Januar 2014

Wenn es nach Kasparow ginge, gäbe es keine Schnell- und  Blitzschachelo mehr sondern eine integrierte Wertung, die lange, Schnell- und Blitzpartien, eines Tages sogar online gespielte, in einer Zahl vereint. Online kann ich mir wegen der fehlenden Kontrolle nicht vorstellen, dafür würde ich mir wünschen, dass Fischerschachpartien (auch Chess 960 genannt) ausgewertet können. 

Ein Argument, das Kasparow für die integrierte Auswertung bringt (zum Beispiel zu Beginn der auf Youtube aufgezeichneten Pressekonferenz in Wijk aan Zee vor wenigen Tagen), ist, dass die Schnellpartien, dank deren Kramnik 2006 und Anand 2012 die WM gewannen, nicht in der Standardelo enthalten sind. Puristen sind der Meinung, dass Weltmeisterschaftskämpfe prinzipiell nicht bei verkürzter Bedenkzeit entschieden werden dürften. Besonders ein Dorn im Auge ist, dass der WM-Titel im Extremfall, also wenn die regulären Partien keinen Matchsieger bringen und auch die Schnellschachrunden unentschieden verlaufen, sogar ausgeblitzt würde. Dann lieber "Draw Odds" für den Titelverteidiger oder immer zwei Partien angehängt, bis jemand gewonnen oder der Veranstalter Konkurs angemeldet hat. 

Mit dem Zürich Chess Challenge steht nun ein interessantes Experiment mit integrierter Wertung auf höchstem Niveau (mit Carlsen, Aronjan, Anand, Caruana, Nakamura, Gelfand) an: Diesen Mittwoch entscheidet ein Blitzturnier über die Startnummern und damit, wer wie oft Weiß und Schwarz in den langen Partien kriegt. Am Ende spielen alle noch einmal mit vertauschten Farben Schnellschach, wobei die Schnellpartien mit halbierter Punktzahl in die Gesamtwertung einfließen.  Nur ein halbseidener Versuch, den Schauwert fürs Publikum zu erhöhen? Oder die Zukunft des Spitzenschachs? Magnus Carlsen scheint sich vor seinem ersten Turnier als Weltmeister sehr auf das Format zu freuen. Und Sie?

Alleinunterhalter
Freigegeben in Blog
20. Januar 2014

Alleinunterhalter

In komponierten Stellungen erlangen oft auch sonst wenig beeindruckende Protagonisten besondere Kraft. Im Problemistensprech nennt man eine solche Konstellation, in der die mattsetzende Partei nur einen Stein außer dem König hat, ein Minimal, im vorliegenden Fall ein Läuferminimal, da Weiß nur König und Läufer hat. Wenn der Weiße dermaßen schwach ist, ist es freilich schwierig, besonders tiefgründiges Spiel zu zeigen. Das folgende Stück kommt aus Südniedersachsen von Udo Marks und stellt dar, was mit einem einzelnen Läufer möglich ist, der es hier gleich mit der gesamten schwarzen Armee zu tun bekommt, die sich nahezu komplett selbst auf den Füßen steht.

Marksm13

Und so heißt es hier: Weiß am Zug, Matt in dreizehn Zügen. Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass der schwarze König auf einem weißen Feld mattgesetzt wird. Lösungsansätze und Lösungen wie immer als Kommentar.

Die Website: www.schachfestivalbasel.ch
Freigegeben in Blog

Doppelschlag: Polnischer Großmeister gewinnt nach Zürich auch in Basel / Schachfestival entwickelt sich prächtig

Radoslaw Wojtaszek hat das „Double“ geschafft: Nach seinem Sieg beim Weihnachtsopen in Zürich triumphierte der Pole auch beim 16. Basler Schachfestival. Im Hotel Hilton setzte sich der Weltranglisten-37. diesmal noch glanzvoller mit 6,5:0,5 Punkten durch. Doch ganz zufrieden war der topgesetzte Großmeister nicht: „Ich stand auch gegen Alexandr Fier auf Gewinn“, grummelte der Sieger ob des verpassten Optimums ein bisschen.

