Harte Strafe für Feller

Die vor zwei Monaten (wir berichteten) publik gewordene Affäre um Sebastien Feller hat ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Je fünf Jahre Spielsperre hat die Disziplinarkommission des Französischen Verbands gegen ihn und Cyril Marzolo ausgesprochen, wobei Feller zwei Jahre erlassen bekommen kann, angeblich gnadenhalber wegen seiner Jugend, wenn er dafür eine vom Verband anerkannte gemeinnützige Arbeit verrichtet. Arnaud Hauchard ist nicht als Spieler gesperrt, darf aber nie mehr als Nationaltrainer oder Mannschaftsführer in Frankreich tätig werden.

Das Protokoll der Verhandlung macht erstmals öffentlich, wie der ihnen von ihrem Verband vorgeworfene "organisierte Betrug" stattgefunden haben soll (auf Englisch gibt es das meiste davon bei Chessvibes). Während der Schacholympiade schickte Marzolo, wenn Feller gerade spielte, täglich an die zwanzig SMS-Texte mit Zugvorschlägen an die Mobilnummern von Hauchard und Feller. Die Nachrichten wurden entdeckt, weil Marzolos Mobiltelefon zu der Zeit von der Vizepräsidentin des Verbandes Joanna Pomian, für die er arbeitete, bezahlt wurde und er Textnachrichten von ihrem Haus verschickte, wo sie das ihm von ihr zur Verrfügung gestellte Mobiltelefon zu sehen bekam. Den Inhalt der Nachrichten konnte sie als Vertragspartnerin später beim Mobilfunkanbieter abrufen. Hauchard war als Kapitän in Chanti-Mansisk. Der Verbandpräsident Jean Claude Moingt war als Delegierter dort und beobachtete ihn, als er von dem Verdacht hörte. Moingts Schilderung nach übermittelte Hauchard Feller die Zielfelder des gerade besten Zugs, indem er sich nach einem einfachen System im Saal neben oder hinter den gegnerischen Spielern postierte. Edouard Romain und Maxime Vachier-Lagrave bezeugten, dass Hauchard privat ihnen gegenüber eingeräumt habe, dass Fellers Partien in Chanti-Mansisk manipuliert worden seien. Laurent Fressinet berichtete vor der Kommission, dass er einige von Fellers Olympiadepartien mit Firebird nachgespielt habe, und sein Mannschaftskamerad nahezu ausschließlich den Zug der ersten Wahl dieses Programms gespielt habe.

Bannerschachreisen300Obwohl der Betrugsverdacht Tage vor Ende der Schacholympiade ruchbar wurde und von Moingt auch für belegt erachtet wurde, sah der Präsident des Französischen Verbands davon ab, die Schiedsrichter in Chanti-Mansisk zu informieren, sondern begnügte sich damit, Fellers Aufstellung in der noch ausstehenden letzten Runde zu untersagen. Moingts Schilderung nach habe er sich dem Vorsitzenden der FIDE-Ethikkomission anvertraut und der habe ihm geraten, die Sache intern (!) zu regeln. Mit der Folge, dass Feller eine Medaille für seine Leistung erhielt und Frankreich das Turnier gerade noch unter den ersten zehn abschloss.

Ein weiterer Beigeschmack betrifft das Verhältnis zwischen Vizepräsidentin Pomian und den Spielern: Seit acht Jahren hatte sie Marzolo beschäftigt, nicht zuletzt als Heimtrainer für ihren Sohn Thomas Saatdjian, aber just im vorigen Sommer oder Herbst zerrüttete ihr Verhältnis, und Marzolo ist nun arbeitslos. Feller wiederum war jahrelang derjenige, der ihrem Sohn sportlich überlegen war und für internationale Jugendwettbewerbe den Vorzug erhielt. Dass Feller bereits bei seinem Sieg bei der Pariser Stadtmeisterschaft im Juli 2010 unerlaubte Hilfe bekommen haben könnte, spielte vor der Disziplinarkommission nur insoweit eine Rolle, als berichtet wird, dass Frau Pomian das Gerücht kannte, als sie Marzolos SMS entdeckte. Ob Frau Pomian, wenn sie Marzolo und Feller gesonnener wäre, die Sünder verpfiffen hätte?   

Da das Urteil noch nicht greift, darf Feller ab Dienstag an der EM in Aix-en-Provence teilnehmen, wo er angemeldet ist, und der Französische Verband muss ihm sogar die Kosten zahlen. In der Praxis kann er, wenn das Urteil nicht wegen formaler Fehler (wie der von einem französischen Zivilgericht in Nanterre bereits zurückgewiesenen Zulässigkeit der privaten SMS als Beweise) kassiert oder zumindest stark abgemildert wird, seine berechtigten Ambitionen, über 2700 oder sogar 2750 zu kommen und vielleicht die französische Nummer eins oder zumindest zwei hinter Max Vachier-Lagrave zu werden, beerdigen und ein Studium oder eine Berufsausbildung beginnen. Aber zunächst will er, wie von seinem Anwalt vor der Disziplinarkommission angekündigt, kämpfen.

Wer waren, wenn Fellers Siege manipuliert waren, eigentlich die (bisher praktisch nirgends erwähnten) Geschädigten? Vor allem diejenigen, die am Reservebrett geringer dotierte Preise erhielten oder leer ausgingen, nämlich Mateusz Bartel (Polen), Vlastimil Babula (Tschechien) und Kirill Stupak (Weißrussland). Außerdem die ihm unterlegenen Artijom Timofejew, David Howell oder Tamas Gelaschwili und deren Mannschaften. Oder die Mannschaft, die einen Platz unter den ersten zehn an Frankreich verpasste, nämlich Polen.

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