen?

Ullrich Krause:
Vielen Dank für die Gratulation! Bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich auf einige Unterschiede zwischen den beiden Meisterschaften hinweisen. Wir haben die Deutsche Schachinternetmeisterschaft (DSIM) mit einem relativ langen Vorlauf eingeführt: Der entsprechende Antrag an unsere Mitgliederversammlung (den sogenannten Hauptausschuss) wurde Ende 2018 angenommen und die Mehrheit war zu meiner Überraschung alles andere als deutlich, was auf gewisse Berührungsängste seitens der Delegierten in Bezug auf das Online-Schach schließen lässt. Die erste Durchführung der DSIM war dann 2020, zurzeit läuft gerade die Neuauflage 2021. Die Deutsche Schach-Onlineliga (DSOL) haben wir nach Beginn der Pandemie-begründeten Einschränkungen des Vereins- und Spielbetriebes im Frühjahr 2020 quasi aus dem Boden gestampft und ich habe bisher von keinem Landesverband gehört, dass das keine gute Idee gewesen wäre. Das zeigt mir zweierlei: Erstens erfordern besondere Situationen auch besondere Maßnahmen und zweitens scheint es seitens unserer Mitglieder, also der Landesverbände, inzwischen – möglicherweise auch Pandemie-bedingt - eine gewisse Annäherung an das Online-Schach gegeben zu haben. Ich wiederhole noch einmal meine Aussage aus unserem ersten Gespräch: Online-Schach ist meines Erachtens eine ebenso sinnvolle wie wichtige Erweiterung des Portfolios, das der Deutsche Schachbund und seine Vereine den Mitgliedern anbieten können, es ist weder ein Ersatz für das „richtige“ Spielen am Brett noch sollte man es als Gefahr für das traditionelle Schach betrachten.

Nun zu Ihrer Frage: Eine kurze Google-Suche hat ergeben, dass es zum Beispiel beim Go dieselben Probleme (und dieselben Lösungsansätze) für das Problem des Cheatings gibt. Insofern scheint mir das leider weit verbreitete Cheating beim Online-Schach kein spezifisches Problem des Schachbetriebes zu sein, sondern ist eher mit der Redewendung „Gelegenheit macht Diebe“ zu erklären: Es gibt nun einmal erschwingliche spielstarke Schachprogramme und das gilt anscheinend auch für Go. Man müsste Ihre Frage also als Ausgangspunkt einer grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Diskussion betrachten, und das ist vermutlich nicht Sinn und Zweck dieses Gespräches. Ich gehe aber davon aus, dass der Prozentsatz an Cheatern beim anonymen Online-Schach deutlich höher ist als bei den Turnieren, bei denen man unter Klarnamen spielt, weil auch der potenzielle Schaden für die Betrüger deutlich höher ist.

Krennwurzn:
Doch gerade diese „gesellschaftspolitischen Diskussion“ mit konkretem Schachbezug wollte ich anstoßen, weil ich der Meinung bin, dass wir mit Technik und Strafen allein das Problem nicht lösen werden können. Aber es besteht ja die Gefahr, dass sich Cheating via Onlineschach auch mehr und mehr ins OTB-Schach einschleicht. Daher bräuchten wir wohl eine zusätzliche Kampagne a la DON'T DRINK AND DRIVE und das ist dann wohl eine klare Aufgabe für den DSB – vielleicht sogar mit der FIDE und anderen Verbänden.

Ullrich Krause:
An sich ist die Lösung des Problems ganz einfach: Wenn alle Spieler unter Beobachtung stehen, indem sie während der Partien durchgehend ihre Web-Cams anschalten, kann niemand mehr betrügen, ohne dass es auffällt. Bei den Top-Turnieren wird das genau so gehandhabt. Wir sprechen hier allerdings über Breitenschachturniere mit Teilnahme einiger Spitzenspieler. Die Teilnehmerzahlen bei der DSIM und bei der DSOL kann man wie von Ihnen erwähnt als großen Erfolg betrachten, aber ich bin sicher, dass die oben genannte Vorgabe dafür sorgen würde, dass deutlich weniger Spieler an diesen Turnieren teilnehmen, und zwar nicht, weil sie keine Webcam haben, sondern weil sie nicht bereit wären, diese die ganze Zeit anzuschalten – immerhin spielen die meisten Spieler in ihren privaten Räumlichkeiten. Ein zweites Problem ist die Anzahl der Schiedsrichter, die notwendig wären, um Hunderte von Webcams gleichzeitig zu überwachen. Und last but not least wären Turniere mit längerer Bedenkzeit streng genommen dann auch nicht mehr möglich, weil man bei jedem Gang zur Toilette konsequenterweise genullt werden müsste. Das bedeutet, dass wir mit diesem Problem leben und uns so gut wie möglich gegen die Betrüger wehren müssen, um die vielen ehrlichen Spieler zu schützen, die ja glücklicherweise immer noch in der ganz überwiegenden Mehrheit sind.

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Ihre Befürchtung, dass das Thema Cheating jetzt auch zu einem Problem beim „normalen“ Schach werden könnte, habe ich auch schon in anderen Gesprächen gehört. Das Argument geht in die Richtung, dass die vielen Online-Betrüger, die jetzt unentdeckt bleiben, sich dann auch animiert fühlen, denselben Betrug beim „richtigen“ Turnierschach vorzunehmen. Ich halte das für wenig wahrscheinlich, weil man am Brett im Unterschied zum Online-Schach ja immer unter Beobachtung steht und weil die dort gültigen Regeln (Handy am Mann oder an der Frau führt zum sofortigen Partieverlust) inzwischen etabliert und akzeptiert sind. Aber ganz ausschließen kann man das natürlich nicht.

Die Fairplay-Kampagne der Deutschen Schachjugend ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie dieser Wert bereits bei Kindern und Jugendlichen vorgelebt und dann hoffentlich auch übernommen wird. Wir sind gerade dabei, die Erkenntnisse der vergangenen DSOL-Saison zu analysieren und werden bei der nächsten Auflage mit Sicherheit einiges anders machen. Eine Möglichkeit wäre in der Tat, den Fairplay-Gedanken auch und gerade beim Online-Schach zu betonen, gerne auch in Kooperation mit der DSJ.

Krennwurzn:
Ok – dann bräuchte man noch einen griffigen Slogan zum Fairplay – vielleicht in Zusammenhang mit der DSJ wie als Punkt in Ihrem Wahlprogramm angegeben. Bleiben wir noch ein wenig in unangenehmen Gefilden und starten mit den Punkten Compliance und Kommunikation. Da möchte ich kurz zum Thema Dr. Marcus Fenner nachfragen. Da gibt’s ja immer wieder heftig aufflammende Diskussionen über seine akademischen Titel und seine tatsächlich bei der FIDE nicht verzeichneten schachlichen Titel. Warum ist der DSB nicht in der Lage dieses natürlich teilweise lächerliche Miniproblem kommunikationstechnisch zu lösen?

Ullrich Krause:
Die von Ihnen erwähnte Debatte über die akademischen Titel unseres Geschäftsführers wurde durch Dritte an uns herangetragen. Wir haben Dr. Marcus Fenner schon mehrfach auch öffentlich unser volles Vertrauen ausgesprochen und ich tue das an dieser Stelle gerne noch einmal. Dem von Ihnen verlinkten Beitrag kann man entnehmen, dass unser Geschäftsführer an den FIDE-Seminaren (FIDE Arbiter und International Organizer) erfolgreich teilgenommen hat. Er hat übrigens auch die dazugehörigen Prüfungen bestanden. Dr. Fenner hat die beiden Titel allerdings nicht bei der FIDE beantragt und das auch nie behauptet. Warum diese in der Tat lächerliche Diskussion von einigen wenigen Personen immer wieder eröffnet wird, kann ich Ihnen nicht sagen.

Krennwurzn:
Die wichtigeren Problemfelder in puncto Compliance, Kommunikation sind natürlich die Nationalmannschaften (Programmpunkt Leistungssport). Da haben sich Beteiligte auf offener Bühne so manche Schlammschlacht geliefert und der DSB hat da meist keine gute Figur abgegeben – langsame Reaktion und dann auch noch falsch reagiert. So sehen es jedenfalls viele Kritiker. Der Streit Pähtz-Meier liegt schon einige Zeit zurück, aber der Verbandswechsel von Georg Meier ist immer noch am Tisch und bei Elisabeth Pähtz gibt es ja da noch die Causa mit dem offiziellen Lichess-Account und der Weigerung einiger Nationalspieler mit ihr in einer Mannschaft zu spielen.

Ullrich Krause:
In Ihrer Frage kommt ein Begriff vor, der von vielen Außenstehenden verwendet, aber häufig nicht richtig verstanden wird: „Der DSB“ besteht aus den Mitgliedsorganisationen, also im Wesentlichen aus den Landesverbänden, die wiederum aus den Vereinen bestehen. Aber ich nehme an, dass Sie das aus (seit der Ausgründung der DSJ) fünf Personen bestehende DSB-Präsidium meinen und ich möchte jetzt gerne der Reihe nach auf die von Ihnen angesprochenen Punkte eingehen.

Die Auseinandersetzung zwischen Elisabeth Pähtz und Georg Meier war von beiden Seiten keine Meisterleistung. Von der Geschichte rund um Elisabeths Lichess-Account habe ich schon länger nichts mehr gehört, weder auf einem offiziellen Kanal noch von den Nationalspielern. Elisabeth hat mir in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass sie sich in beiden Fällen falsch verhalten hat und sie hat Besserung gelobt. Das DSB-Präsidium sah in beiden Fällen keinen Handlungsbedarf in Richtung etwaiger Sanktionen gegenüber Elisabeth. Im Rahmen unserer Gespräche mit den Kaderspielern und der damit einhergehenden Neuausrichtung des Bereiches Leitungssport haben wir auch festgelegt, dass es einen Verhaltenskodex für die Kaderspieler geben wird, der uns zukünftig in die Lage versetzen wird, auf ein Fehlverhalten entsprechend zu reagieren, ohne dass wir quasi im luftleeren Raum agieren müssen, was das Ausmaß einer Sanktion angeht.

Zum Wunsch von Georg Meier, den deutschen Verband in Richtung Uruguay zu verlassen, möchte ich mich etwas ausführlicher äußern, weil ich nicht sicher bin, ob Ihnen und Ihren Lesern alle Details bekannt sind. Jeder Verbandswechsel beginnt mit einem Antrag der aufnehmenden Föderation an die abgebende und der damit einhergehenden Bitte, den Spieler bzw. die Spielerin freizugeben. Es fallen dann drei Gebühren für die aufnehmende Föderation an: Eine Bearbeitungsgebühr, eine Wechselgebühr und eine Entschädigungsgebühr, deren Höhe sich nach der ELO-Zahl richtet. Die ersten beiden Gebühren werden an die FIDE gezahlt, die dritte an die abgebende Föderation. Die ersten beiden Gebühren fallen in jedem Fall an, die dritte entfällt nach einer Frist von zwei Jahren. Für den Fall, dass die dritte Gebühr nicht gezahlt wird, darf der Spieler bzw. die Spielerin die neue Föderation also erst nach zwei Jahren vertreten – Einsätze in anderen Turnieren sind aber zulässig. Im Dezember 2020 gab es einige Änderungen im FIDE-Handbuch: Die Bearbeitungsgebühr beträgt nur noch 50 Euro und die Zwei-Jahres-Frist beginnt nicht mehr mit dem Tag der Antragstellung, sondern mit dem Tag des letzten Einsatzes des Spielers bzw. der Spielerin für die abgebende Föderation. Die Entschädigungsgebühr ist allerdings unverändert geblieben und die Empfehlung der FIDE beträgt im Fall eines Spielers mit einer ELO-Zahl zwischen 2.600 und 2.700 einen Betrag von 30.000 Euro. Beide Föderationen können sich aber auch auf einen anderen Betrag verständigen oder darauf, dass die Entschädigungsgebühr entfällt.

Georg Meier hat einen Antrag an das Präsidium gestellt, dass wir im Falle seines Wechsels nach Uruguay auf diesen Betrag verzichten sollten. Meine persönliche Meinung in solchen Fällen ist, dass man Reisende nicht aufhalten kann, wenn das Tischtuch vollständig zerschnitten ist. Im Fall von Georg Meier scheint mir das nach einigen Mails, die er mir im vergangenen Jahr geschickt hat und nach etlichen Tweets, die er danach abgesetzt hat, der Fall zu sein.

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Mit dieser Meinung war ich bei der entsprechenden Diskussion im DSB-Präsidium nicht allein. Der Bundesrechtsberater hatte uns allerdings darauf hingewiesen, dass man die Auffassung vertreten könnte, wir würden dem DSB mit dem Verzicht auf die Entschädigungsgebühr einen finanziellen Schaden in nicht unerheblicher Höhe zufügen. Falls uns jemand deshalb erfolgreich verklagen würde, müssten wir (d.h. die BGB-26-Vertreter des DSB) darüber hinaus privat haften, weil man aufgrund der durch den Bundesrechtsberater erfolgten juristischen Beratung nicht mehr von Fahrlässigkeit sprechen könnte. Ob eine solche Klage Aussicht auf Erfolg hätte, kann ich als juristischer Laie nicht beurteilen, aber der Bundesrechtsberater hat uns empfohlen, dieses Risiko nicht einzugehen und unsere Mitglieder über den Antrag von Georg Meier entscheiden zu lassen, also durch einen entsprechenden Antrag an den DSB-Kongress, damit die BGB-26-Vertreter des DSB auf keinen Fall haftbar gemacht werden können. Andreas Jagodzinsky – der im Dezember 2020 zurückgetretene DSB-Leistungssportreferent -, der Georg Meier in dieser Angelegenheit anwaltlich gegenüber dem DSB vertritt, hatte sich auch mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Nach den oben erwähnten Änderungen am FIDE-Handbuch wäre Georg Meier allerdings schon Ende des Jahres und nicht erst in zwei Jahren für Uruguay spielberechtigt und Andreas Jagodzinsky hat uns mitgeteilt, dass deshalb auch kein Antrag an den Kongress gestellt wird. Bisher haben wir allerdings auch noch keine Anfrage der uruguayischen Föderation erhalten.

Ich bin mir sehr sicher, dass jeder der von Ihnen erwähnten Kritiker in diesem Fall genauso entschieden hätte und nicht das Risiko einer privaten Haftung in fünfstelliger Höhe eingegangen wäre.

Vermutlich ist hier wie an vielen anderen Stellen das Problem, dass die Hintergründe dieser Entscheidung nicht jedem dieser Kritiker bekannt sind. Das ist in der Tat ein Defizit unserer Kommunikation, das wir in der kommenden Wahlperiode in Angriff nehmen möchten, indem wir einen Pressesprecher installieren, der solche Zusammenhänge der interessierten Öffentlichkeit ausführlich erläutern kann. Ehrenamtlich ist es nämlich nicht zu leisten, alle Presseanfragen zu beantworten, die an einen Verband unserer Größenordnung gerichtet werden.

Krennwurzn:
Aber lassen wir die Vergangenheit jetzt hinter uns und wenden wir uns der Zukunft zu, denn in dieser wird sich unser Schachleben hoffentlich abspielen. Wie sehen Sie und der DSB den Neustart nach Corona und wie wollen Sie den Schwung durch das „Damengambit“ und den Onlineboom mitnehmen?

Ullrich Krause:
Wir haben in den letzten Monaten viele Interviewanfragen beantwortet, bei denen es genau um dieses Thema ging. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal auf meine Mitteilung auf der DSB-Webseite vom Oktober 2020 hinweisen.

Die bereits seit Jahrzehnten bestehende Möglichkeit, online Schach zu spielen, ist ein deutliches Alleinstellungsmerkmal des Schachsports im Vergleich mit allen anderen Sportarten. Sehr viele Menschen haben in der Corona-Zeit angefangen, Schach zu spielen oder haben das Schachspiel nach einer längeren Pause wieder für sich entdeckt: Die Mitglieder- und Zugriffszahlen der Online-Schach-Server sprechen eine deutliche Sprache. Die großartige Netflix-Serie „Damengambit“ hat mit Sicherheit ihren Teil dazu beigetragen. Das bedeutet, dass der von allen Sportvereinen ersehnte Neustart nach Corona für den Schachsport unter speziellen Vorzeichen steht. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Mitgliedern der Vereine werden voraussichtlich viele neue Schachspieler und Schachspielerinnen die Angebote unserer Vereine wahrnehmen und es liegt an den Vereinen, diese neuen Mitglieder zu integrieren. Das zählt zu den Standardaufgaben unserer Vereine, aber die Besonderheit besteht darin, dass es sich auch und vor allem um Erwachsene handeln wird. Alle Schachvereine sollten sich deshalb jetzt schon überlegen, inwieweit die vorhandenen Angebote auch für erwachsene Anfänger greifen, die man anders ansprechen muss als Kinder und Jugendliche und die vermutlich auch andere Ziele haben. Diese erwachsenen Anfänger sind nicht daran interessiert, möglichst schnell eine Wertungszahl zu erlangen und diese dann ebenso schnell zu verbessern. Es geht eher darum, in Ruhe eine Partie Schach zu spielen, also insbesondere ohne Uhr, und nach einem anstrengenden Arbeitstag die entschleunigenden Aspekte des Schachspiels zu genießen. Unsere dringende Empfehlung an alle Vereine ist deshalb, schon jetzt über alternative Angebote nachzudenken, möglicherweise sogar an einen zweiten Spielabend nur für erwachsene Anfänger, wenn das möglich ist.

Der DSB hat seinen Vereinen schon diverse Angebote in Form von Vorträgen und Diskussionsmöglichkeiten unterbreitet und wir setzen diese Reihe am 30. Mai mit dem nächsten Workshop fort. Ein Vorteil dieses langen Lockdowns ist es, dass Instrumente wie Videokonferenzen inzwischen allgemein akzeptiert sind, und dass man diese problemlos aufzeichnen kann. Wir haben diese Aufzeichnungen auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung gestellt.
Eine weitere von uns geplante Maßnahme ist die Einbindung der bekannten Schach-Streamer, deren Zugriffs- und Abonnentenzahlen in den letzten fünfzehn Monaten stark gestiegen sind. Idealerweise sollten diese Streamer dann auch die für uns selbstverständliche Botschaft verbreiten, dass Schach im Verein am schönsten ist.
Alles in allem sehen wir dem Neustart sehr optimistisch entgegen und wir gehen davon aus, dass sich der Rückgang bei den Mitgliederzahlen, den wir zum Jahresbeginn 2021 feststellen mussten, in den nächsten Jahren ins Gegenteil verkehrt und dass wir dann wieder eines der Ziele unseres Verbandsprogramms verfolgen können, nämlich die Mitgliederzahl auf mehr als 100.000 zu steigern.

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Krennwurzn:
100.000plus hat ein ehemaliger Kandidat als zu klein gedachtes Ziel gesehen und mit 1 Million eine utopisch erscheinende Zielzahl vorgegeben. Aber hat er nicht doch ein wenig Recht, dass wir uns etwas zu klein darstellen - gerade mit dem Blick welchen Boom das Damengambit und Corona ausgelöst haben und welche Zahlen im Internet möglich sind?

Ullrich Krause:
Wir haben auf dem Hauptausschuss im November 2019 das bereits erwähnte Verbandsprogramm verabschiedet, das seitdem die Richtung vorgibt, in die das Präsidium und die Referenten zusammen mit den Landesverbänden den Deutschen Schachbund steuern sollen. Auch wenn sich das Dokument für einen Außenstehenden vielleicht etwas sperrig anfühlt, war das in meinen Augen ein sehr wichtiger Schritt, um die Ziele, die wir gemeinsam verfolgen, endlich einmal nachverfolgbar abzubilden. Mein Vorgänger Herbert Bastian hatte ebenfalls die Idee, ein solches Programm zu etablieren, es ist ihm aber nicht gelungen, dieses durch unsere Gremien verabschieden zu lassen. Das Verbandsprogramm ist explizit als „lebendes Dokument“ konzipiert und kann jederzeit durch das Präsidium und die Referenten angepasst werden, wobei alle Änderungen durch unsere Mitgliedsverbände bestätigt werden müssen. Den aktuellen Stand des Programms kann man sich in der Kongressbroschüre anschauen.

Im Verbandsprogramm gibt es zu den aktuell 24 Themen neben den konkreten Zielen jeweils eine Vision, also ein übergeordnetes zeitunabhängiges Ziel, das streng genommen nicht erreicht werden kann, dass aber die Antriebsfeder für unser Handeln darstellen sollte. Im Fall des Themas „Mitgliederentwicklung“ lautet diese Vision: „Jeder Einwohner Deutschlands, der die Schachregeln beherrscht, ist Mitglied im Deutschen Schachbund.“ Diese Vision geht über die von Christian Kuhn genannte Zahl von 1.000.000 Mitgliedern sogar noch hinaus – aber um das noch einmal klarzustellen: Das ist die Antriebsfeder unseres Handelns und kein konkretes, in einem definierten Zeitraum erreichbares Ziel. Insofern gebe ich ihm recht: Wir können ruhig größer denken, auch wenn ich persönlich das Erreichen der Marke von 100.000 Mitgliedern als erstes Ziel in den kommenden zwei Jahren schon als sehr zufriedenstellend empfinden würde.

Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass die einfachste Möglichkeit, Mitglieder in einer signifikanten Größenordnung hinzuzugewinnen, das Schulschach ist. Ich glaube außerdem, dass dies eine sehr realistische Möglichkeit ist. Die Schachvereine, die mit Schulen in ihrer Umgebung intensiv kooperieren, werden von schachspielenden Kindern geradezu geflutet. Wenn im Verein dann noch ein entsprechendes Spiel- und Trainingsangebot für die Kinder und Jugendliche vorhanden ist, ist das stetige Wachstum des Vereins vorprogrammiert. Ich habe zu diesem Thema bei der Bundesvereinskonferenz in Berlin im März 2017 (also noch vor meiner Wahl zum DSB-Präsidenten) einen Vortrag gehalten: Schachverein und Schachschule. Das Internetschach mit den vielen Anfängern, die dort mit Schach in Berührung gekommen sind, ist natürlich auch eine sehr gute Option, neue Mitglieder zu akquirieren, aber dieser Weg ist meines Erachtens schwieriger und die Zahlen sind auch nicht vergleichbar mit denen des Schulschachs. Ich hoffe, dass wir uns in den kommenden Jahren gemeinsam mit der Deutschen Schachjugend dieses Themas annehmen können, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir die genannte Zahl von 100.000 Mitgliedern möglichst bald erreichen.

Krennwurzn:
Ich lese in Ihrem Wahlprogramm: "Die Bereiche Leistungssport, Ausbildung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit können von ehrenamtlichen Funktionären naturgemäß nicht vollumfänglich abgedeckt werden." Diese Forderung könnte eins zu eins von mir stammen und ich bin mir sicher, dass ich auch nicht der Erfinder bin. Das scheint sonnenklar zu sein, aber da kommen wir zu Satzungen und liebgewonnenen Traditionen und da die Landesverbände durch eine Professionalisierung reale Macht verlieren würden, besteht die Gefahr, dass die Umsetzung dieser Reformpunkte nach dem St. Nimmerleinstag erfolgen könnte. Ohne Ehrenamt ist eine Randsportart wie Schach undenkbar - ohne Professionalisierung könnten wir langfristig auf die Verliererstraße kommen - wie löst man diesen Spagat möglichst verletzungsfrei auf?

Ullrich Krause:
Eine Bemerkung vorweg: Es handelt sich nicht um mein Wahlprogramm, sondern um das meines Teams, zu dem Boris Bruhn, Carsten Schmidt und Ralph Alt gehören. Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass eine gesunde Mischung aus Haupt- und Ehrenamt, also aus Mitarbeitern und Funktionären, vor allem in den von Ihnen genannten Bereichen sinnvoll ist. Andere Bereiche wie Frauenschach, Seniorenschach, Wertungen, Schiedsrichterwesen, Spielbetrieb etc. können auch rein ehrenamtlich bedient werden, aber Leistungssport, Ausbildung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit erfordern eine professionelle Unterstützung der Ehrenamtler. Ich möchte kurz begründen, warum das unserer Meinung nach so ist: Im Bereich Leistungssport haben wir es mit Profis zu tun, deshalb sollten auch auf Seiten des Deutschen Schachbundes Profis agieren. Dasselbe gilt für den Bereich Kommunikation, soweit die Kommunikation mit den Medien, also mit professionellen Journalisten betroffen ist, die interne Kommunikation in Richtung der Landesverbände bleibt natürlich in der Hand der Ehrenamtler. Die Anforderungen an die Öffentlichkeitsarbeit sind in den letzten Jahren drastisch angestiegen: Die Berichterstattung muss auf diversen Kanälen und mit einer rasanten Geschwindigkeit erfolgen, das ist rein ehrenamtlich schlicht und ergreifend nicht zu leisten. Im Bereich Ausbildung sollten einige Prozesse professionalisiert werden, insbesondere, was den Bereich der digitalen Ausbildungsinhalte angeht.

Es geht uns nicht darum, die ehrenamtlichen Posten abzuschaffen. Wir brauchen nach wie vor die entsprechenden Referenten und Kommissionen, um die Arbeit der Profis zu unterstützen. Ein Beispiel: Unsere Mitarbeiter arbeiten in der Regel von Montag bis Freitag, was bei schachlichen Ereignissen an Wochenenden häufig dazu führt, dass Beiträge erst verzögert auf unserer Webseite erscheinen, während für ehrenamtliche Helfer genau das Gegenteil gilt. Ein anderes Beispiel: Die Ausbildung auf Landesebene kann nicht von Berlin aus gesteuert werden, hier brauchen wir nach wie vor die ehrenamtlichen Referenten. Auch im Bereich Leistungssport ergibt es Sinn, dass ein ehrenamtlicher Referent als zusätzlicher Ansprechpartner für die Spieler und Spielerinnen agiert und seine Ideen und Impulse einbringt.

Ich bin optimistisch, dass die Landesverbände diesen Weg mitgehen werden, denn eines ist natürlich auch klar: Wir können nicht das gesamte uns zur Verfügung stehende Geld für Personal ausgeben, d.h. es wird auch zukünftig nicht ohne die vielen ehrenamtlichen Funktionäre gehen. Es geht bei dieser Idee aus unserem Wahlprogramm eher darum, eine Diskussion darüber zu beginnen, an welchen Stellen das Ehrenamt an seine Grenzen stößt.

Krennwurzn:
Wir haben bis jetzt noch nichts Internationales gehört – es scheint Schach-Deutschland ist nur auf sich selbst konzentriert. Daher noch zwei internationale Fragen.
1. Das Verhältnis zur FIDE und internationale deutsche Aktivitäten?
2. Etwas utopisch, aber wäre es nicht sinnvoll in den Bereichen Leistungssport und/oder Öffentlichkeitsarbeit verstärkter im DACH Raum zusammenzuarbeiten und damit Synergien zum gemeinsamen Wohle zu nutzen?

Ullrich Krause:
1. Im Verbandsprogramm werden auch die Ziele bzgl. internationaler Beziehungen beschrieben, von denen einige sogar schon erreicht wurden, zum Beispiel die Verstärkung des Einflusses in den FIDE-Kommissionen. Aufgrund von Corona liegen die Aktivitäten allerdings in der Tat etwas auf Eis. Ich hatte 2019 die Gelegenheit, am Rande des Grenke-Opens mit dem FIDE-Präsidenten Arkadij Dvorkovich zu sprechen und war ebenfalls 2019 zu Gast bei der französischen Jugendmeisterschaft und habe dort Gespräche mit Bachar Kouatly geführt, dem damaligen Präsidenten der französischen Föderation. Diese persönlichen Gespräche sind natürlich durch keine Videokonferenz und durch kein Telefongespräch zu ersetzen, von denen es aber während der durch die Pandemie bedingten Einschränkungen auch viele gab, auch und gerade durch unseren Geschäftsführer Dr. Marcus Fenner. Generell kann man sagen, dass das Verhältnis zur FIDE und zur ECU sehr gut ist und dass wir durchaus damit rechnen können, dass auch wieder große schachliche Events wie das Kandidatenturnier 2018 und der Grand Prix 2019 nach Deutschland vergeben werden. Vielleicht ergibt sich beim nächsten FIDE- bzw. ECU-Kongress die Gelegenheit, einige weitere Funktionsträger in den Gremien der internationalen Schachorganisationen zu platzieren. Der Vizepräsident Verbandsentwicklung Boris Bruhn ist bei der ECU im Bereich Schulschach im Einsatz und engagiert sich im Rahmen des Projektes „Chess in Prison“. Alles in allem sind wir also durchaus aktiv und wir werden wie im Verbandsprogramm beschrieben diese Aktivitäten auch noch ausbauen.

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2. Österreich und die Schweiz sind naturgemäß diejenigen Föderationen, mit denen der DSB am engsten zusammenarbeiten sollte. Es gibt auch gemeinsame Aktivitäten, wie zum Beispiel den Mädchen- und Frauenschachkongress in Salzburg im vergangenen Jahr. Ich kann mir durchaus vorstellen, diese Zusammenarbeit in ausgewählten Bereichen zu intensivieren und werde diesen Vorschlag in unseren Gremien zur Sprache bringen. Das wäre auch eine gute Gelegenheit, mit den neuen Präsidenten der beiden Föderationen ins Gespräch zu kommen – es gibt ja sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wechsel an der Spitze: In Österreich ist der Amtsinhaber Christian Hursky nicht mehr zur Wahl angetreten und in der Schweiz wird eine Woche nach dem DSB-Kongress ein neuer Präsident gewählt, weil der amtierende Präsident Peter Wyss nach sechs Jahren nicht noch einmal kandidieren darf. Ich hatte mit beiden angenehme Gespräche und gehe davon aus, dass das auch mit ihren Nachfolgern so sein wird.

Krennwurzn:
Der nächste ordentliche Bundeskongress des Deutschen Schachbundes mit den Wahlen findet am 12. Juni in Magdeburg statt. Weder die Kandidatur noch der Rückzug von Christian H. Kuhn war der DSB-Homepage eine Newsmeldung wert, obwohl beides via Pressemitteilung professionell kommuniziert wurde. Nun kann man dieses Schwarz-Weiß-Denken zwar schachspezifisch nennen, aber ist so ein Freund-Feind-Schema nicht pures Gift für das Zusammenleben nach den Wahlen?

