Die unerträgliche Leichtigkeit des Cheatings
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Früher – ja da war alles besser – war Betrug einmal eine schwerwiegende Angelegenheit und wurde heftig diskutiert. Es ging aber nicht so sehr um einzelne Züge, sondern es ging um Absprachen oder präziser um die mögliche Existenz von Absprachen zu Gunsten des Einen und zu Ungunsten des Anderen. Dem geneigten Leser werden hier Interzonenturniere und dergleichen mehr einfallen. Die eingesagten Züge von stärkeren Spielern gab es zwar auch, aber die waren mit dem Risiko des Nichtverstehens der Idee verbunden oder sie waren doch nicht so stark wie erhofft.

Heute ist alles viel, viel leichter und locker geworden. Der Betrug oder Cheating wie man es im Onlineschach nennt, hat eine unerträgliche Leichtigkeit entwickelt und die Züge sind gegen menschliche Gegner nahezu immer ausreichend und sicher. Es wird zwar ebenfalls heftig – teilweise in Ermangelung von Argumenten persönlich und untergriffig – diskutiert, aber niemand versucht ernsthaft die Probleme zu analysieren und dann nach brauchbaren und haltbaren Lösungen zu suchen, denn die für jeden passenden reflexartigen Antworten sind verführerisch einfach.

Der Mythos, dass Cheater Computerexperten und Mausakrobaten erster Klasse sein müssen, gilt schon lange als gebusted, denn jeder der ein Programm installieren kann und schneller lesen kann als Varianten berechnen, kann ganz leicht betrügen. Die entsprechenden Tools findet man im Internet und wer sich in die Tiefen des Darknets begibt, findet dort nahezu unzählige Tools – viele davon mit mehr oder besseren Verschleierungsfeatures. Also Cheaten ist leicht – wirklich unerträglich leicht und für das schicke nebenbei cheaten gibt es noch das Smartphone. Wer cheaten möchte, kann dies leicht und ohne Anstrengung machen – herrlich.

Klar, dass dies eine andere Fraktion auf die Palme trieb und diese nennen wir sie uncharmant „Cheating Paranoide“ reagierte anfangs sehr verstört auf obige Erkenntnisse und versuchten diese zu negieren. Aber als dies scheitern musste, entwickelte man umgehend eine ebenfalls unerträgliche Leichtigkeit in der Problemlösung: Anticheatingalgorithmen! Schon in den Nullerjahren wurden diese Programme in den Himmel gelobt und da man heute über viel mehr Daten verfügt und zudem ganz modern KI (Künstliche Intelligenz) zum Einsatz kommt, wurden sämtliche Zweifel, die es methodisch zwingend geben sollte, schnell über Bord geworfen. Unschuldsvermutung und Rechte der Beschuldigten werden mit einer unerträglichen Leichtigkeit ignoriert – und dass es bei so einer hohen Zahl an Beschuldigten eine zwar geringe Anzahl an „false positive“ geben müsste, wird mit dem Satz „Wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, der braucht keine Strafe zu fürchten“ schnurstracks ignoriert, denn der Hass auf die Cheater vernebelt jegliche Objektivität und lässt Zweifel an der Leichtigkeit erst gar nicht aufkommen.

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Die unerträgliche Leichtigkeit hat sich auch auf die Serverbetreiber übertragen – wurden früher Cheater mit martialischen Worten (Computerbetrug, Sportbetrug, usw.) zwangsgeoutet, was in wenigen Fällen zu juristischen Problemen für die Server führte, so hat man viel Kreide gefressen und viel mildere Worte gefunden: Schutzsperren, Disqualifikation in einem Turnier ohne weitere Konsequenzen und wenn es gar nicht anders geht, werden Accounts wegen Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen reklamtionsschonend geschlossen. Vorbei die Zeiten als man hasstriefende Artikel über die Abartigkeit der Cheater lesen musste, weil die Serverbetreiber rasch erkannt haben, dass zwar zu viele Cheater geschäftsschädigend sind, aber zu viele „false positives“ ein ebensolches rufschädigendes Potential haben. Aus gut informierten – aber nicht bestätigten – Quellen hört man rauschen, dass Serverbetreiber bei Reklamationen wegen Cheatings sehr unnachgiebig und auch sehr wortkarg reagieren, aber andererseits bei Einbringung einer Klage sofort den Vergleichsweg beschreiten und Verschwiegenheit vereinbaren, weil Urteile über die Anticheatingalgorithmen und die Rechtmäßigkeit der Eingriffe in die Endgeräte der User und deren Daten von unabhängiger Gerichten könnte die unerträgliche Leichtigkeit etwas trüben.

