Betrugsfall im französischen Schach: Auch FIDE sperrt Feller & Co.
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Ein gutes Jahr herrschte Ruhe im Betrugsfall Feller, Marzolo und Hauchard. Mittels einer von Hauchard und Feller erwirkten einstweiligen Verfügung widersetzten sich die beiden aufgrund eines Formfehlers erfolgreich der Sperre des französischen Verbandes und spielten munter ein Turnier nach dem anderen, als ob nichts gewesen wäre.

Dabei war die Sachlage klar: Auf der Schacholympiade in Khanty-Mansyisk 2010 errang Sebastien Feller ein herausragendes Ergebnis, bediente sich dabei jedoch unerlaubter Hilfsmittel: Cyril Marzolo analysierte die im Internet übertragenen Partien mit diversen Schachprogrammen, übermittelte die Ergebnisse per SMS an den Kapitän der französischen Mannschaft, Arnaud Hauchard, der wiederum die Züge über einen Code an Feller weitergab. Aufgeflogen war die ganze Sache, als Hauchard das von der Föderation geliehene Handy zurückgab und dabei vergaß, die SMS zu löschen….

FIDE fällt Urteil

Nun hat auch der Weltschachverband FIDE (www.fide.com)sein Urteil gefällt. Arnaud Hauchard wurde für drei Jahre, Sebastien Feller für zwei Jahre und neun Monate gesperrt. Dem kooperativen Marzolo gegenüber zeigte man sich mit einer anteiligen Bewährungsstrafe gnädiger und folgte der vom französischen Verband verhängten Strafe. Das komplette Urteil als PDF.

Die Chronologie der Ereignisse ist in unserem letztjährigen Beitrag Feller&Co. gehen in Führung nachzulesen.

Ein weitergehender Artikel findet sich auf chessvibes.com (in englischer Sprache) http://www.chessvibes.com/reports/french-cheating-case-fide-confirms-suspension-feller-hauchard-marzolo

Die dort am Ende aufgeworfenen Fragen beantwortete uns Bundesturnierdirektor Ralph Alt in seiner Funktion als Mitglied der Fide Ethik-Kommission:

banner-seminarturnier250-anIst das Urteil in bereits Kraft und sind die Spieler somit von FIDE-Veranstaltungen ausgeschlossen?

RA: Die von der Ethics Commission verhängten Sperren Arnaud Hauchards (3 Jahre) und Sébastien Feller (2 Jahre 9 Monate) beginnen am 1. August. Bei der Sperre gegen Marzolo hat die Ethics Commission die von der Französischen Schachföderation verhängten Sperren wiederholt, samt Beginn (27.05.2011) und Ende (27.11.2012), wobei aber die letzten 9 Monate (beginnend am 27.02.2012) auf Bewährung sind. Damit ist Marzolo derzeit wieder spielberechtigt.

Besteht für die Spieler noch eine Widerspruchsmöglichkeit oder war dies bereits die letzte Instanz?

RA: Gegen Entscheidungen der FIDE kann der CAS (Court of Arbitration for Sport) in Lausanne angerufen werden. Eine Klage dort würde aber den Vollzug der Sperren nicht hemmen, es sei denn er würde auf einen entsprechenden Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen.

Werden Feller die in Khanty-Mansiysk gewonnen Elopunkte sowie sein Brettpreis aberkannt?

RA: Die Entscheidung darüber, welche Konsequenzen die Feststellung, dass Feller sich der Täuschung schuldig gemacht hat, für die ELO-Wertung hat, ist den zuständigen Gremien der FIDE überlassen. Hierzu müsste die Qualifications Commission einen Vorschlag an die General Assembly, das Executive Board oder das Presidential Board machen.

