Gentlemen no Engines please
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Samstag, 08 November 2014 00:00

Gentlemen no Engines please

Die WM wird wieder auf vielen Webseiten und Servern kommentiert und da kommt gleich wieder ein ganz heißes Thema aufs Tapet: darf man Engines verwenden oder muss man gefälligst selber rechnen? In so manchem Chat genügt es „+1,27“ fallen zu lassen, um sofort einen Sturm der Entrüstung loszulassen und anderswo wird sofort gekontert „Nein – jetzt nur mehr +1,03 bei Tiefe 35“ und „achwo mein selbstkompilierter, optimierter Fischimagix auf Stickstoff gekühlter Hardware sagt +08,15 – game over!“ „Schleicht‘s Euch mit Euren Enginebewertungen oder ich zucke aus – rechnet endlich selber“ bereichert ein anderer wiederum die Diskussion.

Wer hat nun Recht? Nun diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: BEIDE!!

Beleuchten wir aber für die jüngeren Leser ein wenig den geschichtlichen Aspekt der Lagerbildung – zuerst waren die Computer einfach nur schwach, richtige Lachnummern wie der Mephisto I im Jahre 1980 mit 1250 Elo oder dann später ungeheuer groß und teuer wie „Deep Thought“, der als „Deep Blue“ unter IBM Flagge 1997 im zweiten Wettkampf sogar den Weltmeister Garri Kasparov unter Turnierbedingungen besiegen konnte.

Auch auf handelsüblichen PC und dann Laptops waren bekannte Programme wie Fritz, Shredder & Co dann dem Menschen vor allem taktisch und bei kurzen Bedenkzeiten überlegen, aber bei den Anfang der Nullerjahre aufkommenden Videoübertragungen von Schachturnieren kam es zu technischen Problemen. Laptops – damals noch mit Singlecore CPUs ausgestattet - konnten nicht gleichzeitig eine Engine rechnen lassen und Livevideos an den Server schicken ohne komplett in die Knie zu gehen oder gar abzustürzen. Also wurde aus der Not eine Tugend geboren: Kommentatoren mussten ohne Engineunterstützung auskommen – auch auf die Gefahr hin, dass User zu Hause vor dem Computer mit Engineunterstützung andere Einblicke in das Geschehen bekamen. Dass es heute für einen Laptop kein großes Problem darstellt Videos zu übertagen während auf den restlichen Kernen eine Engine als Blunderchecker agiert oder noch besser der Laptop via Cloud auf einen starken Computer mit Engine zugreifen kann – ja dies ist an manchen Kommentatoren spurlos vorbei gegangen. Und warum haben Sie dann trotzdem auch Recht mit dem „Selberrechnen“? Klar nur damit kann man seine eigene Spielstärke steigern, denn durch stumpfes Ablesen einer Enginebewertung wird man nicht wirklich ein besserer Schachspieler ... auch wenn manche davon träumen mögen!

Und warum haben dann die Enginebefürworter bei Übertragungen auch Recht? Nun ich schaue mir Übertragungen zur Unterhaltung als Fan an und nicht um meine Spielstärke zu erhöhen, die schon fast 20 Jahre auf gleichem Niveau dahinvegetiert. Mich interessiert auch nicht die Rechenstärke des Kommentators während seiner Arbeit – ich will wissen, was am Brett los ist und mir ist klar, dass die Engines stärker sind als jeder Mensch!

Bei einer Übertragung vom Gewichtheben der Klasse +105 kg und 260 kg auf der Hantel zeigt mir der Übertragungsexperte auch nicht wie er locker 200 kg hochstemmen kann und sagt mir ich sollte mich endlich mehr anstrengen, damit ich mal mehr als 60 kg schaffe und auch die Tatsache, dass jeder Kran 260 kg locker heben kann will ich nicht hören – nein, ich möchte vom Experten seine Einschätzung hören, ob der Athlet die ihm gestellt Aufgabe schaffen kann oder nicht.

Und zurück zum Schach: die Einbeziehung von Enginebewertungen kann die Sache auch interessanter machen, denn die Superstars treffen oft und mit ehrlichen Mitteln die Enginezüge und einem guten Kommentator können Enginebewertungen helfen, Gefahren der Stellungen und Ideen der Superstars zu erkennen und so aufzubereiten, dass auch wir die Masse der Zuhörer die Chance auf einen Einblick in diese uns verborgene Welt zu gewähren.

Während Carlsen gegen Anand spielt, will ich keine Trainingsstunden für mein Schach nehmen, ich möchte ein wenig verstehen können was sich am Brett abspielt und dafür brauche ich keine Engine und keinen Schachoberlehrer sondern einen KOMMENTATOR!!


So und lassen wir die Emotionen hinter uns und versuchen rational an das Thema heranzugehen. Eine Schachpartie endet nicht +1,27 sondern entweder gewonnen, verloren oder remis und dies gilt für jede einzelne der fast unendlichen Stellungen unseres schönen Spiels. Betrachten wir ein ganz einfaches Beispiel:

2014Engine01

Dass Weiß am Zug gewinnt ist logisch und mit einer einfachen Regel erklärt: König auf der 6. Reihe vor dem Bauer gewinnt immer! Nach Tablebases ist das ein Matt in 12, aber das rechnet ja kein Mensch tatsächlich aus – uns reicht die Info Bauer wird Dame und damit gewonnen. Nehmen wir nun mal eine ganz alte Engine an, die keinen Tablebasezugriff hatte und auch keine Tiefe von 24 Halbzügen erreichen konnte. Die würde wohl dann mit einer Bewertung von +9 für den Damenwert oder etwas mehr für die Hilflosigkeit des Schwarzen bewerten und damit einen Weißsieg mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Was uns +9 aber nicht sagt, sind welche Gefahren der Weiße noch umschiffen muss, um zu gewinnen. Hier natürlich extra widersinnig gewählt, aber Weiß kann diese Stellung auch noch verlieren und ein Remis ist ja immer möglich solange kein Matt die Partie beendet hat. Aber lassen wir Weiß den Bauern e6 schlagen und unsere Primitivengine würde wieder +9 für die zu erwartende Dame bewerten, obwohl jetzt ein Verlust total ausgeschlossen ist, aber ein Remis immer noch möglich ist!