Ullrich Krause:
Bevor ich ihre Frage beantworte, ein kleines Update: Der Kongress findet online statt, weil die aktuelle Corona-Verordnung in Sachsen-Anhalt bis zum 13. Juni Mitgliederversammlungen nicht erlaubt. Nun zu Ihrer Frage: Als Christian Kuhn seine Kandidatur auf der Webseite des Berliner Verbandes bekannt gegeben hatte, lagen uns bereits Bewerbungen für andere Posten vor, die wir zu dem Zeitpunkt auch nicht veröffentlicht hatten. Der Grund dafür ist einfach: Wir wollten alle Kandidaturen gesammelt zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben – das ist der von Ihnen angegebene Link. Der Rückzug von Christian Kuhn wurde auf seiner persönlichen Webseite veröffentlicht und in der Tat genauso wenig von uns veröffentlicht wie andere zu dem Zeitpunkt bekannte Rückzüge von Amtsinhabern, die nicht mehr kandidieren werden. Auch diese Informationen haben wir konsolidiert und auf der bereits erwähnten Webseite kürzlich bekannt gegeben. Es hätte aber wenig Sinn ergeben, jetzt eine zwischenzeitlich nicht mehr existierende Kandidatur dort zu veröffentlichen.
Persönlich empfinde ich eine Kandidatur für meinen Posten nicht als feindlichen Akt, sondern als ganz normalen demokratischen Vorgang. Ich habe mit dem Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2019, Uwe Pfenning aus Baden, ein ganz normales Arbeitsverhältnis, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Und ich hatte sowohl nach der von Christian Kuhn angekündigten Kandidatur als auch nach seinem Rückzug mehrere sehr angenehme Gespräche mit Paul Meyer-Duncker, dem designierten Nachfolger von Christian Kuhn in Berlin.

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Krennwurzn:
Mit Ihnen und Frau Olga Birkholz bewerben sich zwei Personen um das Präsidentenamt und auch um den Posten für Breiten- und Freizeitsport stehen Wolfgang Fiedler und Sandra Schmidt zur Wahl. Und da wird schon ein Teil des Problems DSB sichtbar: die wirklich Mächtigen bleiben im Hintergrund und das sind die Landesverbandspräsidenten. Wenn Sie als Präsident gewählt werden, dann ist ein Drittel Ihre Anhängerschaft, ein Drittel offene Gegnerschaft und ein Drittel haben Sie gewählt, weil Sie denen etwas versprochen haben. Natürlich ist das in der Realität nicht so plakativ und auch die Verteilung kann anders sein, aber das Problem bleibt: der Präsident ist doch ein wenig eine „lame duck“ und ohne Hausmacht schnell dem Feuer ausgesetzt. Müsste da nicht eine Satzungsreform ansetzen?

Ullrich Krause:
Mit Boris Bruhn, Carsten Schmidt und mir kandidieren drei ehemalige Landespräsidenten und es ist gelebte Praxis, dass ein Landespräsident nach seiner Wahl ins Präsidium oder kurz vorher sein Amt auf Landesebene abgibt – die wenigen Ausnahmen bestätigen diese Regel. Insofern kann ich ihre erste Aussage, dass die Landesverbandspräsidenten im Hintergrund bleiben, nicht nachvollziehen. Die von Ihnen beschriebene Aufteilung der Stimmenverhältnisse kann ich ebenfalls nicht bestätigen. Es gibt immer Delegierte, die den amtierenden Präsidenten nicht unterstützen, aber von offener Gegnerschaft würde ich nicht sprechen. Es gibt auch die von Ihnen erwähnten Anhänger, aber ich habe bei den drei Wahlen, bei denen ich bisher angetreten bin, niemandem irgendetwas versprochen – dazu reichen die Befugnisse des Präsidenten auch nicht aus, der nur sehr wenige Dinge allein entscheiden kann. Es gab jeweils ein Wahlprogramm mit Zielen, die mein Team für die kommende Wahlperiode für richtig und wichtig hielt, die allerdings häufig auch von den tatsächlichen Ereignissen übersteuert wurden. Als Beispiele möchte ich die Trennung von Dr. Jordan und die dadurch notwendige Neuausrichtung der DSAM und des Gipfels, die Eigenständigkeit der DSJ und Corona nennen, das waren alles Themen, die niemand vorhersehen konnte, die aber einen großen Teil der uns zur Verfügung stehenden Zeit beansprucht haben.

Wir planen in der Tat eine Satzungsreform, die auf dem Kongress in zwei Jahren beschlossen werden soll. Dazu geistern auch schon einige Ideen durch die DSB-Gerüchteküche, die zum Teil aber auch von anderen Personen ins Spiel gebracht wurden. Wenn es nach mir ginge, bilden wir zeitnah nach dem Kongress ein Gremium aus Vertretern des Präsidiums, der Landesverbände und Referenten, die dieses wichtige Thema in Angriff nehmen. Ich denke, es ergibt Sinn, wie beim Thema DEWIS-MIVIS Experten hinzuzuziehen, die keine Position im DSB innehaben. Ob es uns dann am Ende gelingt, eine Struktur zu finden, in der alle zusammen an den gemeinsamen Zielen arbeiten, wird man sehen.

Krennwurzn:
Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen alles Gute für Wahl!

KK&K Kandidat Kuhn und Krennwurzn
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Sonntag, 18 April 2021 23:22

KK&K Kandidat Kuhn und Krennwurzn

Die Krennwurzn kannte in Schachösterreich lange Zeit nur einen einzigen – einen „ewigen“ Präsidenten und blickte daher gespannt über die Grenze, wo die Schachpolitik viel lebhafter war. Und da es besonders spannend ist, die Nase in Dinge zu stecken, die einem eigentlich gar nichts angehen, ergaben sich ein paar Interviews mit Deutschen Schachpräsidenten und Präsidentschaftskandidaten – gerne gelesen, aber auch sehr kontroversiell diskutiert. Nun bietet sich wieder die Chance auf ein Interview, denn die Probleme im Deutschen Schachbund wurden in den letzten Jahren nicht weniger und tragfähige Lösungen nicht einmal am Horizont erkennbar. Gerade gab der erst im August gewählte Berliner Präsident Christian H. Kuhn seine Kandidatur als DSB-Präsident bekannt und das führte bei der neugieren Krennwurzn zu einem Interviewwunsch.

Krennwurzn:
Dem Präsidenten Herbert Bastian hat man vorgeworfen, dass er zu viel selbst gemacht hat und kein Großmeister des Delegierens war – dem Präsidenten Ullrich Krause wirft man vor zu viel seinem Geschäftsführer Fenner entscheiden zu lassen. Beide Präsidenten sind persönlich hochinteger und wollen nur das Beste fürs Schach – so jedenfalls der Eindruck der Krennwurzn – sind aber am System in den Mühen des Alltages gescheitert und aufgelaufen. Wie wollen Sie für sich dieses Schicksal verhindern?

Christian H. Kuhn:
Ob der eine zu viel und der andere zu wenig delegiert hat, kann ich von außen nicht entscheiden. Mir ist wichtig, allen Raum für eigene Ideen zu geben, damit sie motiviert bei der Sache sind, und nicht alles von oben vorzugeben. Wichtig ist aber auch, rechtzeitig zu erkennen, welche Themen so brisant werden, dass sie Chefsache sind. Wenn dann noch alle Fakten zeitnah an alle Beteiligten kommuniziert werden, entstehen viele Mühen gar nicht erst.

Krennwurzn:
Das hört sich zumindest theoretisch mal gut an, aber wie sähe das in der Praxis aus? Nehmen wir das aktuelle Problemfeld Nationalmannschaft: Naiditsch zurück nach Deutschland und den Konflikt Pähtz – Meier.

Christian H. Kuhn:
Zur Causa Naiditsch hat mir, der interessierten Öffentlichkeit und anscheinend auch Herrn Naiditsch noch niemand erklärt, wieso man einem Staatsbürger und Mitglied eines DSB-Vereins die Föderationszugehörigkeit verweigert. Hätte man mögliche Gründe bereits vor dem Präsidiumsbeschluss kommuniziert, z.B. im Arbeitskreis der Landesverbände, der ja das Präsidium beraten soll, wäre entweder der Beschluss anders ausgefallen oder der Unmut bei manchen Landesverbänden geringer. Und wenn der geplante Verhaltenskodex für Nationalspieler in Kraft ist und durchgesetzt wird, dürfte der Konflikt Pähtz–Meier auch aus der Öffentlichkeit verschwunden sein und der eine oder andere sich anbahnende Konflikt nie die private Ebene verlassen.

Krennwurzn:
Dass Pähtz, Meier und Naiditsch nicht für den diplomatischen Dienst geeignet sind, ist wohl allen klar. Gründe warum man Naiditsch die Föderationszugehörigkeit verweigert, gibt es doch einige – ich sage es mal flapsig: es gibt kein Rückkehrrecht für Ex-Freundinnen und natürlich geht es auch um Plätze bei nationalen und internationalen Turnieren, die an die Föderation gebunden sind. Zudem sind alle drei nicht mehr bei den Jüngsten und könnten aufstrebenden Talenten Plätze wegnehmen bzw. deren Entwicklung hemmen.

Christian H. Kuhn:
Föderationszugehörigkeit und Nationalmannschaft sind zwei verschiedene Baustellen. Ein GER auf der FIDE-Karteikarte bringt noch nicht automatisch einen Platz in der Mannschaft. Die Kriterien dafür werden wohl gerade überarbeitet, und da wird es nicht nur auf Leistung, sondern auch auf Entwicklung ankommen. Ich habe aber so meine Zweifel, ob man über die Föderationszugehörigkeit anders entscheiden sollte als über einen Ausschluss. Laut Satzung vertritt der DSB das gesamte deutsche Schach, und nach den meisten Kriterien gehört Herr Naiditsch dazu.

Krennwurzn:
Eine nicht unwesentliche Frage könnte ja sein – berechtigt ein GER zur Teilnahme an der Deutschen Einzelmeisterschaft oder sogar Europameisterschaft – da könnten Interessenkonflikte befürchtet werden oder gar Eifersüchteleien. Probleme sind oft nicht so einfach wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Das ist oft auch ein Problem in der öffentlichen Diskussion über Schach – oder?

Christian H. Kuhn:
Die Deutsche Einzelmeisterschaft könnte ein Thema sein, da qualifiziert man sich über die Landesmeisterschaften oder eben via Einladung – wenn ich mir das in der Vergangenheit anschaue, sehe ich aufgrund des Preisgeldes wenig Gefahr. In Frage käme eher das Masters und da stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist dem Nachwuchs gegen die stärkste Gegnerschaft antreten zu lassen. Die Aufstellung für Nationalmannschaften ist ein eigenes Thema und da sollte der Blick nicht nur auf die aktuellen Elozahlen gerichtet sein, sondern auch auf die Zukunft.

Eifersüchteleien hat man immer, denn es gibt immer – auch unabhängig von der Personalie Naiditsch – einen oder zwei, die eben knapp nicht dabei sind. Ich habe sogar die Hoffnung, dass sich dieses Gedränge verstärkt, denn vielleicht haben wir auch zukünftig wieder Prinzengruppen. Dies würde ich aber nicht als Grund sehen um Naiditsch nicht unter GER spielen zu lassen. Natürlich hat sich sein Twitch-Auftritt neulich nicht gerade positiv ausgewirkt.

Krennwurzn:
OK – kommen wir zur Bedeutung der Nationalmannschaft für Sie.

Christian H. Kuhn:
Die Nationalmannschaft ist ein Aushängeschild. Allerdings hat sich in letzter Zeit etwas eine Trennung zwischen Nationalmannschaft und normalen Schachbetrieb ergeben. Dasselbe Problem sehe ich auch mit der ersten Bundesliga – der stärksten Liga der Welt, die sich von der 2. Bundesliga abgekoppelt hat. Die Kluft wird da immer größer, wir müssen aber schauen, dass diese Spielstärke nach unten wirkt und wir dann auf Dauer eine gute Nationalmannschaft haben, denn der Unterbau ist ja in Deutschland gut und solide. Aber das Thema Leistungssport ist mir wichtig und wir müssen für die Zukunft bessere Konzepte erarbeiten.

Krennwurzn:
Schach brummt wegen der Netflixserie Damengambit, aber die Öffentlichkeitsarbeit im Schach lässt viele Wünsche übrig.

Christian H. Kuhn:
Nur eine Webseite mit Meldungen zu betreiben reicht nicht aus, man muss auch Events generieren über die es sich lohnt zu berichten und das betrifft nicht nur das Spitzenschach mit Bundesliga und Nationalmannschaften, sondern auch lokale Events mit großer Aufmerksamkeit wie beispielsweise in Hamburg linkes gegen rechtes Alsterufer. Also auch Breitensport kann gute Meldungen generieren, aber viele engen sich auf Spitzensport ein. Es muss auch nicht jedes größere Event von einem Verband organisiert werden, da dürfen durchaus auch die Vereine kreativ sein, aber der DSB sollte unterstützend tätig werden können, wenn Expertise gewünscht oder benötigt wird. Spielen ein oder zwei Vereine beispielsweise in einer Fußgängerzone so wird man das ohne große Hilfe organisieren, möchte man aber 100 Vereine spielen lassen, dann wird man möglicherweise Unterstützung brauchen – aber solche Events schlagen dann auch medial höhere Wellen.

Wir müssen Schach mehr in die Öffentlichkeit bringen – auf die Dorfplätze in die Einkaufszentren und Schach damit sichtbarer machen. Es gibt ja Beispiele, dass so etwas funktioniert – mein Verein die SG Lasker Steglitz-Wilmersdorf hat im Laskerjahr ein Turnier im Einkaufszentrum Boulevard Berlin im laufenden Betrieb organisiert und es hat hervorragend geklappt. 2006 spielte der Berliner Verband seine Schlussrunde im Estrel Congress Center mit 1.504 Schachspieler aus den 60 Berliner Vereinen und leider hat man den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde nicht beantragt. Das öffentliche Interesse ist da, wir müssen es schaffen diese Erfolge nachhaltig weiterzuführen.

Ich habe von den Holländern folgende Abschätzung gehört: auf einen Vereinsspieler kommen 10 Spieler außerhalb der Organisationen, die regelmäßig spielen und auf diese wieder 10 Gelegenheitsspieler. Wir haben in Deutschland aktuell 82.000 Spieler mal 10 mal 10 wäre eine Zielgruppe von 8,2 Millionen nur in Deutschland. Wenn ich eine Aktion 100.000 starte, dann besiege ich mich schon vorab durch ein zu niedriges Ziel. Die gleiche Gefahr habe ich, wenn ich auf Remis klammere, da ist die Verlustgefahr von Anfang an hoch. Natürlich ist ein Projekt 1 Million nicht kurzfristig realisierbar, aber die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt und den müssen wir jetzt machen.

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Präsident Ullrich Krause - Kandidat Christian H. Kuhn. Foto: Frank Hoppe

Krennwurzn:
Weil wir gerade bei den Mitgliedszahlen sind – Frauen sind im Schach in klarer Unterzahl. Es gibt zwar schon lange eine erfreuliche Anzahl von Mädchen im Schach, aber dann im Erwachsenenalter werden Frauen an den Brettern zur großen Ausnahme – sogar in Aufsichtsräten und Vorständen hat man höhere Frauenquoten als im Schach.

Christian H. Kuhn:
Das ist leider kein großes Thema und der Ruf von Schach als Männerdomäne ist leider sehr gefestigt. Es stimmt, dass in den Meisterschaften fast nur Frauen mit etwas gehobener Spielstärke mitspielen, die es sportlich geschafft haben sich festzusetzen. Leider sind Frauen im Schach oftmals Sexismus ausgesetzt wie beispielsweise beim DSB-Bundeskongress ein Zwischenruf „und gut aussehen tut sich auch“ eines Ehrenmitgliedes bezeugt. Dieses unmögliche Benehmen haben wir bis hinunter in die Vereine, aber wir müssen Räume schaffen in denen sich Frauen wohlfühlen können. In Berlin gibt es Anastasias Matt e.V. - Verein zur Förderung des Mädchen- und Frauenschachs. Und wir brauchen mehr solche Initiativen, mehr Breite dann wird es auch mit mehr Frauen im Schachbetrieb klappen.

Krennwurzn:
Da möchte ich einwerfen, dass gerade die Coronakrise bei uns in Österreich gezeigt hat – wir haben ja im Gegensatz zu Deutschland den Versuch einer Meisterschaft gestartet, der dann abgebrochen werden musste – dass es möglich ist, bessere Spielbedingungen auch für Schach zu schaffen.

Christian H. Kuhn:
Klar die oftmals engen und schlecht durchlüfteten Spielbedingungen helfen sicherlich nicht Frauen für das Schach zu begeistern. Aber wir müssen nicht zwangsläufig Frauen in alte Vereine hineinreklamieren, wenn das vielleicht auch aufgrund des Altersunterschiedes von Haus aus nicht klappen kann. Es kann durchaus Neues entstehen und das Alte erhalten bleiben. Aber der DSB sollte ein aufmerksames Auge darauf haben, wenn irgendwo eine neue Keimzelle entsteht. Zu den Spielbedingungen möchte ich sagen, dass das leider für viele Vereine nicht so einfach ist. Es gibt viele große und kleine Hürden, die das erschweren. Sei es ein Rahmenvertrag mit einem Schließdienst, der um 21 Uhr die letzte Runde dreht oder Mietpreise auch in öffentlichen Einrichtungen, die nicht zu finanzieren sind.

Möglicherweise müssen wir uns da via Sponsoring an Firmen wenden, die Schulungsräume haben, die zu den Zeiten an denen Schach gespielt wird frei sind. Solche Kooperation müssen wir in Zukunft verstärkt suchen, denn meist oft wird Schach in Seniorenzentren gespielt und das trägt nicht zu einem attraktiven Ruf bei. Aber das Thema ist nicht trivial lösbar, wie beispielsweise eine eskalierte Diskussion um einen Spielort in der 2. Bundesliga gezeigt hat.

Krennwurzn:
Ja – diese Diskussion wurde sehr heftig geführt, wir wollen das hier nicht nochmals aufkochen – als Außenstehenden erschienen mir die Standpunkte beider Seiten doch ein wenig extrem.

Christian H. Kuhn:
Nun wir haben da Bestimmungen, die lassen sich in der Praxis nicht umsetzen – auch nicht in der zweiten Bundesliga und meine Erfahrung als Schiedsrichter auch in unteren Klassen zeigt mir ein ähnliches Bild. Bestimmungen und Wirklichkeit klaffen auseinander und zudem sind wir störungsintoleranter geworden. Wenn ich mich zurück erinnere unter welchen Bedingungen noch in meiner Jugendzeit gespielt wurde – da musste man lernen die Ohren auf Durchzug zu stellen. Das Problem ist, dass die Schachspieler als Leute gelten, die nichts konsumieren und das kostet uns Standing in der Gastronomie und damit sind wir Schachspieler bei den Problemen mit den Spiellokalen und -bedingungen nicht ganz unschuldig. Wir dürfen nicht vergessen auch etwas zu geben und nicht nur zu fordern. Wenn wir – als Verein und das gibt es auch in der Praxis – dem Gastwirt ein regelmäßiges Geschäft bei Vereinsabenden, etc. zukommen lassen, dann wird dieser am Wochenende gegenüber selbstmitgebrachten Getränken der Gastmannschaft wohl toleranter sein.

Krennwurzn:
Ein Thema ist immer wieder die Homepage des DSB …

Christian H. Kuhn:
Da ich als Berliner Präsident aktuell selbst im Glashaus sitze – unsere Homepage ist gerade im Umbau – sollte ich nicht mit Steinen werfen. Außerdem so schlecht ist die Homepage gar nicht. Leider ist es im Schach generell so, dass bis zu den Schlussrunden ganz vernünftig berichtet wird und dann entweder das Interesse oder die Arbeitsbereitschaft nachlässt. Die Leute arbeiten oft freiwillig und sind am Ende einer Veranstaltung oft mit anderen organisatorischen Aufgaben überlastet und die Homepage – die Information nach außen – leidet darunter. Es muss organisatorisch klargestellt sein, dass übernommene Aufgaben auch erfüllt werden müssen und nicht Stückwerk hinterlassen werden darf.

Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass sich die rechtlichen Bestimmungen für Veröffentlichungen auch durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht leichter geworden sind und es da sehr viele Fallstricke gibt, wenn es um die Veröffentlichung von Fotos und dergleichen geht. Da muss der DSB den Vereinen und Verbänden klare Richtlinien vorgeben, um Schaden abzuwenden – wenn dann auch noch darauf geachtet wird, dass Fotos von Siegerehrungen etwas lebendiger sind, soll es auch kein Fehler sein.

Krennwurzn:
Das alles kostet im Endeffekt Geld – kommen wir zur Frage: wer soll das bezahlen oder wie könnte Sponsoring im Schach aussehen? Nur wenige wie Carlsen und Nakamura haben langjährige Partnerfirmen – Daniel King machte mal in den 90ern Werbung für Audi, aber mir fällt kein deutschsprachiger Schachspieler mit Werbewert ein.

Christian H. Kuhn:
Carlsen und Nakamura sind natürlich schon extreme Größen in der Schachszene, aber es stimmt das hier Nachholbedarf besteht, denn von den aktuellen Kaderspielern in Deutschland streamt nur Niclas Huschenbeth halbwegs erfolgreich. Aber mit Vincent Keymer haben wir nicht nur ein großes Nachwuchstalent, sondern auch eine Persönlichkeit, die sich vor einer Kamera und einem Mikrophon gut präsentieren kann – das gibt schon mal Hoffnung.

Aber damit man Sponsoring bekommt, braucht man Öffentlichkeit sonst funktioniert das nicht und Öffentlichkeit schafft man durch Spitzensport oder mit großen Breitensportzahlen. Mit der zweiten Liga holt man keinen Hund vom Ofen weg – jedenfalls im Moment.

Krennwurzn:
Bleiben wir ein wenig beim Spitzensport – wäre es nicht Aufgabe des DSB Wirtschaft und Spitzenschachspieler zueinander zu bringen, denn es passt ja nicht jeder Typ zu jeder Firma.

Christian H. Kuhn:
Ich bin beruflich im Verkauf tätig, aber dies – das Aufbauen einer Spielermarke wie Carlsen, Namamura, … fällt in den Bereich Marketing und diese Aufgabe müsste man in der Geschäftsstelle ansiedeln wie die Öffentlichkeitsarbeit auch. Allerdings gebe ich ehrlich zu, dass hierfür wahrscheinlich das Geld fehlt.

Zudem gibt es in der Geschäftsstelle aktuellere Probleme – wir brauchen einen Sportdirektor und einen Nationaltrainer, weil diese Positionen sind vom Dachverband vorgeschrieben um Förderungen zu bekommen. In dieses Feld muss ich mich nach einer möglichen Wahl rasch einarbeiten und gute und tragfähige Lösungen finden. Und eines ist klar, dass aus Vereinsbeiträgen keine weitere Stelle finanzierbar ist, denn dann wäre das die kürzeste Präsidentschaft aller Zeiten.

Krennwurzn:
Corona wird die Geldbeschaffung nicht leichter machen, aber kommen wir zu den Personalien zurück – der Geschäftsführer „ein Glücksfall für das Deutsche Schach“ steht doch etwas in der Kritik.

Christian H. Kuhn:
Ich habe Marcus Fenner 2019 beim Bundeskongress flüchtig kennengelernt und mich dann bei meinem Antrittsbesuch als Berliner Präsident bei einem Essen einige Stunden unterhalten können. Meiner Meinung nach ist er ein vernünftiger Mensch mit brauchbaren Ansichten, der als Angestellter des DSB kein politisches Amt innehat und daher auch loyal Meinungen nach außen vertreten muss, die nicht immer seine sein müssen.

Allerdings lässt man ihm eine sehr lange Leine und er ist auch in der Projektentwicklung involviert und auch den Sportdirektor sollte er mitmachen. Ich persönlich kann nichts Schlechtes über Marcus Fenner sagen – weiß aber, dass andere Leute andere Erfahrungen gemacht haben.

Krennwurzn:
Es gibt ja Titelprobleme, wenn ich das mal salopp einwerfen darf.

Christian H. Kuhn:
Über den Doktortitel kann ich nichts sagen, mir hat er sich als „ich bin der Marcus“ vorgestellt.

Krennwurzn:
Die akademischen Titeln interessieren eigentlich nicht wirklich, aber es stellte sich die Frage ob bei der Vorstellung auf der DSB-Homepage nicht mit den schachlichen Titel etwas geflunkert wurde – da steht „Erfolgreiche Teilnahme an FIDE Seminaren (FIDE Arbiter. International Organizer)“ aber bei der FIDE findet man dazu nichts. Verständlich, dass das nicht allen gefällt?

Christian H. Kuhn:
Ich habe mit Walter Rädler schon mehrmals über Fenner gesprochen, aber da ging es nur um die akademischen Titel – von den schachlichen Titel höre ich jetzt erstmals. Gut das muss ich mir anschauen, ob das in seiner Bewerbung so drinnen gestanden ist.

Krennwurzn:
Ich schicke Ihnen die Unterlagen zu – aber sollte sich ein Geschäftsführer sich nicht generell aus dem Sportlichen heraushalten und sich neben der administrativen Tätigkeit auf die Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren?

Christian H. Kuhn:
Jeder gewählte Präsident wäre nach den Turbulenzen im Leistungsschach nach der Wahl gut beraten Marcus Fenner von der Position des Sportdirektors abzuziehen. Es gibt genügend andere Aufgaben für den Geschäftsführer. In meinem noch unfertigen und etwas schwammigen Personaltableau für meine Mannschaft habe ich schon ein paar gute Leute für Öffentlichkeitsarbeit und auch Spitzensport im Auge – vielleicht sogar als Team!

Krennwurzn:
Krause-Fenner gelten als Duo – würde da eine Übernahme von Fenner die Wahlchancen nicht reduzieren.

Christian H. Kuhn:
Dann ist es so. Es gab Leute, die sagten mir, ich unterstütze Dich, wenn Du Fenner rauswirfst. Ich kündige keinen Angestellten einfach auf Zuruf ohne dass sich dieser etwas zu Schulden kommen hat lassen. Sollte sich beweisbar herausstellen, dass es im Bereich Leistungssport zu Verfehlungen kam – wie beispielsweise, dass Zahlungen am Leistungssportreferent vorbei nicht satzungskonform frei gegeben wurden – dann muss der DSB über disziplinarrechtliche Konsequenzen nachdenken. Aber bitte nicht auf Zuruf und aufgrund weil man jemanden persönlich nicht leiden kann!

Krennwurzn:
Mir scheint das politische Schachdeutschland in drei Lager aufgeteilt: Das „alte Bastianlager“, das Krause-Lager und jene, die mit beiden nicht können.

Christian H. Kuhn:
Das sehe ich nicht so - ich sehe im Wesentlichen das „Krause-Lager“ und das „Jordan-Schulz-Lager“

Bastian hat seine Fans, ist aber Geschichte. Persönlich kenne ich Bastian seit meiner Jugend – ich bin auch Saarländer und habe dort als 13jähriger an einem Simultan gegen Bastian teilgenommen und bin damit erst richtig zum Schach gekommen. Krause kenne ich persönlich nicht so gut, er hat einige richtige Dinge ins Rollen gebracht, allerdings ist sein Umgang mit Kritik nicht der meine: gibt es Kritik dann kommt es zur Funkstille.

Krennwurzn:
Jordan erscheint mir doch etwas problematisch und man könnte ihn ein wenig augenzwinkernd eine „österreichische“ Herangehensweise unterstellen.

Christian H. Kuhn:
Zur Klärung läuft da ein Gerichtsverfahren und da ich als Präsident möglicherweise Parteienstellung erhalten würde, ist es ratsam sich dazu vorher nicht öffentlich zu äußern.

Krennwurzn:
Gut dann kommen wir zum Fall Schulz.

Christian H. Kuhn:
Da muss ich jetzt auch wieder vorsichtig sein, da der arbeitsrechtliche Teil noch in der zweiten Instanz ist. Das Problem von Jörg Schulz ist, dass er nicht wirklich verstanden hat, dass er Angestellter ist. Er hat sich 30 Jahre in der DSJ unverzichtbar gemacht und viele Vorsitzende haben davon profitiert – das ist unbestreitbar. Er hat viel gemacht, vieles richtig aber auch manches falsch. In zwei Jahren wäre er an die Pensionsgrenze gekommen und die DSJ wäre gut beraten gewesen einen Personalwechsel einzuleiten. Ich bin der Ansicht man hätte das Thema ruhiger und im Hintergrund ohne großen Knall auf offener Bühne besser für alle Beteiligten lösen können. Natürlich klärt in einem Rechtsstaat das Gericht letztgültig Streitereien, aber ein Verband sollte nur dann zu Gerichtsverfahren greifen, wenn es anders wirklich keine Lösung gibt, denn auch wenn man gewinnt, können Beschädigungen zurückbleiben.

Krennwurzn:
Weil wir gerade bei Gericht und Beschädigungen sind. Kommen wir zum auch nicht so glücklich verlaufenen Verfahren gegen Falko Bindrich des DSB und damit zum Themenkreis Cheating und Nationalmannschaft.

Christian H. Kuhn:
Auf der Sachebene haben wir die Schiedsrichterentscheidung und die war korrekt. Bindrich hat sich hinterher „strunzdoof“ angestellt - das darf man so schreiben. Persönlich glaube ich nach Ansicht der Partien nicht, dass Bindrich damals gecheated hat. Aber man wollte ein Exempel statuieren und daraus haben wir sehr viel gelernt: seit damals gibt es die Spielervereinbarung in der 1.+2. Bundesliga.

Juristisch würden wir die bis in die untersten Klassen wohl brauchen, aber da stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Wir dürfen dabei praktische Probleme nicht außer Acht lassen. In der ersten Bundesliga muss ein versperrbarer Raum für Handys und Wertsachen zur Verfügung gestellt werden – darunter nicht. Ich biete als Schiedsrichter auf eigenes Risiko an, die Handys in meinem Koffer zu verwahren, aber das ist ein freiwilliges Angebot von mir. Wir alle wissen, dass es nicht immer und überall möglich ist Wertsachen im Auto zu lassen und daher werden Leute das Handy mithaben müssen. Ich denke wir sollten hier flexibler werden ohne Cheating Türen zu öffnen.

