Remis in Gewinnstellung: Gabriel Sargissjan tut alles für sein Team
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Mittwoch, 27 Juli 2011 10:39

Und auf einmal ist alles remis

Zwei Runden vor Schluss führte Armenien bei der Mannschafts-WM schon mit zwei Punkten Vorsprung, doch es wurde noch richtig spannend. Eine Niederlage in der Schlussrunde hätte China, oder falls China gegen Ungarn nicht gewinnt und es gegen den direkten Gegner Ukraine ein Debakel setzt, auch diese vorbeiziehen lassen. Aronjan war in Schwierigkeiten gegen Iwantschuk, Akopjans Mehrbauern waren unverwertbar. Als Sargissjans Vorteil gegen Moisejenko größere Ausmaße annahm und sich ein chinesischer Sieg gegen Ungarn ebenso abzeichnete wie dass Russland gegen Indien nicht über ein 2:2 hinauskam, reagierten die Mannschaftsführer. Schnell war ein 2:2 ausgehandelt, das Armenien Gold (ein weiterer schöner Erfolg für ein armes, gebeuteltes Land) und der Ukraine die besten Aussichten auf Bronze versprach, denn für mehr wäre ein 3,5:0,5 nötig gewesen. Die Geschädigten waren China, das nur noch Silber holen konnte, und Russland, das nun auf Teufel komm raus gewinnen musste: Nepomnjaschtschi riskierte alles und verlor noch, was aber ebenso wie ein Remis Platz 4 bedeutete.
 
Remis an allen Brettern, darf man das überhaupt? Immerhin waren an allen Brettern mehr als 30 Züge gespielt, es zählten die Mannschaftspunkte, und es war lächerlich im Vergleich mit Absprachen, die früher bei Schacholympiaden bereits nach wenigen Minuten in verwaisten Brettern resultierten. Oder bin ich da als Armenien-Fan zu weich?
 
Gefreut habe ich mich nicht nur mit Aronjan und Co sondern auch mit Samy Shoker, der fast die Hälfte der ägyptischen Punkte holte und sich eine GM-Norm holte. Verdient gehabt hatte er sie bereits vor zwei Jahren beim Wiener Open, wo ich ihn kennenlernte, aber wegen einer Fehlkonstruktion waren GM-Normen damals nicht möglich (und sind es heuer für Spieler über 2350 wahrscheinlich auch nicht). In der Schlussrunde brauchte Shoker einen Schwarzsieg gegen einen 2765er - und schaffte es. Mamedscharow ließ sich abtragen wie ein 2400er. Verdächtig? Wenn Mamedscharow eines Tages ein lukratives Simultan oder eine Trainingssession in Kairo gibt... 
 
Ein Wort zu China: Hou Yifan ist von gleichaltrigen Burschen überholt worden (und hat mit Ju Wenjun nun auch noch starke weibliche Konkurrenz in ihrem Land) und ist weit entfernt von der Aufnahme ins chinesische Team, das aber nicht dank der Youngster Yu und Ding so glänzte, sondern dank seiner Routiniers Wang Yue (24) und Wang Hao (21). Chinas Team hatte ein Durchschnittsalter von nicht ganz 21 Jahre. Der einst jüngste Großmeister der Welt Bu (25) ist bereits ausgemustert.
 
Wird Meier (links) am Brett Zähne zeigen?
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Donnerstag, 21 Juli 2011 09:20

Hallo Dortmund!

Dass sich Schachfestivals im Sommer terminlich auf die Füße treten, ist kaum zu vermeiden. Die Dortmunder Schachtage, die an diesem Donnerstag im Schauspielhaus losgehen, sind vor einigen Jahren selbst in die theaterfreie zweite Julihälfte und damit genau den angestammten Termin von Biel gegrätscht. Dass auch die FIDE ihre erstmals nicht mehr im Vier-Jahres-Rhythmus ausgetragene Mannschafts-WM auch noch auf diese Zeit legt, ist gemein (zumal es am Austragungsort, dem subtropischen Ningbo, im Juli heiß und regnerisch ist). Die früher belächelte WM ist so gut besetzt wie nie und verspricht nach dem 1:3 der Russen gegen Aserbaidschan am Mittwoch bis zum Abschluss am kommenden Dienstag hochspannend zu verlaufen. Auch Biel kostet Dortmund internationale Aufmerksamkeit, schraubt Carlsen dort doch mit jedem Sieg seine Weltranglistenführung und Elozahl weiter nach oben.  
 
Dabei hätte Dortmund dieses Jahr mal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit verdient. Das Teilnehmerfeld ist das interessanteste seit langem. Dass der in Dortmund zuletzt nur langweilende Leko fehlt (so einen Knaller wie gestern bei der Mannschafts-WM gegen Iwantschuk hat er in "seiner zweiten Heimat" bei jährlicher Teilnahme zuletzt 2002 abgeliefert) und mit Anish Giri und Hikaru Nakamura zwei aufstrebende und nicht um Worte verlegene Hoffnungsträger eingeladen worden, ist unbedingt zu loben. Außerdem den unvermeidlichen Kramnik und Aeroflot-Sieger Le.
 
Zu mehr als einem deutschen Teilnehmer hat man sich trotz des (nicht nur von mir) überdeutlichen Lobs für das Londoner Modell (viermal Weltklasse, viermal nationale Spitze) nicht durchringen können. Kurioserweise wurde Naiditsch von den eigentlich elogeilen Dortmundern ausgerechnet im Jahr seiner besten Zahl ein (in jeder Beziehung um ein Jahr verspäteter) Denkzettel verpasst. Dafür kann er dankbar sein, denn in diesem Feld wäre er meines Ermessens erster Anwärter auf den letzten Platz und einen fetten Eloverlust. Dafür erhält Meier seine erste Chance auf so hohem Niveau. Seine Generalprobe, ein Schnellturnier bei den Maccabi-Spielen in Wien, wo er an die 100 Elopunkte mehr als der Zweitbeste hatte, gewann der Trierer zwar mit 17,5 aus 22, gab dabei aber mehr Punkte ab als erwartet. Ich glaube nicht, dass Meier wie Gusti bei seiner einzigen Dortmunder Chance 2008 den Turniersieg in Greifweite haben sondern mit jedem erbeuteten halben Punkt zufrieden sein wird. Und hoffentlich eine oder zwei gewinnt.
 
Wer kommentiert im Schauspielhaus? Gusti und Naiditsch? Wäre mal interessant gewesen (und ein Anreiz vorbeizuschauen), aber Klaus Bischoff und Sebi Siebrecht werden sicher auch einen guten Job machen.