Enginebewertungen sagen uns nur auf welches Ergebnis (1, 0 oder =) die Engines setzen würden. Hohe Bewertungen zeugen von einer höheren Gewinnwahrscheinlichkeit – Remiswahrscheinlichkeiten lassen sich aus den Enginebewertungen sehr schwer bis gar nicht ablesen – ebenso gibt es keine Informationen zur Schwierigkeit des Gewinn- oder Remisweges. Schauen wir uns noch ein Beispiel an:

2014Engine02

Das ist Matt in 549 wie uns die Tablebases sagen - allerdings ohne Berücksichtigung der 50 Züge Regel, aber das ist für unser Beispiel hier vernachlässigbar auch wenn die Engines den Braten möglicherweise riechen könnten, weil der Bauer schnell zu einem Springer wird und dann der Turm erst im 509. Zug geschlagen wird. Schauen wir uns trotzdem die Enginebewertungen im Detail an: Stockfish tippt auf auf klar gewonnen und hat liegt damit richtig und falsch zu gleich: Komodo sagt gute Gewinnchancen für Weiß voraus - allerdings ist ein Remis durchaus im Bereich des Möglichen und Houdini tippt auf Remis, aber die Bewertung +0,12 gibt uns keinen Hinweis auf die 50 Züge Regel.

Aber eigentlich ist dieses Beispiel nicht viel schwieriger als unser Babyendspiel vorhin, denn wir wissen mit oder ohne Engine beide können gewinnen und Remis ist immer möglich! Die Engines geben uns den Tipp Richtung Gewinn von Weiß mit mehr oder weniger Chancen auf Remis. 

Und jetzt kommt unser Kommentator ins Spiel, der möglicherweise in der Hitze des Gefechts und der Doppelbelastung den Fehler machen könnte zu denken, dass statt des Springereinzuges auch Dameneinzug möglich sei und das Endspiel Dame gegen Turm und Springer aufgrund des etwas abseits stehenden Turms für Weiß gewonnen sein könnte – obwohl auf jedem Rechner im Wohnzimmer schon Remis angezeigt wird!

2014Engine03

Was wollen wir also von ihm hören?

Dass er besser ist als wir im Schach – nein, das wissen wir sowieso!
Dass er schwächer als die Superstars ist – nein, auch das wissen wir!
Dass er nicht so gut wie Engines rechnen kann – nein, auch das ist uns bekannt!

NEIN – wir wollen nur seine Einschätzung der Stellung mit Hilfe aller auch uns auch zugänglichen Informationen hören – also auch inklusive Enginebewertungen, weil er schachlich näher an den Superstars dran ist und eher verstehen kann, was die sehen können und was nicht. Und diese Aufgabe wird mit stärken Engines, Tablebases nicht leichter werden, sondern viel, viel schwieriger, weil immer öfter erklärt werden muss, dass manches für den Menschen nicht sichtbar und schon gar nicht berechenbar ist! Es ist klar, dass Kommentatoren Fehler machen müssen, aber es ist nicht zwingend vorgeschrieben, dass sie sich laufend mit hochrotem angestrengten Kopf lächerlich machen und Untervarianten am Leben erhalten wollen, obwohl schon der Einstieg ein Fehler ist und das nur weil sie auf Hilfsmittel verzichten wollen, weil sie Belehrer und nicht Erklärer sein wollen.

Ich habe bisher bewusst keine Namen von Kommentatoren im Artikel genannt, möchte aber doch einen herausheben: Klaus Bischoff auf schach.de – zwar auch kein Freund von Engineanalysen, aber einer der wenigen, die wenn solche eingeworfen werden, sehr schnell die Ideen hinter den Enginevorschlägen versteht und in die Kommentierung einbaut, auch wenn er gerade eine andere Idee bespricht und berechnet. Vielleicht liegt es daran, dass er 1980 hinter Kasparov und Short den geteilten 3. Rang bei der Jugendweltmeisterschaft in Dortmund belegt hat und damit selbst einmal in der Welt der Superstars war!

Yet another Carlsen Anand WM Kampf
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Donnerstag, 06 November 2014 00:00

Yet another Carlsen Anand WM Kampf

„Yet another“ oder „net schon wieder“ wie es im Original gelangweilt durch den Kopf der Krennwurzn schallt: Sotchi, Anand, Carlsen, Schachweltmeisterschaft! In Sotchi wunderschön am Schwarzen Meer gelegen fand heuer die Olympiade statt, dann der Formel 1 Grand Prix und nun die Schachweltmeisterschaft! Wer beim Grand Prix nicht eingeschlafen ist, der bekommt nun eine zweite Chance und da eine Schachpartie vor allem mit Carlsen länger dauert als ein Grand Prix, dürfte der Erholungswert noch besser ausfallen.