Cheating ist eine grobe Unsportlichkeit – einen Computer in einer Schachpartie zu benutzen ist so was ähnliches wie beim Fußball jemanden das Knie kaputt zu treten. Und dafür geht man vom Platz und dafür wird man gesperrt!

Krennwurzn:
Noch mal zurück zu Bindrich – er hat seine Strafe abgesessen und wäre ein Thema für die Nationalmannschaft.

Christian H. Kuhn:
Er hat die Strafe nicht abgesessen, denn das Amtsgericht hat ja entschieden, dass die Sperre nach damaligen Regeln nicht zulässig war. Sicherlich ist Bindrich spielstärkenmäßig noch im Kontakt mit dem B-Kader, aber ich glaube nicht, dass sich das Kaderthema aufdrängt. Es wird gerade an einem Verhaltenskodex gearbeitet um beispielweise auch Themen wie die zweiwöchige Sperre von Elisabeth Pähtz am lichess-Server zu betrachten, denn auch dies hatte keine wirklichen Auswirkungen im DSB.

Krennwurzn:
Da gibt es ja wilde Gerücht bis hin, dass möglicherweise Aronian in dieser Männerrunde dabei waren.

Christian H. Kuhn:
Gerüchte gibt es viele und soziale Medien würden ohne Gerüchte gar nicht existieren. Aber wir müssen uns schon am Wahrheitsgehalt orientieren. Ich weiß nicht wie es gelaufen ist, habe verschiedene Information und viele verfolgen dabei auch eigene Interessen. Daher wäre ein Verhaltenskodex für KaderspielerInnen eine Notwendigkeit.

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Christian H. Kuhn als Schiedsrichter

Krennwurzn:
Könnte es sein, dass Elisabeth Pähtz dem Druck des ewigen liefern müssen erlegen ist und zu viel ausgelagert hat um Content und Präsenz zu liefern.

Christian H. Kuhn:
Ist durchaus denkbar – sie hat da eine recht vertrauensselige Art des Managements an den Tag gelegt. Das wäre einer Person mit weniger ausgeprägtem Selbstbewusstsein so nicht passiert.

Krennwurzn:
Kommen wir zum ruhigsten aber ebenso nicht ganz Unproblematischen in der Runde – Georg Meier hat ja den Wunsch geäußert nach Uruguay zu wechseln.

Christian H. Kuhn:
Darüber habe ich mit ihm telefoniert und das ist ja noch nicht in Stein gemeißelt. Wir sind in vielen Sachfragen ähnlicher Meinung und er kann sich einen Verbleib in der deutschen Nationalmannschaft durchaus vorstellen, wenn sich manche Sachen ändern – nur ein Wechsel im Präsidentenamt wäre wohl zu wenig. Es muss sich im Bereich Spitzensport einiges ändern und die Lage ist zurzeit nicht leicht, da muss die kommende Führung (Sportdirektor, Bundestrainer, …) Vertrauen aufbauen.

Klar gesagt werden muss auch, dass auch hier Geld ein limitierender Faktor ist und es wohl ohne einen Sponsor für die Nationalmannschaften nicht funktionieren kann, denn eine Finanzierung über Mitgliedsbeiträge führt immer zu heftigen Diskussionen. Auch die Spitzenspieler müssen sich bei ihren Forderungen an die Realitäten des DSB annähern. Und wenn ich mir beispielsweise den Umgang von Naiditsch mit Sponsoren in Erinnerung rufe, so trägt das nicht unbedingt bei Sponsoren zu finden.

Krennwurzn:
Kommen wir zur nächsten Personalie: der Nationaltrainer musste – endlich und viel zu spät wie manche meinen – seinen Hut nehmen. Wie sieht da Ihre Meinung zur Nachfolge aus.

Christian H. Kuhn:
Zuerst gibt es da einmal strukturellen Aufklärungsbedarf – was sind die Aufgaben eines Bundestrainers. Mit der Landesverbandbrille betrachtet, stellt sich schon die Frage: da gibt es eine Vollzeitstelle und es ist nicht klar definiert welche Aufgaben zu erfüllen sind. Nur ein gehobener Mannschaftsführer zu sein, ist definitiv viel zu wenig. Jedenfalls muss der Aufgabenbereich klar geregelt und transparent kommuniziert werden.

Krennwurzn:
Ja das klingt vernünftig, aber mit dem scheidenden Bundestrainer gab es schon einige Probleme. Neben Defiziten im Umgang mit Menschen sollte es auch Defizite in der deutschen Sprache gegeben haben und zwar in der Form, dass er Förderansuchen und -berichte an die Sportbürokratie nicht erledigen konnte.

Christian H. Kuhn:
Dafür haben wir eine Geschäftsstelle und dort hätte man nach fachkundigem Rat fragen können. Ein muttersprachlicher Trainer, der auch die Sprache der Spieler spricht, wäre zu bevorzugen – allerdings, wenn man beispielsweise einen bezahlbaren 2700er bekommen würde, sollten gute Englischkenntnisse für die Kommunikation ausreichen – da müssen wir moderner und globaler denken.

Krennwurzn:
Gibt es da schon Kandidaten, Namen …

Christian H. Kuhn:
Gehört habe ich noch nichts und ich habe schon mit ein paar Kaderspielen gesprochen, was ihre Wünsche wären. Prinzipiell sollte es jemand sein, der schon auf 2650+ Niveau gespielt hat oder nachweislich und erfolgreich Leute dieses Bereichs trainiert hat. Aber er sollte Verständnis für die Spielweise der Topspieler mitbringen – nicht nur für die Züge, sondern auch für die Vorbereitung, etc. Er muss mit den Spielern auf Augenhöhe sprechen können und er muss ihnen Input geben und die Spieler müssen mit diesem Input etwas anfangen können. Nur die Leute bei Mannschaftsturnieren nach vermuteter Tagesform aufzustellen reicht da bei weitem nicht! Wie so etwas funktionieren könnte hat die Zusammenarbeit mit Rustam Kasimdzhanov und dem errungenen EM-Titel 2011 gezeigt. Allerdings ist mir klar, dass wir so ein Kaliber momentan für das deutsche Schach nicht finanzieren können.

Krennwurzn:
Da fallen mir jetzt auf die Schnelle wenige deutsche Kandidaten ein. Jan Gustafsson und Klaus Bischoff kämen mir in den Sinn, wenn ich das Denken wie Weltklassespieler voraussetzte.

Christian H. Kuhn:
Jan Gustafsson hätte alle Voraussetzungen, allerdings ist er ein viel beschäftigter Mann und ich bin mir auch nicht sicher, ob wir ihm ein finanziell interessantes Angebot machen könnten. Klaus Bischoff wäre mit seiner Lebenserfahrung ein interessanter Mann, aber es ist die Frage, ob er sich das überhaupt vorstellen könnte.

Krennwurzn:
Ich dachte mit Blick auf die Computerisierung des Schachs eher an die jüngere Generation wie beispielsweise den Streamer und Trainer Steve Berger.

Christian H. Kuhn:
Steve streamt gut – auch für uns – aber ob er als Trainer schon genug Erfahrung hat, um beispielsweise einem Matthias Blübaum in der Eröffnung weiterzuhelfen, da habe ich meine Zweifel. Aber grundsätzlich sollte er auch altersbedingt die Sprache der Spieler sprechen und auch im Umgang mit Computer die notwendige Expertise mitbringen. Aber natürlich das könnte natürlich eine längerfristige Lösung sein.

Krennwurzn:
Da möchte ich noch einmal einhaken. Beim Wechsel von Levon Aronian von Armenien in die USA wurde die Computerunterstützung ebenfalls thematisiert. Heutige Spieler brauchen ja mindestens gute Workstations die kostenmäßig schon in den fünfstelligen Eurobereich kommen können. Topleute sollen sogar Zugang zu noch mehr Rechenleistung haben oder sich diesen kaufen. Wäre da eine Zusammenarbeit mit Firmen nicht ein Thema, denn da wird es schnell sehr teuer und das Zeug veraltet auch sehr schnell.

Christian H. Kuhn:
Ich glaube wir sehen diese Entwicklung schon. Beim Turniersieg in Wijk von Jorden van Foreest mit seinem sehr jungen Sekundaten Max Warmerdam dürfte eine sehr gute Vorbereitung mit Computer einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Auf diese Entwicklung sollte der DSB ein Auge haben, denn so könnte das Spitzenschach der Zukunft funktionieren.

Finanziell wird das schwierig und da wären Kooperationen mit Firmen und Universitäten sicherlich eine Hilfe. Allerdings hat man als Verband natürlich auch das Problem: wer darf wann diese Erkenntnisse nutzen. Darf der Spieler – oder welcher Spieler - die Neuerung nur in Spielen für die Nationalmannschaft oder auch in anderen Partien. Das kann zu Grundsatzdiskussionen führen. Ein sehr schwieriges Thema, aber damit muss sich ein künftiger Sportdirektor und auch Bundestrainer beschäftigen.

Krennwurzn:
Bleiben wir beim Geld. Beim Poker beispielsweise gibt es unzählige Bücher über Bankroll-Management – also wie man sich wirtschaftlich als Profi oder gar Amateur verhalten sollte. Im Schach ist Geld ein Geheimthema und an Sozialversicherung und Pensionsvorsorge wird gar nicht gedacht.

Christian H. Kuhn:
Da gibt es in Deutschland keine gewachsene Struktur und auch die Vorstellung das zwingend im Amateursportbereich zu halten ist weit verbreitet. Ein grundsätzliches Spannungsfeld ist die Gemeinnützigkeit und Profisport – aber andere Verbände haben gezeigt, dass das Problem lösbar ist, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Schach doch eine Randsportart ist und da eben manches schwieriger ist und uns damit für diese Lösung einfach das Geld fehlt.

Wir sind im Ehrenamt und müssen die damit verbundenen Einschränkungen akzeptieren, natürlich können wir davon träumen, dass beispielsweise der Bahnchef Richard Lutz seinen schlechtbezahlten Vorstandsjob aufgibt und ehrenamtlicher Schachpräsident wird.

Krennwurzn:
Das würde ihre Wahlchancen deutlich mindern ?

Christian H. Kuhn:
Da würde ich gar nicht antreten, aber das würde zu einem anderen Modell führen, dass wir in der Ära Robert von Weizsäcker schon hatten. Das Problem besteht, dass die anfallende Arbeit dann von den Vizepräsidenten wieder im Ehrenamt erledigt werden muss – vielleicht sollten wir generell über einen hauptamtlichen Präsidenten nachdenken. Professionelle Arbeit zum Ehrenamtspreis ist ein Wunschtraum, den leider viele nachlaufen, aber wir müssen uns fragen, ob wir als Schach mit der aktuellen Struktur fit für die Zukunft sind.

Im Deutschland ist die 50+1 Regelung sehr populär das darf man nicht vergessen und professionelle Strukturen müsste man wegen der Gemeinnützigkeit wohl ausgliedern. Aber es stellt sich die Frage, ob wir damit die kritische Größe zum Überleben schaffen. Wenig Aufmerksamkeit in der Presse bewirkt wenig Sponsoren, wenig Sponsoren bewirken weniger Aufmerksamkeit – diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen.

Krennwurzn:
Also einen Schritt zurück und kleiner denken?

Christian H. Kuhn:
Das wäre ein schwerer Fehler!! Klein gedacht haben wir schon genug! Wir dürfen eben unser Licht nicht unter den Scheffel stellen – wir müssen unser Potential besser nutzen und öffentlich sichtbarer machen.

Krennwurzn:
Sichtbar machen ist ein gutes Stichwort. Das Team Krause hat mit Ralph Alt als Vizepräsident Sport einen prominenten Namen in die Waagschale geworfen und so manche Kommentatoren fragen sich: welche Persönlichkeiten bietet das Team Kuhn?

Christian H. Kuhn:
Die Personalfindung ist ein zähes Geschäft, und viele geeignete Kandidaten wollen kein Amt beim DSB, weil ihnen der Spaßfaktor nicht hoch genug ist. Aber es geht voran, und ich hoffe, in den nächsten Tagen als Vizepräsident Sport und als Leistungssportreferenten je einen GM vorstellen zu können.

Krennwurzn:
Welchen Amtsführungsstil kann sich die Schachwelt von einem Präsidenten Kuhn erwarten? Bastian war in der Anfangszeit als Präsident in verschiedenen Foren für die Schachspieler greifbar, Krause äußert sich öffentlich sehr selten – er lässt äußern. Wie würde das ein Präsident Kuhn anlegen? Sehen wir den ersten streamenden Präsidenten der auch für ein jüngeres Publikum begreifbarer und sichtbarer wird?

Christian H. Kuhn:
Denkbar wäre das, ich habe da keine Kontaktängste. Im Berliner Schachverband haben wir das schon diskutiert, uns dann aber dagegen entschieden, weil sich keine sinnvollen Ziele fanden, die mit dem Aufwand eines Präsidenten-Streams erreichen lassen. Und um zu streamen, nur um modern auszusehen, ist der Aufwand zu hoch. Aber das kann auf DSB-Ebene anders aussehen, und da ist ein monatlicher präsidentieller Newsletter per Stream genauso denkbar wie ein quartalsweises Town Hall Meeting auf Twitch.

Krennwurzn:
Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen alles Gute für Wahl!

DSIM Krause gegen Krennwurzn
Freigegeben in Blog
Donnerstag, 09 Mai 2019 10:21

DSIM Krause gegen Krennwurzn

Am Rosenmontag oder Faschingsdienstag hat die Krennwurzn einen Artikel über die nun wieder geplante Einführung der Deutschen Internetmeisterschaft (DSIM) geschrieben. Nun ergab ein kurzes Email an den Präsidenten Ullrich Krause des DSB die Möglichkeit eines Streitgespräches über dieses Thema:

Krennwurzn:
Ich lese Ihnen mal was vor aus dem Jahr 2004: "Betrug im Schach" und die Disqualifikationen bei der Deutschen Internetmeisterschaft und dem ACP-Turnier sind ebenfalls Gegenstand der Betrachtung der "Kolumne" in der aktuellen Mai-Ausgabe von "Schach" (Schach 5/2004). Im April 2004 gab es zu diesem Thema auch eine Presseerklärung des DSB, aber wir sind ja nicht hier um Vergangenes aufzukochen: Meine Frage ist eine sehr einfache: warum sollte es heutzutage funktionieren, wenn es vor 15 Jahren schon nicht geklappt hat?

Krause:
Wenn Sie gestatten, würde ich zunächst gerne unsere Motivation für die Einführung der Deutschen Schach-Internetmeisterschaft (DSIM) erläutern, bevor ich auf das von Ihnen angesprochene Problem eingehe. Eines der Themen in meinem Wahlprogramm, mit dem ich 2017 angetreten bin, war Online-Schach. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Der DSB sollte Online-Schach nicht als Konkurrenz begreifen, sondern als Chance, verloren gegangene Mitglieder wieder näher an den DSB heranzuführen und neue Mitglieder für die Vereine zu gewinnen.
  2. Eine offizielle Internetmeisterschaft des DSB ist in meinen Augen längst überfällig und ich war damals sehr erstaunt, dass es dieses Turnier in unserer Turnierordnung nicht gibt.
    Ich habe mir dann erklären lassen, dass der Hauptgrund dafür die von Ihnen angesprochenen Betrugsmöglichkeiten seien, die man nicht in den Griff bekommen könne. Damit einher geht außerdem die umgekehrte Gefahr einer falschen Verdächtigung, wie ebenfalls von Ihnen dargestellt. Diese Problematik war übrigens in allen Gesprächen auch das einzige Argument gegen eine DSIM. Anders ausgedrückt: Wenn man dieses Problem in den Griff bekommt, spricht überhaupt nichts gegen ein solches Turnier, ganz im Gegenteil: Wir erhalten dadurch die Möglichkeit, Spieler zu erreichen, die noch nicht oder nicht mehr im Verein aktiv sind.
  3. Ich bin seit vielen Jahren in der IT tätig und habe deshalb im Unterschied zu vielen anderen Schachfunktionären keinerlei Berührungsängste mit dem "Neuland" Internet. 

Nun zu Ihrer etwas provokanten Frage: Ich habe mich mehrmals mit den Mitarbeitern unserer Partnerfirma für die DSIM unterhalten, und mir wurde zugesichert, dass es heutzutage ganz andere Möglichkeiten gibt als vor 15 Jahren, Betrug beim Online-Schach aufzudecken. Die Anti-Cheating Algorithmen sind heute so ausgereift und erfolgreich, dass die FIDE und zahlreiche nationale Föderationen regelmäßige Online-Turniere in ihren offiziellen Spielbetrieb integriert haben. Die Schachföderation der USA führt beispielsweise Online-Turniere durch, deren Ergebnisse die reguläre nationale Wertungszahl beeinflussen. Der entscheidende Punkt ist hier die Statistik: Wenn man nur eine einstellige Zahl von Partien betrachtet, kann man durch reines Glück ein Ergebnis erklären, das aus dem Rahmen fällt. Aber je höher die Zahl der Partien ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass reines Glück für eine Reihe von Gewinnpartien verantwortlich ist. Der Fokus bei dieser Betrachtung liegt übrigens nicht auf einzelnen sehr guten Züge, die man rein zufällig auch finden könnte, sondern auf der Anzahl dieser Züge und vor allem auf der Anzahl der Fehler: Schwächere Spieler machen nun einmal mehr Fehler als stärkere, d.h. die statistische Analyse legt den Schwerpunkt auf die Züge, die nicht so gut waren. Und wenn ein Spieler mit einer Wertungszahl von 1800 (um mal willkürlich eine Zahl zu nennen) in 25 aufeinanderfolgenden Partien mit geringer Bedenkzeit keinen einzigen Fehler macht, ist das sehr auffällig. Wie genau diese Analyse erfolgt (also welche Züge als relevant im Sinne der Analyse identifiziert werden), entzieht sich meiner Kenntnis, und ich gehe davon aus, dass dieses Geheimnis ähnlich gut gehütet wird wie der Google-Algorithmus. Auf jeden Fall kann man Computer-Betrüger dadurch spätestens zum Ende des Turniers mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit identifizieren.

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Neben den programmgesteuerten Möglichkeiten gibt es aber andere Maßnahmen, die die Anzahl der potentiellen Betrüger von vorneherein stark reduziert: Man muss bei der DSIM unter seinem Klarnamen antreten und wir lassen nur Spieler zu, die Mitglied in einem Schachverein sind oder über eine DWZ-Lizenz verfügen, d.h. wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Außerdem wird die Endrunde zentral gespielt, d.h. die qualifizierten Spieler versammeln sich an einem Ort (möglicherweise auch an mehreren, um die Reisekosten zu reduzieren) und spielen dort an ihrem Notebook. Idealerweise verknüpfen wir das mit einem anderen Event, um die Sichtbarkeit der DSIM zu erhöhen. Spätestens dann wird die Spreu vom Weizen getrennt, denn es wird quasi unter Aufsicht gespielt. Dadurch fliegen auch die Spieler auf, die in der Vorrunde unter falschem Namen gespielt haben bzw. sich während der Partien von einem stärkeren Spieler beraten ließen.

Krennwurzn:
Darf ich, bevor wir zu den technischen Fragen kommen, noch auf einen Widerspruch hinweisen: Sie möchten Spieler erreichen, die noch nicht in einem Verein spielen und wollen nur Spieler unter Klarnamen, die im Onlinebereich zudem eher unüblich sind, spielen lassen, die einem Verein angehören oder eine DWZ-Lizenz haben. Hört sich für mich jetzt nicht nach dem großen Fischen im Neulandteich an.

Krause:
Wir reden hier über eine Deutsche Meisterschaft, die vom Deutschen Schachbund ausgerichtet wird. Die Mitgliedschaft im Deutschen Schachbund (bzw. indirekt über einen Schachverein) ist insofern eine selbstverständliche Teilnahmevoraussetzung. Neu ist in diesem Fall die DWZ-Lizenz, die wir zeitgleich zur DSIM eingeführt haben und die einen Versuch darstellt, ehemalige Mitglieder zurückzugewinnen. Ich spiele seit meinem 13ten Lebensjahr für meinen Verein Schach und habe in all den Jahren etliche Mitglieder kommen und leider auch wieder gehen sehen. Einige wenige finden irgendwann den Weg zurück zum Vereinsschach, aber für die allermeisten gilt das nicht. Ich sehe trotzdem viele dieser ehemaligen Mitglieder regelmäßig wieder, und zwar auf einem Schachserver, entweder als Zuschauer bei einem live kommentierten Turnier oder eben mit der Hand an der Maus beim Schachspielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die DWZ-Lizenz als günstige Möglichkeit, wieder eine offizielle DWZ zu erwerben, für diese Spieler ein erster Schritt zurück zum Vereinsschach sein kann. Wir haben die DWZ-Lizenz so konstruiert, dass niemand deswegen aus seinem Verein austreten wird, denn eine Bedingung für den Erwerb einer solchen Lizenz ist, dass die letzte Mitgliedschaft in einem Schachverein mindestens zwei Jahre zurückliegt. Die Lizenz ist außerdem im ersten Kalenderjahr kostenlos, so dass die Hürde sehr niedrig ist. Ob uns auf diese Art und Weise viele Fische ins Netz gehen, werden wir sehen.

Krennwurzn:
Und dann wäre noch, dass die Österreicher so eine Serie in den 2010-Jahren mit ähnlichen Zugangs- und Betrugsprüfungen auch starten wollten. Dies ging in die Geschichte dann als Turnierserie ohne Teilnehmer ein, weil eben auch damals die Hürden für die Teilnehmer zu hoch waren.

Krause:
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen dieser Meisterschaft und der DSIM: Wir erheben kein Startgeld, weil uns gesagt wurde, dass das bei einem Online-Turnier nicht nur unüblich, sondern geradezu schädlich ist. Ich vermute, dass das eine Lehre ist, die man aus der von Ihnen benannten österreichischen Meisterschaft gezogen hat. Online-Spieler wollen spontan entscheiden, ob sie an einem Turnier teilnehmen oder nicht, d.h. eine vorherige Anmeldung inklusive Startgeld-Überweisung ist extrem kontraproduktiv.

Krennwurzn:
Kommen wir zum technischen Aspekt der Sache und das ist meiner Meinung nach jener, der die meisten potentiellen Teilnehmer eher abschrecken wird, wenn man sich die Diskussion in diversen Foren und unter den Schachspielern ein wenig anhört. Natürlich hat sich die Welt weitergedreht und die Algorithmen sind besser und treffsicherer geworden – aber das ist nicht nur ein Vorteil, denn viele ehrliche Spieler haben die unterschwellige Angst ungerechtfertigterweise als Betrüger „überführt“ zu werden. Und je besser die Software, desto schlechter die Chancen dann zu beweisen, dass man ein „false positive“ ist – daher verliert man auch hier potentielle Teilnehmer und zwar nicht nur jene, die sich vor Betrug fürchten, sondern um ihren guten Namen Angst haben.

Krause:
Diese Argumentation ist nicht schlüssig: Je besser die Software, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler zu Unrecht beschuldigt wird. Und im Falle schlechterer Software hätte man ebenso wenig die Chance, dieses Ergebnis zu widerlegen. Uns wurde versichert, dass die Algorithmen eine extrem hohe Trefferquote haben und sehr zuverlässig sind. Ich spiele seit 15 Jahren Online-Schach und habe schon sehr lange nicht mehr das Gefühl gehabt, dass ich gerade gegen einen Computer gespielt habe. Meine Freunde spielen ebenfalls aktiv im Internet und das Thema "elektronischer Betrug" spielt in unseren Gesprächen über Online-Schach keine Rolle mehr.

Krennwurzn:
Ebenso wie Sie sehe ich Cheating nicht als wirkliches Thema im Onlineschach solange es nicht um Geld und/oder Titel geht. Zahlreiche meiner Schachfreunde glauben viel öfter betrogen zu werden als dies tatsächlich der Fall sein kann. Und ebenfalls geht es bei den „false positive“ nicht um Wahrscheinlichkeiten, sondern um Ängste. Und um die DSIM zu einem Erfolg werden zu lassen, muss man gegen diese „beiderseitigen“ Ängste ankämpfen, denn beide drücken auf die Teilnehmerzahlen.

Krause:
Fragen zum Themenkomplex „Cheating“ waren wie erwähnt in allen Gesprächen zum Thema DSIM die ersten und meistens auch die einzigen, wenn es darum ging, ob die Einführung einer Internetmeisterschaft sinnvoll ist. Wir beide haben das Thema jetzt ziemlich erschöpfend behandelt und ich hoffe deshalb, dass dieses Interview von möglichst vielen Schachspielern mit einer Affinität zum Online-Schach gelesen wird!

Krennwurzn:
Aber nun wirklich zu den Betrügern und den technischen Möglichkeiten gegen diese vorzugehen. Brutalocheater – also Leute, die nur mit Engine spielen, haben heutzutage praktisch keine Chancen unentdeckt zu bleiben. Aber potentielle Betrüger müssen ja nicht ohne Intelligenz vorgehen uns so geheim sind die Algorithmen zur Cheatingerkennung nun auch wieder nicht. Außerdem arbeitet hier der Fortschritt auch wieder gegen uns und nicht für uns! Denn die Leistungsfähigkeit der Rechner ist so gestiegen, dass es locker möglich ist neben der einfachen Zugberechnung durch die Engine einen statistischen Check des Spielstiles einzubauen. Gerüchteweise hört man, dass dies auch schon an die eigenen gespielten Partien angepasst werden kann. Betrüger und Betrugserkenner arbeiten also mit dem gleichen Datengrundmaterial und damit liegen die Vorteile wohl eher bei den Betrügern – wie so oft im realen Leben.

Krause:
Noch einmal: Die Endrunde wird zentral gespielt, also unter Aufsicht. Spätestens dann sind auch die intelligenten Betrüger am Ende ihrer Weisheit angekommen. Ich glaube nicht, dass man in der Vorrunde das Risiko in Kauf nimmt, als Cheater gebrandmarkt zu werden, wenn man bei der Endrunde sowieso nicht mitspielen kann, weil man spätestens dann auffliegen würde.

Krennwurzn:
Das klingt ja logisch – aber denken Leute, die dem DSB und/oder dem Serverbetreiber aus welchen Gründen auch immer negativ gesonnen sind, immer logisch? Oder wollen die nur irgendwie stören oder zeigen, dass Störungen möglich sind?

Krause:
Wenn man immer Rücksicht auf die potentiellen Störenfriede nimmt, kann man gar keine Schachturniere mehr ausschreiben. Nach meiner Erfahrung wollen eigentlich alle Teilnehmer an einem Schachturnier in erster Linie das schönste Spiel der Welt spielen und in zweiter Linie den sportlichen Erfolg suchen – manchmal auch in umgekehrter Reihenfolge. Ich glaube deshalb nicht, dass wir ernsthafte Störungen bei der DSIM erleben werden.

2019DSIM 02

Krennwurzn:
Ein kleines Problem – eher als Abschreckung von der Teilnahme für stärkere Spieler könnte sein, dass diese fürchten in den Vorrunden intelligenten Cheatern ausgesetzt zu sein und daher schlechter abschneiden könnten – also einfache Zufallsopfer sein zu können.

Krause:
"Intelligente Cheater" sind für alle Gegner ein Problem, oder? Insofern verstehe ich die Fokussierung auf die "stärkeren" Spieler nicht. In unserem Konzept sind diverse Freiplätze für die Endrunde vorgesehen (davon übrigens einige für die DSJ), d.h. die wirklich starken Spieler brauchen nicht durch die Mühle der Vorrunden zu gehen - ähnlich wie bei den Deutschen Einzelmeisterschaften.

Krennwurzn:
Ungelöst bleibt auch das Problem, dass desto stärker die Spieler werden, desto weniger Hilfe brauchen sie von der Maschine und desto schwieriger wäre es Betrug nachzuweisen. Hätte Fabiano das Matt in 35 „gefunden“ in dem berühmten Endspiel, wäre er möglicherweise Weltmeister geworden und keine statistische Methode der Welt hätte das als Betrug erkennen können.

Krause:
Peter Svidler hat sich bei einem Live-Kommentar wie folgt zum Thema E-Doping geäußert: Er sagte sinngemäß, dass es für einen Spieler seiner Stärke vollkommen ausreichend ist, wenn man dreimal pro Partie in den kritischen Stellungen einen Computer zu Rate ziehen dürfte. Das ist nicht weiter überraschend, aber seine nächste Aussage war es schon: Die Stellungsbewertung als solche ohne Angabe von Varianten würde in den allermeisten Fällen reichen, weil der Spieler den potentiell starken Zug auch selber entdeckt, aber eben nicht sicher ist, ob ein Opfer durchschlägt, um ein Beispiel zu nennen. Der von Ihnen genannte Fall ist ganz anders gelagert: Für dieses Matt hätte es einer ganzen Reihe sehr genauer Züge bedurft, und das wäre dann vielleicht doch aufgefallen. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man in einer Turnierpartie einen Tipp bekommt, über den man dann noch in Ruhe nachdenken kann oder ob man sich in einer Blitzpartie innerhalb von Sekunden für einen Computerzug entscheiden muss. Der einzig valide Betrugsversuch ist deshalb der mit einem Schachprogramm, das "menschliche Züge" aufweist und idealerweise noch an geeigneten Stellen unkritische Fehler einbaut wie von Ihnen oben beschrieben. Dieses Problem lösen wir wie gesagt durch die zentrale Endrunde, bei der man live Farbe bekennen muss.

Krennwurzn:
Ich möchte das Projekt DSIM ja nicht schlecht reden, aber ich denke schon, dass hier sehr, sehr viele Gefahren lauern, die nicht so einfach zu umschiffen sind. Außerdem fehlt dem Projekt auch ein wenig der Pep. Es gibt ja schon erfolgreiche Konkurrenzveranstaltungen, die das live streamen und viel mehr Aktion bieten als reines Onlineschach auf einer Plattform. Könnte es nicht sein, dass der DSB mit einer altbackenen DSIM im Teich der neuen Zeit einfach baden geht?

Krause:
Wir haben die DSIM bewusst noch nicht in der Turnierordnung verankert, weil wir uns eine einjährige Probezeit verordnen wollten. Wir werden auf Basis der Erfahrungen des ersten Jahres dann entscheiden, wie es weitergeht. Wie schon erwähnt: Eine Deutsche Schach-Internetmeisterschaft gehört zum Turniertableau meines Erachtens einfach dazu und ich würde mich deshalb sehr darüber freuen, wenn die Probezeit erfolgreich verläuft und wir danach jedes Jahr einen Deutschen Schach-Internetmeister ermitteln. Österreicher können übrigens auch gerne mitspielen, wenn sie die Teilnahmevoraussetzungen erfüllen.