Seinen Ehrgeiz bewies Wojtaszek selbst in der Schlussrunde, als ein weiteres Remis gegen Maxim Rodschtein gereicht hätte. Der 26-Jährige zeigte sich gegen den Israeli alles andere als friedlich gestimmt und schlug den bis dahin Zweitplatzierten. Der Sekundant des vor wenigen Wochen entthronten indischen Weltmeisters Viswanathan Anand lag damit nach den sieben Runden einen vollen Zähler vor den Verfolgern – das sind Welten im Schach! Lohn für Wojtaszek: Zu den 5000 Franken in Zürich gesellten sich als weiteres verspätetes Weihnachtsgeld in Basel 2500 Franken hinzu. „Ich freue mich über die beiden Siege. Insgesamt lief es gut. Nur in Zürich befand ich mich einmal in Verlustgefahr“, analysierte der Jugend-Weltmeister von 2004. Turnier-Mitorganisator Peter Erismann, der den Erfolg des Polen erwartet hatte, befand: „Die 6,5 Punkte von Wojtaszek sind unglaublich. Er ist derzeit in exzellenter Form und steigt in der Weltrangliste weiter.“ Mit einem Rating-Plus von rund 23 Elo verbessert sich der Sieger des Basler Schachfestivals um 16 Plätze auf Weltranglisten-Position 21.

Wojtaszek-KashlinskayaDer Russe Boris Gratschew konnte seinen Vorjahreserfolg nicht ganz wiederholen. Immerhin landete der Moskauer mit 5,5:1,5 Punkten auf dem geteilten zweiten bis siebten Platz. Iwan Popow (Russland) hatte mit der sogenannten Summen-Wertung das beste „Torverhältnis“ und sicherte sich 2000 Franken vor dem Niederländer Robin van Kampen und dem erneut in Basel überzeugenden Brasilianer Alexandr Fier. Der Israeli Gil Popolski blieb knapp vor Gratschew und dem Inder Sethuraman S.P., der wie Ex-Weltmeister Anand aus Chennai (ehemals Madras) stammt.

Die letzte Runde verlief für die eidgenössischen Topleute fatal. Alle Schweizer mit Aussichten auf einen der zehn Ränge im Preisgeld verloren. Yannick Pelletier unterlief dasselbe Missgeschick wie bereits in Zürich. Der 37-Jährige kassierte trotz des „Aufschlag-Vorteils“ mit Weiß gegen Sethuraman eine Niederlage. Der Nationalspieler von Meister SG Zürich flog dadurch mit 4,5 Zählern aus den Preisrängen. Der frühere italienische Meister Bela Toth (SG Riehen) unterlag dem Argentinier Sandro Mareco und verharrte so bei vier Zählern. Dasselbe Schicksal ereilte Vjekoslav Vulevic gegen einen anderen Großmeister, den Brasilianer Felipe de Cresce El Debs. Bester Schweizer wurde so Roland Lötscher (Luzern), der Großmeister Igor Kowalenko (Lettland) im Schlussdurchgang ein Remis abtrotzte. Der für Reichenstein spielende Dreiländerecker Andreas Heimann (beide 5:2) kam auf Rang zwölf.

Besser lief es im Amateurturnier für die Einheimischen: Zwar blieb der zehnjährige Daniel Kopylov trotz seiner ersten Niederlage in der siebten Partie vorne und sicherte sich 1000 Franken „Taschengeld“. Der Spanier Konrad Schönherr kam ebenso wie Kopylov-Bezwinger Arthur Toenz (Frankreich), der für Therwil ans Brett geht, auf 6:1 Punkte. Bruno Lachausse (Cercle d'Echecs du Jura), Marc Schaub (Illfurth), Carl-Amado Blanco (Binningen) und der Sissacher Hans Grob folgen mit jeweils 5,5:1,5 Punkten im 114 Spieler zählenden Amateur-Wettbewerb. Beim Jugendschachkönig Nordwestschweiz durfte Therwil zwei weitere Erfolge feiern: In der Kategorie bis zwölf Jahre setzte Sajithan Sankar durch, in der Kategorie bis 16 Jahre Max Lo Presti.