Feller&Co. gehen in Führung
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Mittwoch, 06 Juli 2011 02:53

Feller&Co. gehen in Führung

Selten schafft es ein sportlicher Streitfall auf die juristische Ebene und gerade im Schach sind materielle Beweggründe als Auslöser eher zweitrangig. Allerdings scheint sich dies gerade zu ändern. Nach der letztjährigen Copyrightklage der Bulgaren gegen ChessBase könnte das Rybkathema demnächst die Justiz beschäftigen, und im bisher bedeutendsten Betrugsfall des französischen Schachverbandes zogen die mit hohen Sperren belegten Spieler (wir bericheteten mehrfach: Sebastien Feller gegen den französischen Verbandund ff.) jetzt vor den Kadi. Und dies mit Recht, zumindest auf Paragraphen-Ebene. Das Gericht setzte die Strafen aufgrund formaler Fehler außer Kraft, Sebastien Feller und Arnaud Hauchard sind ab sofort wieder spielberechtigt

Der Gang zur Justiz ist ein durchaus legitimer und verständlicher Schritt der französischen Spieler, wollen sie ihre Karrieren nicht kampflos beenden. Doch das Urteil kann die Schachwelt nicht befriedigen, denn anscheinend wurde der eigentliche Betrugsvorwurf gar nicht erst verhandelt (vielleicht auch von den Klägern auch nicht bestritten??). Interessant erscheint hierbei auch, dass auch nur zwei der drei Beschuldigten den Rechtsweg einschlugen. Der dritte im Bunde, IM Cyril Marzolo, akzeptierte das Urteil des Verbandes und bleibt dementsprechend gesperrt.

bannersr12013-web-anz400Nun ist es an der französischen Föderation zu prüfen, ob man gegen die angeblichen Betrügern in der nächsten Instanz vorgehen kann, oder ob sie aufgrund von Formalien straffrei ausgehen. Ein längerer Rechtstreit wäre wohl die Konsequenz. Der Verband erhielt in der Zwischenzeit einen neuen Präsidenten, der die Sache etwas emotionsloser sieht als sein Vorgänger. Bleibt zu hoffen, dass es nicht ausgeht wie das Schießen zu Hornberg.

Die Historie:

19. März 2011

Der französische Verband befindet Feller, Hauchard und Marzolo des Betruges für schuldig und spricht Strafen von 3-5Jahren aus.

Spieler und Präsidium gegen in Revision

19. Mai 2011

Die Revision führt zu einer Verschärfung der ursprünglichen Strafen: Bei Feller von drei auf fünf Jahre und Hauchard erhält zusätzlich zu bestehenden lebenslangen Sperre als Teamkapitän eine dreijährige als Spieler. Bei Marzolo bleibt es bei fünf Jahren.

25. Mai 2011

Das von den Spielern angerufene nationale französische Sportkommittee stellt sich hinter die Entscheidung des Verbands

27. Mai 2011

Antrag der Spieler auf einstweilige Verfügung um auf der französischen Mannschaftsmeisterschaft teilnehmen zu können, wird von Versailler Gericht abgelehnt.

29. Juni 2011

Das Gericht gibt dem Antrag Hauchards und Fellers statt und setzt die Strafen außer Kraft. Als Begründung wird ein formaler Fehler in den Regularien des Verbandes angegeben. Zudem war anscheinend das Präsidium nicht revisionsberechtigt, sondern der Antrag hätte von der Ethikkommission gestellt werden müssen. (Keine Haftung des Autors für Übersetzungsfehler..)

Eine genauere Darstellung der Geschichte ist auf Chessvibes nachzulesen (in englischer Sprache). Auf der Website der französischen Föderation findet man eine erste Stellungnahme.

Montag, 21 März 2011 13:33

Harte Strafe für Feller

Die vor zwei Monaten (wir berichteten) publik gewordene Affäre um Sebastien Feller hat ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Je fünf Jahre Spielsperre hat die Disziplinarkommission des Französischen Verbands gegen ihn und Cyril Marzolo ausgesprochen, wobei Feller zwei Jahre erlassen bekommen kann, angeblich gnadenhalber wegen seiner Jugend, wenn er dafür eine vom Verband anerkannte gemeinnützige Arbeit verrichtet. Arnaud Hauchard ist nicht als Spieler gesperrt, darf aber nie mehr als Nationaltrainer oder Mannschaftsführer in Frankreich tätig werden.