Krennwurzn:
Am Ende des Interviews möchte ich noch zur Frage zurückkommen: Ist die Konzeption der DSIM nicht etwas konservativ und altbacken? Freiplätze lösen altbekannte Debatten aus, eine „analoge“ Endrunde, kein Videostream, usw. Sorry, aber ich sehe da nichts Innovatives mit dem man junge moderne Schachschichten ansprechen könnte.

Krause:
Wir wollen Schachspieler aller Altersklassen ansprechen. Zu viel Innovation kann auch abschreckend wirken – ein gutes Beispiel war das Ambiente, in dem das Kandidatenturnier im vergangenen Jahr gespielt wurde. Mir hat das sehr gut gefallen, aber ich habe auch viele Stimmen gehört, denen das Kühlhaus zu modern war. Die DSIM 2019 ist ein erster Schritt, um den manchmal etwas konservativen DSB mit dem innovativen Online-Schach zu verknüpfen. Die Idee mit dem Video-Stream nehme ich gerne mit, wenn Sie gestatten!
Alles in allem bin ich optimistisch, dass wir Ende 2019 den ersten Deutschen Internetmeister ermittelt haben und dass dieser ein Jahr später auch die Möglichkeit haben wird, seinen Titel zu verteidigen.

Krennwurzn:
Ich danke für das Gespräch und wünsche alles Gute für die Wahl 2019 und die DSIM – auch wenn ich bei beidem ein wenig Bauchschmerzen habe.

IST expandiert
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Montag, 04 März 2019 23:27

IST expandiert

Es ist verdächtig ruhig geworden um das IST AUSTRIA (Institut für sinnlose Turniere), obwohl es doch zahlreiche Erfolge wie die Turnierserie ohne Teilnehmer und das Turnier mit Diskriminierungsverdacht nach EU-Recht, eine Damenbundesliga mit zwei Brettern, usw. gab.

Nun aber ist der Krennwurzn zu Ohren gekommen, dass das IST nach Deutschland expandieren möchte und die längst aus gut bekannten Gründen in den Nullerjahren verworfen Idee einer Internetmeisterschaft mit dem DSB neu „aufleben“ zu lassen. Das erscheint zwar sehr verwunderlich, da sich von den Argumenten gegen eine solche in den letzten Jahren nichts geändert hat.

Deutsche Internetmeisterschaft (Quelle DSB-Homepage)

Der Antrag wurde von den Delegierten angenommen. So wird es ab dem kommenden Jahr ein Pilotprojekt "Deutsche Internetmeisterschaft" mit Vorrunden und einer Endrunde geben. Teilnahmeberechtigt sind Spieler mit einer Spielberechtigung des Deutschen Schachbundes, also DSB-Mitglieder (Punkt A-4 der DSB-Turnierordnung). Alle Turniere werden mit Blitzschachbedenkzeit online auf dem Server von ChessBase ausgetragen. Voraussetzung dafür ist eine für das Onlinespiel gültige Seriennummer von ChessBase. Hier der Antrag im Original (ohne die Änderungen vom Hauptausschuss)

Antrag Deutsche Internetmeisterschaft

Möglicherweise wurde aber der Krennwurzn hier am Rosenmontag oder für den Faschingsdienstag hinterlistig das Konzept einer Büttenrede des Präsidenten des Deutschen Schachbundes zugespielt, denn so richtig ernst nehmen kann man dieses Vorhaben außerhalb der närrischen Hochzeit kein realitätsbezogener Schachfreund ?

Internetschach ist zwar eine wunderbare Sache und wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, dann wird man gar nicht so oft betrogen wie man gerne annimmt, um die eigenen Nichtleistungen schönzureden. Schenkt man den veröffentlichten Zahlen Glauben, so bewegt man sich im Promillebereich und erreicht das erste volle Prozent eher nicht. Die Serveranbieter haben gar nicht so schlechte Cheatingerkennungssoftware am Laufen und einfache Betrugsversuche lassen sich leicht erkennen und stellen somit kein essentielles Problem dar – zudem sind Internetelopunkte wertloser als gebrauchte Zahnstocher. Betrug macht einfach keinen Sinn.

Anders sieht die Sache allerdings aus, wenn es um Titel und/oder Preisgeld geht. Dann kann die Sache schnell interessant werden und auch hier werden die Primitivbetrüger wohl rasch und zuverlässig aufgedeckt – da habe ich keine technischen Sorgen.

Nur könnte es da juristisch schnell mal gefährlich für den Veranstalter werden und mit gefährlich ist natürlich auch teuer gemeint. Die bisherigen Erfahrungen mit Sportbetrügern im Schach sind ja, dass wenn der Weg zur staatlichen Gerichtsbarkeit eingeschlagen wurde, die Verbände und Veranstalter meist nicht den gewünschten Erfolg erzielen konnten und beträchtliche Prozess- und Nebenkosten selbst tragen mussten. Das liegt daran, dass viele schachinterne Regelungen nicht den strengen Anforderungen unseres Rechtsstaates entsprechen und das so mancher „Beweis“ durch widerrechtliche Eingriffe zustande gekommen sein könnte, denn nicht alles was Server auf unseren privaten Rechnern abfragen könnten ist auch rechtlich erlaubt. Fensterwechsel, Taskwechsel, Prozessorlast, welche Tasks laufen, usw… da kommt man leicht vom erlaubten Weg in den Treibsand der Unrechtmäßigkeit ab.

Lässt man das einfach mal locker außer Acht, so gibt es auch sachliche Einwände, den Betrüger müssen ja nicht immer so doof vorgehen, dass sie leicht aufzudecken sind. Kein vernünftiger Schachspieler wird die volle Stockfishpower verwenden und dann hoffen sich wie Houdini einst aus den Fesseln des klar ersichtlichen Betrugs befreien zu können. Klar so kann das nicht funktionieren – aber die Vorgehensweise der Cheatingerkennung ist ja keine Geheimwissenschaft, sondern eine statistische Methode die uns irgendwann sagt: Vorsicht da wird es sehr, sehr unwahrscheinlich!

Und da landen wir beim ersten Problem: wir müssen diesen Zeitpunkt festlegen und laufen damit in die Probleme der systembezogenenen Unschärfe: Die Schlagworte sind hierfür false positive und false negativ! Da lauert eine Gefahr, die wir seit Werner Heisenberg auch aus einem anderen Fachgebiet kennen – es ist nicht alles gleichzeitig berechenbar – auch wenn wir uns das gerne vorgaukelt – vor allem im Computerzeitalter und wir auf „big data“ praktisch blind vertrauen wollen. Will ich auf keinen Fall jemanden des Betrugs beschuldigen, so rutschen mir methodenbedingt Betrüger durch die Maschen des Systems und will ich alle Betrüger überführen, dann werde ich viele Nichtbetrüger zu Unrecht beschuldigen. Das ist alles schon lange bekannt und daher möchte ich die Leser nicht mehr weiter damit langweilen.

Denn wir landen schon beim nächsten Problem: jene Betrüger die die Cheatingerkennungsfähigkeiten in ihre betrügerischen Absichten einkalkulieren, bieten sich sehr gute Chancen. Bei meiner Recherche bin ich im dunklen Teil des Internets auf eine interessante Seite diesbezüglich gestoßen, dort wird einem vereinfacht gesagt angeboten, dass man „gute, aber nicht zu gute Turniere“ mit dieser Software spielen kann. Wie sollte man das verstehen? Nun der Krennwurzn gelang im Frühjahr 2017 genau so ein Turnier durch blankes Glück:

2019IST 01

Unglaubliches Ergebnis der Krennwurzn

Also 1800er auf Startrang 30+ ein siebenründiges 20 Minuten Schnellschach OTB ungeschlagen zu überstehen, dass hätte ich mir niemals träumen lassen und doch ist es einmal mit viel Glück Wirklichkeit geworden. Fünf Punkte aus sieben Runden und nur einen Punkt hinter dem Turniersieg und das wirklich ohne unerlaubte Hilfsmittel – ich glaube es heute noch nicht wirklich. Nun in meinen Partien führte nicht eine illegale Software sondern reines Glück zum Erfolg – aber warum sollte eine Software dies nicht auch simulieren können? Jetzt kann man berechtigterweise fragen: wer wurde geschädigt, die Krennwurzn hat ja kein Preisgeld (es gab wohl keinen Kategoriepreis) und keinen Titel gewonnen. Das stimmt sehr wohl, aber der Gegner aus Runde 3 landete aufgrund der Zweitwertung punktegleich nur auf Rang 2. Das bedeutet im Umkehrschluss: potentiell unauffällige Betrüger könnten indirekt Einfluss auf das Endergebnis nehmen. Zumal sich ja mehr Betrüger in einem Feld verstecken können als Glückspilze. Sind das gute und faire Voraussetzungen für eine Meisterschaft?

Möchte die Krennwurzn Internetmeister werden, dann bräuchte sie natürlich massive Maschinenunterstützung und müsste damit ein zu hohes statistisches Entdeckungsrisiko auf sich nehmen. Also lassen wir das und lassen die mittelmäßigen Betrüger gute, aber nicht zu gute Turniere spielen und damit möglicherweise indirekten Einfluss auf den Ausgang nehmen und kommen wir zum Hauptproblem:

Möchte sich ein guter Spieler auf betrügerischer Weise einen Vorteil verschaffen, dann bräuchte dieser gar nicht so viel Unterstützung und wie sollte man diese dann erkennen und gerichtsfest nachweisen können? Ein sehr heißes Eisen – will das ein Verband wirklich angreifen?

Hätte beispielsweise Fabiano einen kleinen Mann im Ohr gehabt, der nur zweimal aktiv geworden wäre:

2019IST 02

Opps Kg6 Blunder Lh4 und Sg1 gewinnt

2019IST 03

 Dh5 +2

Und wahrscheinlich hätten wir einen neuen Weltmeister gehabt und niemand wäre auch nur auf die Idee gekommen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Welche Cheatingerkennungssoftware hätte dies aufdecken können? Keine wenn man ehrlich zu sich selbst ist, denn die maßgeblichen Parameter hätten sich nicht signifikant geändert.

Natürlich sind die Methoden zur Cheatererkennung besser geworden, aber die Vorstellung, dass man jeglichen Betrug aufdecken könnte ist genauso utopisch wie im anderen Spitzensport auch. Dort wird mehr Geld und mehr Wissen investiert und auch dort schaffen es die meisten Dopingsünder locker durch die Kontrollen – wie uns immer wieder gezeigt wird.

Logischerweise können sich Nonames nicht die Titel und die Preise abholen, aber Nonames können Einfluss auf das Endergebnis nehmen und die starken Spieler könnten sich so manche kleine Hilfe nehmen.

Dann sind wir bei der letzten Gefahr angelangt, die man auch nicht außen vorlassen sollte: falsche Betrugsbeschuldigungen! In erster Lesung betrifft diese Gefahr nur die Stars und die sind Risiko ja gewohnt und müssen damit leben, aber angenehm sind solche Anschuldigungen für niemanden. Und was ist eigentlich mit jenen Hobbyspielern die durch Cheatingerkennungssoftware und nach Expertenmeinung ungerechtfertigterweise als Betrüger öffentlich bloßstellt werden könnten? Wer hilft glaubt diesen dann, dass sie wirklich sauber gespielt haben und nur das Glück der Krennwurzn hatten?

IST so ein Turnier das Risiko wert?
IST ein Verband bereit diese Risiken für sich und seine Spieler einzugehen?
Oder IST das es doch nur ein Narrenscherz??

Herbert Bastian im Gespräch mit der Krennwurzn
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Die Wahl ist geschlagen und es gibt einen neuen DSB Präsidenten – für viele überraschend und für viele Insider auch wieder nicht, denn schon lange hörte man aus den bekannt gut informierten Kreisen, dass die Chemie in den Führungsgremien nicht stimmt. Öffentlich sichtbar war nur, dass aktive Funktionäre bei der vorhergehenden Wahl nicht mehr antraten und dass der Streit im Spitzenschach nicht mehr kontrollierbar war. Aber fragen wir den nunmehrigen Ex-Präsidenten Herbert Bastian einmal selbst …

Krennwurzn:
Wenn ich mir Ihre ersten Reaktionen nach der Abwahl in Erinnerung rufe, so erinnert mich das an „der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.“ Sind Sie wirklich persönlich gekränkt, dass Ihre Arbeit nicht entsprechend gewürdigt wurde und die Delegierten ihr demokratisches Recht zur Abwahl genutzt haben?

Bastian:
Bei der Wahl gab es eine lächerliche Selbstdarstellung von einigen, die noch nicht begriffen haben, dass man als Funktionär Verantwortung gegenüber der gesamten Organisation hat und sein Mandat nicht für persönliche Zwecke missbrauchen darf. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob man mich letztlich wirklich abwählen wollte oder ob es am Ende nur ein Zufallsergebnis wurde. Auch wenn es anscheinend alle wissen, ich weiß immer noch nicht, warum ich so abgestraft wurde. Absolut sicher bin ich mir, dass die wirkliche Basis mich gewählt hätte. Bei dem, was in Linstow geschehen ist, wäre jeder Mensch, der nicht absolut gefühlskalt ist, gekränkt. Andererseits habe ich es erwartet und bin schnell darüber hinweggekommen. Der Zerfall der Umgangsformen im DSB ist ja schon länger erkennbar. Wenn ich überhaupt etwas dazu sagen wollte musste es schnell geschehen. Nach spätestens drei Tagen interessiert sich niemand mehr dafür. Das Bild vom Mohr trifft allerdings zu. Genau so hat man mich behandelt. Nach vier Wochen Dauerstress mit der Kongressvorbereitung nach der schweren Erkrankung von Uwe Bönsch tat das sehr weh.

Krennwurzn:
Dankbarkeit ist im Ehrenamt keine Kategorie – es ist schwer, aber damit muss man sich abfinden und das wird in Zeiten der sozialen Medien nicht einfacher. Einfacher zu beantworten erscheint mir die Frage nach dem Warum des Abstrafens: Freunde und Gegner sind sich da scheinbar einig: Bastian ist ein guter Organisator, hat gute Idee und Visionen, ist ein ehrlicher und harter Arbeiter, aber kein Teamplayer! Ganz offen gefragt: verlangen Sie als Chef zu viel von Ihren Kollegen und das in einem zu autoritären Ton?

Bastian:
Wird mir das wirklich vorgeworfen? Das ist amüsant. Intern wurde mir ständig vorgeworfen, ich sei viel zu weich, viel zu nett, hätte keine Führungsstärke, würde viel zu viel selbst machen und müsste mehr delegieren. Verlangt habe ich z.B., dass die Aufstellung der Nationalmannschaft zuerst mit dem Präsidium abgesprochen wird, bevor ich es aus den Medien erfahre. War das zu viel verlangt? Oder dass Konflikte wie zwischen Luther und Rogozenco nicht öffentlich, sondern intern ausgetragen werden. War das zu viel verlangt? Wenn man im DSB Vorschläge macht, reagieren manche Leute schon extrem allergisch. Eins von vielen Beispielen war mein Vorschlag, eine Frau ins Präsidium zu holen. Schon das war zu viel und hat heftigste Reaktionen hervorgerufen. Klar bin ich sehr temperamentvoll, da konnte auch mal eine Überreaktion kommen. Dazu stehe ich.
Und noch etwas: Ich bin ganz sicher ein Teamplayer. Wer solche Vorwürfe übernimmt, sollte zuallererst prüfen, um es sich nicht um Projektionen handelt. Solche Vorwürfe kommen nämlich in der Regel von Leuten, die selber nicht teamfähig sind oder mich aus irgendwelchen Gründen bekämpfen. Aber auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Das mit dem autoritären Ton weise ich klar zurück, aber meine Ansprüche sind wohl zu hoch. Deshalb werde ich künftig nur noch mit Leuten zusammenarbeiten, die ein Mindestniveau halten.

Krennwurzn:
Wenig delegieren, vieles selbst machen ist sicherlich kein optimaler Führungsstil, denn es entzieht den anderen u.a. das Vertrauen Arbeiten selbstständig erledigen zu können. Die Frauenquote im Schach ist ultragrottig, aber dieses Problem geht in den Männerklubs unter – vielleicht kommen wir später noch auf dieses Thema zu sprechen. Die Causa „Nationalmannschaft“ erinnert mich ein wenig an die negativen Auswirkungen von Cordoba auf den österreichischen Fußball. Der EM-Titel deckte Konflikte zu und schürte die Hoffnung nun dauerhaft mit den „großen Jungs“ mitspielen zu können und da sich dies nicht erfüllte – Klammer erfüllen konnte, brachen dann die Konflikte brutal auf. Hier wurden Erwartungen enttäuscht und Hoffnungen geweckt, die unrealistisch waren – hätte hier nicht ein DSB Präsident die Fallhöhe zwischen Wunsch und Realität etwas reduzieren sollen?

Bastian:
Klar ist viel delegieren, wenig selber machen der bessere Stil. So schlau bin ich auch. Im DSB arbeiten alle Referenten sehr selbstständig und sie machen gute Arbeit, aber sie machen am liebsten ihre eigene Arbeit, und das ist die Crux. Aufträge nehmen sie weniger gerne entgegen, und das gilt auch für die Hauptamtlichen. Und da ich nicht gerne autoritär auftrete – auch wenn das nicht zutreffende Gegenteil behauptet wird – ziehe ich oft das konfliktfreiere und schnellere Selbermachen vor.
Wenn wir nun auf die Verantwortung des DSB-Präsidenten kommen, möchte ich zuerst die von der Satzung verordnete Impotenz der von der Öffentlichkeit erwarteten Omnipotenz gegenüberstellen. Für den Sport ist der Vizepräsident Sport in Verbindung mit dem Leistungssportreferenten zuständig. Der Präsident hat da erst mal gar nichts zu melden, was ich für eine krasse Fehlkonstruktion halte. Mir gegenüber wurde es damit begründet, dass ja auch mal ein Präsident kommen könne, der nichts vom Spitzenschach versteht. Vielleicht habe ich den Fehler gemacht, mich nach außen immer vor meine Vizepräsidenten zu stellen, aber so habe ich nun einmal Führung gelernt. Ich bin nicht der Typ, der andere opfert, wenn Fehler passieren.

Krennwurzn:
Welche Fehler sind im Leistungssport passiert? Oder sind da in Wirklichkeit nur unerfüllbare Träume geplatzt – wie oben schon angemerkt?

Bastian:
Darauf muss ich länger antworten. Arkadij Naiditsch und Klaus Deventer (damals Referent für Leistungssport) waren unversöhnlich zerstritten. Dann hat Arkadij unseren Sponsor mit seinem Verhalten in Tromsø dermaßen verärgert, dass dieser jegliche weitere Förderung von ihm abgelehnt hat. Damit war unser bester Spieler und Zugpferd draußen. Von mir verlangte Arkadij 30.000,- € jährliche Sonderzahlung, damit er auf den Föderationswechsel verzichtet, was wir unmöglich leisten konnten. Diese Dinge liegen in Arkadijs Charakter begründet und sind aus meiner Sicht keine Fehler des DSB. Immerhin ist es in vielen Sitzungen 2011 gelungen, die zerstrittenen Nationalmannschaften wieder zu vereinigen, und wir fanden dank Uwe Bönsch mit UKA einen zuverlässigen Sponsor, was die Spieler mit dem Gewinn des Europameistertitels belohnt haben.
Der Leistungssport ist im DSB mittlerweile ein Stiefkind. Die Nationalmannschaften sind dem Vizepräsidenten Sport zugeordnet, der unter anderem noch die Senioren, die Frauen und den Ausbildungsbereich mitbetreut. Wie sollen bei dieser Auslastung neue Ideen reifen? Ich habe immer vergeblich gefordert, dass die Nationalmannschaften enger dem Präsidium zugeordnet werden. Die Aufstellungen habe ich manchmal von unserer Webseite erfahren, und mein Wunsch, dass das Präsidium zuerst informiert werden solle, damit es sich vor Veröffentlichung eine Meinung bilden kann, wurde abgewiesen. Ein Präsidiumsmitglied war z.B. strikt dagegen, weil es der Meinung war, vom Spitzenschach keine Ahnung zu haben. Was zumindest teilweise umgesetzt werden konnte, waren die Kooperationen mit Dortmund, Baden-Baden, Dresden und Erfurt. Dadurch kamen unsere Spitzenspieler und Spitzenspielerinnen wieder mehr in Kontakt mit der Weltspitze. Für die kommende Periode hatte ich einen Ausbau dieser Kooperationen und grundlegende Reformen im Leistungssport geplant.
Der Kongress hat nun ein Schulschachpräsidium eingesetzt. Ob das das richtige Signal an junge Spielerinnen und Spieler ist, sich dem Leistungssport zu widmen, wage ich zu bezweifeln. Da muss dringend nachgebessert werden. Was bleiben wird ist die positive Entwicklung im Frauenschach.
Letztlich müssen wir aber zugeben, dass der Deutsche Schachbund derzeit nicht das schachliche Niveau hat, um sich in der Weltspitze zu etablieren. Und wenn man die Abläufe auf dem letzten Kongress betrachtet, muss man heilfroh sein, wenn es nicht noch weiter abwärts gehen wird.

Krennwurzn:
Stehen wir da nicht vor einem Dilemma? Einerseits brauchen wir eine Wohlfühlzone im Schach damit die Kinder langfristig beim Schach bleiben und anderseits bräuchten wir eine spitzensportliche Brutalität in der Förderung um international mithalten zu können. Spitzenkarrieren fangen heute immer früher an und wer mit 18 Jahren die 2700 nicht erreicht, aus dem wird kein Topspieler mehr. Sollten wir unsere Förderrichtlinien Spitzensport nicht daraufhin ausrichten, um nicht Geld an Spieler zu verbrennen, die sowieso keine Chance mehr haben dürften?

Bastian:
Ich sehe das nicht als ein Dilemma an, sondern als eine Frage geschickter Aufgabenteilung, und die gibt es längst. Für die Wohlfühlzonen außerhalb der häuslichen Rechner müssen die Vereine sorgen. Unterstützt werden sie mit solchen Highlights wie die DJEM, die DSAM, die vielen Schulschachturniere, die Vereinskonferenzen, die Schulschachkongresse, die Mädchen- und Frauenschachkongresse, die Ländermeisterschaften, die Bezirks- und Verbandsturniere usw. Überall wachsen wir in den letzten Jahren, so ist z.B. die Zahl der Open-Turniere in Deutschland von 2012 bis 2016 von 331 auf 481 gestiegen. Oder die Rekorde beim Alsteruferturnier und in Karlsruhe. Im Spitzenschach stehen Reformen an, das ist für mich klar. Druck kommt ja auch vom Innenministerium und vom DSB. Umso unverständlicher ist für mich die Zusammensetzung des neuen Präsidiums angesichts der drohenden Forderungen von außen. Können wir uns überhaupt sicher sein, dass Weltklasseschach noch ein Ziel im Deutschen Schachbund ist? Oder haben wir schon resigniert? Der schon lange geforderte „Masterplan“ ist bisher von den Verantwortlichen im Bereich Leistungssport nicht vorgelegt worden. Hoffentlich kommt er jetzt und gibt eine Antwort auf die gestellte Frage.

Krennwurzn:
Welche Chancen bzw. Aufgaben wird der DSB nicht wahren können, weil Herbert Bastian als Präsident abgewählt wurde?

Bastian:
Dem DSB ist mit meiner Abwahl keine Chance verloren gegangen, und er wird alle Aufgaben wahren können. Man muss sich nur ein bisschen anstrengen. Ich bin sicher, dass der Verband verwaltungstechnisch dank Ralf Chadt-Rausch und Uwe Bönsch in den letzten zwanzig Jahren noch nie in einem vergleichbar guten Zustand war, und dieses Präsidium hat die beste Bilanz vorgelegt, an die ich mich erinnern kann. Daran ändert die Tatsache nichts, dass es mit meinem schlechtesten Wahlergebnis quittiert wurde. Ob ich an irgendeiner Stelle vermisst werde, wird sich zeigen, immerhin war ich seit 1992 durchgehend als Funktionär auf Bundesebene präsent, und da haben sich auch vielerorts Freundschaften entwickelt.

Krennwurzn:
Kommen wir aufs internationale Parkett – unter Ihrer Präsidentschaft hat es ja einen Schwenk in Richtung Kirsan Ilyumzhinov gegeben und Deutschland hat dafür wieder einen FIDE Vizepräsidenten bekommen. War das eine richtige Entscheidung und bleiben Sie FIDE Vizepräsident oder geht das Amt automatisch auf Ihren Nachfolger über?

Bastian:
Hier muss ich Einiges richtigstellen. Unter mir gab es keinen Schwenk Richtung Ilyumshinov, sondern die Entscheidung dafür, wieder mit der FIDE-Führung zusammenzuarbeiten, anstatt gegen sie zu arbeiten. Der unselige Streit 2010 vorm CAS hat die FIDE fast 1,5 Millionen Euro gekostet, und das alles nur für die Ego-Pflege gewisser Leute ohne ein brauchbares Ergebnis für den Schachsport. Was hätte man mit dem Geld alles Sinnvolle anfangen können! Mein Engagement gilt dem Schachsport, nicht einer Person. Gleichwohl respektiere ich das, was Kirsan Ilyumshinov für das Schach geleistet hat, und persönlich habe ich mit ihm nur die besten Erfahrungen gemacht. Ich bilde mir immer ein persönliches Urteil über Menschen und beteilige mich nicht an Treibjagden, wie ich sie jetzt am eigenen Leib erlebt habe. Was Kirsan Ilyumshinov ansonsten vorgeworfen wird, kann ich nicht beurteilen, das überlasse ich der Justiz.
Es ist falsch, dass Deutschland den Vizepräsidenten für den Schwenk bekommen hat. Richtig ist, dass der Deutsche Schachbund von der FIDE als einer der wichtigsten nationalen Verbände angesehen wird, mit dem man kooperieren will. Ein Tauschgeschäft gab es nicht. Meine Entscheidung, für eine Kandidatur bereit zu stehen, fiel erst nach dem eindeutigen Wahlergebnis zugunsten von Ilyumshinov. Unabhängig vom Vizepräsidenten hätte ich auf jeden Fall eine rasche Aussöhnung mit der FIDE angestrebt, weil ich Kooperation für richtig halte, und deshalb halte ich meine Entscheidung nach wie vor für richtig.
Nach den Ereignissen in Linstow habe ich der FIDE meinen sofortigen Rücktritt angeboten. Mir wurde jedoch gesagt, dass meine Wahl in Tromsø primär eine Personenwahl war und nicht die Wahl eines Vertreters des Deutschen Schachbundes. Und ich wurde gebeten, im Amt zu bleiben, was ich folglich bis zu den planmäßigen Wahlen 2018 tun werde. Im Presidential Board der FIDE vertrete ich den Schachsport in Deutschland, nicht das Präsidium des Deutschen Schachbundes. Da ist immer noch ein Unterschied, und man traut mir das in der FIDE zu. Sehr gerne hätte ich im Lasker-Jahr 2018 die Weltmeisterschaft oder das Kandidatenturnier nach Deutschland geholt und stand kurz vorm Erfolg. Ob das jetzt noch klappen wird, weiß ich nicht. Hier scheint das ja auch die Mehrheit nicht zu wollen.

Ob das jetzt noch klappen wird, weiß ich nicht. Hier scheint das ja auch die Mehrheit nicht zu wollen.

Krennwurzn:
Die Mehrheit fürchtet da wohl die Kosten – nebenbei gibt es ja bei der Vermarktung via AGON das alte Problemfeld, dass die Kosten für Liveübertragungen schwer via Werbung finanziert werden können, weil man – ebenfalls aus gutem Grunde – nicht exklusiv übertragen kann. Hier müssten die Verbände die Interessen der Schachspieler (freier Zugang zu Übertragungen) UND die Interessen der Veranstalter (Einnahmen via Werbung) in Einklang bringen können – ich sag’s ehrlich: mir fällt da keine Lösung ein, aber der aktuelle Zustand mit „Piratenübertragungen“ und Klagen ist sicherlich nicht gut fürs Schach.

Bastian:
Die Blitz- und Schnellschach-WM in Berlin wurde von AGON finanziert, beim DSB entstanden ca. 3.500,- € Kosten für Reisen und Hotel unserer beteiligten Mitarbeiter und Funktionäre. Auch das Kandidatenturnier würde von AGON finanziert werden.

Krennwurzn:
Die Leute fürchten ja DRESDEN 2008 - die Olympiade ...

Bastian:
Die Olympiade 2008 in Dresden hat doch den DSB nur das gekostet, was im damaligen Olympiaausschuss freiwillig für Begleitmaßnahmen verbraten wurde (Sternfahrten, Olympiamagazin, Partnerschulen usw.). Das entstandene Defizit bei der Olympiade selber wurde von der Stadt Dresden übernommen. Und heute werden WM und CT von AGON finanziert. Sobald bezahlte Spieler antreten, handelt es sich um wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Beitragsgelder dürfen a priori gar nicht in solche Veranstaltungen fließen, das würde die Gemeinnützigkeit kosten.

Krennwurzn:
Die Finanzierung durch AGON könnte ja wackeln, da die Einnahmen aus den Übertragungsrechten nicht den Erwartungen entsprechen könnten. Gerüchteweise könnte der „Rücktritt“ von Kirsan Ilyumshinov im März dieses Jahres mit ausstehenden Zahlungen aus diesem Kontrakt in Zusammenhang stehen.

Bastian:
Hier kann ich in keinem Punkt widersprechen. Das wäre dann das Problem von AGON, nicht des Deutschen Schachbundes.

Krennwurzn:
Ein großes Anliegen war Ihnen das „Lasker Jahr 2018“ – mal ganz ehrlich gefragt: interessiert das heute noch jemanden wirklich? Nicht weil ich ein großer Geschichtsignorant wäre frage ich, sondern weil hier in Österreich Steinitz fast ein Unbekannter ist und es in Wien gerade mal seit seinem 110. Todestag einen Steinitzsteg gibt, den viele namentlich nicht kennen.