Am Ende bleiben die Verbände übrig, die bei diesem Thema ebenfalls die unerträgliche Leichtigkeit des Wegsehens praktizieren indem sie den Serverbetreibern ihre Blackbox Cheatererkennung einfach als Privatangelegenheit überlassen. Ist es im Sportbetrug (Doping) üblich, dass Methoden von den Verbänden geprüft und freigegeben werden müssen, bevor sie angewendet werden dürfen, so zeigen weder nationale noch internationale Verbände ein Schutzinteresse der unter ihrer Flagge spielenden Personen.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Cheatings ist einfach zu bequem – und jeder findet seine Wohlfühlecke ohne Anstrengung … wir leben im Paradies – vergessen wir doch die paar Wenigen, die wirklich komplett unschuldig des Betrugs bezichtigt wurden und werden! Außerdem kennt ja nur der „false positive“ mit 100%iger Sicherheit sein Schicksal und zudem kann man die definitionsgemäße Unschuld eines „false positive“ in Zeiten von fake news und Verschwörungstheorien auch noch anzweifeln.

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Das Schielen auf Elozahlen, nur der Gewinn zählt, usw … das wären die Punkte wo man gegen Cheating ansetzen müsste. Die Freude am Spiel, an der eigenen Leistung und auch die simple Erkenntnis, dass niemand eine Partie gewinnen kann ohne, dass ein anderer diese verliert, usw. würden der Schachwelt mehr helfen. Wäre diese Leichtigkeit wirklich unerträglich schwer zu erreichen?

Nutzen der Betrugserkennung
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Dienstag, 22 März 2011 12:47

Nutzen der Betrugserkennung

Als ein Grund für den Niedergang des Kommunismus wird u.a. angesehen, dass es dem System nicht gelungen ist, technische Erkenntnisse aus der militärischen Forschung für die zivile Wirtschaft nutzbar zu machen. Unter diesem Aspekt möchte ich als Abschluss der „Betrugsserie“ einen Blick auf eine mögliche Zusatznutzung von Betrugserkennung für das Schach machen.

Ein wesentliches Problem beim Schach ist, dass es für den Zuseher sehr schwierig ist, die Lage am Brett schnell und richtig einzuschätzen. Zwar gibt es heute die Möglichkeit mit Engines eine Bewertung vornehmen zu lassen, allerdings ist diese nicht wirklich informativ. Viele Schachspieler nervt bei Übertragungen beispielsweise, dass einige Schachfreunde lange Computervarianten posten und sagen Engine X bewertet das mit 0,50 und Engine Y mit 0,90 im Plus. Dann wird ausgiebig darüber gestritten, ob 0,90 zum Gewinn führt und 0,50 nur zum Remis. Die Geheimnisse der Stellung bleiben aber weiterhin für die Masse verborgen.

Anderseits lauschen viele Schachfreunde gerne den Kommentaren von stärkeren Spielern bei Übertragungen – auch wenn diese mit ihren Einschätzungen manchmal daneben liegen. Das liegt natürlich auch daran, dass diese Kommentare mit Anekdoten gewürzt sind, aber interessant ist auch das Beleuchten warum etwas auf dem Brett passiert oder eben nicht passieren wird. Allerdings kosten menschliche Kommentatoren Geld und das ist mit den wenigen zahlenden Zusehern wiederrum auf die Dauer nicht finanzierbar.

Und genau hier könnte man die Betrugserkennung als Hilfsmittel einsetzen. Die normale Enginebewertung wird mit Erkenntnissen aus der Betrugserkennung aufgepeppt. Man könnte beispielsweise auf typische Fehlermöglichkeiten hinweisen oder die Stellung daraufhin untersuchen, ob sie ruhig oder schwierig ist. Möglicherweise gibt es neben abenteuerlichen Verwicklungen auch einen ruhigen für Menschen einfach zu sehenden Ausweg, den die Engines gar nicht anzeigen, weil er nicht so gut bewertet wird. Zudem könnte man auch Informationen des „persönlichen Profils“ eines Spielers in die automatischen Kommentierung einfließen lassen: beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass Shirov den schwierigeren Weg wählen wird oder aber auch wo er patzen könnte, patzen wird usw. Zudem könnte man auch zeigen, dass dieser oder jener Zug wahrscheinlich nicht aufs Brett kommen wird, obwohl er eine gute Enginebewertung hat, weil er für einen Menschen schwer zu finden ist – aber im Umkehrschluss auch zeigen, dass ein Zug wohl nach längerer Berechnung kommen wird, obwohl er schwierig zu finden ist für einen starken Spieler einfach auf der Hand liegt. Man könnte den Laien damit einen kleinen Einblick in die Mustererkennung der Topspieler geben. Das wäre nicht nur informativ und spannend während einer Partie, sondern dieses Wissen könnte für uns Patzer auch für eigene Partien genutzt werden.