Das Protokoll der Verhandlung macht erstmals öffentlich, wie der ihnen von ihrem Verband vorgeworfene "organisierte Betrug" stattgefunden haben soll (auf Englisch gibt es das meiste davon bei Chessvibes). Während der Schacholympiade schickte Marzolo, wenn Feller gerade spielte, täglich an die zwanzig SMS-Texte mit Zugvorschlägen an die Mobilnummern von Hauchard und Feller. Die Nachrichten wurden entdeckt, weil Marzolos Mobiltelefon zu der Zeit von der Vizepräsidentin des Verbandes Joanna Pomian, für die er arbeitete, bezahlt wurde und er Textnachrichten von ihrem Haus verschickte, wo sie das ihm von ihr zur Verrfügung gestellte Mobiltelefon zu sehen bekam. Den Inhalt der Nachrichten konnte sie als Vertragspartnerin später beim Mobilfunkanbieter abrufen. Hauchard war als Kapitän in Chanti-Mansisk. Der Verbandpräsident Jean Claude Moingt war als Delegierter dort und beobachtete ihn, als er von dem Verdacht hörte. Moingts Schilderung nach übermittelte Hauchard Feller die Zielfelder des gerade besten Zugs, indem er sich nach einem einfachen System im Saal neben oder hinter den gegnerischen Spielern postierte. Edouard Romain und Maxime Vachier-Lagrave bezeugten, dass Hauchard privat ihnen gegenüber eingeräumt habe, dass Fellers Partien in Chanti-Mansisk manipuliert worden seien. Laurent Fressinet berichtete vor der Kommission, dass er einige von Fellers Olympiadepartien mit Firebird nachgespielt habe, und sein Mannschaftskamerad nahezu ausschließlich den Zug der ersten Wahl dieses Programms gespielt habe.

Bannerschachreisen300Obwohl der Betrugsverdacht Tage vor Ende der Schacholympiade ruchbar wurde und von Moingt auch für belegt erachtet wurde, sah der Präsident des Französischen Verbands davon ab, die Schiedsrichter in Chanti-Mansisk zu informieren, sondern begnügte sich damit, Fellers Aufstellung in der noch ausstehenden letzten Runde zu untersagen. Moingts Schilderung nach habe er sich dem Vorsitzenden der FIDE-Ethikkomission anvertraut und der habe ihm geraten, die Sache intern (!) zu regeln. Mit der Folge, dass Feller eine Medaille für seine Leistung erhielt und Frankreich das Turnier gerade noch unter den ersten zehn abschloss.

Ein weiterer Beigeschmack betrifft das Verhältnis zwischen Vizepräsidentin Pomian und den Spielern: Seit acht Jahren hatte sie Marzolo beschäftigt, nicht zuletzt als Heimtrainer für ihren Sohn Thomas Saatdjian, aber just im vorigen Sommer oder Herbst zerrüttete ihr Verhältnis, und Marzolo ist nun arbeitslos. Feller wiederum war jahrelang derjenige, der ihrem Sohn sportlich überlegen war und für internationale Jugendwettbewerbe den Vorzug erhielt. Dass Feller bereits bei seinem Sieg bei der Pariser Stadtmeisterschaft im Juli 2010 unerlaubte Hilfe bekommen haben könnte, spielte vor der Disziplinarkommission nur insoweit eine Rolle, als berichtet wird, dass Frau Pomian das Gerücht kannte, als sie Marzolos SMS entdeckte. Ob Frau Pomian, wenn sie Marzolo und Feller gesonnener wäre, die Sünder verpfiffen hätte?   