Bewunderswerten Einsatz zeigte Altmeister Vlastimil Hort. „Während alle anderen an den Abenden schon gegangen waren, kämpfte er immer noch. So viele Züge wie Hort machte keiner in den sieben Runden“, lobte Erismann den früheren WM-Kandidaten, der am 12. Januar 70 Jahre alt wird. Der für Deutschland gemeldete Tscheche brachte sich so mit fünf Zählern und Platz 18 beim Senioren-Preis in Erinnerung. Eine weitere Legende, Ulf Andersson, verzeichnete vier Siege und eine Niederlage. Zweimal nahm der alte Schwede ein „Bye“. Auf Grund seiner Parkinson-Krankheit ist der 62-Jährige nicht mehr in der Lage, zwei Partien über insgesamt acht bis zehn Stunden durchzuhalten. „Seine Auszeiten hatte Andersson schon im Vorfeld angekündigt“, zeigte Erismann Verständnis, „er spielt aber immer noch sehr gerne Schach.“

sseu600Der Organisator zog an seinem Geburtstag auch ein positives Fazit für den Verein Schachfestival Basel, in dem der SK Birseck, die SG Riehen und die Basler Schachgesellschaft ihre Kräfte für das Turnier bündeln. „Wir verzeichneten mit 228 Teilnehmern, die die Turniere durchstanden, wieder quantitativ wie qualitativ Fortschritte. Daher sind wir sehr zufrieden“, erklärte Erismann. Ein besonderes positives Echo habe die Live-Kommentierung vor Ort gefunden. Der frühere Nationalspieler Heinz Wirthensohn erläuterte den Zuschauern die Partien an den Spitzenbrettern. Zudem verzeichnete man bei der beliebten Live-Übertragung im Internet „besonders viele Zugriffe aus Polen“. Mitorganisator Bruno Zanetti sieht das beliebte Turnier inzwischen „fast an der Kapazitätsgrenze“. Dennoch steckt sich Erismann weiter ehrgeizige Ziele: „Wir streben einen kontinuierlichen Ausbau an. Wir festigen unseren Rufs als eines der drei regelmäßig durchgeführten Spitzenturniere in der Schweiz neben Biel im Sommer und Zürich.“ Sollte sich ein Großsponsor für den Denksport begeistern, hält der frühere Schweizer Nationalmannschafts-Kapitän sogar ein reines Großmeister-Rundenturnier in Basel für realisierbar.

Zur Website des Schachfestivalbasel

Vlastimil Hort 2012
Freigegeben in Blog
12. Januar 2014

Vlastimil Hort wird 70

Eine lebende, immer noch recht aktive Schachlegende feiert heute einen runden Geburtstag. Ich schreibe dazu aus meiner Perspektive: ein Amateur, der Hort nie persönlich begegnet ist und (da zu jung) seine Karriere nur teilweise mitbekommen hat - aber dazu gibt es ja genug öffentliche (u.a. Wikipedia) und auch noch nicht-öffentliche Quellen. Aufhänger ist, wie ich Hort zunächst 'begegnete' bzw. ihn registriert habe - im Fernsehen.

