
Der unendlich Verlängerte
„Sein Name war Wowbagger der Unendlich Verlängerte. Er war ein Mann mit Vorsätzen. Nicht sehr guten Vorsätzen, wie er als erster zuzugeben bereit gewesen wäre, aber es waren wenigstens Vorsätze, und sie hielten ihn wenigstens in Trab. Wowbagger der Unendlich Verlängerte war - das heißt, ist einer der ganz wenigen Unsterblichen im Universum. Diejenigen, die unsterblich geboren werden, wissen instinktiv, wie sie damit fertig werden, aber Wowbagger gehörte nicht zu ihnen. Im Grunde hasste er sie inzwischen, dieses Rudel heitergelassener Arschlöcher.“ (Douglas Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, 1980).
Der Präse sammelt fleißig Punkte. Bei mir. Aber das will nichts heißen, ich hatte ihm das eh zugetraut. Wir kennen uns seit 22 Jahren. 19 davon als Präsident des saarländischen Schachverbandes, sehr viele der Jahre alsLandesmeister (20 Titel), acht Jahre darunter in der Zusammenarbeit im saarländischen Präsidium und sechs der 22 Jahre in seiner Rolle im Arbeitskreis der Landesverbände.
Wie oft ich an seiner Stelle den Griffel hingelegt und aufgegeben hätte, kann ich gar nicht mehr zählen. Der Mann ist schier unverwüstlich, voller Energie, gibt niemals auf - und wiederholt beherzt seine Fehler.
Das macht ihn zu einem unendlich Verlängerten. Im saarländischen Präsidium reichte es bisher nie, in den Landesmeisterschaften selten für einen Konkurrenten. Bastian arbeitet einfach alles weg.
Im derzeitlichen Neuanfangen, Interviewen, Sortieren und Ordnen geht einem leicht der Blick fürs Wesentliche verloren. Vor allem wenn man in seiner Sicht der Dinge so fest verstrickt ist, dass einem kaum Raum zum Reflektieren bleibt. Der neugewählte Präsident des DSB hat in den letzten Wochen zwei sehr bemerkenswerte Interviews und ein Statement zum Status Quo auf der DSB-Seite hinterlassen, in denen es außerordentlich deutliche Aussagen gab. Hier ist der Textmarker:
Am 14. Juni veröffentlichte die Deutsche Schachjugend auf ihren Internetseiten ein Interview während der Jugend-Meisterschaften in Oberhof. Dort antwortet Bastian auf die Frage der Zusammenarbeit zwischen DSJ und DSB: „Wir wissen alle, dass es in der Vergangenheit Spannungen zwischen der DSJ bzw. Jörg Schulz und DSB-Funktionären gab. Unser ausgeschiedener Präsident hat schon auf dem Kongress in Bonn gesagt, dass er die Stirn nicht in Falten legt, wenn er den Namen Jörg Schulz hört, und so sehe ich es auch. An dieser Front muss endlich Ruhe einkehren…“
Die Betonung liegt hier auf „Alle“ in „Wir wissen alle…“ . Nein, es wissen eben nicht alle und es gehört Mut dazu, dies einfach mal auszuplaudern. Der Berufsjugendliche und DSJ-Geschäftsführer Schulz, zugleich stellvertretender Geschäftsführer im DSB, hat es sich über die vielen Jahre seines Wirkens mit so vielen verdorben, dass ich es für ein Paradoxon halte, dass der Mann überhaupt noch mitmachen darf.
Genau genommen fällt es mir schwer zu glauben, dass es auch nur einen einzigen gibt, der mit ihm auskommt – mal abgesehen von DSJ-Funktionären, die von seiner Machtfülle profitieren und damit im Abhängigkeitsverhältnis stehen. Denn Schulz zieht nicht nur seit Ewigkeiten die Fäden beim DSB und der DSJ, er ist auch in Dutzenden anderer Funktionen ausgezeichnet vernetzt. Nachfolger von Horst Metzing als Geschäftsführer wird er indessen nicht werden – dort strebt jetzt der umtriebige Schatzmeister Michael Langer hin, nachdem zwischenzeitlich der Bundestrainer im Gespräch war.
Dass solch ein Satz mit dem Namen Schulz überhaupt mal ausgesprochen wird, war bisher fernab jeder Realität. Dazu muss man wissen, dass im DSB zwar von jeher kreuz und quer intrigiert und übel nachgeredet wird, dies aber nie öffentlich. Selbst der Autor dieser Zeilen hielt sich an den Ehrenkodex, so lange er im Amt war.
Zur Frage nach dem neuen Partner Honorar Konzept antwortet Bastian: „Den Vertrag kenne ich noch nicht im Detail“. Auch dazu gehört Mut – und das meine ich durchweg positiv. Meine Gegenfrage würde lauten: „Wer kennt den Vertrag überhaupt“? In meiner Zeit als Referent im Deutschen Schulz Schachbund gab es außer den üblichen Allgemeinfloskeln und Presseerklärungen keine Auskunft. Aber es muss ein verdammt mächtiger Vertrag sein, wenn eine Partnershipfolie so aussieht wie hier unten. Reden wir von Hunderttausenden Euros?:
Im Schachmagazin 64 sagt Bastian, er begrüße die Wahl von Weizsäckers zum Ehrenpräsidenten, hat aber „trotzdem volles Verständnis dafür, dass eine solche Entscheidung langjährig verdiente Funktionäre durchaus irritieren kann“. Betrachtet man rückwirkend den Verlauf des Bundeskongresses in Bonn und kennt man den Unterschied im Umgang der DSB-Funktionäre miteinander (wer Macht hat wird beachtet, wer keine hat ignoriert) – dann wird diesen scheinbar nebenbei ausgesprochenen Worten eine weisheitliche Würde zuteil, wie sie ihresgleichen sucht. So bricht Bastian auch in anderen Textstellen mit Tabus, die bisher kaum definiert waren.