Bastian:
Das Lasker-Jahr ist ein Ansatz, im Deutschen Schachbund das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und die Vereine zu besonderen Anstrengungen zu motivieren. Wir haben sehr früh damit angefangen, und inzwischen habe ich das Gefühl, dass der Gedanke angekommen ist. Der Kongress hat Finanzmittel in Höhe von 20.000,- € für Aktionen bewilligt, was ich für sensationell halte. Die nun Verantwortlichen haben versprochen, das Jahr zu einem Erfolg für den Deutschen Schachbund zu machen. Mehr kann ich mir nicht wünschen. Einen sehr umfangreichen Ideenpool habe ich vorgelegt, der sicher durch die DSJ und andere noch weiter angereichert wird. Die Jubiläen der Solinger SG und des SC Bamberg, beide 1868 gegründet, sowie das umfangreiche Programm der Lasker-Gesellschaft sollen idealerweise mit eingebunden werden. Mal ehrlich, ist das nicht eine supergute Chance für den Schachsport?

Krennwurzn:
Ganz ehrlich – mir ist das zu romantisch ;-)

Bastian:
Ein bisschen Romantik kann dem Schachsport doch nicht schaden …

Krennwurzn:
Ein Problem der Schachwelt ist meiner Meinung nach, dass es zu einer Art Aufspaltung kommt: da die Spieler in der Komfortzone Internet und Turniere und dort die Funktionäre in ihrer Regel- und Schachpolitwelt und da es noch erträglich läuft, entfernt man sich dennoch immer weiter voneinander – ist da ein Crash nicht vorprogrammiert?

Bastian:
Gute Frage, auf die ich keine Antwort habe. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Menschen immer häufiger merken werden, welche Energie sie aus der persönlichen Begegnung auf den großen Events schöpfen können, wie zuletzt die zentrale Bundesligaendrunde in Berlin. Ich konnte dort in zwei Tagen als DSB-Präsident mehr zukunftsweisende Gespräche führen als sonst über das ganze Jahr aufsummiert. Und neue Freundschaften erschließen, auch zu Personen, die mich bis dato im Internet nur angegiftet haben.

Krennwurzn:
Zum Abschluss – was bleibt von der Ära Bastian als DSB-Präsident?

Bastian:
Das müssen andere beurteilen.

Krennwurzn:
Klar, aber mich interessiert die Eigeneinschätzung!

Bastian:
Okay: Es bleibt die nicht mehr abzuwehrende Einsicht, dass die Frauen in der Zukunft zum Schachsport gleichwertig dazugehören werden.

Krennwurzn:
Wie geht es mit dem Funktionär Herbert Bastian weiter? Oder starten Sie in der Pension und ohne Funktionärsbelastung noch einen Angriff auf den GM-Titel? Erster deutscher Seniorenweltmeister …

Bastian:
Ob ich meinen Kopf nach dem Stress der letzten Wochen wieder soweit zum Funktionieren bringen kann, dass ich nochmal an das Niveau über Elo 2000 herankomme, bezweifle ich momentan. Aktuell arbeite ich an der Übersetzung eines Schachbuches aus dem 18. Jahrhundert, das lastet mich erst mal aus. Ob es 2018 in der FIDE weitergehen wird, ist eine weitere Option. Mir schwebt da ein weiteres schachhistorisches Projekt vor, das ich aber nur anpacken werde, wenn die Rahmenbedingungen stimmig gemacht werden können und ich mir den Start kräftemäßig noch zutraue.

Krennwurzn:
2000 Elo reichen ja noch locker zum „Krennwurzn Stechen“ – vielen Dank für das Gespräch und Alles Gute in den nächsten Jahren!!

Bastian:
Herzlichen Dank.

Joachim Gries mit Krennwurzn über den DSB
Freigegeben in Blog

„So the winner takes it all and the loser has to fall“ sangen ABBA schon in den 70er Jahren. Zwar fragte die Krennwurzn schon vor der Wahl bei Joachim Gries wegen eines Interviews an, erhielt aber eine Absage allerdings auch mit der Aussicht darauf nach der Wahl vielleicht doch eines zu machen. Da die Wahl – je nach Sichtweise knapp oder klar – 109 zu 79 für Herbert Bastian ausging, schätzte die Krennwurzn die Chancen auf ein Interview mit Joachim Gries sehr gering ein. Aber man sollte es nicht für möglich halten auch eine Krennwurzn kann sich irren und es entstand ein hochinteressantes Gespräch über den DSB und Verbandsprobleme auch im Allgemeinen. Wer auf das Waschen von Schmutzwäsche in der Öffentlichkeit hofft, dem kann ich nur empfehlen hier mit dem Lesen aufzuhören.

Krennwurzn:
Erlauben Sie zuerst eine persönliche Frage - Sie hatten am Anfang des Jahres gesundheitliche Probleme mit dem Herzen geht es Ihnen jetzt wieder gut und könnten Sie sich den Schachfreunden ein wenig vorstellen?

Joachim Gries:
Ich bin am 01.11.1950 geboren, verheiratet seit 9.2.1976 mit meiner Ehefrau Petra Gries und habe 11 Kinder (6 Söhne und 5 Töchter). Von Beruf bin ich Studienrat mit den Fächern Mathematik und Sport, bin im Alter von 21 Jahren erstmals in einen Schachclub eingetreten (Schachfreunde Friedberg/Hessen). Parallel dazu habe ich zunächst von meinem 13. – 21. Lebensjahr gefochten (war 1971 - 12. in der deutschen Hochschul-Rangliste und hatte damals berechtigte Hoffnungen noch auf den Olympiazug nach München zu springen). Musste meine Fechterkarriere aber 1971 bedingt durch eine Meniskusverletzung abrupt beenden und da ich mein Sportstudium nicht an den "Nagel hängen" wollte bin ich auf Volleyball umgestiegen, das ich damals bereits als Hobby regelmäßig spielte. Im Zuge der wachsenden Begeisterung für dieses Spiel landete ich dann bei der SG Rodheim (Rosbach vor der Höhe bei Friedberg(Hessen) und wir schafften innerhalb von 6 Jahren den "Durchmarsch" von der Kreisklasse bis in die Regionalliga. Dort spielten wir fast 10 Jahre in einer unveränderten Formation und schafften es 1982 - 1984 in der 2.Bundesliga zu spielen. Bereits damals hatte ich vielfältige weitere zusätzliche Aufgaben wahrgenommen

  1. Abteilungsleiter Volleyball in der SG Rodheim
  2. Vereinsvorsitzender in der SG Rodheim
  3. Schiedsrichterobmann im hessischen Volleyballverband und Ausbilder von SR
  4. Staffelleiter in der Regionalliga
  5. Bundesliga Schiedsrichter

Während all dieser Jahre habe ich u.a. auch noch Schach, quasi als Ausgleichssport, in Friedberg, Klein Karben und Oberursel gespielt. Der größte schachliche Erfolg war dabei der Aufstieg der Schachfreunde Friedberg mit denen ich damals in die Oberliga aufgestiegen bin.

1986 musste ich meine aktive Volleyballkarriere einstellen, da ich massiv an Asthma erkrankte und durch mehrere Knieoperationen alle meine Menisci eingebüßt hatte. Die Arthrose in den Kniegelenken nahm damals "galoppierende" Geschwindigkeit auf. Somit erfolgte folgerichtig/zwangsläufig der Wechsel zum Schachsport (ab ca. 1987), in dem neben aktiven Spielen in den Mannschaftskämpfen vor allem der Aufbau und die Betreuung von Schulschach_AG`s zu meinen neuen Aufgaben gehörte.
1989 wurde ich in Hessen zum Ausbildungsreferenten gewählt, ein Amt, das ich bis heute wahrnehme und in dem neben der Trainerausbildung, der SR-Ausbildung vor allem auch die Lehrerfortbildung einen breiten Raum einnahm. Ab 1997 wurde ich Mitglied in der Lehrkommission des DSB und arbeitete dort bis 2007 aktiv mit, obwohl ich in den Jahren 2001 - 2003 noch zusätzlich Präsident in Hessen war.
2007 übernahm ich das Amt des Ausbildungsreferenten auf DSB-Ebene und übernahm dort anschließend das Amt als DSB Vizepräsident Sport (2011 - 2015) und bis 2015 auch zeitweise die kommissarische Leitung des Ausbildungsreferates, weil der gewählte Ausbildungsreferent wegen beruflicher Überlastung leider nicht zur Verfügung stand.

Bis Mai 2015 war ich Vizepräsident im DSB und kandidierte dann am Bundeskongress gegen Herbert Bastian, eine Entscheidung, die ich nach ein paar Tagen Abstand durchaus ambivalent sehe:

  1. Einerseits habe ich mir viel Stress und Ärger erspart, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Situation des DSB. Die Durchführung/Einberufung eines außerordentlichen Kongresses im Herbst dieses Jahres, in dem ein komplett neuer Haushalt vorgelegt werden soll, weil der bisher vorgelegte "nicht ab(zu)stimmungsfähig" war wirft ein bezeichnendes Bild auf die Gesamtsituation im DSB. Meine Ehefrau ist überglücklich darüber, (obwohl sie meine Kandidatur unterstütze und sich der zusätzlichen zeitlichen Belastung bewusst war), dass ich nunmehr nicht mehr in dem bisherigen Maße mit Schachthemen gebunden bin. Insbesondere der teilweise aufgestaute Ärger, z.B. nach Präsidiumssitzungen den die Familie zumeist ertragen musste entfällt - mithin also ein massiver Zugewinn an Lebensqualität für mein/unser Familienleben.
  2. Andererseits habe ich gesehen, dass wir nur mit massiven Einschnitten das "finanzielle Desaster" das uns im DSB droht unbedingt angehen müssen. Dem neuen Präsidium sind durch die Forderung nach einem neuen Haushalt die bisherigen Defizite nachhaltig aufgezeigt worden und im Prinzip ist es gut, dass der alte und neue Präsident Entscheidungen der Vergangenheit nunmehr selbst korrigieren muss.

Meinen im Januar erlittenen Herzinfarkt habe ich sehr gut überstanden. Nach Aussage der Ärzte ist die "Pumpe" ohne Schädigung geblieben. Mein Blutdruck und mein Puls hat sich wieder auf ein einem Level eingependelt, das mich an meine Zweitligazeiten erinnert. Alles in allem fühle ich mich wie "neugeboren".

Krennwurzn:
Das ist erfreulich zu hören! Dennoch war die Schachwelt vor dem Kongress doch sehr überrascht über die Rücktritte so vieler Präsidiumsmitglieder und auch dass Sie nach Ihrer Wiedergenesung als Präsident kandidiert haben, sehen viele als Anzeichen dafür, dass es neben möglicherweisen persönlichen Gründen auch massive sachliche Auffassungsunterschiede im Präsidium gegeben haben muss. Können Sie uns da ein wenig Ihre Sicht der Dinge darlegen?

Joachim Gries:
Das Präsidium ist "explodiert", die Auffassungen gingen in vielen Themen quasi diametral auseinander. Es war folgerichtig, dass fast das komplette Präsidium die "Reißleine" zog. Persönliche Interessen haben hierbei sicherlich ebenfalls eine Rolle gespielt. Für mich, für die anderen Kollegen kann ich nicht sprechen und möchte auch keine weitere Vermutung äußern, entscheidend waren in meinem Rechenschaftsbericht zwei Dinge, einerseits die Finanzkrise mit dem BMI, die noch nicht beendet ist, denn die Subsidiaritätsprüfung steht noch aus und andererseits mein Gesundheitszustand (Stand: Mitte/Ende Februar - damals befand ich mich noch in der Reha und konnte noch nicht absehen wie sich meine Gesundheit entwickeln würde).
Die Gefahr, die uns durch die Subsidiaritätsprüfung droht ist nicht absehbar, insbesondere könnte ein Ergebnis zwischen Komplettstreichung aller Zuschüsse bis zu minimalen Veränderungen herauskommen. Wer allerdings berücksichtigt, dass unsere Personalquote knapp unter 50% liegt und zwei Mitarbeiterinnen in ca. 12 Monaten wieder ihre Arbeit auf der Geschäftsstelle in vollem Umfang aufnehmen werden und wir dann mit größter Wahrscheinlichkeit auf über 50% steigen werden, weiß, dass bei solchen Prozentwerten die Gewährung von BMI-Mitteln in größter Gefahr sind. Darüber hinaus hatten wir vor kurzer Zeit eine Beitragserhöhung um 2 € durchgeführt mit der wir eigentlich die Erfordernisse für die nahe Zukunft lösen wollten. So wie es sich jetzt darstellt (siehe Kongressbeschluss - Vorlage eines neuen überarbeiteten Haushaltes), zeigt, dass diverse Haushaltspositionen massiv überarbeitet werden müssen (Kürzungen! oder gar Streichungen!), das gilt insbesondere auch für den Personalbestand auf unserer Geschäftsstelle, obwohl gerade hier in den letzten 24 Monaten diverse MitarbeiterInnen eingestellt wurden.

Krennwurzn:
Subsidiaritätsprüfung und Personalquote klingen ein wenig "technisch" und dürfen den Nichtfunktionären eher unbekannt sein, können Sie das unseren Lesern noch kurz erläutern?

Joachim Gries:
Eine Subsidiaritätsprüfung ist ein Verfahren/Mittel, das dem BMI zur Verfügung steht, um einen Verband zu überprüfen. Prüfkriterien sind zunächst u.a. die Prüfung der Struktur, wie z.B. Personal (Wie viele Stellen?), Kosten (Wie teuer ist das Personal?), Buchungen (Welche Gebühren/Kosten/Investitionen fallen an?), usw., im zweiten Schritt wird überprüft in welchem Verhältnis steht der Kostenfaktor "Personal" zu dem Gesamthaushalt. In unserem konkreten Fall haben wir ca. 450.000 € Personalkosten bei einem Gesamtvolumen von ca. 900.000 €. Das entspricht somit einer Quote von ca. 50%. Grundsätzlich sieht es so aus:

  1. jeder Sportverband, der Mitglied im DOSB ist wird in "olympisch" und "nichtolympisch" eingestuft. Die NOV (Nichtolympischen Verbände) werden im Vergleich zu den olympischen Verbänden deutlich geringer mit finanziellen Mitteln durch das BMI bezuschusst als die olympischen. Der DOSB ist diejenige Stelle, die dem BMI vorschlägt in welcher Höhe Zuschüsse erfolgen sollen.
  2. Wie bekannt, hatten wir im letzten Jahr einen heftigen Streit darüber, ob Schach weiterhin Fördermittel für den Leistungssport bekommt. Es ging damals nicht darum, ob Schach als Sport anerkannt wird oder nicht. Leider wurde in der Öffentlichkeit diese saubere Trennung nicht immer so exakt vollzogen.
  3. Sicher ist, dass wir, (die Auseinandersetzungen und die Einschaltung des Finanzausschusses des Bundestages sind sicherlich jedem bekannt) die Zuschussthematik insofern für uns zunächst positiv beenden konnten, dass die ursprünglich vorgesehene Komplettstreichung der Fördermittel (135.000 €) durch intensive Verhandlungen und Gespräche in eine Kürzung auf nur 93.000 € mündete.
    Nach den letzten Informationen (Stand: 09.Mai2015) aus dem DOSB müssen wir mit einer weiteren Kürzung auf ca. 80.500 € rechnen, da der "Verteilungstopf" (2,17 Millionen €) konstant bleibt, aber bedingt durch die Aufnahme weiterer nichtolympischer Verbände, der Anteil für jeden Verband damit kleiner wird.
  4.  Das BVA (Bundesverwaltungsamt) hat uns in den letzten 4 Jahren insgesamt 2-mal geprüft. Die zweite Prüfung "Nachprüfung" wurde nötig, weil es eine gewisse Anzahl von "Anmerkungen" gab, die wir zunächst abarbeiten/umsetzen mussten. Ein Punkt hierbei war u.a. der komplette Rückkauf der Anteile der Wirtschaftsdienst GmbH.
    Festzustellen ist, dass wir alle Auflagen erfüllt haben und deshalb zunächst auch weiterhin förderwürdig blieben. Angemerkt wurde bereits damals, dass wir nach Ansicht des BVA einen nicht unbedingt niedrigen Personalbestand haben (im Vergleich zu unserem Jahresbudget und in Bezug auf die Anzahl unserer Mitglieder).

Im vergangenen Jahr, als die Komplettstreichung der BMI-Mittel im Raume stand und wir in intensiven Gesprächen mit dem BMI standen wurde seitens des BMI unverhohlen damit "gedroht", zeitnah (in 2015 - vorausgesetzt, wir bekommen wieder Fördermittel) eine Subsidiaritätsprüfung durchzuführen. Aus Fällen, die in der Vergangenheit anderen Sportverbänden widerfahren sind und auch aus den Gesprächen im letzten Jahr beim BMI ist diese Quote für den DSB sicherlich eine "herbe Hypothek", die nicht unbedingt hoffungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Meine Einschätzung ist daher nicht unbedingt positiv, aber vielleicht haben wir auch einfach mal Glück!

Krennwurzn:
Die öffentlichen Kassen sind seit der Finanzkrise 2008 eher leer und nach dem nicht so optimalen Abschneiden bei der Sommerolympiade 2012 in London (für Deutschland gab es zu wenige Medaillen und für Österreich gar keine) wurde in vielen europäischen Ländern die Sportförderung kritisch hinterfragt und da Schach sowohl medial als auch im Spitzenbereich nicht liefern kann, erscheinen mir Kürzungen in erster Lesung einmal logisch. Blickt man dann aber tiefer und denkt an Einstein, der sagte Schach ist das Spiel, das die Verrückten gesund hält, und nimmt die pointierte Formulierung verrückt aus dem Spiel, dann bleibt doch die Erkenntnis, dass man vom Schach viel Positives ins praktische Leben mitnehmen kann. Kurz gefragt: Setzen wir mit unserer Spitzenschachorientierung nicht aufs falsche Pferd oder fallen wir als reiner Breitensportverband aus den Fördertöpfen?

Joachim Gries:
Die Entwicklung im olympischen Bereich ist gelinde gesagt "Unerträglich"! Warum formuliere ich dies so negativ? Antwort: Die olympischen Verbände schließen im Vorfeld der Olympiade mit dem BMI sogenannte "Zielvereinbarungen"/"Erwartungsverträge" ab, die ihre Berechtigung nur daraus ableiten, dass nach Ablauf der Olympiade das eingetretene Resultat jedes(r) AthletenIn evaluiert wird. Konkret bedeutet dies, dass die möglichen Medaillenränge in ein Punktesystem übertragen werden und dann festgestellt wird, ob die Erwartungen erfüllt wurden. Ein solches Verfahren ist zwar auf den ersten Blick transparent, aber auf den zweiten Blick entstehen bei dem kritischen Beobachter doch Bedenken:

  1. Die Sportler "opfern"/"investieren" extrem viel Zeit in ihren Sport (vielfach können sie keinen Beruf ausüben und leben von der Sporthilfe), um sich in der Weltspitze zu etablieren. Allerdings sind alle nur Menschen, d.h. Magenverstimmung, "mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden", Wetterfühligkeit, besonderer Stress bei Olympiade, etc. sind Faktoren, die nicht planbar sind und demzufolge eigentlich auch entschuldbar sein müssten. Aber eine Entschuldigung für VERSAGEN gibt es formal gesehen nicht, denn das Nichterreichen der erwarteten und damit förderungswürdigen Platzierung führt zur Kürzung/Streichung der Zuschüsse.
  2. Wenn also die Spitzenverbände einem solchen "Druck" durch das BMI ausgesetzt sind, herausragende Platzierung mit ihren Sportlern erreichen zu müssen, ist es nur allzu verständlich, wenn die Verantwortlichen alles unternehmen, um eine maximale Leistung des Athleten zu ermöglichen und die Athleten noch zusätzlich mit der Drohung unter Druck setzen, welche Konsequenzen damit verbunden sind, wenn sie nicht die gewünschte Platzierung erreichen. Wie nahe wir uns in einer solchen Situation beim Doping befinden, kann wahrscheinlich fast jedermann ahnen/bzw. nachvollziehen.
  3. Wie paradox unsere Gesellschaft beim Thema Doping handelt lässt sich auch daran ermessen, dass einerseits ein Weltrekord/Olympiasieg quasi gefordert wird und andererseits das Erreichen eines solchen Titels mit Unterstützung durch Dopingmitteln mittlerweile nicht nur juristisch, sondern auch ethisch-moralisch in der Gesellschaft als verwerflich angesehen wird. "Gefeiert wird der Sieger - dann ist er Superstar, andernfalls, falls ihm Betrug nachgewiesen werden kann "Verräter an den Werten der Gesellschaft". Dazwischen scheint es in unserer Gesellschaft nichts mehr zu geben. Ein guter 6. Platz ist der berühmte "Blechplatz" und keiner weiteren Erwähnung würdig.

Alle Spitzensportler bewegen sich in einem Umfeld, das höchste psychische und physische Anforderungen stellt. Ein "Versagen" gehört nicht zum Vokabular, obwohl gerade dies uns die Chance eröffnen würde, sie die Spitzensportler etwas sympathischer und menschlicher wahrzunehmen. Leider verfahren viele Medien immer noch nach dem Prinzip "Bad News are good news!" und ein Platz "unter ferner liefen" ist nicht einmal eine Meldung wert. Versucht man Schach in diesem Problemfeld "Profi - Amateur" zu verorten wird schnell klar was in unserem Sport unbedingt geklärt werden muss. Seit Jahren "drückt" sich der DSB vor der Klärung der Frage: " Wann sehe ich einen Sportler als Amateur und wann als Profi an?"

Insofern müsste sich der Schachbundesliga e.V. und der DSB zusammensetzen und eine tragfähige Struktur/Profilizenz, etc. auf den Weg bringen. Die Förderung des Nachwuchs-Spitzenschachs, z.B. das "Schachjahr für Matthias Blübaum und Dennis Wagner" (übrigens eine Drittelfinanzierung zwischen DSB/Sponsor/Eltern) hat sich insofern bewährt, als die gesetzten Ziele nicht nur erreicht, sondern sogar teilweise überboten wurden. Eine Fortschreibung solcher Förderkonzepte ist anzustreben, da sie nicht nach dem "Gießkannenprinzip", sondern konkret an Einzelpersonen und mit einem überschaubaren Finanzaufwand umgesetzt werden.

Der Unterstützung von großen Turnieren, wie z.B. Dortmund, Baden-Baden stehe ich deutlich skeptischer gegenüber, z.B. deshalb, da die "Startgelder" für deutsche Nationalspieler bei solchen Turnieren die Fördermittel für das Schachjahr unserer Prinzen überstiegen. Insofern sehe ich die Investitionen in unsere Nachwuchsspieler mit einer höheren Priorität, als Möglichkeiten zu eröffnen, dass unsere Spitzenspieler gegen Weltklassespieler antreten können.

Fazit:
Die gleichzeitige Förderung des Spitzensportes und des Nachwuchsleistungssportes gehören unabdinglich zu den Aufgaben eines Sportverbandes. Der Breitensport, zu dem wir in unserem Verband fast 99% unserer Mitglieder zählen müssen, hat ein Anrecht darauf in seiner Sportentfaltung gleichberechtigt neben dem Spitzensport zu stehen. D.h. auch in diesem Segment müssen Finanzmittel bereitgestellt werden, so dass neben der Mitgliedergewinnung auch die Mitgliederbindung sichergestellt werden. Projekte zu diesen Themen gibt es unzählige, umso wichtiger ist es, diese Aktivitäten zu stützen und zu fördern. Es ist nicht nötig große Workshops oder Akademien zu organisieren, hilfreich und notwendig ist es unseren Vereinen Materialien an die Hand zu geben mit denen sie die Vereinsarbeit/die Alltagsarbeit besser und effektiver bewältigen können.

Krennwurzn:
Immer öfter hört man bei Schachfreunden, dass man "die da oben" ohnehin nicht wirklich braucht, es gibt so viele Möglichkeiten Schach zu spielen und Vereine und Verbände sind sowieso überholt und nicht mehr zeitgemäß beziehungsweise kommt auch die Aussage: pfeifen wir auf die Förderungen und Spitzenschach und zahlen uns den funktionierenden Rest (Mannschaftsmeisterschaften) einfach selbst.

Joachim Gries:
Diese provokante Aussage passt zu der großen Anzahl "der Nichtwähler" bei Wahlen im Bund oder in den Bundesländern. Es ist mittlerweile bei vielen Schachspielern in den Vereinen (an der Basis), tatsächlich so, dass "die da oben" als nicht unbedingt nötig angesehen werden. Vielfach ist dies dem Umstand geschuldet, dass Projekte und Themen aufgegriffen werden mit denen sich die Basis nicht identifizieren kann, bzw. überhaupt keinen Bezug dazu hat. Es wird sehr oft darüber geklagt, dass sich der Verband doch endlich um die Belange der Vereine kümmern möge. Diese Aussage lässt sich an vielen Regeländerungen der Vergangenheit exemplarisch nachvollziehen:

  1. Abschaffung der Hängepartien - Aufschrei der Schachspieler, "Das Schachspiel droht zu sterben"
  2. Abschaffung der "langen Bedenkzeit" -Die Qualität der Partien geht verloren!
  3. Abschaffung von Alkoholika, Zigaretten - Warum müssen wir dies mitmachen!
  4. Handyklingeln - Was soll so ein Unsinn!
  5. Mitbringverbot von Handy, Smartphone, etc. - Ich will doch gar nicht betrügen?
  6. Einführung der Fischerbedenkzeit - Wir haben nur mechanische Uhren, wollen die uns ruinieren?

Die Aufzählung ist sicher unvollständig. Es gibt noch viel mehr Themen, die für Irritationen sorgen und dazu beitragen, dass die Basis sich nicht mehr im Fokus der zuständigen Funktionäre fühlt. Umso wichtiger ist es für unsere Vereinen, die die wichtigste Rolle innehaben, denn sie sorgen und kümmern sich darum, dass neue Mitglieder geworben, vorhandene Mitglieder an den Verein gebunden werden, Nachwuchs gefördert wird und last but not least ein "VEREINSLEBEN" tatsächlich praktiziert wird, Die verantwortlichen Funktionäre dürfen dies niemals vergessen. Eine gute Verbandsentwicklung wird sich intensiv der Probleme und Aufgaben der Vereine stellen müssen, wie z.B. keine kostenfreie Nutzung mehr von Spielräumen (insbesondere in Ballungsräumen), kaum Nachwuchsspieler [weil es keine Trainer, bzw. Spieler gibt, die dies Aufgabe ausfüllen können], das Vereinsturnier (Vereinsmeisterschaft) kommt nicht mehr zu Stande, weil die meisten Spieler keine freien Spielabende haben (sie spielen meistens parallel in weiteren Vereinen mit), usw. Die Liste kann beliebig verlängert werden, besonders dann, wenn man zusätzlich die Internetangebote hinzufügt, die jedes weltweites Schachspiel "rund um die Uhr" ermöglichen. Der Begegnungscharakter, die persönliche Präsenz am Brett, das Gespräch, das "gemeinsame Bier", die gemeinsamen Vereinsabende treten deutlich in den Hintergrund. Wir entwickeln uns zunehmend in einem immer schnelleren Maße zu EINZELGÄNGERN, die sich vielleicht noch zu einem Mannschaftswettkampf treffen, aber spätestens danach wieder in alle Himmelsrichtungen auseinandergehen. Gemeinsame Partieanalysen am realen Brett finden nur noch selten statt. Verbandsentwicklung unter diesem Aspekt gesehen, muss bewirken, dass die Vereinsmitglieder wieder regelmäßig in den Verein kommen 

Fazit:
Wir müssen glaubhaft machen, dass wir uns für die Belange unserer Vereine interessieren und bei der Lösung von Problemen helfen wollen und KÖNNEN. Wir benötigen Vereinsberater, die langjährige Erfahrungen in der Vereinsorganisation erworben haben und sich den aktuellen Fragestellungen nicht verschließen.

2015JoachimGries

Krennwurzn:
Ein heißes Thema sind auch Einzelmeisterschaften und Spitzenturniere

Joachim Gries:
Was mich besonders bewegt, das habe ich auch in meinem mündlichen Rechenschaftsbericht vor dem Kongress ausgeführt, ist die Durchführung/Organisation unserer deutschen Meisterschaften. Wir haben seit Jahren eine sinkende Anzahl von Bewerbern für die Durchführung von deutschen Meisterschaften. In den letzten Jahren sind deshalb Herbert Bastian (Saarbrücken) Michael S. Langer und Michael Woltmann (Verden) im Langschach und ich (Gladenbach) im Schnellschach - Männer und Frauen- als Ausrichter eingesprungen. Dass ein solcher Zustand nicht zum Dauerzustand werden darf ist wahrscheinlich nachvollziehbar. Notwendig wäre an dieser Stelle deshalb eine Erhöhung des DSB-Zuschusses an die potentiellen Ausrichter. Leider ist eine solche Erhöhung in den letzten Jahren nur in unzureichender Höhe erfolgt. Wir liegen trotz leicht erhöhter DSB-Zuschüsse immer noch in einem Bereich von mindestens 10.000 € den der Ausrichter aufbringen muss. Kleine Vereine, die keinen Sponsor/Mäzen haben laufen Gefahr sich finanziell zu "übernehmen". Das kann nicht im Interesse des DSB liegen. Eine Gegenfinanzierung muss zwingend durch Umschichtung erfolgen.

Ich stand mit diesem "basisorientierten Ansatz" (Unterstützung unserer Vereine bei der Durchführung von deutschen Meisterschaften) ziemlich allein. Die Erhöhung der Zuschüsse für deutsche Meisterschaften fiel im Vergleich zur Unterstützung von Turnieren, wie z.B. Baden-Baden und Dortmund, sehr bescheiden aus.

Krennwurzn:
Da kann die Krennwurzn mal ganz unverschämt Ihre Boshaftigkeit ausleben: Ist nicht die Problematik jene, dass sowohl der Deutschen Meisterschaften und der Bundesliga Geld und Teilnehmer fehlen und man immer wieder sisyphosartig versucht Formate, die sich nachweislich am Markt bei den Schachspielern und -fans nicht durchsetzen, künstlich am Leben zu erhalten?