Von 1983 bis 2005 gab es im Westdeutschen Rundfunk die jährliche Sendung "Schach der Grossmeister". Eingeladen wurden jeweils zwei Spieler, z.T. Weltklasse (ich nenne nur die [Vize-] Weltmeister Karpov, Kortschnoi, Kasparov, Kramnik, Anand und Leko - der Vollständigkeit halber noch Kasimdzhanov), z.T. deutsche Spieler, z.T. (jedenfalls Hübner und Jussupow) waren sie beides. Zweimal war auch "unser" Jörg Hickl dabei, 1988 gegen Susan Polgar die sich damals noch Zsuzsa nannte, und 1999 gegen Jussupow. Kommentiert wurde das meistens vom Duo Helmut Pfleger und Vlastimil Hort, letzterer auf seine Art und in seinem Deutsch: "beste Zug ist Springer zäh drei nach eh finf, leider gägän die Rägäl!". Dass es diese Sendung gut 20 Jahre lang gab (beim letzten Mal spielten Hort und Pfleger gägäneinander) zeigt, dass sie bei Redaktion und Publikum gut ankam. Es gab auch noch andere Fernsehsendungen: Dirk Paulsen erwähnte Horts Reaktion, als Doc Hübner im Kandidatenfinale gegen Kortschnoi einen Turm einstellte: "Helmut, mein Freund, wenn du machst eine solche Zug, das ist wie Ärdbäbän." Ich meine mich zu erinnern, dass Hort auch mal in Wijk aan Zee (auf Englisch) kommentiert hat, kann mich aber irren. Chessvibes erwähnt jedenfalls, dass er - wie auch Ljubojevic - 2013 dort vorbeischaute, und auch bei den Amber-Turnieren war er mitunter Ehrengast.

banner-seminarturnier300-anz2014Daneben oder vor allem davor war Hort selbst Weltklassespieler, 1977 eine Zeit lang Nummer 7 der Weltrangliste, und mehrfach Teilnehmer von Interzonenturnieren. 1967 verpasste er die Qualifikation für die Kandidatenmatches nur knapp nach Stichkampf gegen Reshevsky und Stein (das Turnier ist auch dafür bekannt, dass der in Führung liegende Bobby Fischer bei Halbzeit zurücktrat). 1977 stand er im Viertelfinale des Kandidatenturniers und verlor knapp gegen Ex-Weltmeister Boris Spassky. Während dieses Matches bestätigte er erst seinen Ruf als grossartiger Sportsmann, und wurde dann zum grossen Pechvogel. Spassky war erkrankt und hatte seine time-outs bereits verbraucht, Hort hätte dann kampflos gewinnen können und gab ihm stattdessen einen seiner Timeouts. Dann stand Aussenseiter Hort in der vorletzten Partie glatt auf Gewinn, vergass aber die Uhr und verlor auf Zeit - nach einem Remis in der letzten Partie war der Stand so 8,5-7,5 für Spassky. Soweit steht es auch bei Kollege Hartmut Metz der auch die Partie hat. Was er - im Gegensatz zu Wikipedia auf Englisch - nicht erwähnt ist, wie sich Hort hinterher abreagierte: tags darauf spielte er simultan gegen über 600 Gegner (damals Weltrekord) "to get the loss against Spassky out of his head".

Zu dem Zeitpunkt wohnte Hort noch in der damaligen Tschechoslowakei. 1979 übersiedelte er nach (West-)Deutschland, behielt jedoch zunächst die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft und war auch weiterhin Schach-Tscheche. Ende 1986 nahm er dann die deutsche Staatsbürgerschaft an. Politik spielte eine Rolle - Hartmut Metz zitiert Hort mit den Worten "Mein Weg nach Deutschland war meine endgültige Abrechnung mit dem Kommunismus. Es hat auch meine Schachkarriere beeinflusst."  Auf Anfrage sagte Kollege Metz, dass er Hort für seinen Artikel einige Fragen stellte, und daher stammt dieses Zitat. Es war sicher nicht so dramatisch wie bei Horts doppeltem Landsmann Ludek Pachman - der monatelang gefoltert wurde, bevor man ihn später doch ausreisen liess, und danach bis zu seinem Tod überzeugter und aktiver Anti-Kommunist blieb. Falls Horts Kontakt zu seiner tschechischen Heimat jemals abgerissen war, entstand er später wieder (s.u.). Politisch ist ja einiges passiert - wie ich selbst vor Ort in Prag miterlebt habe oder auch nicht (diese Anekdote steht hier in der Einleitung zum Artikel).