Zum Beispiel einfach mal auszusprechen, dass sich die Topspieler „bei öffentlichen Äußerungen benehmen müssen“, ist gleichermaßen profan wie absolut notwendig.
Der Neugewählte ist auch auf der DSB-Internetseite ein Mannschaftsspieler. Keiner der drei letzten Präsidenten (Schlya, Kribben, Weyer – Weizsäcker war ja de facto untätig und hat das Führen des Verbandes seinen Stellvertretern überlassen) hat es geschafft, einmal das zu unterstreichen was bisher geleistet wurde und wie diese Lücken zu füllen sind. Im Artikel vom 01. Juli analysiert Bastian die Spuren, die von den ausscheidenden Präsidiumsmitgliedern hinterlassen wurden.
Und zwar überlegt, deutlich, genau und wahrheitsgemäß. Auch hier stehen überraschend klare Aussagen, auch wenn zu beobachten ist, dass kritische Worte erst nach unten gelesen zunehmen und oben an der Pyramidenspitze eher mal was Schlagsahne obenauf liegt, die da nicht hingehört.
Der Mann spricht in aller Regel aus, was er denkt. Dafür wird er im DSB noch viele Ohrfeigen kassieren. Das ist aber immer noch besser, als die Versuche sich wie ein Klon eines aalglatten Politikers zu präsentieren. Die Wetten stehen gut, dass der unendlich Verlängerte durchhält. Quod erat demonstrandum? Demnächst in diesem Theater…

Hessenmeisterschaft mit 4 Spielern
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Welche Erfahrungen müssen wir noch machen, um das gegenwärtige System zu verändern?
Hier geht es zur Website des Hessischen Schachverbandes.

Schach - der Billigsport!
Kein Wunder, denn die Unterstützung durch die Mitglieder fällt mit sage und schreibe 8,00 € pro Jahr kaum messbar aus - keine rosige Ausgangslage für vernünftiges Wirtschaften und prosperierende Schachlandschaften..
Zusammen mit den Österreichern scheinen wir allein auf weiter Flur zu stehen. Zum Vergleich: Die Holländer erzielen mit einem Viertel an Mitgliedern ähnlich hohe Einnahmen. Sie fordern mehr als 33 €/Jahr ein, die Schweizer sogar 68 CHF, was ca. 51 € entspricht. Die Beiträge des französischen Verbandes sind mir nicht bekannt, doch erhält er zusätzliche Zuwendungen eines Sponsors in Höhe von 200.000 €, so dass hier sogar ein kleines Gehalt von 2.000 €/Monat an den Präsidenten gezahlt werden kann. Die ersten drei Länder meiner Recherche spielen in einer anderen Dimension, weshalb ich hier weitere Nachforschungen desillusioniert abbrach. Vielleicht können unsere Leser noch weitere Daten beitragen.
Schach in Deutschland ist auf ein Billiggleis geraten. Der Kostenvergleich mit anderen Sportarten fällt sehr einseitig aus: Wir brauchen zur Ausübung keine besondere Kleidung oder Ausrüstung. Platz- oder Hallenmiete fällt ebenso wenig wie Verbrauchsmaterial an. Ein Plastikbrett mit Figuren kostet 15 € und hält die nächsten 20 Jahre, doch auch dieses hat wohl noch nicht einmal jeder Zweite zu Hause. Auch Schachtraining ist unpopulär, einzig im Bücher- und DVDkaufen scheinen wir weit vorne zu liegen. Geschätzt geben wir im Schnitt vielleicht 100-150 € für unseren Sport aus. Das reicht noch nicht einmal für einen Tennisschläger, Skier, eine Golfausrüstung oder Futter fürs Pferd.
Doch wie erwecken wir das deutsche Schach aus diesem ehrenamtlichen Dornröschenschlaf?
Hier eine Anregung:
Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Es bleibt nur dieser unbequeme Weg, bei dem man es naturgemäß nicht allen rechtmachen kann.

Deutscher Schachbund - Wohin soll’s gehen?
DSB-Vizepräsident Weyer und AKLV-Sprecher Bastian stellen sich den Fragen der Schachjugend
- die gezielte Öffnung für neue und bisher unterrepräsentierte Zielgruppen,
- die Unterstützung der „täglichen“ Vereinsarbeit,
- die Steigerung des Ereigniswertes im organisierten Schachsport sowie
- die Stärkung des Ehrenamtes.
- Mitgliedergewinnung
- DSJ – DSB: Wie sieht eine optimale Kooperation aus?
- Gestaltung von Meisterschaften als Events
- Stärkung des Ehrenamtes
- Schulschach
Herbert Bastian: Es gibt keine Konzepte im DSB, die sich mit den Vereinen direkt beschäftigen. Eine Evaluierung von Programmen findet im DSB allgemein nicht statt. Bisherige Versuche, neue Wege in der Frage der Mitgliedergewinnung zu entwickeln wie zum Beispiel Überlegungen zu neuen Beitragsstrukturen oder neuen Formen der Mitgliedschaften führten bisher immer in eine Sackgasse, da es zu viele Bedenkenträger und Ängste gab, so dass die Überlegungen immer gleich wieder eingestellt wurden. Der DSB zusammen mit den Ländern muss sich aber dringend mit dem Strukturwandel in den Vereinen beschäftigen. Die Vereine müssen ihre Angebote überdenken, müssen auch neue Angebote schaffen. Ein gutes Mittel, um mit den Vereinen ins Gespräch zu kommen, sind die Vereinskonferenzen, wie sie von der DSJ erfolgreich zusammen mit den Landesschachjugenden praktiziert werden, und wie sie auch im Saarland regelmäßig angeboten werden.