2014WM1

Schaut man sich die Wettqouten an ist klar, Carlsen wird mit 1:1,20 seinen Titel locker verteidigen und wer seine Kröten auf Vishy setzt dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Überhaupt urfad immer dieses Sotchi, dieser Anand schon ewig in WM Finalen und Carlsen mit seinem Gequetsche in faden Endspielen - igitt, urfad – wo ist da die Spannung, die Action?

ABER HALLO!!!
Ich hasse zwar diesen Ausdruck mehr als jede Fadesse, aber wie sollte ich mich und die Schachwelt sonst aus diesem negativen Gefühl der Wiederholung herausreißen?
ABER HALLO!!!

Es geht um die Krone im Schach und ja wir hatten jetzt jährlich eine WM und das bei einem Zweijahreszyklus und Anand ist wirklich schon lange in der Weltspitze und aus dem Wunderkind Magnus ist ein junger Mann Carlsen geworden! Aber – ohne Hallo – wird es wirklich so fad wie wir uns das gerne glauben machen wollen, weil wir uns andere WM Paarungen erhofften?

Klar neben dem Altersunterschied von 21 Jahren ist auch der Elounterschied enorm: um die 70 Punkte liegt Magnus da vor Vishy und noch dazu hat dieser im letzten WM Kampf keine einzige Partie gewonnen – die Vorzeichen sind klar: Carlsen wird diese WM gewinnen! „Ja das stimmt!“ sagt auch die Krennwurzn, „aber Hallo“ muss das wirklich fad werden? NEIN ist meine klare Antwort! Carlsen hatte im Vorjahr den Druck endlich Weltmeister zu werden und Anand wollte das „Unvermeidliche“ nur verhindern und aus dieser Kombination ist dann ein etwas fader einseitiger WM Kampf entstanden. Warum soll das gerade heuer in Sotchi anders werden? Carlsen darf den Titel nicht verlieren, weil er dadurch seinen Überfliegerstatus verlieren würde und Anand ist mit seinem Sieg gegen die junge Garde beim Kandidatenturnier in Chanty-Mansijsk endgültig in den Olymp der Schachgötter aufgestiegen. Anand kann nichts mehr verlieren und das wird seinem Spiel gut tun und Carlsen wird darauf reagieren und daher glaube ich, dass wir vor einer spannenden WM stehen und es - ABER HALLO!!! - nur nicht wahr haben wollen!


Links und Spielplan

Offizelle WM Seite der FIDE

Neu die WM-Teilnehmer bei Twitter
Anand bei Twitter
Carlsen bei Twitter

2014WM2

Habemus Carlsen
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Freitag, 22 November 2013 14:34

Habemus Carlsen

Der König ist tot, es lebe der König! Mit dieser Heroldsformel wurde in Frankreich der Tod des alten Königs bekannt gegeben und gleichzeitig der neue ausgerufen, um Kontinuität zu signalisieren – um den Erbanspruch darzustellen und auch um die Angst vor dem Neuen zu nehmen. Nach einigen Unklarheiten wer den rechtmäßiger Weltmeister sei in Anfängen der Nullerjahre des Jahrtausends brachte der Sieg von Anand 2007 mit seinen folgenden Titelverteidigungen Ruhe und Seriosität in die Titelfrage.

Der Titelgewinn von Carlsen war eigentlich eine logische Folge nachdem er 2010 die Führung in der FIDE-Weltrangliste übernahm und dann auch noch den Rekord von Kaparov überbot. Schon im Vorfeld wurde viel diskutiert, ob Anand nach nicht so tollen Turnierleistungen in der Lage wäre Carlsen Paroli bieten zu können. Andererseits zeigte auch Carlsen Nerven als er beim Kandidatenturnier in der letzten Runde gegen Peter Swidler verlor, und nur deshalb Herausforderer wurde, da der punktgleiche Wladimir Kramnik ebenfalls seine letzte Partie verlor und Carlsen wegen der mehr gewonnenen Partien das Turnier doch gewonnen hat.

Die Schachwelt war sich einig, dass die Eröffnungsvorbereitung nicht gerade zu den Stärken von Carlsen gehört und sahen da die größten Chancen für Anand im Wettkampf. Auch dass die Weltmeisterschaft in Indien gespielt wurde, sahen viele als Vorteil für Anand. Ich bin hier vollkommen anderer Meinung – ich denke der beste Ort für eine Titelverteidigung von Anand wäre Norwegen gewesen, nur so hätte man den Druck auf Carlsen maximieren können. Irgendwie hatte die Krennwurzn den Eindruck, dass Anand selbst im tiefsten Inneren nicht wirklich an eine erfolgreiche Titelverteidigung glaubte, aber sehen wir uns die Partien kurz an.

Die ersten beiden Partien endeten schnell durch Zugwiederholungen Remis, was einige als Vorteil Anand ansahen, da Carlsen solche bei der WM Anand - Gelfand heftig kritisiert hatte. Als er dann in der dritten Partie mit Weiß nichts aus der Eröffnung holen konnte und wie er in der Pressekonferenz sagte die Notbremse ziehen musste. Er musste seine Dame nach h1 überführen und kam in Zeitnot, konnte aber mit einem Bauernopfer seine Figuren wieder aktivieren und als Anand dann im 41. Zug Remis anbot, lehnte er dies ab und spielte dann die Partie aus. In der vierten Partie entstand aus der Berliner Verteidigung eine interessante Partie und Carlsen konnte den Bauer auf a2 gewinnen. Anand hatte Kompensation und nach der Abwehr von ein paar Mattdrohungen am Ende der Partie kam es wieder zum Remis. Aber psychologisch hatte sich das Match meiner Meinung nach gedreht – jetzt war Carlsen im Match angekommen und am Drücker.