Da das Urteil noch nicht greift, darf Feller ab Dienstag an der EM in Aix-en-Provence teilnehmen, wo er angemeldet ist, und der Französische Verband muss ihm sogar die Kosten zahlen. In der Praxis kann er, wenn das Urteil nicht wegen formaler Fehler (wie der von einem französischen Zivilgericht in Nanterre bereits zurückgewiesenen Zulässigkeit der privaten SMS als Beweise) kassiert oder zumindest stark abgemildert wird, seine berechtigten Ambitionen, über 2700 oder sogar 2750 zu kommen und vielleicht die französische Nummer eins oder zumindest zwei hinter Max Vachier-Lagrave zu werden, beerdigen und ein Studium oder eine Berufsausbildung beginnen. Aber zunächst will er, wie von seinem Anwalt vor der Disziplinarkommission angekündigt, kämpfen.

Wer waren, wenn Fellers Siege manipuliert waren, eigentlich die (bisher praktisch nirgends erwähnten) Geschädigten? Vor allem diejenigen, die am Reservebrett geringer dotierte Preise erhielten oder leer ausgingen, nämlich Mateusz Bartel (Polen), Vlastimil Babula (Tschechien) und Kirill Stupak (Weißrussland). Außerdem die ihm unterlegenen Artijom Timofejew, David Howell oder Tamas Gelaschwili und deren Mannschaften. Oder die Mannschaft, die einen Platz unter den ersten zehn an Frankreich verpasste, nämlich Polen.

Hauchard und Marzolo werden entlastet
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Sonntag, 30 Januar 2011 21:00

Hauchard und Marzolo werden entlastet

Hier und auf einigen anderen Blogs tauchten anonyme Hinweise auf, dass zwei der vom Französischen Verband unter Betrugsverdacht gestellte Spieler bereits vorigen Sommer in Biel auffällig geworden und bei dem Turnier nicht mehr willkommen seien. Das wird von der Festivalleitung in einem gerade erschienenen Statement zurückgewiesen. Es habe keine Hinweise während des Turniers auf ein Fehlverhalten seitens Arnaud Hauchards oder Cyril Marzolos gegeben sondern erst mehr als einen Monat später und auch nur anonym. Während des Turniers sei auch nichts aufgefallen. Und wenn etwas aufgefallen wäre, wäre es in jedem Fall untersucht worden. Dass die anonymen Hinweisgeber in den Blogs behaupteten, die Franzosen seien in Biel nicht mehr willkommen, diskreditiert ihre Aussagen und entlastet Hauchard und Marzolo. Hier das ausführliche Statement der Bieler Festivalleitung:

Medienmitteilung des Internationalen Schachfestival Biel

Drei französische Schachspieler, welche am Meisteropen des Internationalen Schachfestivals im Juli 2010 in Biel teilgenommen haben, werden vom Französischen Schachverband verdächtigt, während der Schacholympiade im Herbst 2010 in Russland betrogen zu haben. Im September 2010 waren dem Organisationskomitee des Bieler Schachfestivals bereits anonyme Augenzeugenberichte übermittelt worden, welche den drei gleichen Spielern vorwerfen, schon in Biel dasselbe begangen zu haben. Von Seiten des Schachfestivals konnte die Sache nicht weiter verfolgt werden, da die Anschuldigungen anonym blieben, viel Zeit vergangen war und keine Beweise vorlagen. In jedem Fall werden die Kontrollen während des nächsten Schachfestivals (16. – 29. Juli 2011) verschärft.

Das Organisationskomitee des Internationalen Schachfestival Biel hat die Mitteilung des Französischen Schachverbands (FFE) vom 21. Januar 2011 Kenntnis genommen. Darin wird erklärt, dass der FFE am 22. Dezember 2010 gegen die Grossmeister Sébastien Feller und Arnaud Hauchard sowie gegen den Internationalen Meister Cyril Marzolo ein Verfahren eingeleitet habe, um den Verdacht «des Betrugs, welcher jegliche sportliche Ethik vermissen lässt und ein schlechtes Licht über die Nationalmannschaft wirft, welche vom 21. September bis 3. Oktober an der Schacholympiade in Khanty Mansiysk teilgenommen hat», zu klären. (Im Wortlaut: «triche organisée, manquement grave à l’éthique sportive, atteinte portée à l’image de l’équipe nationale olympique dans le cadre des Olympiades de Khanty Mansiysk du 21 septembre au 3 octobre 2010.»)