Einige Stichworte zu den Turnieren die Hort spielte, auch als "Ausrede" um einige Fotos zu zeigen - dabei hilft mir, dass es Wikipedia in vielen Sprachen gibt und jeder "seine" Turniere besonders betont. In Wijk aan Zee spielte er 1968-1986 zehnmal in der A-Gruppe, damals hiess das noch Hoogovenstoernooi und 1973 sah er so aus:

Vlastimil Hort 1973 Wijk aan Zee

Auf dem Foto (Autor Bert Verhoeff / Anefo) hätte ich ihn nicht erkannt ... . Seine grössten Erfolge in Wijk waren drei (geteilte) zweite Plätze: 1968 hinter dem überlegenen Sieger Kortschnoi und punktgleich mit Tal und Portisch, 1970 alleiniger Zweiter hinter Taimanov, und 1975 alleiniger Zweiter hinter Portisch (vor u.a. Hübner, Gligoric, Geller und Timman).

Dortmund hat keine so schöne Übersicht wie Wijk aan Zee, ich bin zu faul um nachzuschauen wie oft er insgesamt dabei war - 1982 hat er jedenfalls gewonnen, so sah er damals aus (fotografiert von Gerhard Hund):

Vlastimil Hort 1982 Dortmund Gerhard Hund

Da er zu dem Zeitpunkt zwar bereits in Deutschland wohnte, aber noch für die Tschechoslowakei spielte, wurde Naiditsch 23 Jahre später der erste und bisher einzige deutsche Dortmund-Sieger. Reggio Emilia 1986 lasse ich mal weg - das Schwarzweiss-Foto ist etwas körnig und ähnelt sonst dem Dortmund-Foto. Bei der Schacholympiade war er insgesamt vierzehn mal, elfmal für die Tschechoslowakei und dreimal für Deutschland - dieses Foto (ebenfalls Gerhard Hund) entstand 1988 in Thessaloniki, als er erstmals für Deutschland antrat:

Vlastimil Hort 1988 Thessaloniki Gerhard Hund-Wikipedia

Danach hat er sich vor allem in Grautönen verändert - als Zwischenstufe ein Foto von Stefan64 bei einem Simultan 1997:

Vlastimil hort Simul

Von 1979 bis 2000 spielte Hort in der Bundesliga für die SG Porz - dazu kein Foto sondern eine Anekdote von Dirk Paulsen:

"Das erste Mal als ich ihn traf -- es war im Jahre 1980 -- bei einem Bundesligakampf der SG Porz saß er draußen im Vorraum, nach Beendigung seiner Partie, und erzählte mit diesem und mit jenem. Als zwei Mannschafts-kameraden hinzustießen, um wohl am Gespräch teilzunehmen, fragte er diese: „Was macht ihr denn hier? Sind eure Partien beendet?“ Als sie dies verneinten, meinte er: „Ja, geht an euer Brett, auch wenn ihr nicht dran seid. Arbeiten, arbeiten, arbeiten.“ Das war schon sehr beeindruckend für mich."

Und was macht(e) Hort dieses Jahrtausend? Schach spielt er nach wie vor, nur keine reinen Seniorenturniere, denn das wäre aus seiner Sicht wie "ins Altersheim gehen" - so sagte er jedenfalls 2007, am Rande eines Matches in Dortmund gegen seinen alten Rivalen Westerinen, in einem Chessvibes-Interview (der kursive Text im englischen Original auf Deutsch!). Stattdessen eine Reihe gemischter Turniere mit jungen und alten TeilnehmerInnen: 2001 war er beim Klompendans-Turnier in Amsterdam mit dabei - das letzte einer Serie von Joop van Oosterom gesponsorten Turniere in denen die besten Veteranen gegen die besten Damen spielten (davor gab es u.a. auch ein Walzer-Turnier in Wien, ein Polka-Turnier in Prag, Flamenco in Marbella und Schuhplattler in München). Hort und seine Teamkollegen Smyslov, Taimanov, Kortschnoi und Portisch spielten gegen Xie Jun, Galliamova, Zhu Chen, Ioseliani und Sofia Polgar. Jahre danach hat der Tscheche Pavel Matocha (der mit dem Hahnenkamm) die Idee aufgegriffen und nannte das Ganze Snowdrops & Oldhands, auf Tschechisch Sn?ženky a Mach?i. Das Titelbild stammt aus der Edition 2012, hier noch ein paar Fotos (Quelle für alle praguechess.cz) mit freundlicher Zustimmung von Pavel:

