Robert Hovhannisyans Großbauer

Ein trauriger Läufer Ein trauriger Läufer

Ich berichte nochmal vom Chigorin Memorial, jetzt vom Turnier mit klassischer Bedenkzeit. Bevor ich enthülle wie das Titeldiagramm zustande kam ein paar Worte zum Turnier: Es ist ziemlich stark besetzt aber voll unbekannter und oft gewöhnungsbedürftiger Namen - von den 350 Teilnehmern sind 256 Russen die man (trotz teilweise mässiger Elo) nicht unterschätzen sollte. Die beiden heutigen Protagonisten Aleksandr Shimanko und Robert Hovhannisyan kenne ich immerhin von Jugend-Weltmeisterschaften. Hovhannisyan ist übrigens ein gängiger armenischer Schachname: Es gibt 16 in der FIDE-Eloliste, ausserdem noch zweimal Hovhannesian, zweimal Hovhanesyan, einmal Hovhanisian und sieben Spieler mit dem Vornamen Hovhannes, aber keinen Hovhannes Hovhannisyan! Übrigens gibt es nur einen Aronian, zu dem komme ich noch (kurz).
An den vorderen Brettern spielt unter anderem auch Anton Demchenko, mit Elo 2610 wohl der weltbeste IM. Wie bekommt man so eine Zahl ohne nebenbei aus Versehen Grossmeister zu werden? Ganz einfach, er spielt offenbar nur in Russland und fast nur gegen Russen. Etwas weiter hinten tummeln sich unter anderem das Schwergewicht Vladimir Epishin (an 38 gesetzt) und Altmeister Lajos Portisch, inzwischen Elo 2495 was sich in diesem Turnier nicht positiv ändert. Er tut sich nämlich schwer gegen Spieler mit Elo 2100-2300 (zumindest gegen Russen, den Spanier Francisco Nunez Lucero, Elo 2186, hat er besiegt). Bevor mich jemand falsch versteht: Respekt dass er mit 75 Lenzen noch aktiv ist!
Gibt es denn gar keine bekannten Namen? Dochdoch aber auch die kommen langsam oder gar nicht in die Gänge. Der an eins gesetzte Shirov remisierte bisher gegen den titellosen Iljiushenok, FM Pasiev und Malakhatko (immerhin GM mit Elo 2558). Der an drei gesetzte Zoltan Almasi wurde in Runde 2 von IM Anastasia Bodnaruk schachlich verprügelt, revanchierte sich dafür bei seinen zwei nächsten GegnerInnen und verlor dann gegen IM Eliseev - hier findet man ihn momentan nicht (mehr). Pavel Eljanov gehörte bereits vor dem Turnier nicht mehr zum erlauchten Kreis der 2700-plusser und verlor in Runde 1 mit einem remis gegen Vasily Kuratov (Elo 2225) weiteren Eloboden und war danach "happy", siehe Tweet vom 27. Oktober. Zu den Remis gegen Aslan Aitbayev und IM Gil Popilski hat er sich nicht geäussert, allerdings zu Chelsea - Man United ("Arbiter is complete idiot") und auch zur deutschen Schach-Bundesliga wo er mit der Entscheidung des Schiedsrichters einverstanden ist. Derzeit (nach Runde 7) liegen Shirov und Eljanov nur ein halbes Pünktchen hinter einem Spitzenquartett, die Buchholz-Wertung ist allerdings hinüber ... .

Aber kommen wir nun zur Partie, wie gesagt Shimanov-Hovhannisyan. Hier fasziniert mich wie prima das weisse Konzept ab dem 13. Zug funktionierte und dass auch Engines nicht (sofort) anzeigen wo, wann und warum es für Schwarz schief gelaufen ist. Es begann eher oder scheinbar harmlos:
1.c4 c6 2.d4 d5 3.cxd5!?

Shimanov-Hovhannisyan 1
Was soll ich dazu sagen? Oft wird das remis, aber manchmal gewinnt auch der eine oder sogar der andere. Zum Beispiel hat Kramnik damit bei der Olympiade Hovhannisyans einmaligen Landsmann besiegt; am Ende war dann Aronian der Glücklichere (sowohl lucky als auch happy). Und im Chigorin-Schnellturnier hatte derselbe Shimanov damit gegen Dominguez (schön) verloren. 3.-cxd5 4.Sc3 Sf6 5.Lf4 Sc6 6.e3 a6 7.Tc1 Lf5 8.Sf3 Tc8 9.Se5 Sxe5 10.dxe5 Se4 11.Sxe4 Txc1 12.Dxc1 Lxe4 Houdini glaubt dass Weiss nur remis will und schlägt unter anderem 13.Lxa6 vor was zu Dauerschach führt. Stattdessen geschah 13.e6!!??

Shimanov-Hovhannisyan 2
Was ist das denn? Sowas habe ich NOCH NIE gesehen! Quatsch, natürlich ist das ein Standardmotiv - übrigens auch ein Vorschlag von Houdini. Carlsen war eher gelangweilt nachdem er das (in einer anderen Stellung) gegen Anand spielte, und auch in genau dieser Stellung gab es das schon zwölf mal - darunter ein Sieg von Gustafsson gegen Kasimdzhanov (zu Zeiten als in Mainz noch hochkarätiges Schnellschach gespielt wurde). Idee ist unter anderem dass der schwarze Läufer auf f8 vorläufig nicht mitmachen darf - nicht immer gilt das endgültig, aber in dieser Partie klappt es wunderbar! 13.-Da5+ 14.Ke2 sperrt auch den eigenen Läufer ein, aber das ist nur vorübergehend 14.-fxe6 15.f3 Lf5 16.Le5 h5 17.h4 Kf7 18.Kf2 Dxa2 19.Le2 Th7 sieht krumm aus (Houdini besteht auf 19.-Db3), Schwarz träumt wohl von g7-g6/Lh6/Kg8/Tf7 aber das sind viele Züge hintereinander 20.g4 20.e4! mit der Pointe 20.-dxe4 21.fxe4 Lxe4 22.Df4+ Lf5 23.Lc4 20.-Lg6 21.Dc7 Db3 22.Tc1 hxg4 23.fxg4 Txh4 24.Ld4

Shimanov-Hovhannisyan 3
Ziehen wir hier mal Bilanz: Schwarz hat drei Mehrbauern und ist trotzdem verloren (Houdini braucht einige Zeit bis er dieses Urteil ausspuckt), warum? Sein König auf f7 steht zu anfällig (der weisse auf f2 dagegen erstaunlich sicher), und dann ist da noch (jedenfalls momentan noch) der Grossbauer auf f8. Nebenbei steht die weisse Dame ausgezeichnet - einige Sekunden lang habe ich für Schwarz 24.-Th2+ mit Gegenspiel erwogen aber das funktioniert gar nicht - und die schwarze Dame nicht so toll. 24.-Kg8 25.De5 Lc2 26.Kg3 Th6 27.g5 Tg6 28.Lg4 Lf5 29.Lxf5 exf5 30.Dxf5 Tc6 31.Tf1 1-0

 

Kommentare   

#1 Losso 2012-11-04 23:55
In der Schlussstellung dürfte es wohl keine entscheidende Rolle spielen, wo der schwarzfeldrige Läufer von Schwarz steht.

Jedenfalls ein gutes Beispiel für den Sieg von Geist über Materie.

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