Die fünfte Partie war dann ein offener Schlagabtausch und als die Kommentatoren und die Schachengines alle im dann entstandenen Turmendspiel das Remis schon kommen sahen und spekulierten wie lange die Anfangsremisserie noch anhalten würde, verschärfte Anand mit 39. ... a4 in Zeitnot von Carlsen die Stellung, statt mit 39. ... g4 den Remishafen anzusteuern.

2013HabemusCarlsen1 

In der Folge traf er dann mehrmals nicht die optimalen Züge und nach 51. ... Ke6 war dann die Partie endgültig verloren.

In der sechsten Partie fand Anand wieder in einem Turmendspiel, dass Carlsen aggressiv mit Bauernopfer anlegte, wieder nicht die rettende Fortsetzung und verlor die Partie und damit wohl schon das Match.

2013HabemusCarlsen2

Hier hätte 60. b4 noch Remis gehalten, Anand spielte jedoch 60. Ta4 und nun stehen ihm seine eigenen Bauern im Wege.Die Wettqoute bei BWIN auf Matchsieg Carlsen wurde auf 1:1,01 gesenkt und dann sogar komplett aus dem Programm genommen.

Die siebte und achte Partie endeten schnell remis, wobei das Spannendste die Dopingkontrolle nach der achten Partie war. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass die Weltmeisterschaft von Anand ohne Kampf und nur durch Eigenfehler verloren wurde und dafür wurde er teilweise heftig kritisiert.

Nach einem Ruhetag kam in der neunten Partie ein scharfer Nimzoinder aufs Brett und beide spielten scharfe und prinzipielle Züge. Carlsen sagte, dass er sich damit abfinden musste, dass er möglicherweise matt gesetzt wird und organisierte dann doch eine coole Verteidigungsstrategie.

2013HabemusCarlsen3

Nach 22. ... b3 von Carlsen sank Anand in tiefes Nachdenken und musste viele Angriffsoptionen durchrechnen. In dieser Phase sah man im Video, dass Anand mehr und mehr resignativ aussah, denn was die Zuseher mit Computerhilfe schon wussten, wurde ihm nun auch immer klarer: es gibt kein Matt – Schwarz kann den Kopf immer wieder aus der Schlinge ziehen. Wahrscheinlich führte diese Hoffnungslosigkeit zu dem finalen Bock 28. Sf1?? anstatt mit 28. Lf1 in eine ausgeglichene Stellung zu kommen. Im Endeffekt war es egal und dieser Partieverlust stellt meiner Meinung nach keine Niederlage dar, auch wenn es die Weltmeisterschaft wohl endgültig gekostet hat, denn nun müsste Anand alle drei ausstehenden Partien gewinnen, um noch die Tiebreaks zu erreichen. Aber alle Schachwelt zollte dem „Tiger von Madras“ Respekt für seinen Kampfgeist und trauerte ein wenig nach, warum er dieses Spiel nicht von Anfang an aufgezogen hat. Vielleicht liegt die Antwort gerade in diesem traurigen Ende der Partie – den ungeheuren aggressiven Verteidigungsfähigkeiten des norwegischen Wunderkinds, den viele jetzt schon als „Mozart des Schachs“ bezeichnen.

In der zehnten Partie kam ein Sizilianer aufs Brett und Carlsen wich einer Stellungswiederholung, die im den Titel wohl gesichert hätte, falls Anand die Schaukel akzeptiert hätte, selbst mit 22. a4 aus dem Weg. Nun entwickelte sich spannendes Spiel und Anand spielte mit 28. ... Dg5 die erste Ungenauigkeit, doch Carlsen vergab mit 30. exd6 statt 30. Sc3 die Chance auf Vorteil und so entstand nach Generalabtausch ein remisliches Springerendspiel. Aber dieses wurde noch ultraspannend und vor allem wurde es total ausgekämpft!

Magnus Carlsen ist der 16. Weltmeister der Schachgeschichte!!

Nun wie ist dieser Wettkampf abschließend zu bewerten? Nun eine grundlegende Erkenntnis könnte sein, dass man mehr Augenmerk auf menschliches Schach legen muss, denn die Ära der menschlichen Überlegenheit den Maschinen gegenüber ist einer totalen Unterlegenheit gewichen. Menschen machen Fehler und wer weniger Fehler macht, der gewinnt langfristig!

Jedenfalls verursachte diese Weltmeisterschaft ein weltweites Medieninteresse und erzielte einige Rekorde, so kam der Twitter hashtag #AnandCarlsen in Indien als Nummer 1 in die Trendliste. Auch sonst wurde viel über diesen Wettkampf berichtet – in Deutschland hatte Spiegel Online beispielsweise einen eigenen Onlineticker im Programm und auf den klassischen Schachseiten wie beim Marktführer ChessBase wurden am Schachserver neue Zuseherrekorde erreicht. Zudem boten die Hamburger den Premiumuser Kommentierung in mehreren Sprachen an. Hervorheben möchte ich die schon als klassisch zu bezeichnende Kommentierung des aktuellen Deutschen Meisters GM Klaus Bischoff, der den Spagat souverän schafft und für alle Leistungsstärken interessante Erklärungen findet – vor allem zeigt er auf, welche Gefahren (Traumvarianten) in den Stellungen lauern, die im Endeffekt die Schönheit und die Faszination unseres schönen Spiels ausmachen.