snezenky a machri 2012 gal08 04

2012 - Wer sieht besser aus? Im Hintergrund ein anderer Pavel, Schiedsrichter Votruba (jedes Jahr auch in Wijk aan Zee) [Foto Anežka Kružíková]

sm 2011 slavnostni zahajeni 06

2011 (Foto Martin Chrz) - erinnert mich etwas an einen Chessvibes-Artikel der zu Weihnachten veröffentlicht wurde, nicht etwa am 1. April

sm 2011 zakonceni 01

2011 gewannen die Old Hands - Horts Teamkollegen waren Hübner, Waganjan und Gulko, gegenüber Matocha

snezenky-a-machri-2010 7 kolo 3 HortUhlmann

2010 fotografierte Vladimír Jagr - hier Hort zu Spässen aufgelegt mit Wolfgang Uhlmann

snezenky-a-machri-2010 zaver 2 HortKoneru

Und hier zusammen mit Humpy Koneru (die Besten aus beiden Teams)

Ansonsten spielte Hort z.B. noch im Bobby Fischer Memorial Rapid, bei einem Schnellturnier zum 75. Geburtstag von Lajos Portisch, ein Match gegen Kortschnoi, und ein Turnier "CEG contre Légendes" - CEG steht da für Club d'Echecs de Genève, und die Legenden hiessen Kortschnoi, Ribli, Spraggett, Andersson und Hort. Auch auf dem tschechischen Chess Train, ebenfalls eine Idee von Pavel Matocha, ist er mitgefahren und hat dieses Jahr das Turnier gewonnen. Mannschaftskämpfe spielt er inzwischen in der NRW-Klasse für den Oberhausener Schachverein von 1887. Zum Abschluss seines siebten Lebens-Jahrzehnts war Hort gerade noch beim Basler Schachfestival wo er, an 22 gesetzt, am Ende 18. wurde. Das Lokalfernsehen Telebasel hatte aus diesem Anlass zwei Interviews - eines mit dem Favoriten und späteren Sieger Radek Wojtaszek, und eines mit Vlasti Hort. Hinterher würdigte ihn die Turnierseite mit diesen Worten: "Altmeister Vlastimil Hort erzielte mit 5/7 einen respektablen Erfolg. Doch noch erwähnenswerter ist die Tatsache, dass er der Spieler des Turniers ist, der am meisten Züge gemacht, bzw. am längsten gespielt hat! Oft war der Saal schon praktisch leer, doch Vlasti war immer noch da.....". Schachlich habe ich Hort kaum oder gar nicht charakterisiert und übergebe noch Kortschnoi das Wort, der sinngemäss sagte: "Horts Stellungen erinnern mitunter an ein Zigeunerlager. Für Aussenstehende wirkt es chaotisch, aber dahinter steckt eine innere Logik." Das habe ich von einem niederländischen Amateur-Schachfreund der ausserdem schrieb: "So ungefähr - frag mich nicht nach einer Quelle, ich glaube ich habe das via Timman gehört."

Seinen Geburtstag feiert Hort im tschechischen Blansko (nahe Brno/Brünn) - da gab es Freitag/Samstag ein Schnellturnier mit Hort, Plachetka, Meduna und Lechtynsky sowie Simultans (Info von Pavel Matocha). Am 25. Januar wird er dann auch vom Oberhausener Schachverein mit einem Generationsturnier gewürdigt - Info und Anmeldung via die Vereinsseite.