Dr. H.-J. Weyer: Wichtig ist zu begreifen, dass in einem komplexen Gebilde wie dem Deutschen Schachbund jeder seine Aufgabe hat gemäß dem Subsidiaritätsprinzip. Und die direkte Hilfestellung und Beratung der Vereine gehört nicht zu den Aufgaben des Bundes. Selbst der Schachbund NRW als Landesverband zählt dies nicht zu seinen Aufgaben, er hält vielmehr Bezirksberatungen ab, damit wiederum die Bezirke die Informationen an die Vereine weitertragen. Die Kernaufgabe des DSB definiert Dr. Weyer auf Nachfrage als Spitzenverband, der den Rahmen für den Unterbau schaffen muss.
2) Fragen zum Thema „Kooperation von Schachjugend und DSB“
Herbert Bastian: Selbständigkeit bedeutet: eigener Vorstand, eigener Etat, eigene Ziele (eingebunden in den DSB beziehungsweise in die Landesverbände). Die Jugend muss Ideen entwickeln und einbringen, die Erwachsenenverbände wiederum müssen offen sein für diese Ideen und sie aufgreifen. Es stellt wirklich ein Problem dar, dass zu wenige jugendliche Vertreter in den Gremien der Erwachsenenverbände sitzen. Vom DSB erwartet Bastian, dass mehr Jugendliche bzw. Jugendvertreter eingebunden werden.
Dr. H.-J. Weyer: Eine zentrale Ausrichtung der Meisterschaften ist bisher kein Thema beim DSB gewesen. Das würde zwar Jahr für Jahr einheitliche Standards bedeuten im Vergleich zu den jetzt vorhandenen Schwankungen durch die Vereinsausrichtungen. Eine zentrale Ausrichtung würde aber auch einen höheren finanziellen Einsatz des DSB bedeuten, und die Organisation müsste durch die Geschäftsstelle abgewickelt werden, was ein entsprechendes Knowhow erfordern würde.
4) Fragen zum Thema „Stärkung des Ehrenamtes“
Dr. H.-J. Weyer: Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sind Belohnungen für Ehrenamtler kein Aufgabenfeld des DSB. Dies gilt auch für den Ausbildungsbereich.
5) Fragen zum Schulschach
6) Schlussstatements der DSB-Vertreter und Landespräsidenten
Dr. H.-J. Weyer: Wichtig für ihn war, die Schachjugend einmal hautnah erlebt zu haben. Er erkennt die Bereitschaft bei der DSJ, mit den Ländern und dem DSB konstruktiv und enger vernetzt zusammen zu arbeiten.
Fazit der Deutschen Schachjugend
Die Deutsche Schachjugend möchte gerne ihren Beitrag leisten, um gemeinsam mit dem DSB an Lösungen für die Anforderungen zu arbeiten, vor denen das organisierte Schach in Deutschland steht. Heute erleben wir jedoch leider viel zu häufig, dass im Erwachsenenverband darauf kaum Wert gelegt wird. Umso mehr freut es uns, dass es in der Diskussionsrunde einige positive Signale in Richtung einer Öffnung des DSB zur Jugend gab. Wir würden diese Herausforderung gerne annehmen, denn wir sind uns unserer Verantwortung für die große Schachfamilie bewusst.
Schachdeutschland schafft sich ab (2)
Warum funktioniert es in einem Verein nicht und weshalb prosperiert ein anderer?
Schachwelt sammelt
Schreiben Sie einen Kommentar oder schicken Sie uns Ihre Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte (bitte als Worddokument an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Wir sammeln alle Einsendungen und leiten diese an den Schachbund weiter.
Lassen Sie uns nun gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen und dem kommenden neuen Präsidenten eine Aufgabe mit auf den Weg geben.
Vereinsdeutschland erfindet sich neu!

Zur Lage der Schachnation
Förderung von Spitzen- und Breitenschach schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Dasselbe gilt für die äußerst wichtige Jugendarbeit und die damit verbundene Mitgliederentwicklung. Auf allen drei Ebenen ist der Deutsche Schachbund aktiv, und er tut gut daran! Beiträge mit einseitig vorgetragener Kritik an der Förderung des Spitzenschachs disqualifizieren sich daher von selbst. Das wäre ungefähr so, als würden die Spitzenspieler fordern, dass der DSB nicht mehr das Breitenschach oder die Jugendarbeit bezuschusst. Da das Breitenschach mit der in Deutschland und den Nachbarländern etablierten und in der Welt wohl einmaligen Dichte an offenen Turnieren bereits bestens versorgt ist, und sich sozusagen selbst trägt, sollte aus meiner Sicht der Schwerpunkt des DSB auf der Jugend- und Spitzenförderung liegen. Die wichtigste Aufgabe bleibt aber die für die Vereine wichtige Organisation des Ligenbetriebs.
Vernachlässigt wurde übrigens allzu lange der Bereich des Marketings und der öffentlichen Darstellung, hier hat sich erst mit der seit Jahren aktuell und abwechslungsreich gepflegten Nachrichtenseite des deutschen Schachbunds unter Klaus Jürgen Lais eine substantielle Verbesserung ergeben! An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Webmaster des holländischen Schachbunds ein monatliches Festgehalt erhält, von dem er auch gut leben kann, weil man in Holland die Funktion der Öffentlichkeitsarbeit als eine der wichtigsten im Schachbund begreift. Eine in Deutschland geradezu revolutionäre Erkenntnis. Hauptsache, man findet jemanden, der es umsonst macht. Und bitte keine Beitragserhöhung für die Mitglieder - ich zahle doch nicht mein sauer verdientes Geld dafür, dass Schach in der Öffentlichkeit populär gemacht wird!!!