Bleibt noch eine kleine nicht ganz ernstgemeinte Botschaft an den Nachwuchs übrig: werft die Eröffnungsbücher und die Computer aus dem Fenster – lernt Mittel- und Endspiele und versucht diese am Brett zu gewinnen! Und wie hieß es am Anfang des Artikels? Und da sind wir wieder am Anfang gelandet:

Danke Vishy !! – Gratulation Magnus !!

Aktion Titelverlust
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Donnerstag, 07 November 2013 23:29

Aktion Titelverlust

Nein – nicht schon wieder ein Promi, der sich seinen akademischenTitel erstgCt hat - also durch copy&paste erworben hat und auch kein CM, FM, IM oder GM der seinen Titel nicht durch eigenes Leistungsvermögen erreicht hat. NEIN es geht um wirklich Wichtiges! Olympiasieger ist man ewig, Welt- und Europameistertitel gehen verloren, wenn ein anderer den Titel gewinnt und dieses harte Schicksal müssen – schenkt man den Datenfuzzys Glauben – in den nächsten Tagen und Wochen Anand und Schach-Deutschland ertragen.

Deutschland Europameister 2011

AktionTitel1

und was Google dazu findet.

Am 8. November startet die EM in Warschau und unser Schachweltkollege Olaf Steffens berichtet diesmal sozusagen auswärts auf der DSB-Homepage aus Warschau – eine Ehre, die der Krennwurzn niemals widerfahren wird, denn er gilt in seinem Heimatland ja als Persona non grata und da sich daran nichts ändern wird ... aber lassen wir das und freuen wir uns, dass nicht alle Schachweltler dieses harte Schicksal eines „Parias“ ertragen müssen und auch auswärts geschätzte Schreiber sind – Gut Tastatur Olaf!!

Nun Deutschland ist als Nummer 10 gesetzt und muss den Titel abgeben - da freut sich der Ösi in der Krennwurzn unheimlich und feixt: die EM wird doch nur aus dem Grund gespielt, weil statistisch nicht vollkommen klar ist, wer der Nachfolger von Deutschland werden wird. Die restvernünftige Seite, deren Limes gegen Null konvergieren oder stürmt, wirft ein, dass das erstens ungerecht – das berührt die Krennwurzn aber schon gar nicht - und zweitens auch statistisch möglicherweise auch ein wenig unkorrekt sein könnte, was der Krennwurzn schon ein wenig mehr zu denken gibt, denn sie selbst musste 2002 und 2013 binnen weniger Jahre schon zwei Jahrhunderthochwässer an der Donau miterleben.

Waren die Deutschen 2011 nicht schon krasse Außenseiter und haben sie damals als möglicherweise zerstrittener Haufen nicht doch eine tolle Leistung gebracht und sich nicht nur gegen die favorisierten Gegner sondern auch gegen die übermächtigen Zahlen, die gegen sie sprachen durchgesetzt?

Vom zweiten Titelverlust im sonnigen Indien berichtet der Chef der Schachwelt höchstpersönlich ab Samstag 9. November auf der Seminarseite und wenn man Insidern und den Wettanbietern Glauben schenken darf, dann ist dieser Titelverlust noch klarer als ... ach lassen wir das Piefke-Bashing einfach mal weg jetzt!

AktionTitel2

95 Elopunkte Unterschied – da zittert zwar nicht einmal der staatlich geprüfte Angsthase Krennwurzn am Brett - zwischen Carlsen und Anand, der noch dazu älter ist und in seiner Heimatstadt unter unheimlichen Druck stehen muss und dessen letzter Sieg in einer Turnierpartie gegen Carlsen noch dazu aus dem fernen Jahre 2010 datiert. Dann noch eine Punkterwartung laut Elo von 0,65 zu 0,35 für Carlsen – ja warum wird dieser Wettkampf überhaupt noch gespielt?? Es ist doch alles sonnenklar: Carlsen ist doch bereits jetzt der neue Weltmeister! Es bleibt nur mehr die Fragen zu klären wie hoch und wie bald er den Wettkampf gewinnt und sind wir doch ehrlich: manche hoffen sogar auf eine überfischerische 7-0 Hinrichtung!

Aber ... klar Carlsen ist der Favorit ... aber ist das alles wirklich so sonnenklar? Wer hat den Druck? Anand eher nicht, denn er hat schon alles erreicht: FIDE-Weltmeister, Weltmeister und den Titel mehrmals verteidigt – nicht zu vergessen auch der verlorene Wettkampf gegen Kasparov in dem er zuerst in Führung gegangen ist und dann schrecklich unter die Räder kam. Anand hat Erfahrung im guten und im schlechten Sinn und er ist in einem reifen Alter und hat damit wohl die erforderliche Gelassenheit sich der kommenden Aufgabe zu stellen. Aber die Statistik höre ich die Krennwurzn schreien – die lügt doch nicht und die heiligen Elo schon gar nicht! Gut sage ich, wenn Carlsen so klar und sicher gewinnt, dann können wir in den Keller gehen, die alte sechs schussige Pistole vom Opa mit zwei Patronen laden und russisches Roulett spielen, denn die Überlebenschance ist dann mit 0,66 zu 0,33 sogar ein Spürchen höher als die Gewinnchance von Anand nach Elo. Bitte nicht so brachial wirft nun die Krennwurzn ein – wir sind doch zivilisiert – nehmen wir doch einen normalen Würfel und wenn 1 oder 2 kommt, dann bleibt Anand Weltmeister ansonsten heißt der neue Weltmeister Carlsen.

