Auf ins Münsterland!
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Sonntag, 23 August 2015 20:00

Jörg Hickl rockt das Münsterland

Einmal im Leben sollte man ja mal im Münsterland gewesen sein - hier ist es schön, die Sonne scheint von früh bis spät, und auf den Wiesen stehen Nutztiere und viel, viel, wirklich sehr viel Mais.
Schachlich bekannt ist das Münsterland vor allem durch das Aushängeschild der Region, den SK Turm Emsdetten, und ebenfalls durch die Pionierarbeit des SK Königsspringer Nordwalde. Aus diesem Club fanden in den Achtziger Jahren viele verwegene Eröffnungsideen den Weg in die Welt, erdacht und an vielen Vereinsabenden beharrlich getestet von Stefan Bücker und seinem Bruder Peter: der Geier ist ein Münsterländer,  ebenso wie das Wusel, das Habichd, und sicherlich die Nordwalder Variante im Königsgambit 1.e4, e5 2.f4, Df6! .

So wundern wir uns nicht, dass nun auch der internationale Schachgroßmeister Jörg Hickl die Region an diesem Wochenende mit seiner Anwesenheit beehrte, angereist aus dem bezaubernden Hessen in den halbhohen Norden und drei Tage zu Gast beim Schachclub Steinfurt. Am Freitag gab der deutsche Meister von 1998 vor Ort eine großmeisterliche Trainingseinheit für interessierte Zuhörer, ehe er sich am Sonnabend in einem kniffligen Uhrensimultan seiner Haut erwehren musste und gegen ein respektables Feld mit 9,0 : 1,0 obsiegte - neben Thorsten Niering war es der frühere Vorsitzende des SC Steinfurt, Rainer Janning, der dem hohen Gast einen halben Punkt entringen konnte.

Somit war alles bereitet für das große Finale am Sonntag - und aus Münster, dem münsterländischen Umland und dem rauhen Norden (Bremen! Oldenburg!) trafen sie ein, die schachhungrigen Adepten, um im nunmehr 10. Steinfurter Sparkassen-Schnellschachturnier (StSpSchSchT) ihr Glück zu versuchen. Auch ich hatte mich auf den Weg gemacht, obschon die Anwesenheit meines verehrten Blog-Chefs Jörg alle meine Hoffnungen auf den ersten Preis ja schon im Vorhinein zunichte gemacht hatte. Doch letztlich geht es beim Schach ja immer auch um das Spielen, und darum, nette Menschen zu treffen - und wenn so etwas möglich ist in dieser Welt, dann natürlich beim Schnellschach und in Steinfurt. Gerne hätte ich natürlich einmal, nur einmal im Leben eine Partie gegen GM Hickl gespielt, doch nach einem hübschen Erstrunden-Sieg führte mich ein leichter Einbruch mit nur zwei Remisen aus den nächsten vier Spielen bis hinunter an das 24.Brett und weit weg vom Schachwelt-Blogchef, der an Brett Eins und Brett Zwei zusammen mit dem verdienten Altmeister IM Podzielny und der pfiffigen Oldenburger Schachfachkraft Sebastian Müer seine Runden zog.

Das Münsterland war also nicht so nett zu mir - wenn ich nochmal wiederkommen soll, muss das besser werden, Leute! Zweimal stand ich zwar, wie man so sagt, aussichtsreich, doch heißt das nicht viel, wenn man danach noch so allerlei Material wegstellt. Aus, aus, aus - kein Turnier für mich heute, doch zur Ehrenrettung der Schachwelt-Redaktionsstube gab es ja noch Jörg Hickl, der in seinem Punktedrang allein durch IM Carsten Lingnau vorübergehend gebremst wurde, sonst aber alles hübsch gewann und am Ende mit acht von neun möglichen Punkten über die Ziellinie kam. Seit Jahren schon haucht Jörg mit a) seinen Schachreisen und b) gewagtem Eröffnungsspiel dem königlichen Spiel neue Energie ein. Bei ihm muss man oft schon im ersten Zug mit dem gewagten 1.g2-g3 rechnen, gefolgt von einer organisch zu nennenden Partienanlage, die er mit einer Art schachlichem Multitasking an beiden Flügeln des Brettes minimal expansiv betreibt - allerdings nur auf den ersten drei Reihen, maximal! Spät, sehr spät erst gelangen seine Figuren in Schlagweite mit der gegnerischen Mannschaft, und dann wird es konkret! und komplex! Im Münsterland beim heutigen StSpSchSchT war dies der richtige Ansatz, und Jörg kam am Ende souverän auf Platz eins durch einen Finalsieg gegen Podzielny.

Nur wenig dahinter der trickreiche Sebastian Müer, der seinen Stellungen auch bei knappster Zeit noch einen gelungenen taktischen Wirbel zu entlocken wusste und hellwach bis zur letzten Runde auf 7,5 Punkte kam. Platz Drei ging an Jan-Eric Chilla vom SK Münster, der IM Lingnau in der letzten Runde mit seinem Sieg noch auf die Plätze verweisen konnte. (Wie bei so vielen Turnieren gab es nur drei Hauptpreise für die besten Spieler des Tages, während die etwas undankbaren Platz vier und fünf nicht mehr mit einem Geldgewinn belohnt wurden. Alternativ konnte man allerdings zahlreiche Ratingpreisen in den Kategorien erobern.)

So also war es im Münsterland, beim Schnellschach! Gibt es noch etwas zu ergänzen? Ja, zumindest eine Frage - was machen die Leute hier eigentlich mit dem ganzen schönen Mais, der hier an jeder Ecke wächst? Kann es wirklich sein, dass der am Ende des Sommers mal so eben verbrannt oder zu Biogas gemacht wird? Kaum zu glauben, und schade um die gute Nahrung! Und da heißt es immer, wir Schachspieler wären ein wenig schräg.