Besonders amüsant finde ich das mehrfach vorgetragene Argument, dass der DSB zwar darauf setzen muss, nach langer Zeit wieder einen Großmeister in die Weltspitze zu bringen, andererseits sollen aber alle anderen Großmeister, die nicht talentiert genug sind, in die Weltspitze vorzudringen, selbst schauen, wie sie über die Runden kommen. Mit anderen Worten, dutzende talentierter Spieler, die es bis zum Großmeister schaffen, handeln auf eigenes Risiko, und ggf. lässt man sie fallen wie heiße Kartoffeln. Schade um die Jahrzehnte an Lebenszeit die dabei vergeudet wurden! Dies wurde ja in der Diskussion um die deutsche Nationalmannschaft und die skandalöse Diskriminierung der nächstbesten Spieler wie Khenkin & Co. überdeutlich. Heutzutage kann man als 2600er Großmeister nicht mal mehr darauf vertrauen, dass man für die Nationalmannschaft nominiert wird - hier hat sich der DSB wirklich blamiert! Allerdings hielt auch ich die finanziellen Forderungen der Spitzenspieler überzogen. Hochspezialisierte Großmeister fordern einen Theorie-Trainer, der die Vorbereitung übernimmt - brauchen sie vielleicht auch noch einen Hilfs-Großmeister, der sie am Brett vertritt oder eine Psychologin, die sie nach einer verlorenen Partie wieder aufrichtet? Der entscheidende Fehler des DSB bzw. des Bundestrainers Uwe Bönsch war aus meiner Sicht also nicht, dass er diese Forderungen abgelehnt hat, sondern dass er nach dem Scheitern der Verhandlungen nicht die zweitstärkste Mannschaft nominiert hat. Außerdem wäre natürlich ein besseres Krisenmanagement gefordert gewesen, aber diese Einsicht hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt. Für die Zukunft der deutschen Nationalmannschaft bin ich nur bedingt optimistisch, da ehrenamtliche Vorstände und Schachprofis nicht immer dieselbe Sprache sprechen.
Generell finde ich, dass die Kritik am DSB von vielen Seiten zu scharf vorgetragen wurde und wird. In meiner etwa 30-jährigen Schachlaufbahn auch als zeitweiliger Nationalspieler hatte ich kaum Anlass zur Klage über den Schachbund. Hier arbeiten viele Menschen sehr engagiert und ohne Bezahlung daran, dass Schach vorangetrieben wird. Wer hätte gedacht, dass in Deutschland - dem Land der Bedenkenträger - nach vielen Jahrzehnten wieder eine Schacholympiade ausgetragen wird! Die viele Arbeit, die von allen Seiten in die Ausrichtung investiert wurde, wird nun von einigen selbsternannten Meinungsträgern schlecht gemacht.
Vielleicht sollten diese klugen Herren sich einmal fragen, ob der Hauptorganisator Dr. Dirk Jordan und seine Mitstreiter die Absicht hatten, Schach in Deutschland mit großem Einsatz voranzubringen oder nicht. Mag sein, dass ihnen das im Rückblick nicht optimal gelungen ist, aber sie haben es wenigstens mit allen Kräften versucht, und ich denke mal, es zählt auch der gute Wille. Die vielfach beklagte rückläufige Mitgliederentwicklung im Schach muss meines Erachtens an der Basis bei den Vereinen ansetzen. Insofern halte ich eine Großveranstaltung wie die Schacholympiade positive in Bezug auf die Mitgliederentwicklung für den falschen Ansatz. Das war aber auch sicher nicht das primäre Ziel der Austragung der Olympiade.
Immer wieder lese ich den Beiträgen das Wort Sponsoring, wobei zum Teil auch feinsinnig zwischen Sponsoren und Mäzenen unterschieden wird. Mäzene und Sponsoren hat es in der Geschichte des Schachs immer wieder gegeben. Es ist aber die Ausnahme, wenn ein Mäzen oder Sponsor dem Schach 20 Jahre die Treue hält, wie das bei van Osterom der Fall ist. Insofern müsste der DSB laufend nach Sponsoren Ausschau halten. Da die Schachübertragung aber nicht (mehr) im Fernsehen sondern (nur noch) im Internet stattfindet, und das Internet bekanntlich fast all seine Inhalte kostenlos bereitstellt, ist es schwer, eine finanzielle Gegenleistung für den Sponsor zu erkennen. Und wenn man ehrlich ist, passt ein so intellektuelles und langwieriges Ereignis wie eine Schachpartie nicht mehr so recht zu unserer schnelllebigen Welt (sie hat sich ja wirklich in den letzten Jahrzehnten erheblich beschleunigt) - außer als Ansatz zu einer Entschleunigung, die vielleicht mal wieder als Kontrapunkt zur Hektik des Alltags in Mode kommen wird. Insofern sehe ich nur begrenzte Chancen zur Gewinnung von Sponsoren, einfach weil sich die Gesellschaft im Ganzen in eine andere Richtung bewegt.
Hinzu kommt natürlich der vielfach beklagte kostenlose Imageklau des Schachs. Jede Firma, die mit einem Schachmotiv wirbt, ohne sich im Gegenzug auch dort zu engagieren oder wenigstens eine Spende für die Jugendarbeit zu leisten, verhält sich aus meiner Sicht zumindest unmoralisch. An diesem Punkt müsste man ansetzen: der DSB sollte wirklich jeder Firma, die mit geklautem Schachimage wirbt, erst freundlich zu einem Gespräch einladen, um eine konstruktive Zusammenarbeit zu besprechen, und falls das nicht hilft, Sanktionen androhen. Und sei es nur eine Veröffentlichung auf der Homepage des Schachbunds, dass die Firma Imageklau & Co. unberechtigt bzw. moralisch fragwürdig mit einem Schachmotiv geworben hat! Aber hier scheut man ja sicher das Prozessrisiko, denn eines ist sicher: beim DSB sitzen auch viele Juristen und Angsthasen...