In verschiedenen Artikeln und Interviews, welche auf etlichen Websites erschienen sind, wurde angetönt, dass die drei genannten Spieler einen solchen Betrug bereits am Meisteropen des Schachfestivals 2010 in Biel bereits einmal versucht hätten.

Das Schachfestival Biel nimmt nach entsprechenden direkten und indirekten Anfragen in dieser Sache wie folgt Stellung:

1. Gemäss Mitteilung des FFE wurde die Untersuchung wegen der Vorgänge an der Schacholympiade in Khanty-Mansyik eingeleitet. Bis heute haben wir keine Anfrage des FFE erhalten.

2. Am Meisteropen in Biel im Jahr 2010 haben die beiden GM Arnaud Hauchard und Sébastien Feller tatsächlich teilgenommen. IM Cyril Marzolo hielt sich während einigen Tagen im Kongresshaus auf, ohne jedoch selber am Meisteropen teilzunehmen.

3. Während des Turniers gab es gegenüber den Schiedsrichtern keine direkte und offizielle Klage gegen einen der genannten Spieler. Im Büro des Schachfestivals hat sich zwar jemand gemeldet, der eine „Verdächtigung wegen Absprachen“ geäussert hat. Da solche Verdachtsmomente relativ häufig im Büro vorgebracht werden, aber oft nicht fundiert sind, wurde diese Person angewiesen, mit einem Schiedsrichter Kontakt aufzunehmen. Weder der Hauptschiedsrichter noch ein Mitglieds des Organisationskomitees haben Kenntnis davon, dass jemand einen Schiedsrichter wegen konkreter Verdachtsmomente angesprochen hätte.

4. Es ist selbstverständlich, dass eine konkrete Verdächtigung von einem Schiedsrichter abgeklärt worden wäre.

5. Erst im September, also gut einen Monat nach dem Meisteropen in Biel, wurde uns durch eine Drittperson ein E-Mail mit den detaillierten Aussagen dreier anonymer Augenzeugen übermittelt, welche gegen die drei Spieler den Verdacht des „Betrugs“ äussert. In diesen anonymen Aussagen wird insbesondere von einer bestimmten Partie gesprochen. Der GM, welcher gemäss diesen Aussagen benachteiligt gewesen sei, kann sich jedoch nicht daran erinnern, dass etwas abnormal verlaufen sei.

6. Bis heute sind uns die Namen der drei Zeugen nicht bekannt, zudem wurde der Verdacht erst Wochen nach Abschluss des Turniers erstmals klar geäussert, so dass das Schachfestival im Moment nicht in der Lage ist, zu diesen Verdächtigungen Stellung zu nehmen.

7. Nach Bekanntwerden von Verdächtigungen wurde beschlossen, das Kontrolldispositiv am nächsten Schachfestival vom 16. – 29. Juli 2011 zu erhöhen.

Internationales Schachfestival Biel, Organisationskomitee, 30.01.2011

Es sieht nicht gut aus für Feller
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Samstag, 29 Januar 2011 12:13

Es sieht nicht gut aus für Feller

Weder Nakamuras Lauf noch Carlsens Krise, weder Giris frühreifes Spiel noch die laufenden Verhandlungen zwischen London und der FIDE über die nächste WM sind derzeit Gesprächsstoff Nummer eins im Spitzenschach, sondern der Vorwurf des organisierten Betrugs gegen den 19 Jahre alten französischen Nationalspieler Sebastien Feller und die mit ihm befreundeten Arnaud Hauchard und Cyril Marzolo, der dem erstgenannten bei der Schacholympiade zu einer Goldmedaille an seinem Brett verholfen haben soll. Einerseits weil es der Französische Schachverband ist, der den schlimmen Verdacht erst öffentlich gemacht hat. Andererseits weil Betrug mit Computerhilfe, um die es mutmaßlich geht, bisher mit Ausnahme von Onlineturnieren und den unsäglich breit getretenen Schmutzattacken zwischen Topalows Lager und Kramniks Lager bisher eine Sache von Amateuren war und nicht von Großmeistern mit mehr als 2600 Elo, deren ganze Karriere auf dem Spiel steht. Auch wenn sich die Indizien häufen, gilt bis zu einer sportrechlich haltbaren Klärung des Sachverhalts die Unschuldsvermutung. 

