8 Jahre Sperre für Handybetrug?

Der Schachsport sieht sich mit einer ständig zunehmenden Reglementierung konfrontiert. Unter Anderem unterwerfen wir uns auf Jahre hinaus mit dem von Vielen nicht nachvollziehbaren Ansinnen der FIDE, Schach olympisch zu machen, den allgemeinen Dopingregeln der NADA (Nationale Anti-Doping Agentur), die auf die Besonderheiten unseres Sports nicht im Geringsten eingehen.

In gewisser Weise kann ich strenge Regularien verstehen, denn wie in anderen Sportarten auch, würden im Schach Viele ohne Zögern zu leistungssteigernden Maßnahmen greifen, wenn, ja wenn es welche gäbe… Für die von Kontrollen betroffenen Spieler bedeutet dies derzeit aber nur Beeinträchtigungen ihres täglichen Lebens, wie den dauerhaften Verzicht auf Mohnkuchen und größte Vorsicht bei der Einnahme von Medikamenten, denn jederzeit könnte ein Kontrolleur an der Tür klingeln.doping

Allerdings gibt es für uns, mit der Machtübernahme der Computer und immer kleiner werdenden elektronischen Bauteilen, andere Helfer, vor deren unerlaubtem Einsatz sich einige Schachspieler keineswegs scheuen. Jüngster Fall ist der anscheinend zweifelsfrei nachgewiesene Handybetrug auf der Deutschen Meisterschaft.

Wie können wir in Zukunft dieser Bedrohung Herr werden?

Bei nur drei bekanntgewordenen Fällen (Allwermann, Naiditsch und Shvartz), mit denen sich der Schachbund in den vergangenen 12 Jahren auseinanderzusetzen hatte, scheint der Handlungsbedarf überschaubar.

Auf Chessvibes.com forderte der unmittelbar betroffene Gegner Natsisids, GM Sebastian Siebrecht, unlängst ein Mitnahmeverbot jeglichen technischen Equipments, doch wie ist das zu kontrollieren? Ein Aufstellen von Scannern erscheint für Schachturniere unrealistisch und Kontrollen bedeuten eine Kasteiung Vieler für das Fehlverhalten Weniger.

Ohnehin ist die gegenwärtige Regelung, dass Handyklingeln zu Partieverlust führt, für nicht immer praxistauglich. Denken wir an den Fall im entscheidenden Match der Schweizer Mannschaftsmeisterschaft, als IM Ralf Hess in eindeutiger Gewinnstellung beim Stand von 3,5:3,5 einfiel, dass sein neues Handy noch aktiv war. Kurzerhand stellte er dieses in der Hosentasche ab, doch beim Herunterfahren löste er einen Ton aus – Partieverlust. Der Gegner aus Mendrisio wurde dadurch Schweizer Meister.
Oder der GM, der 8 Runden lang bei einem Open in Frankreich pünktlich um 14 Uhr am Brett saß. Die letzte Runde begann jedoch um 10 Uhr morgens und wurde jäh durch die Aktivierung seines auf Wiederholung stehenden Weckers um 10.15 Uhr unterbrochen…

Diese Liste ist lang und keiner der Betroffenen hatte Betrug im Sinn. Hier könnte man über die Einführung einer optional wählbaren (Geld-) Strafe nachdenken, die natürlich schmerzlich ausfallen muss (vielleicht 150 €), aber nicht den Ausgang des Turniers beeinflusst. Dies würde zudem Geld in die Veranstalterkassen fließen lassen.

Der Fall der DM ist jedoch anders geartet:

Harte Strafen unumgänglich?!

Bei nachgewiesenem Betrug ist der Verband gefordert.
Doch welche Handhabe besteht eigentlich? Kein Spieler ist direkt Mitglied im DSB, sondern nur die Vereine in einem Landesverband, der wiederum dem Schachbund angeschlossen ist - eine unglückliche Konstellation für ein schärferes Durchgreifen.

Anscheinend lassen die Regularien aber einen Ausschluss von bis zu drei Jahren auf DSB-Ebene zu. Siebrecht forderte eine Sperre analog zu Dopingvergehen und anderen Sportarten: 2 Jahre bei einer durchschnittlichen Sportleraktivität von 10 Jahren. Die Laufbahn eines Schachspielers dauert 40 Jahre und länger, was seiner Meinung nach zu einer deutlich höheren Strafe führen muss (4x2=8 Jahre?).

Um klar zu machen, dass es hier nicht um ein Bagatelldelikt geht, könnte man noch einen Schritt weitergehen: Aberkennung der DWZ und Antrag an die FIDE zu evtl. Titel- und Elolöschung. Doch auch dieses würde das Problem nicht vollständig lösen, könnte doch der gebrandmarkte Spieler am Ende auf die Idee kommen, die hochdotierten Preise für Elolose auf amerikanischen Turnieren einheimsen… coveru1anz

Das Präsidium des DSB wird frühestens bei der nächsten Zusammenkunft, Ende Juli, zu dem Fall Natsidis Stellung nehmen. Es liegt keine leichte Aufgabe vor ihm. In den bisherigen Fällen fielen die Strafen ganz oder sehr moderat aus (z. B. Presseerklärung des DSB 2004 auf Teleschach.de). Doch der öffentliche Druck ist erheblich gestiegen. Es ist an der Zeit, dieses leidige Thema abzuschließen. Sollte die Strafe in einer Sperre eines Turnieres bestehen, das der Spieler sowieso nicht mitspielen will, kann ich mir vorstellen, dass wir mit einem Anstieg der Fälle zu rechnen haben.

Der französische Verband verhängte übrigens jüngst im Fall Feller&Co. Sperren von bis zu fünf Jahren.


Die Schachwelt-Leser haben klar entschieden.

Der Zwischenstand unserer Umfrage "Handybetrug - welche Strafe ist angemessen?" zeigt ein deutliches Ergebnis: Fast 94% sprechen sich für harte Strafen ab 2 Jahren Sperre aus. Am beliebtesten mit 44% war die komplette Löschung eines Spielers aus dem deutschen Schach inklusive Aberkennung von Wertungszahl und evtl. Titel. 18% waren an eine Anlehnung an die Strafen der Franzosen über 20% stimmten sogar für ein noch drastischeres Strafmaß um den Abschreckungsfaktor zu erhöhen.

2 Jahre auf allen Ebenen inkl. DWZ-, Elo- und Titellöschung
68        44.4%

mehr als 5 Jahre - die Strafe muss der Abschreckung dienen
31        20.3%

5 Jahre wie bei den Franzosen
27        17.6%

2 Jahre auf DSB-Ebene
17        11.1%

Bagatelle, Ermahnung reicht
6          3.9%

1 Jahr auf DSB-Ebene
4          2.6%

Zum Umfrageergebnis

Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

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