Gerald Hertneck,
Schachgroßmeister

Wieder Hängepartien im Schach Nationalmannschaft vs. DSB
"Der Streit zwischen dem Deutschen Schachbund (DSB) und seinen Spitzenspielern ist am Montag abermals eskaliert. Das DSB-Präsidium hatte während einer Sitzung in Frankfurt den Rauswurf des stärksten deutschen Schachspielers, Arkadij Naiditsch, aus der Nationalmannschaft bereits beschlossen, verlautete aus Schachkreisen. Nach einer Runde mit den Spitzenspielern - außer Naiditsch waren Jan Gustafsson, Daniel Fridman und Georg Meier anwesend - sei dieser Beschluss aber wieder auf Eis gelegt worden. Anlass für den Ärger war ein aktuelles Interview, in dem Naiditsch sowohl Schachbundestrainer Uwe Bönsch als auch den für Finanzen zuständigen DSB-Vizepräsidenten Michael Langer scharf kritisiert hatte."
Chessbase geht noch etwas detaillierter Auf den Zeitungsartikel ein.
Soeben ging die offizielle Pressemeldung auf der Website des DSB online. Und nicht überraschend kam mir der Gedanke an das Hornberger Schießen: Der Schachbund legt etwas bei der Turnierunterstützung drauf, eine Honorarerhöhung soll von externen Sponsoren getragen werden. Anscheinend stehen diese nun Schlange. Gleich mit drei unterschiedlichen Kandidaten will man verhandeln. Andere Forderungen der Spieler, wie z. B. die Entlassung des Bundestrainers, fanden wohl weniger Anklang. Vieles deutet nun auf eine autarke Nationalmannschaft leicht außerhalb des Schachbundes mit separatem Geldgeber hin. Womöglich hat die schlechte Presse des letzten Jahres doch einiges Positives bewirkt.
Mit Präsidium und Bundestrainer gegen Spieler wurde in großer Runde verhandelt. Und anscheinend ist es nur der ausgezeichneten Leistung des Mediators Sven Noppes zu verdanken, dass man nicht im Streit auseinanderging. Wie bei harten Tarifverhandlungen (auch hier folgte dem Streik die Aussperrung) üblich, wurde nun aber erstmal vertagt. Anfang Juli, also erst in vier Monaten, soll es weitergehen. Für Spannung ist gesorgt.
Frauenschach auf dem Prüfstand
Hier einige Zahlen:
Anteil männlicher Schachspieler ü18 im DSB ca. 95,7%
(Quelle: DOSB-Bestandserhebung 2009, www.dosb.de)
Etat des Schachbundes zur Spitzensportförderung ca. 110.000 €:
Jahrzehntelange Förderung hat anscheinend die Anzahl schachspielender Frauen keinen wesentlichen Einfluss und trotzdem wird dieses Thema tabuisiert. Ausgehend von der aktuellen Förderung (genaue Zahlen zur Vergangenheit liegen sicher beim DSB vor) sind in das Frauenschach in den letzten 20 Jahren somit weit mehr als eine Million Euro geflossen. In dieser Zeit hat es eine Frau auf über Elo 2400 geschafft und ganz wenige über 2300 - Zeit für einen kritischen Blick.
Spielen Frauen schlechter Schach als Männer? Hierzu liegen keine verlässlichen Angaben vor - sie sind mengenmäßig deutlich unterrepräsentiert, weshalb zwingend auch die Spitze dünner sein muss. Allerdings sollte der Anteil statistisch im Verhältnis stehen, z. B. bei den Spielern der TOP100 = über Elo 2443 (weiblich Ist 1, bei 4,3 % liegt das Soll bei 4)
Letztendlich gilt es zu hinterfragen, ob das deutsche Schach ohne oder mit geringerer geschlechterspezifischer Förderung in Spitze und Breite spürbar schlechter dastehen würde. Hätten wir einen geringeren Frauenanteil? Gäbe es die einzige in der deutschen Spitze (Nr. 70) auffallende Spielerin, Elisabeth Pähtz, nicht oder wäre diese sogar stärker, wenn sie sich mit der männlichen Konkurrenz messen müsste?
Zu diesem Thema führten wir eine kurze Umfrage durch. Anlass bot die Meldung auf der Website des Schachbundes zur aktuellen Runde der Frauenbundesliga. Wir fragten “Was halten Sie von der Frauenbundesliga?“. Die Beteiligung daran hielt sich in Grenzen und das Ergebnis ist dementsprechend nicht aussagekräftig, allerdings fiel es wenig überraschend aus:
Was halten Sie von diesem Thema? Gibt es Handlungsbedarf oder sind wir auf dem rechten Weg? Vor allem interessieren auch Meinungen der Schachspielerinnen. Aus diesem Lager vernahm ich in der Vergangenheit durchaus Aussagen wie "Ich fühle mich durch die Förderung ein bisschen diskriminiert, nehmen sie aber gerne mit."

Kein Interesse an Deutschlands TOP10?
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Stell dir vor, es ist Deutsche und niemand geht hin!