Man könnte die aus der Betrugserkennung gewonnen Erfahrungen somit ohne große zusätzliche Kosten einem breiteren Publikum zugänglich machen und sich somit auch Vorteile bei Übertragungen gegenüber anderen Anbietern verschaffen, die nur auf reine Engineausgaben setzen.

Nebenbei würde eine derartige Kommentierung es auch realen Betrügern - wie im aktuellen Fall Feller - schwerer machen, denn es würde viel mehr Leuten auffallen, dass ein Spieler gerade in kritischsten Situationen immer die richtigen Entscheidungen trifft. Natürlich kann dies immer noch alles Zufall sein, aber jedes Wochenende ein Lottohauptgewinn – daran glauben auch nur wenige!

Natürlich schadet dies den menschlichen Kommentatoren, aber da diese in der Realität sowieso nicht finanzierbar sind, hält sich der Schaden meiner Meinung diesbezüglich in vertretbaren Grenzen – und bis ein Computer unterhaltsam Anekdoten erzählt dauert es noch sicherlich sehr sehr lange!


Artikelserie:

  1. Betrugserkennung
  2. Betrugserkennung Wurznpraxis
  3. Betrugserkennung ökomomischer Blick
  4. Betrugserkennung Mythbusting
  5. Nutzen der Betrugserkennung
Betrugserkennung ökonomischer Blick
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Donnerstag, 10 Februar 2011 00:38

Betrugserkennung ökonomischer Blick

Wie oft im Leben gibt es verlockende Ausblicke auf eine heile Welt, denn mannigfaltige technische Möglichkeiten lassen uns von nahezu paradiesischen Zuständen träumen – beispielsweise von einer Onlineschachwelt in der Betrug durch ausgefeilte Methoden erkannt und effektiv bekämpft wird.

Aber leider ist nicht alles was technisch möglich ist auch praktisch realisierbar; besonders dann nicht, wenn man auch einen Blick auf die Kosten werfen muss. Es ist doch klar, dass man aus den reinen Zügen nicht erkennen kann, ob die Hilfe einer Engine in Anspruch genommen wurde, das bedeutet, dass wir für jeden Halbzug eine Computerbewertung benötigen und danach noch die gesamte Partie aus statistischer Sicht bewerten müssen.

Für untenstehende Tabelle habe ich folgende Annahmen getroffen und diese eher günstig für die Serverbetreiber gewählt. Werden beispielsweise 200.000 Partien am Tag gespielt und dauern diese durchschnittlich 20 Züge (40 Halbzüge) so werden für die Computerbewertung pro Halbzug eine Sekunde angesetzt. Für die statistische Gesamtbewertung der Partie wird ebenfalls eine Sekunde angenommen und schon mit diesen Vorgaben ergibt sich, dass man 95 Tage (ein Tag hat 86.400 Sekunden) rechnen müsste, nur um die 200.000 an einem Tag gespielten Partien zu überprüfen. Oder man verwendet 95 Computer, um die Arbeit an einem Tag erledigen zu können.

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Nimmt man nun an, dass ein Computer zirka 150 Watt Strom pro Stunde verbraucht, würden sich daraus ein Stromverbrauch von 124.000 kWh pro Jahr ergeben, dass entspräche dem Jahresverbrauch von 35 Haushalten und die anfallenden Kosten von 31.000 muss auch jemand bezahlen – die Kosten für die Computer selbst sind in dieser Rechnung noch gar nicht enthalten.

Nimmt man die durchschnittliche Partielänge mit 26 Zügen und die Rechenzeit mit 3 Sekunden an, würde man fast ein Jahr benötigen, um die nur an einem Tag auf einem Server gespielten Partien auf Betrug zu überprüfen. Mit dieser zugegebener Weise sehr einfachen Milchmädchenrechnung kann man markige Marketingsprüche demaskieren – es lohnt aber dennoch sich ein paar selbständige Gedanken zu machen und nicht vollmundigen, aber praktisch unrealisierbaren Versprechungen zu glauben.

Angeblich werden täglich 1,5 Millionen Partien weltweit auf Schachservern gespielt!

 

 


 

Artikelserie:

  1. Betrugserkennung
  2. Betrugserkennung Wurznpraxis
  3. Betrugserkennung ökomomischer Blick
  4. Betrugserkennung Mythbusting
  5. Nutzen der Betrugserkennung