Fellers Nationalmannschaftskollegen Fressinet, Romain, Tkachiev und Vachier-Lagrave haben dem Verband öffentlich ihre volle Unterstützung der Untersuchung zugesichert. In einem Videointerview mit Europe Echecs bekunden zwei von ihnen, von den Vorwürfen überrascht zu sein. In Wijk aan Zee macht aber die Runde, dass Vorkommnisse rund um Fellers Partien bei der Schacholympiade schon in Chanti-Mansisk ein Thema waren (wobei für meine Begriffe nur sein kombinatorisch brillanter Sieg gegen Howell verdächtig aussieht). Der französische Verband stellt sich nun zwar gerne als Saubermann dar, wird aber erklären müssen, warum so lange Zeit verstrichen ist, bevor sich die Funktionäre, zumindest offiziell, der Sache angenommen haben. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass eine interne Lösung gesucht wurde und dass wir, hätte Frankreich statt dem zehnten Platz Bronze geholt, nie davon erfahren hätten. Fellers hier bereits veröffentlichtes Statement, das Verfahren gegen ihn sei eine Retourkutsche dafür, dass er Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen des Verbands zur Sprache gebracht habe, dürfte für die Beteiligten nicht überraschend kommen. Die Verbandsführung scheint sich für das öffentliche Waschen schmutziger Wäsche gerüstet zu fühlen. Zumindest erklärungsbedürftig ist auch, warum der Verband nur die Namen der Beschuldigten nicht aber deren Vergehen benannt und zusammen mit der Veröffentlichung keine Beweise vorgelegt hat.

Betrugsvorwürfe gegen Feller gab es schon 2008 nach einem Onlineturnier auf einem Chessbase-Server (von dort stammt der Screenshot über diesem Beitrag). Auch Arnaud Hauchard und Cyril Marzolo sind keine unbeschriebenen Blätter. Vorigen Sommer beim Meisterturnier in Biel berichten Augenzeugen, dass während Hauchards Partie gegen Pelletier Marzolo nebenan mit einem Notebook analysiert habe und wiederholt in den Turniersaal geeilt sei, während Hauchard noch am Zug war. Der Verdacht, dass Züge signalisiert worden seien (ich fand an Hauchards Gewinnführung gegen Pelletiers schwache Partieanlage allerdings nichts Verdächtiges), sei der Festivalleitung überbracht und auch Chessbase mitgeteilt worden, wurde aber erst vor Tagen durch anonyme Kommentare in diesem und einigen anderen Blogs bekannt. Hauchards voller Punkt gegen Pelletier hatte allerdings Bestand, und das Turnier durfte er auch zu Ende spielen. Die Festivalleitung in Biel hat für diesen Sonntag abend eine Stellungnahme angekündigt.

Diese Stellungnahme liegt nun vor. Und sie entlastet Hauchard und Marzolo. Mehr als anonym vorgebrachte Vorwürfe gab es nicht:

Medienmitteilung des Internationalen Schachfestival Biel

 

Drei französische Schachspieler, welche am Meisteropen des Internationalen Schachfestivals im Juli 2010 in Biel teilgenommen haben, werden vom Französischen Schachverband verdächtigt, während der Schacholympiade im Herbst 2010 in Russland betrogen zu haben. Im September 2010 waren dem Organisationskomitee des Bieler Schachfestivals bereits anonyme Augenzeugenberichte übermittelt worden, welche den drei gleichen Spielern vorwerfen, schon in Biel dasselbe begangen zu haben. Von Seiten des Schachfestivals konnte die Sache nicht weiter verfolgt werden, da die Anschuldigungen anonym blieben, viel Zeit vergangen war und keine Beweise vorlagen. In jedem Fall werden die Kontrollen während des nächsten Schachfestivals (16. – 29. Juli 2011) verschärft.

