Donnerstag, 22 Dezember 2011 21:53

Wünsche an Caissa

Da nun die Hochsaison für Wunschzettel an das Christkind, den Weihnachtsmann und weitere bekannte, aber dennoch anonyme Bittempfänger ist, hat sich die Krennwurzn in ihrer kindlichen Unbefangenheit aufraffen können ebenfalls einen Wunschzettel an die Schachgöttin zu schreiben.

Liebe Caissa,

bevor ich zu meinen Wünschen komme, möchte ich Dir herzlich für das Schachjahr 2011 danken – es hätte für mich wohl nicht besser kommen können. Trotz wenig Zeit für Schach kam ich in den heurigen Urlauben an schönen Orten mit Schach in Berührung. Zuerst im Frühling in Budapest der Besuch des legendären Szechenyi-Bad und dann noch im September eine Werbeveranstaltung für Sport in Florenz vor der Kirche Santa Maria Novella.

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(Schachbretter vor der Kirche Santa Maria Novella in Florenz)

Am Brett hast Du mich dieses Jahr total verwöhnt – ich spielte zwar wie meist grottenschlecht, aber dafür punktete ich hervorragend und blieb bis jetzt ohne Niederlage in einer Turnierpartie – mir ist klar, dass diese Serie beim 20. Donauopen in Aschach enden muss!

Nun aber zu meinem Wünschen – vor allem wünsche ich mir mehr Realitätssinn bei uns Schachspielern und ein wenig mehr Farbe im Denken. Das typische schwarz-weiß-Denken wird zwar vom Spiel vorgegeben, eröffnet aber abseits des Brettes in Kombination mit sportlich ehrgeizigem Sieg oder Niederlagedenken mehr Konfliktpotential und lässt vor allem wenig Raum für das schachtypische Remis – das sich dann Kompromiss nennt – oder sich im Grundsatz „Leben und leben lassen“ wiederspiegelt.

Dann wünsche ich mir weniger Neid im Schach – manchmal hat man das Gefühl, dass sich die Akteure nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln vergönnt sind. Nahezu endlose Diskussion zu Bezügen von Funktionären und Spielern auf Verbandsebene legen hier ein sehr schlechtes Zeugnis ab, wie auch die unsäglichen Diskussion über die Verteilung der Preisgelder. Sei es die unsinnige Frage, ob man Rückflüsse an die Masse der Einzahler (Ratingpreise) zulassen soll oder nicht oder die ebenfalls endlose Fragerei welche Zweitwertung bei Turnieren angewandt werden sollte. Ein besonders krasses Beispiel hierzu ist, dass ein namhafter Schachspieler in diesem Zusammenhang sogar von Gelddiebstahl spricht und offensichtlich gar nicht daran denkt, dass man das als Wunsch nach jener Zweitwertung sehen könnte, die aktuell persönlich das meiste Geld ins Tascherl spült. Ein Wunsch, den nicht einmal Sie verehrte Caissa erfüllen können, denn Zweitwertung kann nicht bedeuten: jedem das Meiste, sondern bedeutet zwangsläufig fast immer „ungerecht“ Teilen. 

Da ich ja unersättlich bin, habe ich noch einen Wunsch, den die FIDE erfüllen könnte und der den meisten Ländern, die keine Schachspieler „exportieren“, helfen würde: ein Spieler ein Verein und zwar weltweit! Die Mitgliederzahlen sinken und viele beklagen, dass es immer schwieriger wird als Profi das Auslangen zu finden und da sollen „Wanderarbeiter“ die Lösung sein? Junge Leute kann man auf Vereinsebene leichter heranführen, wenn es fix bezahlte Profis im Verein gibt, deren Aufgabe neben den Meisterschaftsspielen auch das Trainieren und Sichten von jungen Talenten ist. Ein Verein kann sich dann schwerer eine Kaderliste voller Profis leisten, die nur zu den Spielen anreisen und sonst nicht zur Verfügung stehen. Vielleicht entwickelt sich aus einem fix angestellten Spieler ein „Localhero“ und dieser lockt dann seinerseits junge Spieler und Sponsoren an – wäre das nicht eine Zukunftsvision – gerade für die reichen mitteleuropäischen Länder?

Und da wir schon bei den Sponsoren sind, kannst Du, liebe Caissa, den Profis einmal im Schlaf den Unterschied zwischen einem Mäzen, der Geld zur eigenen Freude verschenkt und einem Sponsor, der für sein Geld eine Gegenleistung haben möchte, klar und verständlich erklären? Auch ein Sebastian Vettel muss Sponsorentermine wahrnehmen und sein Arbeitgeber nagt bei Gott nicht am Hungertuch.

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(legendäres Szechenyi-Bad in Budapest) 

Damit wir mit Schach nicht baden gehen, wäre es auch Zeit mit dem längst nicht mehr gültigen und widerlegten „Mythos vom Talent“ aufzuräumen – sogar in der Fischerdokumentation wurde klar angesprochen was viele moderne Studien längst bewiesen haben: der Erfolg, der zur Meisterschaft führt, kommt vom Arbeiten (viele 10.000e Stunden)!

Ich hätte noch so viele Wünsche, aber der Zettel neigt sich dem Ende, so bleibt mir nur noch zu sagen, dass es mich als Österreicher ungeheuer gefreut hat, dass der schachliche Underdog Deutschland Europameister wurde und mich als Zyniker die Aftershowparty zu wahren Begeisterungsstürmen hingerissen hat. Schade nur, dass uns Österreichern auch in Zukunft so eine Chance nicht geboten werden kann.

Deine Krennwurzn