Der Turniersaal
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Donnerstag, 26 Januar 2012 00:47

Vor Ort in Wijk aan Zee

Man kann das Tata Steel Chess Turnier natürlich prima im Internet verfolgen, aber ein Besuch vor Ort lohnt sich durchaus – ich mache es jedenfalls alle Jahre wieder. Dieser Bericht geht vor allem über die 9. Runde am Dienstag 24.1., wobei aber auch frühere Erfahrungen ein bisschen mit einfliessen. Beide Fotos © Fred Lucas.

In Wijk aan Zee gibt es zwei Schauplätze: Dorfhaus de Moriaan steht für einige Wochen ganz im Zeichen des Schachs – ein paar hundert Amateure spielen im Saal und in einigen Nebenräumen, die Grossmeisterturniere ABC sind abgetrennt auf der Bühne (auf dem Foto ganz hinten hinter den Monitoren). Zweiter Schauplatz ist das Kommentarzelt das jedes Jahr ein paar hundert Meter entfernt auf einer Wiese mitten im Dorf aufgebaut wird – der Rest dieser Grünfläche ist teilweise Parkplatz, nebendran laufen Pferde herum, die sind aber etwas grösser und bewegen sich anders als die Schachfiguren!

Zuerst zum Turniersaal: die Bühne betreten zunächst, so 15-20 Minuten vor Rundenbeginn, diverse Fotografen. Erkannt habe ich Hausfotograf Fred Lucas und den Tschechen Pavel Matocha mit seinem Hahnenkamm; später traf ich noch Chessvibes-Chef Peter Doggers. Dann nach und nach die Spieler. Als erster kam Topalov – was er einem anderen Pavel, Hauptschiedsrichter Votruba, erzählte weiss ich nicht denn sie unterhielten sich in irgendeiner slawischen Sprache. Dabei "bewachte" er den Eingang zur Bühne – schade dass ich keine eigene Kamera hatte denn "Türsteher Topalov" wäre ein nettes Motiv gewesen. Traditionell konzentriere ich mich aber auf die C-Gruppe: da ist die Menschentraube kleiner, die Spieler kommen tendenziell früher und die Atmosphäre ist lockerer. Zwei Damen waren besonders gut gelaunt: worüber sie sich sehr angeregt unterhielten kann ich auch nur vermuten obwohl sie Englisch sprachen. Sachdev und Pähtz vor der RundeHinterher sah ich dass Elisabeth Pähtz im Video-Interview auf der Turnierseite lachend verriet was sie einen Tag davor am Ruhetag tat: shopping in Amsterdam mit Tania Sachdev. Es dauerte ein zwei Minuten bis Fotografen dazu kamen – Fred Lucas hat mir sein Foto (genommen aus <1m Entfernung) dankenswerterweise geschickt schon bevor es hier veröffentlicht wurde. Im Hintergrund Elina Danielian, Gegnerin von Pähtz die sich bereits voll auf die Partie konzentriert, die Stellung ist ja auch durchaus kompliziert. Der Gong zum Start der Runde kam aber erst fünf Minuten später.

Dann habe ich noch die Eröffnungsphase verfolgt, Zustimmung eingeholt um Fotos für diesen Bericht zu verwenden (dieses Jahr neu für mich), und eine Stunde später beginnt der Kommentar. Da harmonierten Smeets und Stellwagen auch prächtig, wobei der holländische Jan (nicht Timman, der spielt ja im B-Turnier) die besseren Sprüche hatte u.a. als Sekundant von Topalov:
"Topalov spielt die Eröffnung immer schnell – mal ist es Vorbereitung, mal ist es Bluff, das weiss der Gegner ja nicht."
[Zur Eröffnung bei Carlsen-Karjakin:] "Das musste ich auch mal analysieren, aber erst einige Züge später. Oft bin ich Experte in Stellungen ohne zu wissen wie sie zustande kommen." (denn der Chef kennt die ersten 10-15 Züge auswendig, sein Assistent aber offenbar nicht)

Aus dem Publikum kam die (logische) Frage warum sie nicht selber spielen. Beide hatten eine Einladung für die B-Gruppe, worauf Smeets aber nach dreimal A-Turnier keine soooo grosse Lust hatte. Ausserdem will er so langsam sein Studium abschliessen, und Stellwagen ist inzwischen berufstätig.

Irgendwann ging ich zurück in den Turniersaal. Besonders faszinierend ist dass mehrere Spieler immer in Gedanken versunken auf der Bühne rumlaufen ohne miteinander zu kollidieren. Oft legt Gelfand mit die meisten Meter zurück, diesmal aber nicht denn seine Partie wurde schnell Remis. Das Resultat war nicht überraschend, schliesslich spielte er gegen van Wely und der kann dieses Jahr weder gewinnen noch verlieren. Der ultime Beweis einen Tag danach: King Loek akzeptierte remis genau als er plötzlich forciert gewinnen konnte! Absicht war es sicher nicht, und er hatte nur noch wenige Sekunden für seinen 40. Zug. Und van Welys eigentliche Rolle übernimmt dieses Jahr Karjakin.

Ein anderes Foto das nicht geschossen wurde hat den Titel "Aronian überholt Carlsen". Beide liefen parallel zueinander, Carlsen vor, Aronian hinter den Brettern der A-Gruppe, und der Armenier war viel schneller unterwegs. Das passierte am selben Tag ja auch im Turnier. Wenn Carlsen nicht spazieren geht hat er übrigens auch seine ganz eigene Sitzhaltung am Brett – ich kann es nicht beschreiben, auch in der Hinsicht ist er einmalig.

So das war's. Was hinterher passiert (Analyse, Kommentare der Spieler, Pressekonferenz) erfahren zunächst nur etablierte Journalisten mit Zugang zum abgeschlossenen Pressebereich; darüber steht inzwischen einiges anderswo im weltweiten Web. Zwar liefen zunächst Pähtz und dann Topalov direkt an mir vorbei, aber ich wollte sie nicht ansprechen bzw. stören. Und sowohl "worüber hast Du/haben Sie denn mit Tania Sachdev gequatscht?" (oder etwa auf Englisch um die Sache mit der Anrede zu vermeiden??) als auch "What was it today, bluff or preparation?" wäre überfrech gewesen – bei Topalov vermute ich in seiner Partie gegen Nakamura letzteres.