Magnus Pogromsky

Ein norwegischer Weltklassespieler ist unter anderem oder vor allem dafür bekannt, dass er auch in stark vereinfachten remislichen Stellungen noch nach Gewinnchancen für sich bzw. Verlustchancen für den Gegner sucht. Können andere das auch? Thema heute ist die Schlussphase einer Partie aus der russischen Mannschaftsmeisterschaft, die ich eher zufälig mitbekommen habe. Gespielt wurde sie, als letzte Partie der gesamten Runde, am letzten Brett des letzten Tisches zwischen Polytechnic aus Nizhny Tagil und Yamal - keine Ahnung wo die Orte liegen, es ist etwa vergleichbar mit Griesheim-Viernheim aus der deutschen Bundesliga (das sagt mir geographisch was, da ich in Südhessen aufgewachsen bin). Die Protagonisten sind IM Mikhail Magnus Pogromsky (Elo 2418) und Vecheslav Rozhkov (2337). Die ersten 71 Züge lasse ich mal weg - Weiss hatte etwa die halbe Zeit einen Mehrbauern, aber die Stellung vereinfachte sich immer weiter. Nun ist mit 71.-Sxh5 gerade dieser Mehrbauer vom Brett verschwunden:

Pogromsky 1

Remis? Nein, noch nicht - schliesslich ist der Läufer stärker als der Springer, dem es etwas an Feldern mangelt. Tablebases sind in derlei Stellungen allwissend und gnadenlos objektiv - entweder ist die Stellung (so wie hier) remis, oder einer von beiden gewinnt. Aber in einer praktischen Partie, die zu diesem Zeitpunkt bereits etwa sechs Stunden lief, kann noch einiges passieren. Es ging weiter mit 72.Tb7+ Kg8 73.Le5 Ta6 74.Te7 Ta5 75.Kg6 Kf8 76.Te6

Pogromsky 2

und schon muss Schwarz sich entscheiden, welches schlechtere (aber immer noch remise) Endspiel er verteidigen will - Turm gegen Turm und Läufer oder Springer gegen Turm. Er spielte 76.-Td5 (76.-Ta8 oder 76.-Txe5 ist auch remis, während 76.-Sf4+? oder 76.-Sf6? bereits eine verlorene Version von Turm gegen Turm und Läufer wird) 77.Ld6+ (nach 77.Kxh5 Kf7 ist das Remis wirklich unterschriftsreif) 77.-Txd6 (muss sein) 78.Txd6 Ke7 79.Td1

Pogromsky 3

Und nun hat Schwarz 50% Chancen, das richtige Springerfeld zu erwischen - 79.-Sg3?? waren die anderen 50%, aber es geschehen noch Zeichen und Wunder: 80.Te1+!? (80.Tg1 Se2 81.Te1 erscheint mir einfacher, aber so ist es vielleicht lehrreicher) 80.-Kd6 81.Te3! (einziger Gewinnzug) 81.-Sf1 82.Te1 (einmal Züge wiederholen, warum auch nicht?) 82.-Sg3? (und er glaubt ihm aufs Wort, nach 82.-Sh2 entwischt der Springer) 83.Te3 Sf1 84.Tf3 Sh2 85.Tf4! Ke7

Pogromsky 4

und die Notation geht weiter mit 86.Tf2 1-0 (hier vermute ich allerdings, dass das DGT-Brett z.B. 86.Kf5 Kd6 nicht registriert hatte).

Eine Endspielstudie war das nicht gerade - Schwarz musste sich etwas anstrengen, um die Partie zu verlieren. Endstand im Match übrigens 3,5-2,5 für Polytechnic.

 

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