Das Organisationskomitee des Internationalen Schachfestival Biel hat die Mitteilung des Französischen Schachverbands (FFE) vom 21. Januar 2011 Kenntnis genommen. Darin wird erklärt, dass der FFE am 22. Dezember 2010 gegen die Grossmeister Sébastien Feller und Arnaud Hauchard sowie gegen den Internationalen Meister Cyril Marzolo ein Verfahren eingeleitet habe, um den Verdacht «des Betrugs, welcher jegliche sportliche Ethik vermissen lässt und ein schlechtes Licht über die Nationalmannschaft wirft, welche vom 21. September bis 3. Oktober an der Schacholympiade in Khanty Mansiysk teilgenommen hat», zu klären. (Im Wortlaut: «triche organisée, manquement grave à l’éthique sportive, atteinte portée à l’image de l’équipe nationale olympique dans le cadre des Olympiades de Khanty Mansiysk du 21 septembre au 3 octobre 2010.»)

In verschiedenen Artikeln und Interviews, welche auf etlichen Websites erschienen sind, wurde angetönt, dass die drei genannten Spieler einen solchen Betrug bereits am Meisteropen des Schachfestivals 2010 in Biel bereits einmal versucht hätten.

Das Schachfestival Biel nimmt nach entsprechenden direkten und indirekten Anfragen in dieser Sache wie folgt Stellung:

1. Gemäss Mitteilung des FFE wurde die Untersuchung wegen der Vorgänge an der Schacholympiade in Khanty-Mansyik eingeleitet. Bis heute haben wir keine Anfrage des FFE erhalten.

2. Am Meisteropen in Biel im Jahr 2010 haben die beiden GM Arnaud Hauchard und Sébastien Feller tatsächlich teilgenommen. IM Cyril Marzolo hielt sich während einigen Tagen im Kongresshaus auf, ohne jedoch selber am Meisteropen teilzunehmen.

3. Während des Turniers gab es gegenüber den Schiedsrichtern keine direkte und offizielle Klage gegen einen der genannten Spieler. Im Büro des Schachfestivals hat sich zwar jemand gemeldet, der eine „Verdächtigung wegen Absprachen“ geäussert hat. Da solche Verdachtsmomente relativ häufig im Büro vorgebracht werden, aber oft nicht fundiert sind, wurde diese Person angewiesen, mit einem Schiedsrichter Kontakt aufzunehmen. Weder der Hauptschiedsrichter noch ein Mitglieds des Organisationskomitees haben Kenntnis davon, dass jemand einen Schiedsrichter wegen konkreter Verdachtsmomente angesprochen hätte.

4. Es ist selbstverständlich, dass eine konkrete Verdächtigung von einem Schiedsrichter abgeklärt worden wäre.

5. Erst im September, also gut einen Monat nach dem Meisteropen in Biel, wurde uns durch eine Drittperson ein E-Mail mit den detaillierten Aussagen dreier anonymer Augenzeugen übermittelt, welche gegen die drei Spieler den Verdacht des „Betrugs“ äussert. In diesen anonymen Aussagen wird insbesondere von einer bestimmten Partie gesprochen. Der GM, welcher gemäss diesen Aussagen benachteiligt gewesen sei, kann sich jedoch nicht daran erinnern, dass etwas abnormal verlaufen sei.

6. Bis heute sind uns die Namen der drei Zeugen nicht bekannt, zudem wurde der Verdacht erst Wochen nach Abschluss des Turniers erstmals klar geäussert, so dass das Schachfestival im Moment nicht in der Lage ist, zu diesen Verdächtigungen Stellung zu nehmen.

7. Nach Bekanntwerden von Verdächtigungen wurde beschlossen, das Kontrolldispositiv am nächsten Schachfestival vom 16. – 29. Juli 2011 zu erhöhen.