Gesagt getan: Würfel aus der Spielesammlung herausgenommen – ist auch schneller greifbar als die nichtexistente Pistole vom Opa – und gewürfelt:

AktionTitel3

ZWEI – Anand bleibt Weltmeister und die Krennwurzn und auch der vernünftige Teil atmet tief durch: Würfeln ist unblutiger als russisches Roulett und vor allem: wer hätte dann noch den Artikel online gestellt??

PS österreichische Merksätze:

Statistiken traut man nur, wenn man sie selbst gefälscht hat
und
Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen!

Carlsens Endspielvorbereitung
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Dienstag, 05 November 2013 21:33

Carlsens Endspielvorbereitung

Es ist zwar schwer nachvollziehbar, aber es gibt immer noch ein paar Träumer, die Anand im WM-Match realistische Chancen zubilligen. Ein seriöses Fachmagazin wie der "Spiegel" lässt sich da natürlich nicht täuschen. Die aktuelle Ausgabe verweist (vermutlich basierend auf diesem Artikel) auf eine Simulation über 40 000 Partien, die zu dem Ergebnis kommt, dass Anands Siegchance nur zwischen 6,1 und 10,3 % liegt. Na also, da haben wir's doch, zweifelsfrei mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen! Wie kann es da noch Diskussionen geben?

Eigentlich fragt sich also nur noch, wie hoch und mit welchen Mitteln Carlsen gewinnt. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe, aber ich bewundere an Carlsen vor allem dessen Endspielführung. Durchaus möglich, dass seine Technik auch bei der WM letztlich den Ausschlag gibt. In diesem Zusammenhang ist es interesssant zu sehen, dass das Endspieltraining auch in der Vorbereitung offenbar nicht zu kurz kommt. In einem sehenswerten Dokumentarfilm sieht man Carlsen beim Lösen von Endspielstudien. Auf dem Brett ist ein sehr schönes Exemplar zu erkennen, also schauen wir es uns doch einfach näher an (Diagramm oben, Weiß zieht und gewinnt):

Selbst der WM-Herausforderer hatte hier seine Probleme, denn man muss nach dem auf der Hand liegenden 1.g6 erst einmal eine raffinierte Verteidigungsidee für Schwarz finden. Carlsen dachte nur an 1...e5, was leicht zu widerlegen ist: 2.g7 Lb3 3.h6 usw. Soweit ich es verstehe, dürfte 1...Kf6! 2.g7 Lh7!! die Hauptvariante sein. Die Idee ist 3.Kxh7? Sf3 4.g8D Sg5+ und Weiß muss entweder Dauerschach mittels Sg5-f7-g5 zulassen oder ins Bauernendspiel gehen, in dem beide Freibauern im selben Zug umgewandelt werden. Die Pointe ist nun der auf den ersten Blick sinnlose Zug 3.e4!! Wenn nun zum Beispiel 3...Sf3, dann 4.e5+! und entweder der König oder der Springer wird entscheidend abgelenkt. Nun gut, 4.e5+ ist also eine Drohung, aber was hat Weiß gewonnen, wenn der Bauer einfach mit 3...e5 blockiert wird? Es gibt einen entscheidenden Unterschied: 4.Kxh7 Sf3 5.g8D Sg5+ 6.Dxg5 Kxg5 7.h6 c4 8.Kg7 c3 9.h7 c2 10.h8D c1D und nun gewinnt 11.Dh6+ die Dame, da der Bauer e3 nicht mehr im Weg steht. Wer dies selber gelöst hat, ist anscheinend noch besser als Carlsen und darf sich Hoffnungen auf den WM-Titel machen!

 

Bulgarische Impressionen oder eine WM Nachbetrachtung
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Nach der Weltmeisterschaft in Moskau brauchte die Krennwurzn dringend Urlaub, aber das Wetter im geplanten Urlaubsgebiet wollte sich nicht den Wünschen anpassen und so wurde kurz entschlossen am Samstag eine Woche Sonnenstrand in Bulgarien mit Abflug Sonntag gebucht. Der Sonnenstrand liegt nördlich von Burgas am Schwarzen Meer und ist ein „Ballermann“ in einer wunderbaren Bucht in der Nachbarschaft des UNESCO Weltkulturerbes Nessebar. Für Schach-, Bade- und Technomusikinteressierte findet dort Anfang September im Rahmen der Czechtour das Sunny Beach Open 2012 statt.

Aber was soll das Geschwafel über Urlaubsreisen und Schachturniere werden Sie sich nicht zu Unrecht denken und da will ich Sie gar nicht länger auf die Folter spannen. Wie die Krennwurzn so durch die diversen Verkaufsbuden schlendert, fällt ihr Blick auf ein Schachbrett, das umgeben von Schlagringen zum Verkauf angeboten wird. Sofort sind die Gedanken wieder bei der als langweilig kritisierten Weltmeisterschaft – ja es muss wieder mehr Brutalität in den Schachsport kommen. Die Fans wollen Schlachten sehen, erschaudern vor Angst ob der geliebte Schachspieler alle Gefahren des Variantendschungel gut überstehen wird und sich mit letzter Kraft als Sieger vom Brett schleppen wird. Und natürlich möchten wir den gehassten Gegenspieler sehen wie er trotz aller schmutzigen Tricks dennoch aus dem bitteren Krug der Niederlage trinken muss. Ja – das Gute muss im heroischen Kampf siegen!