Joachim Gries:
Für die Organisation der Bundesliga möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen, denn dies ist der Zuständigkeitsbereich des Bundesliga e.V. und die Vereine regeln und besprechen ihre Organisationsstruktur dort in regelmäßigen Abständen in ihren turnusmäßigen Treffen. Dort werden neue Organisationsformen diskutiert und thematisiert und nach entsprechendem Beschluss in der Praxis erprobt.
Zu den deutschen Meisterschaften habe ich bereits eine ganze Menge in meinem Rechenschaftsbericht in der Kongressbroschüre gesagt. Zusammenfassend kann ich festhalten:

  1. Die Bezuschussung für den Ausrichter ist zu niedrig
  2. Die Durchführung und Organisation unter den momentanen Rahmenbedingungen ist ländlich strukturierten Regionen vorbehalten. Ballungsräume kommen nur dann in Frage, wenn dem Ausrichter ein Sponsor zur Seite steht

Krennwurzn:
Kommen wir zum Schluss noch zum heftig diskutierten Thema FIDE

Joachim Gries:
Wie schon in anderen Bereichen auch war sich das Präsidium bezüglich FIDE-Kongress Tromsö (Iljumschinow vs. Kasparow) uneins. Ich vertrat damals, wie auch heute, die Position, dass beide Kandidaten nicht vom DSB wählbar waren und zwar deshalb, weil beide nicht nur dem Korruptionsverdacht ausgesetzt waren, sondern nachweislich auch mit Korruption gearbeitet haben. Ein Verband, der solche Kandidaten unterstützt rückt sich damit selbst in die Nähe der Korruption. Der DSB war und sollte auch weiterhin ein Verband sein in dem das Wort Korruption und seine damit verbundenen Aktivitäten geoutet sind.

Krennwurzn:
Da teile ich Ihre Ansicht, dass beide Lager nicht wählbar waren! Allerdings verstehe ich auch den Ansatz von Herbert Bastian dennoch in die Institutionen zu gehen, weil man mit dem Oppositionskurs der letzten Jahre genaugenommen nichts erreicht hat. Welche alternativen Möglichkeiten gäbe es noch - ein FIDE Austritt demokratischer Föderationen?

Joachim Gries:
Ob Herbert Bastians FIDE - Weg der richtige ist, wage ich zu bezweifeln. Das Argument, nur das Beste für das deutsche Schach im Auge zu haben, muss erst bewiesen werden. Die Nichtberücksichtigung deutscher SR bei der Schacholympiade in der Türkei (wegen Rechtsstreitigkeiten zwischen FIDE und den Unterstützern von Karpow) ist ein Beweis für "die harte Haltung gegenüber Kritikern". Auch die Forderung/Angebot an den DSB mit Zahlung einer Summe X die Beziehungen zwischen DSB und FIDE wieder in geordnete Bahnen zu lenken - ist kein Freundschaftsdienst und im Prinzip ein "NO GO".

Die Annäherung, die von Herbert Bastian vollzogen wurde - erscheint nicht wenigen Schachspielern in Deutschland als ein "Opfern deutscher Positionen - gegenüber der FIDE". Die Ausführungen zur Korruption möchte ich nicht wiederholen!

Die Position des DSB lässt sich auch in der NEUTRALEN Rolle manifestieren. Wir haben es nicht nötig auf "Schmusekurs" mit Präsidiumssitz in der FIDE zu äugen. Die geschäftlichen Beziehungen (Finanzen, ELO, Titel, etc.) laufen über das FIDE-Büro und sind absolut unabhängig von irgendwelchen Funktionen in der FIDE.
Die Kontakte in der ECU und im westlichen Europa sind seit Tromsö nicht mehr die besten und bedürfen der Verbesserung. Hier sind bilaterale Gespräche dringend notwendig (siehe Aussage Michael S. Langer bei ChessBase).

Der langfristige Aufbau eines Kandidaten ist in der Vergangenheit gescheitert. Alle Versuche Iljumschinow zu entmachten sind gescheitert. Ein Austritt aus der FIDE ist aber dennoch nicht nötig, denn die Chaoszustände in den 1990 - 2005-er Jahren sind überwunden. Die Infrastruktur funktioniert, der Präsident ist umstritten. Die Föderationen können aber ihren Aufgaben nachkommen.
Allerdings kann es passieren, dass Entscheidungen getroffen werden, z.B. die Vergabe der Blitz- und Schnellschachweltmeisterschaft nach Berlin 2015, ohne dass dies dem DSB-Präsidenten bekannt gegeben wurde, obwohl er zum gleichen Zeitpunkt in China weilte. Der DSB ist zwar nicht Ausrichter, aber es müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein den zuständigen Präsidenten der betroffenen Föderation zu informieren, insbesondere dann, wenn er außerdem Vizepräsident der FIDE ist.

Ein Zusammenschluss, eine Kooperation mehrerer Föderationen zu einer Interessengemeinschaft ist denkbar, aber nicht außerhalb der FIDE. Das "Hochhalten demokratischer Strukturen" und die Unterstützung bedürftiger Mitglieder (ohne Korruptionsinteressen) kann ein Weg sein langfristig in der FIDE Veränderungen einzuleiten. Gegenseitiger Respekt, Vertrauen und Offenheit müssen Grundlage der angestrebten Kooperationen sein. Politisches Taktieren, Lavieren, diplomatisches Geplänkel sind kontraproduktiv.

Krennwurzn:
Sie sagten Sie sehen die Kandidatur jetzt ambivalent – wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Präsidenten heute?

Joachim Gries:
Mit Herbert Bastian verband mich eine langjährige persönliche Freundschaft, aber in den letzten Jahren und Monaten haben wir durchaus unterschiedliche Einschätzungen von Sachfragen entwickelt. Er stieß in der Vergangenheit eine Vielzahl von Ideen und Projekten an, die er mit viel Engagement und Kreativität vorantrieb, die den DSB zum Teil finanziell stark belasteten, vergaß aber leider dabei, dass es im DSB möglicherweise wichtigere "Baustellen" gab (deutsche Meisterschaften - ausgeglichenen Haushalt, etc.)

MS Langer mit Krennwurzn über Schach und Finanzen
Freigegeben in Blog

In den Reaktionen auf die für manche zu lockeren Gespräche mit DSB-Präsident Bastian im August 2014 war unter anderem auch der Wunsch, die Krennwurzn möge doch auch mal den DSB-Vize Finanzen bequatschen. Ende Jänner 2015 schickte die Krennwurzn also eine Gesprächsanfrage und bekam eine positive Rückmeldung und das Gespräch begann via Email – nach ein paar beiderseitigen beruflichen, privaten und urlaubsbedingten Pausen, kann dieses Gespräch nun endlich online gehen!

Krennwurzn:
Starten wir mit etwas Smalltalk: „Michael S Langer“ langjähriger DSB-Vize Finanzen und aktiver Schachspieler wie der Präsident auch, was sollten unsere Leser noch über Dich als Person wissen?

MSL:
Ich bin 48 Jahre alt, seit 22 Jahren verheiratet und im "richtigen Leben" in einem bundesweit im Bereich der beruflichen Bildung agierenden Unternehmen Regionalleiter Niedersachsen. Neben meinen Aufgaben im Deutschen Schachbund bin ich u.a. seit 2007 Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes. Meine Hobbys neben dem Schach sind Lesen und das Reisen mit meiner Frau. Ach ja: Wir haben zwei Katzen!


2015MSL1DSB Vize Finanzen Michael S Langer

Krennwurzn:
Nun die Katze ist ja schon aus dem Sack: Du hast bekanntgegeben für keine weitere Funktionsperiode als Vize-Finanzen zur Verfügung zu stehen – es stellt sich daher die logische, aber kurze Frage: warum?

MSL:
Ich bin nach 12 Jahren an den Punkt gekommen, an dem ich meine Tätigkeit im DSB nachhaltig hinterfragt habe. Und ich bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass ich die Arbeit im Präsidium inhaltlich und atmosphärisch nicht mehr positiv genug bewerten kann, als dass ich mir ein „weiter so“ hätte abringen können. Details über meine Unzufriedenheit werden im Rahmen des DSB-Kongresses sicher intensiv diskutiert und sind vorab in meinem schriftlichen Kongressbericht nachzulesen.

Krennwurzn:
Kurze Zwischenfrage: Präsident Niedersachsen bleibst Du?

MSL:
Ich werde mich ab Mai mit (noch) mehr Intensität der Arbeit als Präsident des Niedersächsischen Schachverbandes zuwenden. Und darauf freue ich mich!

Krennwurzn:
Schauen wir erst einmal ein wenig zurück: 2014 mit dem drohenden „Supergau“ des Verlust des Status „förderungswürdiger Sport“ für Schach war sicherlich schwierig – wie sieht Dein Rückblick auf 2014 aus?

MSL:
Ich antworte mal in Schlagworten! Anstrengend, nervenaufreibend, die Grenzen des Ehrenamtes austestend und am Ende so erfolgreich wie eben unter den derzeitigen Rahmenbedingungen möglich. Wir dürfen jetzt (weiter) Anträge an das BMI stellen! In welcher Höhe diese Anträge beschieden werden, wissen wir im Laufe des Jahres! Aber: Das ist mehr, als im Mai 2014 zu erwarten war! Die Haushaltslage des DSB hat sich durch die sehr späte Zahlung der BMI-Gelder im Dezember 2014 und die damit verbundene "Nichtmöglichkeit", das Geld auszugeben, nachhaltig konsolidiert. Der Jahresabschluss weist ein Plus von knapp 90.000,--€ aus und steigert unsere Liquiditätsrücklage auf knapp 260.000,-- €. Ich habe dem Präsidium trotz dieser positiv klingenden Zahlen einen ersten Entwurf des Nachtragshaushaltes vorgelegt, der eine Fortsetzung des Sparkurses, zumindest bis zum Zeitpunkt des Vorliegens eines für die kommenden Jahre mehr Sicherheit vermittelnden Bewilligungsbescheides, vorsieht.

Krennwurzn:
Viele Funktionäre klagen über die immer steigende Belastungen und dennoch hat man das Gefühl, dass die Masse der Schachspieler – sagen wir es salopp - Unmut gegenüber den Funktionären empfindet. Da muss doch was falsch laufen?

MSL:
Je weiter sich die Arbeit von der Basis der SchachspielerInnen entfernt, desto skeptischer wird diese Arbeit beurteilt. Es ist uns, wie so vielen anderen Verbänden und Institutionen, niemals wirklich gelungen, die intensive ehrenamtliche Arbeit im Dachverband (die manchmal weit über ein eigentlich verträgliches Maß hinaus geht) als nutzbringend für die Basis darzulegen. Um dieses Ansinnen nachhaltig zu verfolgen, bedarf es m.E. einer schriftlichen Ausarbeitung, die das, was der DSB leistet, in Gänze und vor allem transparent abbildet. In Stichworten: Spielbetrieb, Wertungen, stabile Finanzen, Leistungssportförderung….! Und das für 10,-- Euro im Jahr! Und natürlich: Das eine oder andere lässt sich auch inhaltlich verbessern.

Krennwurzn:
Kontrovers diskutiert wird auch, inwieweit Spitzensportförderung Aufgabe des DSB ist. Das Schachjahr zeigt super Erfolge, erscheint aber auch irgendwie sinnlos, wenn die Leute dann (berechtigterweise) studieren gehen!

MSL:
Die Förderung der Prinzen hat gezeigt, dass gesetzte Ziele mit der notwendigen Stringenz erreicht werden können. Und Ja: Ich finde es in fast allen Fällen richtig, dass erst der Beruf bzw. der Weg in denselben kommt. Ich plädiere dafür, dass wir mit diesem Thema realistisch umgehen. Der DSB wird keinen Weltmeister "produzieren" können!

Krennwurzn:
Ich würde gerne ein wenig noch in die Zahlen gehen und da drängt sich die Frage nach der doch sehr hohen Liquiditätsreserve gerade im Hintergrund von kolportierten, möglichen Beitragserhöhungen auf.

MSL:
Mein vorgelegter Haushaltsentwurf zielt darauf ab, dass keine Beitragserhöhung (zumindest für die Jahre 2016 und 2017) notwendig wird! Für den Kongress habe ich deswegen einen Antrag auf Beibehaltung der derzeitigen Beitragsstruktur gestellt.
Du beanstandest die Höhe der Liquiditätsrücklage!? Seit ich im Amt bin, lege ich fast schon gebetsmühlenartig dar, dass der DSB eine Rücklage von ca. 220.000,--€ benötigt. Dies begründet sich damit, dass im ersten Quartal keine Einnahmen erzielt werden können, die erste Beitragsrate unserer Mitgliedsverbände wird im April gezahlt, und nichts desto trotz Gehälter, Miete und anfallende Rechnungen gezahlt werden müssen. Rechnet man dann noch einen Aufschlag für unvorhergesehene Ausgaben hinzu, kommt man auf die von mir genannte Summe!

Krennwurzn:
Den großen Brocken Personalkosten möchte ich eher außen vor lassen, aber ein Blick auf 94T Kosten für Ehrenamt und 63T für die Geschäftsführung im Gegensatz zu 108T Leistungssportförderung in der auch 25T für Bundestrainer enthalten sind, schaut doch etwas „ungleichgewichtet“ aus.

2015MSL2„Einnahmen_und_Ausgaben_2013“ – PDF von DSB-Homepage

MSL:
Es stimmt! Unsere Personalausgaben sind gemessen am Gesamthaushalt hoch. Aber, wie soll der DSB denn ohne Hauptamtlichkeit überhaupt funktionieren? In den Personalausgaben sind die Kosten für unsere Trainer inkludiert. In den Kosten für die ehrenamtlichen Aufwendungen sind alle Kosten, die für den DSB im Laufe eines Jahres (also auch Kongress, Kommissionen, Präsidiumssitzungen….) enthalten. Und dass eine Geschäftsstelle Kosten (Miete, Dienstreisen, Geräte, laufende Renovierungen….) verursacht, ist selbstverständlich. Der Leistungssport hatte in den letzten Jahren mehr Geld zur Verfügung. Die geringe Summe des Jahres 2013 begründet sich u.a. mit erst in 2014 zu zahlenden Rechnungen.

Krennwurzn:
Ein weiteres heikles Thema in der Öffentlichkeit ist die etwas intransparente Sache mit der DSB Wirtschaftsdienst GmbH. Ist die noch notwendig, zeitgerecht oder soll die abgewickelt werden?

MSL:
Die WD GmbH tätigt vom Grundsatz her alle Aufgaben unseres wirtschaftlichen Zweckbetriebs. Und wirklich heikel war und ist sie nicht. Sie gehört mittlerweile zu 100% dem DSB! Von ihrer Gründung im Jahr 1985 gehörte sie bis in das Jahr 2010 verdienten (Einzel-)Mitgliedern des DSB. Ihre Einlage in Höhe von damals jeweils 10.000,-- DM haben sie zwei oder dreimal mit einer kleinen Dividende „entlohnt“ bekommen. Man braucht viel Enthusiasmus für die Sache, um das als lohnende Anlage zu bewerten. Der DSB hat die Anteile dann in zwei Schritten gekauft. Erst wollten Erben der Eigner ihre Anteile „loswerden“ und dann hat das BMI sich den Restankauf „gewünscht“. Die Irritationen und Spekulationen über diese Minifirma begründen sich wohl hautsächlich damit, dass der Jahresabschluss nicht Bestandteil der Kassenprüfung war.

Krennwurzn:
Noch heikler erscheint mir der Komplex den man mit Compliance bezeichnet. Immer wieder werden im Umfeld von FIDE Wahlen Korruptionsverdachtsfälle in die Öffentlichkeit gespielt. Wie damit umgehen und vor allem auch mit dem Problem, dass es natürlich Funktionäre geben kann, die in die eigene Tasche arbeiten.

MSL:
Ich beschränke mich in meiner Antwort erst mal auf den DSB. Ich kenne keinen Fall, in dem in Deutschland während meiner 12-jährigen Amtszeit tatsächlich Korruption nachgewiesen wurde. Dass es immer mal wieder Gerüchte gibt, liegt auch an der mittlerweile oft zu recht sehr kritischen und misstrauischen Betrachtung aller großen Sportorganisationen.

Krennwurzn:
„Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube..“ wird sich hier in Erinnerung an einen Dichterfürsten ein Großteil der Leserschaft denken, obwohl es auch nach meinen Informationen keinen gerichtlich nachgewiesen Korruptionsfall gegeben hat. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung gab es doch Vorfälle die eine „schiefe Optik“ aufwiesen – sowohl in Deutschland als auch natürlich international. Dürfen sich da der DSB und seine Funktionäre da so einfach in die Burg „juristisch Bewiesenes gibt es nicht“ zurückziehen?

MSL:
Was soll ich antworten? Natürlich kenne ich auch Gerüchte! Und ich weiß auch, wie wir intern mit diesen Gerüchten umgegangen sind. Aber: es gibt in dem Zeitraum, in dem ich in erster Reihe gearbeitet habe, eben keinen nachgewiesenen bzw. beweisbaren Korruptionsfall. Ich mache es mir etwas einfacher und weiche ein bisschen ab: Die Art und Weise, in welcher der Wahlkampf in der FIDE geführt wurde, empfand ich in vielfacher Hinsicht als grenzwertig! Ich möchte nicht, dass diese Form der Politik so Einzug in den DSB hält. Und last but not least: Nein! Der DSB darf nicht die Augen verschließen!


Ältere Gespräche DSB-Spitze mit der Krennwurzn

Dez 2013 - DSB Vize Woltmann im Interview mit der Krennwurzn

Aug 2014 – Bastian mit Krennwurzn
                   über Olympia, Prinzen und Geld
                   über FIDE und Frauen

Neujahrskonzert 2015 Schach ist Sport
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Donnerstag, 01 Januar 2015 10:48

Neujahrskonzert 2015 Schach ist Sport

Hat die Krennwurzn zu Silvester zu viel Schaumwein getrunken oder ist gar von der Musik zu berauscht, zumal der Walzer „Wein, Weib und Gesang“ von Johann Strauss (Sohn) heuer am Programm stand? Nein, nein – seien Sie unbesorgt, es ist alles in Ordnung mit der Krennwurzn. Aber nachdem wir Wein und Gesang ausgeschlossen haben, bleibt nur mehr W... also in heutiger Hochsprache die Frauen. Äh – jetzt wird es noch unverständlicher, denken Sie, aber auch hier wieder ein klares Nein. Der lange Streit ist, ob Schach Kunst, Wissenschaft oder Sport ist und ich denke diese Frage lässt sich durch den Umgang mit Frauen in den einzelnen Disziplinen am einfachsten klären. 

 

 

2015 Neu 0175. Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Musikverein

Die Kunst ist wohl seit jeher aufgeschlossen und auf Gleichberechtigung oder wie es der Krennwurzn besser gefällt auf Gleichwertigkeit ausgerichtet. Bei den Wiener Philharmonikern sind Frauen zwar erst seit 1997 und auch erst nach massivem ausländischem Druck im Orchester vertreten. Eine Künstlerlaufbahn für Frauen wird auch in vielen Gesellschaften nicht so gefördert und es ist für Frauen sicherlich schwerer eine solche einzuschlagen und dennoch gibt es keine eigene Kunstkategorie für Frauen. Also Kunst kann Schach aus diesem Blickwinkel keine sein.

2015 Neu 02200 Jahre TU Wien - hier machten die Brüder Johann und Josef Strauss eine Ausbildung

In der Wissenschaft – vor allem in der Technik – gelten die gleichen Vorurteile und die Einstiegshürden für Frauen sind faktisch höher - besonders wenn es aus dem universitären Bereich in die freie Wirtschaft geht. Und dennoch gibt es kein Institut für Frauenmathematik auf einer Universität und schon gar keine extra Forschungsabteilung für Frauen in der Wirtschaft. Trotz noch immer weit verbreitetem Chauvinismus in diesem Bereich muss man sagen – auch aus dieser Sicht ist Schach der Wissenschaft nicht zuordbar.

Bleibt nur mehr der Sport übrig und da macht die Auftrennung in Männer und Frauen durchaus in vielen Bereichen Sinn, weil es hier nachweisbare Nachteile für die Frauen gibt. Welche das im Schach sein sollten, das kann niemand sagen, aber es ist halt so bequem und zeitgeistig ... und Förderungen gibt es auch! Und diesen Männerkorpsgeist, den die Universitäten im 19. Jhdt. und die Philharmoniker im 20. Jhdt. - nicht zu deren Nachteil - überwunden haben, den haben wir Schachspieler uns erfolgreich ins 21. Jhdt. „gerettet“ und jammern über rückläufige Mitgliedszahlen, lassen aber locker das Potential der Frauen links liegen und brüsten uns, dass wir ja „sooo“ viel für Frauenschach machen!

2015 Neu 03Conchita Wurst gewann 2014 Toleranz für Österreich

Alleine in Deutschland könnten so um die 50.000 neue Mitglieder fürs Schach gewonnen werden und da wären wir noch lange nicht bei einer 50% Frauenqoute – und da dies praktisch weltweit gilt, ist das für das Schach eine auch wirtschaftlich extrem wichtige Wachstums- und Absicherungschance. Männer – jeder von uns ist gefragt – wir müssen uns endlich öffnen und auch unsere Vereinstüren für Frauen öffnen und das Vereinsleben für diese attraktiver machen!

Prosit Neujahr 2015!!

DSB-Finanzen vorerst gerettet
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Sonntag, 14 September 2014 00:00

DSB-Finanzen vorerst gerettet

Die Streichung der Leistungssportförderung für 2014 ist abgewendet. 93 000 Euro erhält der DSB heuer vom Bundesministerium des Inneren, die Kürzung gegenüber 2013 macht unter 30 Prozent aus. Die Haushaltssperre wird aufgehoben, sobald dem Verhandlungsergebnis der offizielle Bescheid folgt, ist heute auf der DSB-Seite zu lesen.

Ein Finanzloch drohte dem DSB auch im Prozess, den Falko Bindrich angestrengt hatte. Der frühere Juniorennationalspieler forderte mehr als 60 000 Euro Schadensersatz, weil er nach der Nichtherausgabe seines Mobiltelefons, um einen möglichen Betrugsversuch bei einer Bundesligapartie 2012 zu untersuchen, kurzzeitig gesperrt wurde und nicht in seinem Verhalten sondern dieser Sanktion die Ursache seines beschädigten Rufs sehen wollte. Nach der Verhandlung vor dem Berliner Landgericht ist damit zu rechnen, dass Bindrichs Klage abgeschmettert wird. 

Ein wichtiger Schritt steht allerdings noch aus: Der Dachverband DOSB muss seine Förderkriterien im Dezember so ändern (und ist laut einer Erklärung von Ende Juni auch dazu willens), dass Schach auch 2015 weiter regulär gefördert werden kann.

 

 

Bastian mit Krennwurzn über Olympia, Prinzen und Geld
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Liest man sich so durch die Forenwelt, dann hat man schnell den Eindruck, dass der DSB praktisch alles falsch macht, aber blickt man auf die Homepage und diverse Interviews in klassischen Medien, dann ist fast alles in Butter und auch die anstehenden Probleme wurden bzw. werden zur vollen Zufriedenheit erledigt. Eine Erfolgsstory – aber viele unzufriedenen Nörgler, da darf die Krennwurzn natürlich nicht fehlen und schickte dem DSB Präsidenten Herbert Bastian kurzerhand einen Einzeiler mit der Frage „Lust auf ein Krennwurzninterview?“. Die Antwort „Warum nicht?“ schockte die Krennwurzn allerdings dann doch zuerst einmal. Da es zwischen uns schon ein paar Mal kurzen Emailkontakt „off the records“ wie man so schön sagt gegeben hat, ist die Zusage dann auch wieder nicht so überraschend – die Schwierigkeit liegt eher darin, dass die Krennwurzn weiß, dass viel gute Arbeit ungelobt von der Schachöffentlichkeit geleistet wird, sie aber gerade respektlos die unangenehmen Themen ansprechen möchte! Aber lassen wir das Gelaber und stellen wir die erste Frage:

Krennwurzn:
Auch wenn mit der ersten Frage gleich der Weg vom Patrioten zum Idioten erfolgreich absolviert wurde: wie sehen Sie das Abschneiden der Nationalmannschaft ohne geborenen Deutschen in Tromsö?

kf2105220pxBastian:
Die Antwort auf diese Frage kann nicht nur lauten, dass wir mit dem Platz 30 der Männer unzufrieden sind, da möchte ich doch etwas weiter ausholen. Georg Meier ist in Trier aufgewachsen, ich sehe ihn, auch wenn seine Mutter aus Uruguay stammt, als „geborenen Deutschen“. Aber die Tatsache, dass alle anderen mehr oder weniger einen Migrationshintergrund haben, spricht weder für die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems, noch für die Leistungsfähigkeit unseres Ausbildungssystems und auch nicht dafür, dass der Schachsport in Deutschland eine angemessene Wertschätzung erfährt. Das hat zuletzt auch die katastrophale Haltung des Bundesinnenministeriums in der Frage der Leistungssportförderung bestätigt. Dass ich schon länger Reformen im Ausbildungssystem anstrebe, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Leider mangelt es noch an der Umsetzung, weil ich bisher nicht ausreichend mit meinen Forderungen überzeugen konnte. Aber ich bin sicher, dass die Diskussion noch dieses Jahr in Gang kommt und im nächsten Jahr Handlungen folgen werden.

Unsere Männer haben bis zur 9.Runde hervorragend gespielt. Herausragend sind die Siege von Naiditsch über Carlsen und von Meier über Kamsky. Diese zeigen, dass die „Akklimatisierung“ an die Weltspitze durch die Kooperation mit Dortmund und Baden-Baden Früchte trägt. Ein halber Punkt mehr gegen Indien (10.Runde) bringt uns in die Nähe zum Setzplatz 12, ein ganzer Punkt mehr sogar in Medaillennähe. Gegen Australien war die Luft dann wohl raus, obwohl ich mir einen abschließenden Sieg gewünscht hätte. Auffällig ist auch, dass wir kaum Gegner aus der Spitzengruppe hatten. Gegen weniger bekannte Gegner schien die Mannschaft verunsichert zu sein. Wir sind unter den besten 17% und sollten laut Setzliste unter den besten 7% sein.
Anders ist die Situation bei den Frauen mit drei „geborenen Deutschen“. Die Frauen haben einen Durchbruch geschafft und ihre Leistungsfähigkeit deutlich unter Beweis gestellt. Aber ihnen fehlt noch die „Akklimatisierung“, weshalb sie mit dem Druck in der letzten Runde gegen die starken Georgierinnen noch nicht zurechtkamen. Mit dem Frauenschachfestival in Erfurt (24. – 31.8.) und der Deutschen Frauenmeisterschaft in Dresden (17.11. – 25.11.) machen wir wichtige Schritte, um unsere Frauen an ein höheres Niveau zu gewöhnen. Die Frauen haben es unter die besten 7% geschafft, gesetzt waren sie unter den besten 9%.

Krennwurzn:
Ok zu den Frauen möchte ich am Ende des Interviews noch einmal zurückkommen - die wichtigsten Fragen später, um die Spannung aufrecht zu erhalten! Die Krennwurzn möchte ganz sportmen like zuerst einmal ein Nisipeanu-bashing betreiben. Ein teurer Einkauf eines alten 38jährigen mit 2700 und einem Performanceeinstieg von 2550 - damit habe ich alle ungerechten Vorbehalte gegen einen netten Menschen in einen Satz verpackt und es graust mir vor mir selbst, aber dennoch bleibt die Frage übrig: was hat das für einen Sinn und ist das nicht gerade das falsche Zeichen an den Nachwuchs? Hätte ich nicht die Altersmilde meiner 50 Lenze sondern wäre ein heißblütiger 17jähriger Prinz mit Perspektive, würde ich schreien: warum habt Ihr diesen Oldtimer eingekauft und nicht mir eine Chance auf Olympiaerfahrung gegeben?

Bastian:
Der Wunsch zu wechseln ging von Dieter aus, und sein Wechsel wurde von unserem Sponsor begrüßt. Da sich auch die Trainer dafür ausgesprochen haben, hat das Präsidium zugestimmt. Bis zur 9. Runde war in Tromsö alles okay, und wenn Dieter gegen Indien gewinnt, spielen wir um eine Medaille mit. Wegen einer misslungenen Partie und der im Anschluss daran verkorksten Schlussrunde möchte ich noch kein negatives Fazit ziehen. Nun steht eine gründliche Auswertung an. Der Bundestrainer muss entscheiden, wie er weitermachen will. Es ist sicher eine Überlegung wert, unsere Prinzen so schnell wie möglich ins Feuer zu schicken, damit sie eventuell für die nächste Olympiade eine Option werden können.

Krennwurzn:
Ich möchte das Thema nicht an der Person Dieter Nisipeanu aufhängen, sondern die Frage stellen, ob so ein Legionärskauf nicht demotivierend auf die jungen aufstrebenden Spieler wirken kann, wenn ihnen ein "fertiger" Spieler vor die Nase gesetzt wird. Nisipeanu selbst hatte um die 20 auch erst 2400 und stieg dann auf 2600 und mit 29 schließlich auf 2700. Ein junger Spieler könnte sich da denken: diese Entwicklung will und würde ich auch machen, aber mein Verband gibt mir diese Chance nicht, denn Spielstärke und -härte kann ich nur steigern, wenn ich gegen stärkere Gegner antreten kann und genau diese Chance hätte mir eine Olympiateilnahme geboten!

Bastian:
Dieter sehe ich als Sonderfall, weil er schon so lange in Deutschland spielt und selbst den Wunsch zu wechseln geäußert hat. Grundsätzlich halte ich den Einwand für völlig berechtigt. Ob eine demotivierende Wirkung tatsächlich eingetreten ist, entzieht sich meiner Kenntnis. In der Nachbereitung der Olympiade werde ich meine Mitarbeiter um Vorschläge bitten, wie wir unsere besten Nachwuchskräfte noch effektiver und schneller an die Weltspitze heranführen können.

Krennwurzn:
Ok – kommen wir zu den Prinzen: Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir bei uns in Österreich ebenso wie in Deutschland keine wirklich früh starken Spieler haben und diese dann so bei 2600 oder früher hängenbleiben. Sind das strukturelle Schwächen oder haben wir zu wenig ehrgeizige Schachmütter und –väter? Oder sehen es auch die Jungen schon so pragmatisch wie ich: Schach ist ein wunderschönes Hobby, aber sehr riskant als Beruf und planen von Anfang an mit einem Studium oder einer guten Berufsausbildung?