Wie weit kann man Negativrekorde eigentlich noch unterbieten? Über eine dünne, unterklassige mangelhafte, unwürdige Besetzung der Deutschen Meisterschaften beschweren wir uns alle ja schon lange und fleißig – zumindest solange ich mich für Schach interessiere. Ob Osterburg, Saarbrücken oder Bad Liebenzell – alles Meilensteine aus dem vergangenen Jahrzehnt, auf dem Weg zu weniger Preisgeld, weniger Prestige und weniger Begeisterung. Mit einer vorläufigen Krönung im letzten Jahr, als im von öffentlichen Verkehrsmitteln weitgehend unerreichbaren Bad Liebenzell neben der DEM ein großes offenes Open stattfinden sollte – wenn mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt, mit Kapazität für bis zu 180 Teilnehmer. Es kamen 10 (davon etwa die Hälfte Profis aus dem Ausland). Wenn das mal kein Schlag ins Gesicht war… In den letzten Jahren lief es trotzdem irgendwie – zwar mehr schlecht als schlecht, aber immerhin. Das liegt daran, dass zu dem (über die Jahre hinweg sehr konstanten) Feld der 2300er bis 2400er, die sich über die Popel-Landesverbandsturniere qualifizierten, bedingt durch eine sehr großzügige Freiplatzpolitik immer noch eine 8-10 Mann starke GM/Jungtalent-IM-Spitze künstlich aufgesetzt wurde, die dann auch meist geschlossen den Preisfond unter sich aufteilen konnte. Natürlich insgesamt ein recht fragwürdige Praxis, den (jedes Jahr gleichen) „ehrlich“ Qualifizierten jedes Jahr die Termiten vor die Nase zu setzen, die ihnen immer wieder das Holz wegknabbern. Mich persönlich als Klein-Termit würde das ärgern, aber es wurde von der Allgemeinheit im Namen der Steigerung der Turnierqualität und des Zuschauerinteresses ganz gut hingenommen und vermutlich sogar begrüßt. Und die Qualifikanten aus den Landesverbänden, allesamt keine Profis, freuten sich auch bestimmt mal über die Gelegenheit, ein Remis gegen eine GM zu erzielen, oder wenigstens mit Würde zu verlieren.
Von daher war alles nicht so schlimm. Auf niederstem Niveau, aber die DEM siechte vor sich hin, so von Jahr zu Jahr. Es gab zwar noch weitere, eher weniger begrüßenswerte freiplatzpolitisch bedingte Auswüchse – zum Beispiel stellt sich mir die Frage, warum es bei der DEM 2009 in Saarbrücken für das Allgemeinwohl unumgänglich war, 4 Spieler aus dem Saarland mit ELO 22xx aus dem Saarland ins Teilnehmerfeld zu schleusen, aber solche „special cases“ fallen vielleicht auch nicht allen auf.
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Dieses Jahr aber in Bonn/Bad Godesberg, da soll noch einmal wirklich alles anders werden. Da wurde von den verantwortlichen Herren (und Damen? Würde mich wundern!) die „Zitrone“ DEM wirklich bis zum Gehtnichtmehr ausgequetscht. Bis auf die gelben Kerne. Da muss wirklich ein schlauer, fast schon revolutionärer Geist auf die geniale Idee gekommen sein, das mathematische Prinzip „Minus mal Minus = Plus“ auch auf Deutsche Meisterschaften übertragen zu können. Sprich – wenn wir die (normal) unattraktive Meisterschaft der Herren und das Championat der Frauen (ich glaube, es reicht nicht, „nur“ ein Freak sein, um für die letzten 5 Jahre Austragungsort, -Datum und die Siegerin aufzählen zu können, dass können nur Fetischisten!) an einen Ort zusammenlegen, sind die Leute begeistert und rennen bei uns in Scharen die Bude ein wie bei der Fußball-WM.
Leider sind bedingt durch den sich aus der Zusammenlegung ergebenden Platzmangel im Männerturnier nur noch 30 statt der früheren ca. 45 Starterplätze verfügbar (zumindest ist das die offizielle Begründung und an ihren Wahrheitsgehalt zu glauben, erscheint mir zwar durchaus etwas naiv, aber die einzige andere Möglichkeit die sich mir erschließt, wäre eine absolute Benebeltheit der Verantwortlichen, die ich ihnen natürlich niemals vorwerfen würde!) und deshalb wird die Freiplatzpolitik in Bonn 2011 etwas gestutzt werden. Neben den 3-4 Spielern mit 2230 ELO aus Bonn, denen ich die Teilnahme ja durchaus noch gegönnt hätte, bekommen jetzt aber leider im Gegensatz zu den letzten Jahren etwa 8-10 Großmeister einfach mal keinen Freiplatz. Man hätte das Turnier zwar auch ganz GM-frei durchziehen können (die Vorzüge der Frauenmeisterschaft hätten dies mit Sicherheit mehr als wettgemacht), aber mit Jan Gustafsson, Daniel Fridman und Rainer Buhmann fanden sich am Ende doch noch Freiwillige, die sich bereit erklärt haben, den etwas faden aber doch sättigenden Preiskuchen aufzuessen. Kann ich durchaus nachvollziehen, ich hätte an deren Stelle ja auch nicht gefühlte 3000€ EV einfach in den Wind gehauen, hätte man mich gefragt. Wobei ich auch durchaus Verständnis für Georg Meier aufbringen kann, der eben keine Bereitschaft aufbringen konnte, sich in einem IBIS-Hotel an Amateuren die Hände schmutzig zu machen und seine Zahl zu ruinieren. Das muss letztendlich jeder selbst wissen, wie er das handhabt.
Es wird sich zeigen ob die genannten Drei auf ihrem Weg auf irgendeinen Widerstand treffen werden. Vielleicht wenigstens auf einen weiteren GM – wenn Titelverteidiger Niklas Huschenbeth, der zur Stunde beim Aeroflot-Open in Moskau weilt, bis dahin endlich seine 2500 zusammen hat.
Viel Spaß in Bonn, Freunde! Ich bleibe fern.