Nach so viel Aufregung musste ich wegen 30 Grad Außentemperatur dringend ins Meer zur Abkühlung und da der Strand hier schön sandig und sehr flach ist, lädt er dazu idealerweise ein. Das um die 20 Grad warme Wasser kühlte dennoch das in Wallung geratene Blut schnell wieder ab und so machte sich die Krennwurzn ein paar weitere Gedanken, warum eigentlich der vergangene WM-Kampf von vielen so hart kritisiert wurde und mildestens als etwas langweilig bezeichnet wurde.

Eigentlich war es doch ein Wettkampf ohne grobe Fehler – möglicherweise könnte man Df6 von Gelfand zwar als solchen bezeichnen, aber so weit gingen nicht einmal die Experten von denen einige selbst die Widerlegung live selbst nicht gesehen hatten. Und ansonsten wurde uns vorgeführt wie schnell und dynamisch man die Luft aus der Stellung nehmen kann ohne dass man lang ausanalysierte und hinlänglich bekannte Hauptvarianten, die unweigerlich ins Remis führen, bemühen muss. Das „alte“ Schach bietet genügend Raum, man benötigt weder 30,40 oder sonstige Remisverbotsregeln und auch kein 960 Fischerschach gegen lange vorbereitete Varianten und Fallen – nein, das geht alles ratz­fatz „on the board“ in ungefähr 25 Zügen haben uns die Finalisten eindrucksvoll bewiesen! Endlich ist er da, der schon von Capablanca im vorigen Jahrtausend beschworene Remistod. Aber halt! Vermuten wir nicht schon lange, dass Schach Remis sein könnte und dennoch sogar die stärksten Engines sind immer noch in der Lage gegeneinander zu gewinnen, obwohl die Remisquote in solchen fehlerarmen Wettkämpfen schon hoch ist und weiter steigen wird. Remis aufgrund von fehlenden Fehlern bzw. aus nicht als solche erkannte kann nicht der Grund unserer Unzufriedenheit gewesen sein.

Wahrscheinlich war es der fehlende Hass der Spieler aufeinander, der korrekte sportsmännische und professionelle Umgang miteinander, der in der Schachwelt das Fadheitsgefühl erzeugte. Das Schach auf diesem Niveau verstehen die wenigsten von uns – ehrlich gesagt geht es uns wie dem berühmten Schafhirten beim Verständnis der Formel 1 Technik. Uns fehlte die Show rundherum! Kein Topalov der ankündigt jedes Remisangebot schroff abzulehen, keine Unterstellungen bezüglich unerlaubter Computerunterstützung während der Partie, keine politischen und weltanschaulichen Diskussionen – ja nicht einmal Kritik an der Farbe der Socken. Nichts, gar nichts! Nur fairer und ehrlicher Sport – das ist ja urlangweilig!

Und dann geht die Fairness noch so weit, dass der Weltmeister keine Privilegien mehr genießt und zur Titelverteidigung auch noch den Wettkampf gewinnen muss! Möglicherweise ist das aus Zuseherinteresse wirklich etwas übers Ziel hinausgeschossen, denn erstens lieben wir Weltmeister, die lange ihren Titel verteidigen und das Schach dominieren – die meisten von uns erinnern sich eben nur an die Zeiten ab Fischer 1972 und da gab es dann lange Karpov gefolgt von Kasparov. Die unruhigen Zeiten in den Nullerjahren des neuen Jahrtausend mit Parallel, KO und sonstigen Weltmeister waren nicht nach unserem Geschmack und sehr unübersichtlich noch dazu! Daher wäre wohl die Ungerechtigkeit, dass der Herausforderer den Weltmeister schlagen muss der Spannung und der Dramatik eines WM-Matches nicht unabträglich – aber wäre das dann noch zeitgemäß?

Bannerschachreisen240pxDie Kritik ging noch weiter und besagte, dass doch die aktuell stärksten Spieler um die WM Krone spielen sollten und nicht ein zufriedener überalterter Weltmeister mit Rücktrittsgedanken gegen einen noch älteren und in der Weltrangliste schon abgerutschten Herausforderer. Nun die beiden sind um die fünf Jahre jünger als die Krennwurzn und auch diese fühlt sich noch nicht so alt, ebenso wie viele WM-Kritiker und Schachfreunde, die wohl auch schon in der zweiten Lebenshälfte angekommen sind. Zudem gibt es nicht alte und junge sondern nur gute oder schlechte Schachspieler und beide haben sich ihren Finalplatz redlich und den Regularien entsprechend erspielt – nein, Leute dieser Kritikpunkt zählt nun nicht wirklich!

Bleibt nur mehr die Kreativität und die Schaffenskraft oder wie wir Schachspieler lieber sagen die Genialität! Fischer war so genial, das man ihm alle anderen menschlichen Unzulänglichkeiten einfach vergeben musste, Karpov war der ideale Technokrat, Kasparov einfach unsterblich und Carlsen der Mozart des Schachs! Da ist es schwer für die anderen einen würdevollen Platz in unseren Herzen zu finden. Aber weil wir gerade bei Mozart sind, auch nach seiner leichten und genialen Musik fanden andere den Mut ebenfalls hörenswerte Musik zu komponieren – wie beispielsweise der gestrenge Anton Bruckner aus der unmittelbaren Heimat der Krennwurzn.

Weinen wir nicht genialen Mozartklängen nach, sondern vergleichen wir den WM Kampf Anand gegen Gelfand lieber mit einer schwermütigen Brucknersymphonie und erfreuen uns daran! 