 Internationales Schachfestival Biel, Organisationskomitee, 30.01.2011

 

Sebastien Feller
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Seit Freitag sorgt für Aufregung, dass der Französische Schachverband gegen drei Spieler ein Disziplnarverfahren wegen "organisierten Betrugs bei der Schacholympiade in Chanti-Mansisk" eingeleitet hat. Was Nationalspieler Sebastien Feller, Nationaltrainer Arnau Hauchard und dem in Chanti-Mansisk gar nicht anwesenden IM Cyril Marzolo angelastet wird, hat der Verband indessen völlig der Fantasie der Leser überlassen. Wenn ein Verband so gegen seine Spieler vorgeht und auch die FIDE und nationale Behörden informiert hat, werde schon etwas dran sein, meinen viele, die die Meldung übernommen oder kommentiert haben.

Ich halte nichts von Vorverurteilung und habe, bevor ich etwas veröffentliche, Sebastien Feller gebeten, Stellung zu nehmen. Aufgrund des unvermeidlichen Rechtsstreits möchte er das im Moment nur mit einem vorbereiteten Statement tun. Diesem zufolge handle es sich um eine Racheaktion des Präsidenten des Französischen Verbands Jean Claude Moingt, weil Feller Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen ins Gespräch gebracht habe. Feller hat einen Anwalt beauftragt, eine Verleumdungsklage gegen den Verband anzustrengen. Hier im Original (zur Übersetzung):

"Je conteste totalement les accusations de tricherie de la Fédération Française d' Echecs. Cette procédure disciplinaire est en réalité liée au fait que j'ai soutenu lors des Olympiades, l' actuel président de la FIDE en opposition avec l 'acutelle direction de la Fédération Française des Echecs. Le président de la FIDE est d' ailleurs diffamé sur le blog de Jean-Claude Moingt, lequel prétend qu 'il a bénéficié de procurations fictives. De plus, j' ai fait état lors de conversations privées, lesquelles ont été répétées, d' irrégularités comptables de la Fédération Française (des précisions seront données ultérieurement), lesquelles ont déclenché la colère du président. J'ai demandé à mon avocat, Me Charles Morel, d' engager une action en justice en dommages et intérêts contre la Fédération Française pour avoir de façon injustifiée cité mon nom dans un communiqué, repris sur tous les sites français et étrangers, ainsi que dans la presse internationale."

Am Montag hat der Französische Verband den korsischen Schachorganisator Leo Battesti zum Sprecher in der Sache ernannt (weil Präsident Moingt als Zeuge auftreten müsse). In einem Interview mit Europe Echecs geht Battesti nicht auf die Frage ein, was Feller, Hauchard und Marzolo genau vorgeworfen wird, sondern lobt wortreich das konsequente Vorgehen seiner Mitfunktionäre.  


Hier die Übersetzung ins Deutsche (vielen Dank an unseren Leser Lowscore)

"Ich bestreite die Betrugsvorwürfe des französischen Schachbundes gänzlich. Dieses Disziplinarverfahren hängt in Wirklichkeit mit der Tatsache zusammen, dass ich bei der Olympiade den aktuellen FIDE Präsidenten, im Gegensatz zur derzeitigen Linie des französischen Schachverbands, unterstützt habe. Der Präsident des FIDE wird im Übrigen auf dem Blog von Jean-Claude Moingt verunglimpft, wo behauptet wird, dass er von fiktiven Vollmachten profitiert hat. Außerdem habe ich in privaten Unterhaltungen, die wiederholt worden sind, von Buchungsunregelmäßigkeiten des französischen Verbandes (Einzelheiten werden später genannt) berichtet, die den Zorn des Präsidenten hervorgerufen haben. Ich habe meinen Rechtsanwalt Herrn Charles Morel darum gebeten, eine Gerichtsklage auf Schadenersatz gegen den französischen Verband einzureichen, und zwar wegen der ungerechtfertigten Nennung meines Namens in einer Mitteilung, die auf allen französischen und ausländischen Seiten sowie in der internationalen Presse weiterverbreitet wurde."