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Deutsche Meisterschaft auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit
Da der Schachbund großen Wert auf eine Teilnahme der Vertreter der Landesverbände legt, empfehle ich, die Veranstaltung in den Ramada-Cup, die Deutsche Amateurmeisterschaft, zu integrieren, was zudem den strapazierten Etat erheblich entlasten könnte…
Die Besetzung anderer Deutscher Meisterschaften, ob Blitz- oder Schnellschach, sieht keineswegs besser aus. Die letzten hochkarätigen Veranstaltungen findet man im letzten Jahrtausend: Bremen 1998 mit 24 der TOP 25 und auch Altenkirchen 1999 waren durchaus noch brauchbar besetzt, danach wurde es immer dünner.
Auch die Einigung mit der deutschen Nationalmannschaft ist möglicherweise noch nicht unter Dach und Fach. Ein desillusionierter Georg Meier, für den Deutschland keine vernünftigen Turniere zu bieten hat, geht nun zunächst für zwei Monate nach Uruguay (ohne Schach) und anschließend ist ein Studium in Amerika im Gespräch. Damit wäre er das zweite deutsche Großtalent (nach Leonid Kritz) mit Elo 2600+, auf das das deutsche Schach verzichten muss.
Lieber Herr Weyer, ändern Sie schnellstens etwas an der Schieflage, sonst muss ich meine voreilig abgegebene Stimme zurücknehmen.
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Stell dir vor, es ist Deutsche und niemand geht hin! Ilja Schneder, 10.02.2011

Präsidentschaftskandidat Hans-Jürgen Weyer im Interview
Vor einigen Wochen wurde deutlich, dass Professor von Weizsäcker für eine weitere Amtsperiode als Präsident des Deutschen Schachbundes nicht mehr zur Verfügung steht. Als Nachfolger wird der derzeit einige Kandidat, Dr. Hans-Jürgen Weyer, gehandelt. Am 02.02. stand er Deep Chess für ein Interview zur Verfügung.
Von großem Interesse war dabei seine Stellungnahme zum Thema Nationalmannschaft, das in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu erheblichen Spannungen zwischen Spitzenspielern und DSB geführt hatte. Weyer stellt für den nächsten Termin Ense Februar in Aussicht, unseren Spielern erheblich entgegenzukommen, explizit auch bei den Honoraren.
Ein schöner Zug, doch musste wirklich erst soviel Porzellan zerschlagen werden, bevor es zu einer Einigung kommen kann? Allerdings begeistert mich die Aussicht auf eine dem deutschen Schach würdige Vertretung auf internationaler Ebene und die damit verbundene Perspektive.
Herr Dr. Weyer, wir nehmen das Interview als Maßstab für die kommende Amtsperiode. Unsere Stimme haben Sie!

Spielerschwund: Rücktritt von Florian Jenni
Kürzlich las ich in Schweizerischen Schachzeitung (SSZ), dem Verkündigungsorgan des Schweizer Schachbundes, daß Florian Jenni, seines Zeichens Großmeister und Nationalspieler, seinen Rücktritt vom Profischach bekannt gegeben hat. Zur Begründung dieses Schrittes gab er „Motivationsprobleme und fehlende Zukunftsperspektiven“ an. Der 30jährige war bereits mehrfach Schweizer Meister. Innerhalb der Schweiz hätte er schon alles erreicht, aber international sei ihm der Sprung zu größeren Taten verwehrt geblieben. Neben der zunehmenden Enttäuschung über die Fide-Politik und deren Unfähigkeit, Sponsoren zu akquirieren fühlt sich Jenni auch vom eigenen Verband im Stich gelassen, der sich nur um die Jugendlichen kümmern würde. So zitiert ihn die SSZ: „…wenn die Spieler dem Juniorenalter entwachsen sind, werden sie praktisch fallengelassen.“
Jenni ist einer von nur sechs Großmeistern in der Schweiz. Dabei sind Milov, Kortschnoi und Gallagher eingebürgert, Brunner eher inaktiv und Jenni war in den letzten Jahren neben Pelletier der einzige gebürtige Schweizer, der mit dem Großmeistertitel ausgerüstet an seiner Profikarriere gebastelt hat.
In Deutschland ist diese Position vergleichbar mit der von Georg Meier. Der Trierer hat zwar schon gezeigt, dass er international den Anschluss nicht verloren hat und holte sich zuletzt im Ausland einige Turniersiege, doch in der Unzufriedenheit mit der Unterstützung durch seinen Verband können er und Jenni sich die Hände reichen. Der DSB zeigt sich auch wenig beweglich, zudem ist man auf Funktionärsebene gerade mit dem Übergang beschäftigt, da Präsident Weizsäcker sich bald verabschieden wird. Unsere Spitzenkräfte wie Meier und Naiditsch scheinen sich derzeit auf den Bundestrainer eingeschossen zu haben, aber auf eine Wandlung schient man vergeblich zu warten.
http://www.schachbundesliga.de/medien/audioindex.php?menuid=620&topmenu=46&keepmenu=inactive
Auch uns drohen unsere Aushängeschilder verloren zu gehen. Meier wird vielleicht noch nicht so weit sein, sich vom Schach völlig los zu sagen, dazu ist er noch jung genug und hat sein Potential noch nicht gänzlich ausgeschöpft, aber es kursieren immer wieder Gerüchte, dass er einen Verbandswechsel in Betracht ziehen könnte. Verständlich wär`s ja…
2010 im Schnelldurchlauf
Los ging es mit der Mannschafts-WM im türkischen Bursa und einem Favoritensieg Russlands. Überraschend holten die USA mit dem überragenden Nakamura und Indien, obwohl ohne Anand, die Medaillen vor den höher eingeschätzten Team aus Aserbaidschan und Armenien. Den besten Start des Jahres erwischte Alexei Schirow in Wijk aan Zee mit fünf Siegen en suite. Am Ende wurde er dann doch noch überholt von dem trotz seiner erst 19 Jahre seit 1.Januar Führenden der Weltrangliste Magnus Carlsen. Die B-Gruppe wurde eine Beute des nächsten Carlsen, des 15jährigen Anish Giri.