Bastian:
Wir haben viele Talente und viele gute Trainer, deren Leistung ich keinesfalls in Frage stellen will. Dennoch sehe ich in Deutschland strukturelle Schwächen. Um z.B. ein so herausragender Spieler wie Magnus Carlsen zu werden, müssen viele wichtige Faktoren optimal zusammenwirken, und dazu gehört auch nicht Planbares. Verbessern könnte man in Deutschland die flächendeckende Talentsuche und die Talentschulung. Das Thema Motivation müsste aufgegriffen werden, ebenso die Frage der beruflichen Absicherung nach Durchlaufen einer professionellen Schachphase. Auch muss die Akklimatisierung unserer größten Talente an die Weltspitze früher anfangen und systematischer betrieben werden, wie wir es etwa mit den Kooperationen mit Dortmund und Baden-Baden schon begonnen haben. Und es muss eine konkretere Zieldiskussion im DSB geführt werden. Versucht haben wir das schon einmal mit der Vorlage eines Verbandsprogramms, das ohne weitere Diskussion beerdigt wurde. Diese Themen, und es sind nicht die einzigen, werden innerhalb des DSB nicht ausreichend bearbeitet, und das ist eine wesentliche, strukturelle Schwäche. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Österreich ähnliche Probleme gibt. Das pragmatische Denken spielt wohl eine Rolle, aber gerade deswegen ist es wichtig, dass die Verbände Modelle suchen, wie man junge Spieler motiviert und begleitet, bis sie in den Beruf übergehen.

Krennwurzn:
Ich sage auch rund heraus warum das ein Problem ist: für einen Verband verursachen zur Zeit Jugendförderung und Spitzenspieler nur Kosten und kaum Einnahmen! Zudem kommt ja periodisch immer die Frage auf, warum einigen wenigen „so viel“ Geld bei wenig Gegenleistung von der Schachgemeinschaft gezahlt werden soll. Hier bräuchte man kreative Ideen wie Poollösungen und Schaffung einer Marke „Nationalmannschaft“ – das kann aber kein ehrenamtlicher Funktionär leisten! Zudem müsste man den Begriff „Schachprofi“ erst einmal definieren und diesen dann auch vertraglich an den Verband (Pool) binden – so ein System verwendet beispielsweise der sehr erfolgreiche österreichische Skiverband – aber ist sowas im Schach überhaupt denkbar?

Bastian:
Diese Argumentation überzeugt mich nicht. Investition in Jugendliche, die etwas leisten wollen, zahlt sich immer aus. Oft stehen sie in späteren Jahren der Organisation noch immer als Ehrenamtliche zur Verfügung, oder ihre Vorbildwirkung erzeugt einen positiven Sog. Eine Organisation, die nicht in ihren Nachwuchs investiert, programmiert ihren eigenen Tod. Spitzenkönner erzeugen eine sehr wertvolle Langzeitwirkung, ihre Namen geben der Organisation ihr Profil. Und meistens sind sie dauerhaft Leistungsträger. Beispiel nötig? Siehe Deutscher Fußballbund.
Zustimmen möchte ich der Forderung, „kreative Ideen“ wie Poollösung oder Schaffung einer Marke „Nationalmannschaft“ zu entwickeln. Letztgenanntes tun wir bereits in ersten Anfängen. Das Marketing im weitesten Sinne muss im DSB in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden. Professionelles Marketing ist für uns derzeit unbezahlbar, ehrenamtliches nicht machbar weil es einen Fulltimejob erfordert. Wir bewegen uns irgendwo dazwischen und müssen mit Geduld und Zielstrebigkeit in kleinen Schritten Verbesserungen erreichen. Mehr zu erwarten ist derzeit unrealistisch. Ich kann nur sagen, dass wir uns intern diesen Fragen stellen und Lösungen suchen.

Krennwurzn:
Bleiben wir beim Thema Geld – Schach ist zwar ein billiger Sport und dennoch fehlt an allen Ecken und Enden Geld. Nun gehöre ich nicht zu jenen, die glauben, dass man mit Beitragserhöhungen – auch wenn diese in der aktuellen Situation durchaus vernünftig erscheinen – grundsätzliche Probleme lösen kann. Viel wichtiger ist doch das vorhandene Geld sinnvoller auszugeben – ich glaube wir verlieren zu viel Geld an – doppeltes Anführungszeichen – „Hartz IV Profis“. Das klingt in erster Lesung einmal ziemlich hart und abwertend – das ist mir klar, aber es ist nicht so gemeint, denn ich glaube viele davon haben einfach im Streben nach einer Schachkarriere als Profi den „exit point“ übersehen und da schließen sich meine Fragen an: Was kann dafür ein Verband leisten? Wäre es nicht sinnvoll jungen Spielern und Eltern einen Musterbusinessplan an die Hand zu geben, der auch so profane Dinge wie Sozialversicherung, Rentenversicherung, Steuer, etc. beinhaltet und der Jungprofis zeigt wieviel Geld sie einnehmen müssen, um neben anderen Kosten (Trainer, Reise, ...) auch diese zu tragen und ein vernünftiges und gesichertes Einkommen zu erzielen?

Bastian:
Wie jemand sein Leben konzipiert ist eine individuelle Sache, aus der sich der DSB im Allgemeinen heraushält. Mir ist nicht klar, wo Geld an „Hartz IV Profis“ verloren geht!? Ich glaube eher, dass die Leistung dieses Personenkreises für die Schachbewegung und für die Vereine viel zu wenig wertgeschätzt wird. Vieles geschieht doch entweder total unterbezahlt oder sogar ehrenamtlich, wobei ich vor allem an Jugendarbeit oder Fachartikel denke. Ohne diesen Personenkreis, der sich ganz dem Schach verschrieben hat, würde den Vereinen viel verloren gehen. Einen „Musterbusinessplan“ halte ich für eine sehr gute Idee, obwohl auch das nur ein Mosaikstein zu einer (zeitlich begrenzten) Profikarriere ist.

Krennwurzn:
Auch ich möchte niemanden vorschreiben, wie er zu leben hat – ich sehe es so: es gibt im Schach eine gewisse Menge Geld zu verteilen und zu viele an die es verteilt wird, daher ist es schwierig als Profi mit Sozialversicherung und Steuererklärung zu existieren. Meine Intention geht dahin darüber nachzudenken, ob man „lizenzierte Schachprofis“ installieren kann – im Idealfall sogar als Angestellte bei einem Verein. Das könnte für die Profis ein sicheres Auskommen bedeuten und für die Vereine böte sich möglicherweise eine bessere lokale Vermarktbarkeit! Den Begriff „Hartz IV Profis“ sollte man eher durch „Wanderarbeiter“ ersetzen...

Bastian:
„Lizenzierte Profis“ – das ist für mich eine neue Idee und sehr interessant! Das werde ich in meinem Team zur Diskussion stellen, ein weiterer Mosaikstein in diesem Themenfeld!
Etwas anders sehe ich die Frage der Geldverteilung. Ein sehr großer Anteil unserer Mitgliedsbeiträge geht bei uns in die Personalkosten. Auch wenn es unpopulär ist: aus der alltäglichen Arbeit weiß ich, dass diese Kosten unvermeidlich sind, auch wenn wir weniger Personen aus dem angesprochenen Kreis hätten. Das allgemeine Sportgeschehen und das Schachgeschehen insbesondere sind so anspruchsvoll geworden (als zwei Beispiele von vielen nenne ich das relativ neue Thema der Inklusion oder die unsägliche Verrechtlichung im Sport), dass ein Verband wie der Deutsche Schachbund von vornherein eine sehr hohe Grundbelastung hat. Bevor wir Geld in den Spielbetrieb stecken können, müssen zuerst einmal die umfangreichen Hausaufgaben der Sportpolitik erfüllt werden. Ich habe große Zweifel, ob unserer Basis das in vollem Umfang bewusst ist, daher auch das oft anzutreffende Unverständnis gegenüber Beitragserhöhungen, die doch (scheinbar!) nicht als Dienstleistungen an die Basis zurückfließen.
Auch wenn ich mich mit dieser Äußerung vielleicht der Kritik aussetze: Der Deutsche Schachbund benötigt ausreichende Mittel mit Reserven, um z.B. solche Konzepte wie „lizensierte Profis“ aufzugreifen. Solange wir finanziell am Limit leben, ist kaum Spielraum da, um solche komplexen Neuerungen auszuarbeiten und in die Praxis umzusetzen. Wir lähmen uns oft selber.

Krennwurzn:
Für die Basis sind vor allem ein funktionierender Spielbetrieb und eine vernünftige Eloauswertung von wesentlichem Interesse und das klappt doch sehr gut und zusätzlich sind nur sehr wenige sportpolitisch interessiert. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Personalkosten extrem ausgedrückt per se als „persönliche Bereicherung“ oder noch schlimmer als „Korruption“ empfunden werden und im milderen Fall eine Neiddiskussion auslösen. Einen Weltmeistertitel und eine der besten Ligen der Welt gibt es im Fußball ja auch nicht zum Nulltarif – warum sollte das dann im Schach möglich sein? Müsste man als Verband nicht offensiver die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit dieser Kosten kommunizieren und wenn ja - wie?

Bastian:
Mit dieser Forderung wird das Präsidium regelmäßig konfrontiert, und ich halte sie (guten Gewissens) für berechtigt. Die Frage des „Wie“ ist schwerer zu beantworten, weil man sicherstellen muss, dass die gegebenen Informationen ankommen und objektiv betrachtet werden. Zuletzt hat unsere Geschäftsführerin Heike Quellmalz am 30.Mai auf dem Hauptausschuss in Frankfurt den Verbandsvorsitzenden in einem längeren Vortrag dargelegt, welche Aufgaben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle in Berlin erfüllen. Dies geschah in Anwesenheit des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann. Herr Hörmann hat sehr interessiert zugehört und uns die Anregung gegeben, gegebenenfalls im Verwaltungsbereich, nicht aber im Sportbereich zu sparen, wenn wir aus der Leistungssportförderung durch das BMI fallen sollten (was inzwischen überholt ist). Im Präsidium haben wir uns das sehr zu Herzen genommen. Zudem gibt es die Absicht der Landesverbände, im Herbst die Geschäftsstelle zu besuchen und die Verhältnisse persönlich vor Ort zu prüfen. Dem stellen wir uns im Sinne der Transparenz gerne. Diesem Ortstermin und der darauf folgenden Auswertung kann und will ich nicht vorgreifen. Dennoch will ich schon hier meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgezeichneten Einsatz zeigen und nicht an Leerlauf leiden.

Krennwurzn:
Ok – Geduld gehört zwar nicht zu meinen Stärken, aber da müssen die Leser und ich noch ein wenig warten. Was mich persönlich im Themenbereich Geld und Arbeit noch interessiert und oftmals auch verunsichert ist das Spannungsfeld zwischen Ehrenamt, Hobby und professioneller Arbeit. Vom Ehrenamt verlangt man professionelle Arbeit zum Nulltarif – das muss man wohl persönlich akzeptieren, wenn man so ein Ehrenamt annimmt und das funktioniert auf Vereinsebene wohl ganz gut – auf Verbandsebene habe ich manchmal das Gefühl, dass wir die Funktionäre an die Grenze des Leistbaren treiben?

Bastian:
Das ist völlig richtig. Die Funktionäre werden heute oft jenseits der Grenzen des Leistbaren getrieben und müssen zudem noch eigenes Geld investieren. Wobei ihnen von denen, für die sie unbezahlt arbeiten, noch Selbstbereicherung und Korruption vorgeworfen wird.

Krennwurzn:
Es muss doch was in der Kommunikation komplett falsch laufen, damit diese Schieflage zwischen Wirklichkeit und Vorstellung bei den Mitgliedern entstehen kann? Oder ist es simpler Zeitgeist, dass alle oben (Politiker, Manager, Funktionäre, etc. ) als – ich wage es gar nicht zu schreiben – „Gauner“ gesehen werden? Und was kann man dagegen machen und was sagt Frau Bastian dazu, dass ihr Mann viel Zeit für „Schimpf und Schande“ opfert?

Bastian:
Ja, es läuft etwas schief, aber ich kann dazu nur meine persönliche Meinung sagen, ob die zutrifft, müssen andere beurteilen. Ich sehe das Hauptproblem darin, dass zu viel von zu wenigen Leuten hinter verschlossenen Türen besprochen wird. Oft aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Meine persönliche Erfahrung ist, dass man am weitesten kommt, wenn man offen und ehrlich kommuniziert und die Leute in die Entscheidungsprozesse so gut wie möglich einbezieht. Meine Frau kennt meine Motive und respektiert das. Sie weiß, dass ich meine Motivation aus der Liebe zum Schach beziehe und dass mir das niemand nehmen kann.

Krennwurzn:
Offene Entscheidungsprozesse sind auch meiner Meinung nach ein Schlüssel für mehr Verständnis – allerdings muss auch klar sein, dass diese liberale Herangehensweise eine klare Abgrenzung zum Anarchismus hat und daher nicht alles in allen Details in der Öffentlichkeit diskutiert werden kann, weil es neben Persönlichkeitsrechten auch schützenswerte Interna gibt.
Ich möchte zum Abschluss dieses Teils noch eine persönliche Frage zu der entgeltlosen Hobbyarbeit stellen. Wir haben eine sehr aktive Schachszene im Internet mit vielen Foren, Blogs etc. – aber manchmal bin ich mir nicht sicher, ob wir Gratisschreiber nicht professionellen Journalisten Einkommenschancen mindern?

Bastian:
Mit dem ersten Teil bin ich einverstanden, aber Letzteres kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ja nicht so, dass die Ehrenamtlichen den Profis die Arbeit wegnehmen, sondern es ist genau umgekehrt: Überall dort, wo Ehrenamtliche oder Idealisten etwas Neues aufbauen, entstehen noch Beschäftigungsmöglichkeiten für Professionelle.

Krennwurzn:
Ok – so kann man das auch sehen. Ich möchte noch einmal bei der Offenheit etwas nachhaken – leider gab – und wird es auch in Zukunft auch geben – Fälle wo Funktionäre tatsächlich in Korruptionsaffären oder persönliche Vorteilnahme verstrickt waren. Die bisherige pragmatische Vorgehensweise war so gut wie möglich vertuschen und auch aus juristischen Gründen so wenig wie möglich öffentlich zu machen und die Sache hinter verschlossenen Türen so gut wie möglich zu lösen. Schwarze oder graue Schafe gibt es überall, aber sollte man damit in Zukunft offener umgehen oder ist der Preis drohender Gerichtsverfahren dafür einfach zu hoch und zeitaufwendig?

Bastian:
Da kann ich einfach nicht mitreden, weil ich das in meinem Umfeld noch nicht erlebt habe. Soweit ich weiß war der Deutsche Schachbund bisher nicht betroffen. Wahrscheinlich muss man jeden Fall individuell betrachten. Korruption gab es immer und wird es immer geben. Deshalb muss jede Gemeinschaft Regeln, nach denen sie sich organisieren will, und Konsequenzen bei Regelverstößen festlegen. Es ist völlig unrealistisch anzunehmen, dass wir in Deutschland Regeln festlegen können, die in allen 181 Mitgliedsorganisationen der FIDE akzeptiert werden und sinnvoll sind. In der FIDE muss über das Regelwerk gesprochen werden, es entwickelt sich ja jetzt schon kontinuierlich weiter. Doch bei allen Veränderungswünschen muss man stets berücksichtigen, dass Neuerungen nur einvernehmlich nach den jeweils geltenden Regeln beschlossen werden können. Veränderungspotenzial muss stets geduldig ausgelotet und nach viel Überzeugungsarbeit ausgeschöpft werden.

Krennwurzn:
Die Krennwurzn als hobbymäßiger Interviewer, wagt locker die Frage zu stellen, ob der DSB-Präsident zum Themenkomplex Olympia, Prinzen und Geld selbsttätig nicht gestellte Fragen beantworten möchte?

Bastian:
Bekanntlich ist das Schachspiel wie ein See, in dem eine Mücke baden und ein Elefant ertrinken kann. Auf eine offene Frage zu gleich drei so komplexen Themengebieten wähle ich diesmal die Mückenvariante: Tolle Leistung der Frauen mit Luft nach oben, tolle Leistung der Männer, denen beim Zieleinlauf etwas zu früh die Puste ausgegangen ist, Prinzen als Hoffnungsträger, denen ich einen Quantensprung nach oben wünsche, und ein leidiges Thema, das wir nur durch gute sportliche Leistungen in den Griff bekommen werden.

Krennwurzn:
Danke für die Zeit und die offenen Antworten - vielleicht schaffen wir einen zweiten Teil mit den Themen FIDE und Frauen – ich glaube das würde unsere Leser noch interessieren!

DSB- und nunmehr FIDE-Vizepräsident Herbert Bastian (rechts) mit dem norwegischen Schachpräsidenten JJ Aulin
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Mittwoch, 13 August 2014 00:00

Ein deutscher Erfolg in Tromsö?

Die deutschen Damen spielen am Donnerstag bei der Schacholympiade gegen die Georgierinnen überraschend (und mit etwas Glück) um eine Medaille, die Männer nach der ersten Niederlage gegen Indien nur noch um eine vorzeigbare Platzierung. Auch schachpolitisch läuft es gemischt in Tromsö. Der DSB-Kandidat für die FIDE-Präsidentschaft, angeblich Kroate mit Wohnsitz in den USA, ist deutlich durchgefallen. Auch das Europaticket, in dem der langjährige DSB-Generalsekretär Horst Metzing antrat, zeigte sich chancenlos. Metzing verzichtete danach auf eine Kandidatur für einen der frei zu wählenden Vorstandsposten (obwohl er sicher gewählt worden wäre).

An diesem Mittwoch wurde DSB-Präsident Herbert Bastian als Kandidat für einen von fünf Vizepräsidentenposten nominiert. Und zwar von Griechenland und der Schweiz, die auf Iljumschinow-Linie stehen. Wer ihn nominiere, sei doch nur eine Formsache, sagt Bastian dazu. Im Kasparow-Lager, wo man ihn nach dem enttäuschenden Ergebnis für einen der Umfaller hält, wird es wohl anders ankommen. Vor der FIDE-Wahl sei er von beiden Seiten bearbeitet worden, sagt Bastian und versichert: Versprochen oder gar angenommen habe er aber nichts. Auch nicht für die Vizepräsidenschaft, für die er sich in der Vollversammlung im zweiten Wahlgang gegen sechs weitere Kandidaten und Kandidatinnen durchsetzte. Im FIDE-Vorstand, das sich vierteljährlich für ein langes Wochenende irgendwo auf der Welt zusammenfindet, will er die Interessen des deutschen Schachs vertreten. Dabei wisse er und erwarte, dass es natürlich Diskussionen auslöse, wenn er in den Vorstand einer zuhause als korrupt verschrieenen Organisation gehe.

Unterstützen wir den DSB
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Donnerstag, 15 Mai 2014 15:59

Unterstützen wir den DSB

Auf der Homepage des DSB sind zwei Artikel mit der Bitte um Unterstützung erschienen.

Das Präsidium bitte Sie um Unterstützung

hier wird gebeten einen Musterbrief an politische Ansprechpartner zu schicken

Musterbrief (DOC) und Anhang Rede Thiel (PDF)

Bericht Treffen des DSB mit der DOSB-Spitze am 14. Mai 2014

Vielleicht schafft der DSB auch noch die Möglichkeit einer ONLINE-PETITION um auch die neuen Medien optimal zu nutzen! Leisten wir unseren Teil dabei, damit wir nicht unsichtbar und ungehört bleiben. Also bitte an so viele Schachfreunde wie möglich weiterleiten und verlinken!
Und natürlich schicken wir den ausgefüllten Musterbrief inkl. Anhang an unsere regionalen und überregionalen Politiker!

Michael Woltmann - DSB Vizepräsident Verbandsentwicklung
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Aus einem kleinen Disput per Email, ob nun im Video ab ca. 16:30 klar hervor geht, ob der neue Bundestrainer Rogozenco genau gesagt hat, ob er einen deutschen A-Trainerschein hat und der veralteten „aktuellen“ A-Trainerliste aus dem Jahre 2011 auf der DSB-Seite, ergab sich ein Interview mit dem Vizepräsident Verbandsentwicklung des DSB Michael Woltmann.

Krennwurzn:
Herr Woltmann, angekündigt war eine gemeinsame Präsentation des neuen Bundestrainer Rogozenco im CB-TV - warum war dann niemand vom DSB vor Ort?

Woltmann:
Unsere Zusammenarbeit mit ChessBase ist nicht neu. Allerdings war bisher soweit ich weiß nie versucht worden, besondere Nachrichten in einem "Fernseh-Format" zu präsentieren. Es gab keine Erfahrungen damit. Im Vorfeld war ich mir also auch nicht sicher, was die Zuschauer hinterher davon halten. Es gab einige wenige kritische Stimmen die sagten, die Angelegenheit sei vielleicht aufgebauscht. Möglicherweise würden wir mit dem Erfahrungsschatz dieser einen Sendung nun eine andere Entscheidung treffen und einen Vertreter des DSB schicken. Aber hinterher ist man halt immer schlauer. Wir werden sicher bald mit ChessBase über zukünftige Sendungen reden und weitere Erfahrungen sammeln. Mir war und ist es wichtig, auch verstärkt bewegte Bilder anzubieten. Wir arbeiten in unserer Öffentlichkeitsarbeit bisher sehr textlastig.

Krennwurzn:
Sie haben gar nicht daran gedacht einen DSB Vertreter zu schicken? Wie soll man da "gemeinsame Präsentation verstehen?

Woltmann:
Es war nicht vorgesehen, dass ein DSB-Vertreter teilnimmt. "Gemeinsam" war also vielleicht nicht die richtige Bezeichnung. Ich hatte die Zusammenarbeit in diesem Punkt (Präsentation Bundestrainer Rogozenco) insgesamt vor Augen. Bei dem Wort "Gemeinsam" ging es mir nicht um die Beschreibung der Gästeliste.

Krennwurzn:
Also mir kommt das eher wie Outsourcing vor oder nach Krennwurzn Lesart wird aus „gemeinsam“ dann: es ist gemein, den Bundestrainer Rogozenco einsam in der Fremde präsentieren zu lassen. Noch dazu wo zwei Angestellte die Präsentation eines Verbandjobs vorgenommen haben. Das ist doch für einen Kritiker ein aufgelegter Strafstoß 1 cm vor der Torlinie ohne Tormann!

Woltmann:
Ehrlich gesagt, wir dachten nicht daran, dass dies zu Kritik führen würde. Mit ChessBase gibt es einen ganz normalen Sponsoringvertrag und eine enge Zusammenarbeit wie mit anderen Partnern auch. Ebenso war ChessBase nicht in den Entscheidungsprozess über den Bundestrainer mit einbezogen. Wir haben diese Sendung vereinbart. Den Namen des Bundestrainers erhielt ChessBase erst wenige Tage vor der Sendung. Und da der neue Bundestrainer Rogozenco die Leute dort gut kennt, sahen wir auch keine Veranlassung ihm eine Begleitung seitens des Verbandes mitzuschicken, weil wir nie den Eindruck hatten, ihn alleine in die Fremde zu schicken.

Krennwurzn:
Ein weiterer Kritikpunkt war, dass im DSB-Artikel zur Vorstellung die ChessBase Vergangenheit vom Bundestrainer Rogozenco quasi verheimlicht wurde, was ja heutzutage irgendwie sinnlos erscheint. Warum haben Sie das so gemacht?

Woltmann:
Ziel dieser Formulierung war gewiss nicht, ChessBase zu verheimlichen. Ziel war einen Text zu verfassen, den auch jemand versteht, der ChessBase nicht kennt. Ich lege solche Presseerklärungen immer Menschen vor, die kein Schach spielen und frage, ob sie den Text verstehen. Eine Mitarbeiterin von mir fragte dann, was ChessBase-DVD´s seien. Daher dann im Text Trainings-DVD´s. In unserer Presseerklärung für ca. 150 Sportredaktionen habe ich auch von nationalen und internationale Trainerlizenzen geschrieben und nicht A-Trainer, damit man sich mehr darunter vorstellen kann.

Krennwurzn:
Welche Aufgaben hat der neue Bundestrainer Rogozenco?

Woltmann:
Er ist vor allem für die A-Nationalmannschaft und die „Prinzen“ zuständig. Aktuell überprüfen wir die Möglichkeiten den „Prinzen“ nach dem Schulabschluss ein Schachjahr zu ermöglichen. Natürlich stellt die Finanzierung ein wesentliches Problem dar, aber wir sind in guten Gesprächen mit Sponsoren für dieses Thema. Das Geld sollte vor allem für Turnier-, Reise und Trainingskosten verwendet werden, denn in diesem Jahr sollte nicht im stillen Kämmerlein trainiert werden, sondern ein Einblick in das Leben eines Schachprofis mit vielen Turnierteilnahmen und Meisterschaftsspielen gewährt werden.

Krennwurzn:
Gut - kommen wir zu einem anderen Thema - warum wurde das DSB-Forum geschlossen?

Woltmann:
Sie werden es nicht glauben, das hat vor allem technische Gründe. Wir sind gerade dabei den Webauftritt des DSB zu modernisieren (Terminhorizont Frühjahr 2014) und in das neue CMS (Content Management System) kann das alte Forum nicht so leicht integriert werden. Der von Ihnen gerne kritisierte Webmaster war entgegen Ihrer Meinung ein starker Befürworter des Erhalts des Forums. Eine Integration des Forums hätte aber zu erheblichen Mehrkosten geführt und da das Forum beinahe nicht mehr genutzt wurde, fiel die Entscheidung diese Kosten zum Wohle der Beitragszahler zu sparen.

skf14400Krennwurzn:
Und auf die Meinungsäußerung zu verzichten.

Woltmann:
Uns ist klar, dass wir verstärkt in die sozialen Netzwerke müssen und dort stellt sich dann das Thema Zensur gar nicht mehr, dort muss man sich Meinungen einfach stellen – das wollen wir und davor haben wir auch keine Angst. Ich persönlich bin erst seit Mai im Präsidium und ich kann Ihnen versichern, dass es in dieser Zeit keinen Eingriff in die Meinungsfreiheit gegeben hat – wie die Praxis früher und vor einigen Jahren war, dazu kann ich nichts sagen. Jeder Nutzer kann die bei den Artikeln angegebenen Emailadressen nutzen, um uns Anfragen zu schicken. Diese werden zeitnah beantwortet – natürlich sollte man dabei bedenken, dass es sich um ehrenamtliche Funktionärstätigkeiten handelt und die Personen auch einen Zivilberuf nachgehen. Aber eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ist nicht gewollt – wir freuen uns über konstruktive Diskussionsbeiträge.


Krennwurzn:
Dass man einzelne Artikel kommentieren darf und andere nicht – das könnte man als Zensur sehen.

Woltmann:
Mit der Kommentarfunktion einzelner Artikel habe ich keine Freude, da hier Mitteilungen des DSB mit Blogelementen vermischt werden – das gefällt mir nicht. Es war auch nur der Artikel über die FIDE-Identifikationsnummer freigeschaltet, weil wir da auch für Fragen von Mitgliedern offen sein wollten.

Krennwurzn:
Sie sind für Verbandsentwicklung zuständig – was darf man darunter verstehen?

Woltmann:
Es geht um Öffentlichkeitsarbeit, Breitenschach und Vereinsbetreuung. Da wir derzeit keinen ehrenamtlichen Referenten für Öffentlichkeitsarbeit haben, wende ich einen Teil meiner Zeit gemeinsam mit der Geschäftsstelle für diesen Bereich auf. Wie schon gesagt, modernisieren wir die Homepage inklusive Integration der Seniorenwebseite, FIDE-Trainerakademie, etc. und wollen auch in die sozialen Netzwerke gehen.

Krennwurzn:
So manche DSB Entscheidung der jüngeren Vergangenheit verursacht ein Unwohlsein oder Kopfschütteln bei vielen Schachfreunden – ich möchte da die Bestellung von Frau Quellmalz ohne Schachkenntnisse zur Geschäftsführerin des DSB nennen und die Betrugscausen. Da ist ja Einiges sehr unglücklich gelaufen?

Woltmann:
Manchmal ist auch gut, wenn man über den Tellerrand schaut und die Qualifikationen von Frau Quellmalz waren einfach die besten von allen Bewerbern und auch, dass eine Frau diesen Posten bekam ist sicherlich im männerdominierten Schach kein schlechtes Zeichen. Die Aufgabe von Frau Quellmalz ist die Geschäftsführung und nicht die Öffentlichkeitsarbeit und ich kann Ihnen sagen, dass Frau Quellmalz ihre Arbeit ausgezeichnet erledigt. Für Schachpolitik und Außenwirkung sind die Funktionäre zuständig und da sind wir demokratisch organisiert, was gerade in den Betrugscausen zu zeitlichen Problemen führt, da der DSB nicht von oben herab bestimmen kann, sondern Regelungen gemeinsam mit den Landesverbänden gemacht werden müssen. Das ist gut so, kostet aber Zeit.

Allerdings muss ich sagen, dass wir vor allem juristisch haltbare Bestimmungen brauchen, denn Schnellschüsse, die hinterher nicht halten sind noch schlimmer. Es wird auch diskutiert, dass private Turnierveranstalter eine Unterwerfungserklärung unter die DSB-Bestimmungen in ihre Ausschreibungen übernehmen können, damit auch dort erfolgter Betrug juristisch sicher abgestraft werden kann. Ein schwieriges Thema für noch längere Zeit, denn auch die Betrüger sind sehr kreativ und werden es wohl leider bleiben und der DSB kann und darf die Rechtsstaatlichkeit nicht verlassen!

Krennwurzn:
Da wurde nun aus einem anfänglichen Disput – abgesehen von meinem Fauxpas mit der Altersschätzung – ein ganz nettes Gespräch. Ich danke Ihnen für die Zeit und wünsche Ihnen Frohe Weihnachten und Alles Gute für 2014!

Woltmann:
Ich wünsche Ihnen und den Lesern der Schachwelt ebenfalls schöne und erholsame Weihnachtstage und Alles Gute für 2014!