Und während die Krennwurzn schon etwas zu sehr abgekühlt aus dem Meer entflieht, schleicht sich der Gedanke, ob sich vielleicht nicht doch ein geschäftstüchtiger Promoter finden wird, der WM-Kämpfe mit Schachbrett und Schlagringen austragen lässt, in die bibbernde Krennwurzn.

WM der Fruchtlosen
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Freitag, 02 Dezember 2011 02:04

WM der Fruchtlosen

Beinahe unbemerkt von der Schachöffentlichkeit fand im November die 19. Computer Schachweltmeisterschaft der ICGA in Tillburg satt.

 

Wie bei jedem Turnier gab es einen Sieger (Junior), aber interessant war vor allem die Tatsache, dass die aktuell stärksten Engines laut CEGT (Houdini, Stockfish und Co) nicht teilnahmen und Rybka ja ausgeschlossen wurde.

Hier noch kurz ein Blick auf die Abschlusstabelle:

wm19

 

Wollten die Programmierer durch die Nichtteilnahme einer Diskussion über Plagiatsvorwürfe und/oder einer Überprüfung auf Übereinstimmungen mit Fruit aus dem Weg gehen? Wollten Sie ein Statement gegen die ICGA abgeben? Warum reiste der bekannte Fritz mit holländischen Wurzeln nicht zur WM?

Viele Fragen und nur wenige Antworten – die plausibelste wäre: weil kein Interesse an einer Computerschachweltmeisterschaft mehr besteht. Es geht dort nicht einmal mehr um die berühmte „goldene Ananas“.

Lasker-Janowski (1)
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Sonntag, 28 November 2010 12:53

Schachwelt anno Tobak (1)

Das waren noch Zeiten! Das eigene Telefon hatte keine ELO-Zahl und die Eröffnungstheorie kam noch ohne Endspieldatenbanken aus. An jene längst vergangenen Tage soll in dieser Rubrik erinnert werden.

Zum Start dieser Serie soll dem wohl abwechslungsreichsten Weltmeisterschaftskampf aller Zeiten gedacht werden. An einem Tag gewann Weiß, am nächsten Schwarz*. Am Ende hatte Weltmeister Emanuel Lasker seinen Herausforder Dawid Janowski mit 8:0 (bei 3 Remisen) deklassiert. Der Wettkampf fand vor genau 100 Jahren in Berlin statt. Obwohl Janowski bereits ein Jahr zuvor von Lasker in einem Privatwettkampf mit 1:7 abgefertigt wurde, bekam er seine WM-Chance. Im Gegensatz zu den heutigen Kandidatenauswahlprozessen wurde der Herausforderer damals nämlich auf eine für jedermann verständlich Art und Weise ermittelt: 5000 Frcs. cash auf den Tisch! Für Janowskis Sponsor Leo Nardus war dieser Betrag offensichtlich keine unüberwindbare Hürde.

Janowski war ein kompromissloser Angriffsspieler, der sich stets ohne Rücksicht auf Verluste auf den gegnerischen König stürzte. Über Laskers Spielstil äußerte er sich herablassend: „Er spielt so dumm, das ich gar nicht auf das Brett sehen mag ...“.  Bis zuletzt glaubte Janowski an seine überlegene Spielstärke. Die eigenen Niederlagen erklärte er stets mit allerlei unglücklichen Umständen. Wie er den Klops der ersten Matchpartie (Weiß: Lasker, Schwarz: Janowski) in sein Weltbild eingefügt hat, ist mir leider nicht bekannt:

s. obige Stellung im Artikelbild nach 19. ... Td8-d6??:

Es folgte 20. Txd5 Txd5 21. Dxd5 Dxb4 22. Txc6 1-0.

In einigen der späteren Begegnungen stand Janowski aber tatsächlich kurz vor dem Partiegewinn. Mit zunehmenden Vorsprung ging Lasker allerdings auch immer größere Risiken ein, in der elften Partie spielte er z.B. das Königsgambit. Insbesondere in der fünften Partie (Weiß: Lasker, Schwarz: Janowski) überlebte Lasker nur sehr knapp:

{fen}2kr1bnr/pp3ppp/2n1b3/q7/3N4/2N1B3/PP3PPP/R2QKB1R w KQ - 0 11{end-fen}

Die Eröffnung ist Weiß schon nicht gelungen, die Fesselung in der d-Linie ist sehr unangenehm. Nach dem Partiezug 11. a3? (besser (11. Dd2) hätte die Partie eigentlich in wenigen Zügen vorbei sein müssen. Lasker wollte 11...Lc5 offenbar mit 12. b4 beantworten. Nach 12...Lxd4 13. Lxd4 (auch 13. bxa5 hätte übrigens nicht geholfen: z.B. 13...Lxc3+ 14. Ld2 Txd2 15. Dxd2  Lxd2 16. Kxd2 Sxa5 -+.) 13...Dg5 wäre der Läufer auf d4 nicht mehr zu halten gewesen. Z.B. 14. Se2 Sxd4 15. Sxd4 De5+. Janowski ging aber an seinem Glück vorbei und spielte 11...Sh6? (statt 11...Lc5) und verlor die Partie schließlich sogar.

Die achte Matchpartie feiert heute übrigens hundertsten Geburtstag. Aus diesem Anlass hier die komplette Partie:

*Okay, okay, ich gebe es zu, die Pointe ist von Georg Marco (ehemals Herausgeber der Wiener Schachzeitung) geklaut. Nachzulesen z.B. in: „Umkämpfte Krone“ v. Raymund Stolze, Sportverlag Berlin 1988.