Weltmeister Anand riss sich in Wijk aan Zee bei seinem letzten Test vor seinem Titelkampf kein Bein aus und holte seine üblichen plus zwei. Anders einen Monat später Wesselin Topalow: Mit unberechenbarem, hoch riskantem Schach gewann der Herausforderer in Linares, wo allerdings weder Carlsen, Anand noch Kramnik am Start war. Das wahrscheinlich stärkste Open des Jahres gewann der 18jährige Vietname Le Quang Liem. Während die Nationalspieler bei der EM in Rijeka unter ferner liefen mit ansahen, wie der 19jährige Jan Nepomnjaschtschi als Nummer 35 der Setzliste Europameister wurde, holte sich ein anderer Junior, der 18jährige Hamburger Schüler Nicolas Huschenbeth den deutschen Titel.
Korruption ist im Weltschach sonst eher auf Funktionärsebene ein Problem. Hoffnungen auf Veränderung nährte die Kandidatur von Anatoli Karpow um die FIDE-Präsidentschaft mit maßgeblicher Unterstützung von Garri Kasparow und dessen Draht zu Financiers im Westen. Das Turnier im rumänischen Bazna mauserte sich zum Elitewettbewerb. Der Sieger hieß einmal mehr Carlsen. Derweil eskalierte ein seit längerem schwelender Streit zwischen den Nationalspielern und dem Deutschen Schachbund um Honorare und die Bedingungen für Profis in Deutschland. Dazu gehört etwa auch, dass in Dortmund nur Naiditsch willkommen ist (das unzureichend gemanagte Turnier gewann heuer Ponomarjow) und in Mainz, dem Treffpunkt des Schachs in Deutschland, aufgrund der Wirtschaftskrise das Programm auf zweieinhalb Tage eingedampft werden musste.
Bei der Schacholympiade holte dann eine Ersatzauswahl mit Platz 64 das mit Abstand schlechteste deutsche Ergebnis. Im sibirischen Chanti-Mansisk enttäuschte auch Gastgeber Russland und musste Gold den leidenschaftlicheren, von einem entfesselten Wassili Iwantschuk angeführten Ukrainern überlassen. Dafür dominierten die Russinnen den Frauenwettbewerb. Bei der FIDE-Wahl unterlag Karpow mit praktisch der selben Marge wie vier Jahre zuvor Bessel Kok gegen Kirsan Iljumschinow, dessen Hintermänner seit 1995 in die eigenen Taschen wirtschaftend das Chaos verwalten.
Kurz danach schockte der Norweger, dessen WM-Sieg für viele nur eine Frage der Zeit ist, mit dem Rücktritt aus dem im Frühjahr anstehenden Kandidatenturnier. Keinen klaren Sieger gab es in Moskau. Aronjan (der anschließend die Blitz-WM gewann), Mamedscharow und Karjakin teilten am Ende Platz eins. Das wäre nach der üblichen Wertung auch in London der Fall gewesen. Weil ein Sieg dort aber drei Punkte wert war, wurde Carlsen vor McShane und Anand zum Sieger erklärt. Zwischendurch setzte Marc Lang, FIDE-Meister aus Günzburg, mit einem Blindsimultan gegen 35 Gegner das deutsche Schachhighlight des Jahres. Die Frauen-WM im türkischen Antakya wurde von den Chinesinnen dominiert. Den Titel holte sich die 16jährige Hou Yifan, so dass sie sich künftig wohl öfter mit Männern messen darf.
Russischer Meister wurde nach einem Stichkampf, in dem es nur Remisen gab, und obwohl er zuvor im regulären Vergleich gegen den gleichaltrigen Karjakin unterlegen war, der mittlerweile 20jährige Nepomnjaschtschi. An die Weltranglistenspitze kehrt aber, nachdem zwischenzeitlich Anand vorne war, Carlsen (ebenfalls 20) zurück.

Schachbund weiter abwärts
Wie im Vorjahr reduzierte sich die Mitgliederzahl des Deutschen Schachbundes um gut 1200 - die Gesamtmitgliederzahl aller Sportarten hat hingegen erneut zugelegt.
An dieser Stelle mache ich es mir einfach und verweise auf meinen Artikel, der in der Ausgabe 02/2010 des Schachwelt-Magazins erschien. Kaum etwas hat sich geändert - der Moderne Fünfkampf überholte uns mit weiterhin rasanten Zuwachsraten. Es wäre schön, eine offizielle Stellungnahme und Analyse des Schachbundes zu diesem Thema zu bekommen (oder habe ich die verpasst?)
Quo Vadis deutsches Schach?
Folgende Themen fallen mir dazu spontan ein:
- Identifikation mit Persönlichkeiten
- Image
- Medienpräsenz und Öffentlichkeitsarbeit
- Schach in der Jugend

Einzig der vierte Punkt gibt derzeit Anlass zur Hoffnung: Möglicherweise bringt Schulschach Besserung?! Spätestens seit verschiedene Pilotversuche bestätigen, dass schachspielende Kinder bessere Schulnoten erzielen, bewegt sich auf diesem Sektor vieles. Doch auch hier klagte vor wenigen Tagen der rührige Vorstand eines Schachvereins, dass er zwar die Jugendlichen habe, aber nicht die Infrastruktur (Trainer, Lehrer etc.) um diese auszubilden und auch später bei der Stange zu halten.
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