 

Dorian allein im TV
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Samstag, 14 Dezember 2013 19:44

Dorian allein im TV

Wer der neue Bundestrainer wird, stand schon vor der EM in Warschau fest und sollte erst am Freitag den 13. Dezember im Rahmen der wöchentlichen ChessBase TV Sendung bekannt gegeben werden. Nun fanden es einige befremdlich, dass so eine wichtige Personalentscheidung bei einem Partner bekannt gegeben würde, wobei die Krennwurzn nicht in diesen Kreis angehörte, denn ganz ehrlich gefragt: warum sollte man das nicht tun, denn es bestünde ja die Chance, dass alle Beteiligten davon profitieren könnten.

Auf der Seite des DSB konnte man eine vollmundige Ankündigung lesen, dass man die Bekanntgabe gemeinsam mit dem Partner ChessBase durchführen werde und dieser ließ sich auch nicht lumpen und startet sogar noch ein Ratespiel mit Gewinnmöglichkeit.

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 Also saß nicht nur die Krennwurzn gebannt vor dem Monitor und eine gewisse Spannung kam auf, als endlich nach 17 Uhr das Schwarz des Bildschirmes durch das Livebild aus dem Hamburger Studio ersetzt wurde. Die erste Hürde war geschafft, das Interesse hat den Server nicht zum Absturz gebracht. Da nur CB-Premiumuser Zugang zum CB-TV haben, waren gerade mal um die 200 Leute am Zuschauen, obwohl um die 5.000 am Server eingeloggt waren – eine serverinterne Quote von 4%. Ein wenig enttäuschend für so eine Präsentation dachte sich die Krennwurzn, aber es sollte noch viel schlimmer kommen. Zuerst begrüßten die Moderatoren das Publikum und die Krennwurzn wunderte sich ein wenig über die legere Kleidung und auch darüber, dass einer immer die Hand an der Tasse hatte. Aber das war wohl nur die Krennwurz`ische Nervosität vor der Bekanntgabe. Endlich verbreiterte sich das Bild ...

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 (Bildauschnitt ChessBase TV vom Freitag, 13.12.2013 - Sendung kann von Premiumusern im Archiv bei CB jederzeit angeschaut werden)

und da saß er nun der neue Bundestrainer GM Dorian Rogozenco und lächelte mit Jackett etwas verlegen in die Kamera. Nun baten ihn die Moderatoren in die Mitte und damit er kleidungsmäßig zu denen passte, zog er schnell das Jackett aus, denn ein höflicher Mann dürfte er sein, der neue Bundestrainer. Die Szene mutet schon ein wenig skurril an mit all den Utensilien, damit man kein hässliches Wort verwenden muss, am Tisch und man wäre nicht verwundert gewesen, wenn sich das Ganze als „Versteckte Kamera“ aufgelöst hätte!

skf14400Aber stand da nicht „Gemeinsam mit unserem Partner ChessBase präsentieren wir ...“ – ja wo waren da die „wir“ und warum bitte, präsentieren zwei Angestellte eines Partners den neuen Bundestrainer? Hat ChessBase nicht zwei Geschäftsführer? Ja, ja höre ich sie sagen: das übliche ChessBase Bashing der Krennwurzn mal wieder. Nein, muss ich Ihnen sagen, ich verstehe vollkommen, dass die Geschäftsführer wohl ohne entsprechendes Gegenüber vom DSB keine Lust hatten der Sendung beizuwohnen. Was ich aber nicht verstehen kann ist, warum der DSB niemand entsprechenden schicken konnte? Es hätte ja nicht der Präsident aus dem Saarland anreisen müssen, aber es gibt neben zahlreichen Vize-Präsidenten auch eine Geschäftsführerin des DSB in Berlin und die beiden Städte sind verkehrstechnisch wirklich gut verbunden.

Jedenfalls die Krennwurzn schüttelte nur mehr den Kopf und auch der Verlauf der Sendung war nach der Vorstellung und der Verlosung des ausgelobten Preises wie immer. Es kamen Partiestellungen auf den Schirm und es sprachen hauptsächlich die Moderatoren, denn der Gast sollte ja eine gemütliche Zeit haben. Als die Krennwurzn fragte, ob es nicht interessantere Fragen an den neuen Bundestrainer gäbe als Partiefragmente, blickte ein Moderator genervt über seine Brille und ignorierte die Frage. Da auch andere etwas über Pläne, die Nationalmannschaft, etc wissen wollten, muss dies auch der neue Bundestrainer gesehen haben und antworte darauf, ebenso beantwortete er die Frage, dass er noch nicht A-Trainer ist mit der Feststellung, dass dies in der Ausschreibung nicht gefordert wurde, sondern nur die Bereitschaft dies in Angriff zu nehmen. Warum auf der DSB Seite steht, dass er A-Trainer ist, obwohl er auch in der aktuellen Liste des DSB nicht als solcher zu finden ist – nun das kann und will ich nicht beantworten. Jedenfalls ehrlich und nett dürfte er sein der neue Bundestrainer!

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Aber an solchen Aussagen dürften die beiden Angestellten nicht wirklich interessiert sein, denn sofort kam wieder wirklich Wichtiges auf den Schirm – klar eine Partie des neuen Bundestrainers aus dem Jahre 1995

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und man musste den überraschenden Zug Da7 finden und da der damalige Gegner sofort mit 21. Kf1 kräftig patzte noch nach 21. Lh4 22. Te2 Txg2 23. Txg2 Df2# sehen. Die Krennwurzn schockte sich mit den Gedanken was wohl Naiditsch dazu sagen würde und so klickte er sich wie viele andere auch aus der Übertragung aus, was die Quote noch weiter sinken ließ, was aber auch den Vorteil hat, dass nicht viele die Demontage des neuen Bundestrainers durch den DSB live verfolgt haben können.

Professionelles Verhalten sieht wohl anders aus – ja aber wie und wer hätte die Kosten getragen? Nun so hoch wären die auch nicht gewesen. Eine Dienstreise der DSB-Geschäftsführerin nach Hamburg und dann hätte wohl sicher einer der Geschäftsführer von ChessBase Zeit gefunden ins eigene TV-Studio zu kommen – alleine schon aus purer Höflichkeit und vielleicht hätte man sich auch die Kosten für einen professionellen Moderator teilen können, der mit etwas mehr Schwung und ohne Kaffeetasse in der Hand durch die Sendung führen hätte können. Dieses Video hätte man möglicherweise für Öffentlichkeitsarbeit verwenden können, aber da dieses Referat ja unbesetzt ist, genügt es konsequenterweise den Bundestrainer durch Angestellte eines Partners vorstellen zu lassen! 


 Nachtrag:

Nach diesem Artikel von Juli 2013 ist Bundestrainer GM Dorian Rogozenco A-Trainer – warum er nicht in der aktuelle Liste steht und warum er nicht explizit darauf in der TV-Sendung hingewiesen hat – ich weiß es nicht!

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Nachtrag 19.12.2013

Jetzt gibt es auch das Video frei auf der DSB-Seite zu sehen

 

 

Aktion Titelverlust
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Donnerstag, 07 November 2013 23:29

Aktion Titelverlust

Nein – nicht schon wieder ein Promi, der sich seinen akademischenTitel erstgCt hat - also durch copy&paste erworben hat und auch kein CM, FM, IM oder GM der seinen Titel nicht durch eigenes Leistungsvermögen erreicht hat. NEIN es geht um wirklich Wichtiges! Olympiasieger ist man ewig, Welt- und Europameistertitel gehen verloren, wenn ein anderer den Titel gewinnt und dieses harte Schicksal müssen – schenkt man den Datenfuzzys Glauben – in den nächsten Tagen und Wochen Anand und Schach-Deutschland ertragen.

Deutschland Europameister 2011

AktionTitel1

und was Google dazu findet.

Am 8. November startet die EM in Warschau und unser Schachweltkollege Olaf Steffens berichtet diesmal sozusagen auswärts auf der DSB-Homepage aus Warschau – eine Ehre, die der Krennwurzn niemals widerfahren wird, denn er gilt in seinem Heimatland ja als Persona non grata und da sich daran nichts ändern wird ... aber lassen wir das und freuen wir uns, dass nicht alle Schachweltler dieses harte Schicksal eines „Parias“ ertragen müssen und auch auswärts geschätzte Schreiber sind – Gut Tastatur Olaf!!

Nun Deutschland ist als Nummer 10 gesetzt und muss den Titel abgeben - da freut sich der Ösi in der Krennwurzn unheimlich und feixt: die EM wird doch nur aus dem Grund gespielt, weil statistisch nicht vollkommen klar ist, wer der Nachfolger von Deutschland werden wird. Die restvernünftige Seite, deren Limes gegen Null konvergieren oder stürmt, wirft ein, dass das erstens ungerecht – das berührt die Krennwurzn aber schon gar nicht - und zweitens auch statistisch möglicherweise auch ein wenig unkorrekt sein könnte, was der Krennwurzn schon ein wenig mehr zu denken gibt, denn sie selbst musste 2002 und 2013 binnen weniger Jahre schon zwei Jahrhunderthochwässer an der Donau miterleben.

Waren die Deutschen 2011 nicht schon krasse Außenseiter und haben sie damals als möglicherweise zerstrittener Haufen nicht doch eine tolle Leistung gebracht und sich nicht nur gegen die favorisierten Gegner sondern auch gegen die übermächtigen Zahlen, die gegen sie sprachen durchgesetzt?

Vom zweiten Titelverlust im sonnigen Indien berichtet der Chef der Schachwelt höchstpersönlich ab Samstag 9. November auf der Seminarseite und wenn man Insidern und den Wettanbietern Glauben schenken darf, dann ist dieser Titelverlust noch klarer als ... ach lassen wir das Piefke-Bashing einfach mal weg jetzt!

AktionTitel2

95 Elopunkte Unterschied – da zittert zwar nicht einmal der staatlich geprüfte Angsthase Krennwurzn am Brett - zwischen Carlsen und Anand, der noch dazu älter ist und in seiner Heimatstadt unter unheimlichen Druck stehen muss und dessen letzter Sieg in einer Turnierpartie gegen Carlsen noch dazu aus dem fernen Jahre 2010 datiert. Dann noch eine Punkterwartung laut Elo von 0,65 zu 0,35 für Carlsen – ja warum wird dieser Wettkampf überhaupt noch gespielt?? Es ist doch alles sonnenklar: Carlsen ist doch bereits jetzt der neue Weltmeister! Es bleibt nur mehr die Fragen zu klären wie hoch und wie bald er den Wettkampf gewinnt und sind wir doch ehrlich: manche hoffen sogar auf eine überfischerische 7-0 Hinrichtung!

Aber ... klar Carlsen ist der Favorit ... aber ist das alles wirklich so sonnenklar? Wer hat den Druck? Anand eher nicht, denn er hat schon alles erreicht: FIDE-Weltmeister, Weltmeister und den Titel mehrmals verteidigt – nicht zu vergessen auch der verlorene Wettkampf gegen Kasparov in dem er zuerst in Führung gegangen ist und dann schrecklich unter die Räder kam. Anand hat Erfahrung im guten und im schlechten Sinn und er ist in einem reifen Alter und hat damit wohl die erforderliche Gelassenheit sich der kommenden Aufgabe zu stellen. Aber die Statistik höre ich die Krennwurzn schreien – die lügt doch nicht und die heiligen Elo schon gar nicht! Gut sage ich, wenn Carlsen so klar und sicher gewinnt, dann können wir in den Keller gehen, die alte sechs schussige Pistole vom Opa mit zwei Patronen laden und russisches Roulett spielen, denn die Überlebenschance ist dann mit 0,66 zu 0,33 sogar ein Spürchen höher als die Gewinnchance von Anand nach Elo. Bitte nicht so brachial wirft nun die Krennwurzn ein – wir sind doch zivilisiert – nehmen wir doch einen normalen Würfel und wenn 1 oder 2 kommt, dann bleibt Anand Weltmeister ansonsten heißt der neue Weltmeister Carlsen.

Gesagt getan: Würfel aus der Spielesammlung herausgenommen – ist auch schneller greifbar als die nichtexistente Pistole vom Opa – und gewürfelt:

AktionTitel3

ZWEI – Anand bleibt Weltmeister und die Krennwurzn und auch der vernünftige Teil atmet tief durch: Würfeln ist unblutiger als russisches Roulett und vor allem: wer hätte dann noch den Artikel online gestellt??

PS österreichische Merksätze:

Statistiken traut man nur, wenn man sie selbst gefälscht hat
und
Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen!

Warten auf Godot
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Mittwoch, 28 November 2012 16:08

Warten auf Godot

Der Streitfall in der Bundesliga vom 21.10.2012 liegt schon über ein Monat zurück und ... - ja was und: naja was soll schon sein: Nichts! Oder fast nichts – der Protest vom 20.10.2012 wurde abgewiesen – das war aber fast allen interessierten Beobachtern auch mit laienhaften Regelkenntnissen irgendwie schnell klar: Schiedsrichtertatsachenentscheidungen sind im Sport zu akzeptieren.

Aber da war doch noch was am Sonntag? Die ganze Schachwelt war in Aufruhr, sogar internationale Medien haben darüber berichtet – eine aufgeheizte Stimmung und glühende Verfechter aller möglichen Extreme brachten Foren und Tastaturen zum Glühen! Nur der DSB und sein Präsident blieben nach einer mehrtägigen Schockstarre kühl und gaben ein Statement ab:

godot2

Ein Hoch auf die Unschuldsvermutung und auf ein gerechtes Verfahren – aber dann? Nichts – da man bzw. niemand entscheidet, braucht auch niemand eine Stellungnahme abgeben – das ist die Lösung des gordischen Knotens!

Wer jetzt denkt, dass das nur die Vorgehensweise des DSB bei schwierigen Problemen im Umgang mit mutmaßlichen Sportbetrugsfällen ist, der irrt gewaltig. Beispielsweise wurde im WDR am vergangenen Montag in der Sendung SPORT INSIDE ein Bericht gesendet, in dem gesagt wurde, dass das IOC nur wenige eingefrorene Dopingproben der Olympiade 2004 kurz vor Ablauf der Sperrfrist von 8 Jahren hat testen lassen und das man u.a jene des zwei Jahre später wegen Doping gesperrten Olympiasiegers Justin Gatlin nicht nachgetestet hat. Oder die Sache mit den Dopingproben von Lance Armstrong und die Spenden an die UCI.

Wollen wir Sportbetrugsfälle überhaupt wirklich aufklären?

Denn scheinbar neigen Verbände eher dazu schwerwiegende Problem dem Vergessen zu überlassen als nach Lösungen zu suchen – die Zeit heilt ja alle Wunden? Aber da gab’s ja noch einen betroffenen Menschen? Wie hieß der noch mal? Egal – vergessen! Aber hat der nicht auch ein Recht auf eine Entscheidung? Egal – Hauptsache vergessen!

Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ah!

Und wie im absurden Theater : ist über die alte Sache Gras gewachsen und hat es ein Esel es wieder weggefressen, dann:

Estragon: Komm, wir gehen!
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ah!

Schachweltmeister Edi Wüllenweber, auch bekannt als "Deep Fritz"
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Auf der Homepage des Schachbundes wird die Ankunft von Fritz 13 gefeiert. Der Entwickler der neuen Schach-Software schreibt einen lobenden Artikel. Eigenartig ist nur: niemand weist darauf hin, dass es sich hier um Werbung handelt. Doch bevor wir anfangen, uns darüber Sorgen zu machen, klären wir erst noch eine andere Frage: Wer ist eigentlich dieser Fritz?

Fritz wurde an der Elbe geboren, er ist ein Hamburger Jung und, wie sollte es anders sein, ein Freund des HSV. Schon früh brachte Matthias Wüllenweber, der Vater, seinem Zögling schachliche Kniffe und viele Rechentricks bei. Bald bemerkte er, dass Fritz talentiert und besonders auch in Blitzpartien unheimlich stark war. Beide spielten so viel Schach in den Büroräumen des Vaters, dass dieses Büro in der Familie auch schon die Chessbase genannt wurde.

Auch wenn man immer nur von Fritzens Vater und eigentlich nie von seiner Mutter hört, so hatte Fritz doch auch viele Geschwister. Sie bekamen zwar bei der Geburt alle ihre eigenen Namen, doch weil die Eltern praktisch veranlagt waren, nannten sie sie im Alltag alle einfach nur Fritz und hängten zur besseren Unterscheidung eine Zahl dahinter. So verbrachte ich in jüngeren Jahren bei Freunden zum Beispiel einige Zeit mit Fritz 5 und Fritz 6, die mit bürgerlichem Namen eigentlich Rudi und Guildo hießen. Beide waren bärenstark und haben mich oft im Blitzschach deprimiert. Sogar zur Analyse meiner schrecklichen Verlustpartien wären sie bereit gewesen, doch meistens fehlte mir die Geduld und ein ausreichender Drang zur Sorgfalt, so dass ich nicht immer auf das Ende ihre Überlegungen zu warten bereit war.

Edi, ein weiterer Sohn der Wüllenweber-Familie, war auch im Turnierschach ausgesprochen erfolgreich. Auf einem der umstrittenen Quickstep-Turniere in Wildeshausen luchste er seinem Vater Matthias sogar einmal 38 DWZ-Punkte an nur einem Tag ab. Nun sind 38 Punkte eine ganze Menge, und der Vater ärgerte sich sehr. Wieder zurück in Hamburg bezeichnete er seinen Sohn beim Abendbrot dann auch prompt als „Dieb“ – natürlich nur scherzhaft und mit dem gebotenen Maß an Ironie, doch der Name blieb haften. Fortan hatte Edi mit „Dieb Fritz“ seinen familieninternen Spitznamen (oder auch Fritznamen) weg, und weil so etwas ja nie lange geheim bleibt, griffen die anwesenden Papparazzi diesen Namen gerne auf und wandelten ihn für die internationale Presse mit „Deep Fritz“ lediglich ein wenig um. Als Deep Fritz später Wladimir Kramnik spektakulär auf h7 mattsetzte und dadurch Weltmeister wurde, wusste kaum jemand, dass sein wahrer Name eigentlich Edi Wüllenweber war.

kramnik vs deep fritz

Kramnik im Spiel gegen Edi Wüllenweber (Deep Fritz), 1.Runde in Bonn 2006   (Zeichnung von Emese Kazár - vielen Dank!)

Weitere Fritzen erblickten das Licht der Welt, doch auch andere Familien hatten dazugelernt und schickten nunmehr sehr starken Nachwuchs zu den Turnieren. Beispielsweise gelten die Houdinis mittlerweile als gewitzter, und der junge Stockfisch soll sogar auch mal umsonst für eine Trainingsstunde vorbeikommen. Manche Spieler dieser neuen Generation spielen zwar stark, aber nehmen es mit der Etikette nicht so genau – erst kürzlich wurde dem jungen Rybka ein wichtiger Titel aberkannt.

Neu geboren, oder wie man auch scherzhaft sagen könnte, auf den Markt gebracht wurde nun Lothar Wüllenweber, der familienintern wohl als Fritz 13 ins Rennen gehen wird.
Die Freude war bei den Wüllenwebers natürlich wieder sehr groß, und auch wir bei der Schach-Welt freuen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten mit. Herzlichen Glückwunsch nach Hamburg!

Ganz aus dem Häuschen über den neuerlichen Nachwuchs scheint hingegen der Deutsche Schachbund gewesen zu sein. Die offizielle DSB-Seite präsentiert die Ankunft von Fritz 13 als Top-Meldung. Voller Vaterstolz und mit einigen Bildern erklären die Wüllenwebers in einiger Breite, einiger Tiefe und einiger Länge, was ihr jüngster Sproß so alles kann: "Jetzt anschauen und staunen!".

Wozu kann man Lothar einsetzen, warum Lothar noch klüger, schneller, besser ist als alle seine Geschwister vor ihm, und welche Kaufanreize es noch so gibt – das alles erklärt dieser umfangreiche Artikel mit vielen Details. Auch der direkte Link zum Chessbase- Onlineshop fehlt nicht.

Nun könnte man fast meinen, der DSB hätte einen objektiven, fairen Produkttest auf seiner mir wirklich sympathischen Seite platziert. Das wäre auch sehr schön, und wir glauben ja selber auch, dass Fritz 13 wieder ein tolles Produkt geworden ist. Aber ich verstehe es nicht ganz - hätte der DSB diesen irgendwie doch sehr einseitig werbenden Artikel "Fritz 13 ist endlich da!" nicht auch als Produktwerbung kennzeichnen können/sollen? Fairer wäre das, gegenüber den Lesern. Aber vielleicht wurde es auch einfach nur vergessen.

Hätten wir so etwas im Privatfernsehen (oder bei der ARD) gesehen, würden wir uns wundern und unter Umständen als Schleichwerbung bezeichnen. Doch wir wollen hier nichts Böses unterstellen. Immerhin ist die Firma Chessbase ja auch DER große Sponsor unseres Schachbundes, und da erscheint es selbst uns nur recht und billig, dass der große Sponsor auf der Homepage aus dem Nähkästchen erzählen darf – und damit dann im Gegenzug ein bisschen Geld verdient.

Warten wir also auf die nächsten Artikel – vielleicht dürfen ja auch Versandhändler für Schachmaterial, private Turnierveranstalter, die Bundesregierung oder (bevor sie pleite geht) die Bank of America bald eine längere Eigenwerbung auf der ansonsten immer lesenswerten Homepage des DSB einstellen. Gens uns sumus!

Endlich wieder Nationalmannschaft
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Donnerstag, 15 September 2011 02:41

Endlich wieder Nationalmannschaft

Es scheint wieder alles im Lot - Deutschland wird bei der Anfang November im griechischen Porto Carras stattfindenden Mannschaftseuropameisterschaft endlich wieder mit der nahezu stärksten Mannschaft antreten! Gestern nominierte Bundestrainer Uwe Bönsch die TOP 4 der Rangliste sowie Rainer Buhmann (Nr. 8):

GM Arkadij Naiditsch 2707
GM Daniel Fridman 2652
GM Georg Meier 2648
GM Jan Gustafsson 2631
GM Rainer Buhmann 2606

Dazu DSB-Präsident Herbert Bastian.

"Das Präsidium des Deutschen Schachbundes ist sehr erleichtert darüber, dass es dank der guten Vorarbeit der Kommission Leistungssport unter der Führung von Klaus Deventer gelungen ist, wieder unsere stärksten Spieler für die Nationalmannschaft zu berufen. Damit wird ein Schlussstrich unter die Querelen der Vergangenheit gezogen und der Blick gemeinsam nach vorne gerichtet"...

...Und an unsere Mitglieder in den Vereinen ist die Erwartung gerichtet, dass sie unsere Nationalspieler moralisch unterstützen, wenn diese auf der Europameisterschaft nicht zuletzt um die Wiederherstellung des guten Ansehens der Schachnation Deutschland spielen werden.

Money makes the world go round

Die finanzielle Situation konnte mithilfe eines neuen Sponsors für beide Seiten zufriedenstellend geklärt werden. Mit einer anderen Kernforderung, der Absetzung Uwe Bönschs, setzte sich das Team jedoch nicht durch.

Allerdings scheint mit dieser Konstellation neues Ungemach vorprogrammiert. Nach der über Monate heftig geführten Auseinandersetzung wird es mehr als schwierig sein, ein harmonisches Klima zwischen Mannschaft und Teamkapitän/Delegationsleiter Bönsch herzustellen.

Der Duracell - Mann
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Samstag, 09 Juli 2011 18:13

Der unendlich Verlängerte

„Sein Name war Wowbagger der Unendlich Verlängerte. Er war ein Mann mit Vorsätzen. Nicht sehr guten Vorsätzen, wie er als erster zuzugeben bereit gewesen wäre, aber es waren wenigstens Vorsätze, und sie hielten ihn wenigstens in Trab. Wowbagger der Unendlich Verlängerte war - das heißt, ist einer der ganz wenigen Unsterblichen im Universum. Diejenigen, die unsterblich geboren werden, wissen instinktiv, wie sie damit fertig werden, aber Wowbagger gehörte nicht zu ihnen. Im Grunde hasste er sie inzwischen, dieses Rudel heitergelassener Arschlöcher.“ (Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, 1980).

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Der Präse sammelt fleißig Punkte. Bei mir. Aber das will nichts heißen, ich hatte ihm das eh zugetraut. Wir kennen uns seit 22 Jahren. 19 davon als Präsident des saarländischen Schachverbandes, sehr viele der Jahre alsLandesmeister (20 Titel), acht Jahre darunter in der Zusammenarbeit im saarländischen Präsidium und sechs der 22 Jahre in seiner Rolle im Arbeitskreis der Landesverbände.

Wie oft ich an seiner Stelle den Griffel hingelegt und aufgegeben hätte, kann ich gar nicht mehr zählen. Der Mann ist schier unverwüstlich, voller Energie, gibt niemals auf - und wiederholt beherzt seine Fehler.

Das macht ihn zu einem unendlich Verlängerten. Im saarländischen Präsidium reichte es bisher nie, in den Landesmeisterschaften selten für einen Konkurrenten. Bastian arbeitet einfach alles weg.


Im derzeitlichen Neuanfangen, Interviewen, Sortieren und Ordnen geht einem leicht der Blick fürs Wesentliche verloren. Vor allem wenn man in seiner Sicht der Dinge so fest verstrickt ist, dass einem kaum Raum zum Reflektieren bleibt. Der neugewählte Präsident des DSB hat in den letzten Wochen zwei sehr bemerkenswerte Interviews und ein Statement zum Status Quo auf der DSB-Seite hinterlassen, in denen es außerordentlich deutliche Aussagen gab. Hier ist der Textmarker:


Am 14. Juni veröffentlichte die Deutsche Schachjugend auf ihren Internetseiten ein Interview während der Jugend-Meisterschaften in Oberhof. Dort antwortet Bastian auf die Frage der Zusammenarbeit zwischen DSJ und DSB: „Wir wissen alle, dass es in der Vergangenheit Spannungen zwischen der DSJ bzw. Jörg Schulz und DSB-Funktionären gab. Unser ausgeschiedener Präsident hat schon auf dem Kongress in Bonn gesagt, dass er die Stirn nicht in Falten legt, wenn er den Namen Jörg Schulz hört, und so sehe ich es auch. An dieser Front muss endlich Ruhe einkehren…“

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Die Betonung liegt hier auf „Alle“ in „Wir wissen alle…“ . Nein, es wissen eben nicht alle und es gehört Mut dazu,  dies einfach mal auszuplaudern. Der Berufsjugendliche und DSJ-Geschäftsführer Schulz, zugleich  stellvertretender Geschäftsführer im DSB, hat es sich über die vielen Jahre seines Wirkens mit so vielen  verdorben, dass ich es für ein Paradoxon halte, dass der Mann überhaupt noch mitmachen darf.

Genau  genommen fällt es mir schwer zu glauben, dass es auch nur einen einzigen gibt, der mit ihm auskommt – mal  abgesehen von DSJ-Funktionären, die von seiner Machtfülle profitieren und damit im Abhängigkeitsverhältnis  stehen. Denn Schulz zieht nicht nur seit Ewigkeiten die Fäden beim DSB und der DSJ, er ist auch in Dutzenden  anderer Funktionen ausgezeichnet vernetzt. Nachfolger von Horst Metzing als Geschäftsführer wird er  indessen nicht werden – dort strebt jetzt der umtriebige Schatzmeister Michael Langer hin, nachdem  zwischenzeitlich der Bundestrainer im Gespräch war.

Dass solch ein Satz mit dem Namen Schulz überhaupt mal ausgesprochen wird, war bisher fernab jeder  Realität. Dazu muss man wissen, dass im DSB zwar von jeher kreuz und quer intrigiert und übel nachgeredet  wird, dies aber nie öffentlich. Selbst der Autor dieser Zeilen hielt sich an den Ehrenkodex, so lange er im Amt war.

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Zur Frage nach dem neuen Partner Honorar Konzept antwortet Bastian: „Den Vertrag kenne ich noch nicht im Detail“. Auch dazu gehört Mut – und das meine ich durchweg positiv. Meine Gegenfrage würde lauten: „Wer kennt den Vertrag überhaupt“? In meiner Zeit als Referent im Deutschen Schulz Schachbund gab es außer den üblichen Allgemeinfloskeln und Presseerklärungen keine Auskunft. Aber es muss ein verdammt mächtiger Vertrag sein, wenn eine Partnershipfolie so aussieht wie hier unten. Reden wir von Hunderttausenden Euros?:

Sponsorenwand


Im Schachmagazin 64 sagt Bastian, er begrüße die Wahl von Weizsäckers zum  Ehrenpräsidenten, hat aber „trotzdem volles Verständnis dafür, dass eine  solche Entscheidung langjährig verdiente Funktionäre durchaus irritieren kann“.  Betrachtet man rückwirkend den Verlauf des Bundeskongresses in Bonn und  kennt man den Unterschied im Umgang der DSB-Funktionäre miteinander (wer  Macht hat wird beachtet, wer keine hat ignoriert) – dann wird diesen scheinbar  nebenbei ausgesprochenen Worten eine weisheitliche Würde zuteil, wie sie  ihresgleichen sucht. So bricht Bastian auch in anderen Textstellen mit Tabus,  die bisher kaum definiert waren.

Zum Beispiel einfach mal auszusprechen,  dass sich die Topspieler „bei öffentlichen Äußerungen benehmen müssen“, ist  gleichermaßen profan wie absolut notwendig.

Der Neugewählte ist auch auf der DSB-Internetseite ein Mannschaftsspieler. Keiner der drei letzten Präsidenten  (Schlya, Kribben, Weyer – Weizsäcker war ja de facto untätig und hat das Führen des Verbandes seinen  Stellvertretern überlassen) hat es geschafft, einmal das zu unterstreichen was bisher geleistet wurde und wie  diese Lücken zu füllen sind. Im Artikel vom 01. Juli analysiert Bastian die Spuren, die von den ausscheidenden  Präsidiumsmitgliedern hinterlassen wurden.

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Und zwar überlegt, deutlich, genau und wahrheitsgemäß. Auch hier  stehen überraschend klare Aussagen, auch wenn zu beobachten ist, dass kritische Worte erst nach unten gelesen  zunehmen und oben an der Pyramidenspitze eher mal was Schlagsahne obenauf liegt, die da nicht hingehört.

Der Mann spricht in aller Regel aus, was er denkt. Dafür wird er im DSB noch viele Ohrfeigen kassieren. Das ist aber  immer noch besser, als die Versuche sich wie ein Klon eines aalglatten Politikers zu präsentieren. Die Wetten stehen  gut, dass der unendlich Verlängerte durchhält. Quod erat demonstrandum? Demnächst in diesem Theater…