Alles Gute zum Geburtstag!

Všechno nejlepší k narozeninám! [Google Translate hat mir da geholfen]

Vugar Gashimov 1986 - 2014
Freigegeben in Blog
11. Januar 2014

Ciao Vugar

In der letzten Nacht verstarb in Heidelberg einer der Top-Spieler der letzten Jahre. Vugar Gashimov, Großmeister aus Aserbeidschan, TopTen-Mann, Ex-Werderaner und Europäischer Mannschaftsweltmeister 2009, verlor im jungen Alter von 27 Jahren den langen Kampf gegen seine schwere Krankheit. Das Leben ist nicht fair.

Die Schach-Welt grüßt ein letztes Mal und sagt Danke für viele inspirierende Partien und schöpferische Momente auf dem Schachbrett. Ciao Vugar!

Ausgewertet
Freigegeben in Blog
05. Januar 2014

Ausgewertet

Kommen wir aus aktuellem Anlass noch einmal auf Jan Timman zu sprechen. Dass dieser auch im Studienbereich komponiert, habe ich hier im Blog bereits mit einer schönen Studie aus seiner Feder nachweisen können. Er gehört allerdings auch zu den Personen, für die alle zehn Jahre ein Studienkompositionsturnier stattfindet. Eine Ausschreibung zu diesem Turnier konnte man auch hier in der Schachwelt lesen.

In der Oktoberausgabe von EG war nun das Ergebnis abgedruckt. Es gewann der in der Komposition noch wenig bekannte Steffen Slumstrup-Nielsen. Der Däne ist auch im Partieschach aktiv und hat eine Wertung im Bereich 2100- 2200 ELO. Ein Blog über Schachstudien und besondere Schachpartien, das er betrieb, findet man leider nur noch in Onlinearchiven.
Mit seiner Studie in Timmans Turnier hat er ein eindrucksvolles Ausrufezeichen gesetzt, dass auch heute noch Klassiker in der Schachstudie entstehen können.

SlumstrupR

 

Weiß besitzt einen Bauern für einen Läufer. Auf der Habenseite hat er zwar zwei verbundene Freibauern auf der sechsten Reihe, aber leider ist sein Turm in Nöten. Wie schafft er es, Remis zu halten?

Fernschach-Olympiaden
Freigegeben in Blog
04. Januar 2014

Fernschach-Olympiaden

Auch im Fernschach ist die Olympiade die Mannschafts-Weltmeisterschaft. In der Geschichte der Fernschach-Olympiaden hat bisher das Team Russlands (inkl. Sowjetunion) die meisten Goldmedaillen geholt, knapp vor Deutschland (inkl. DDR). Russland konnte den Olympiasieg bisher 6 Mal erringen, Deutschland 5 Mal. Allerdings kam Deutschland viel häufiger auf die weiteren Ränge als der Konkurrent, nämlich mit je 4 Mal Silber und Bronze, Russland jeweils 1 Mal.

Das Jahr 2014 kann zu einem Wachwechsel an der Spitze führen. Deutschland schickt sich an, Russland vom 1. auf den 2. Rang zu verdrängen, und die Chancen stehen gut dafür.

In der Rubrik Schach/Fernschach/Aktuelles gibt ein ausführlicher Artikel Auskunft über den Stand aller noch offenen Fernschach-Olympiaden. Die deutschen Spitzenspieler haben viel zu bieten, wie es sich dort nachlesen lässt!

Drei Qualleopfer
Freigegeben in Blog
02. Januar 2014

Drei Qualleopfer

Es wird mal wieder Zeit für (bzw. ich habe/nehme mir die Zeit für) einen eher zeitlosen Beitrag. Wenn es hier, wie beim Schachticker, immer auch einen Untertitel zum Titel gäbe, wäre letzterer wohl "Was sagt(e) Houdini dazu?". "Irrungen und Wirrungen im Amateurbereich" ginge auch, ist aber ein bisschen lang. Allerdings werde ich den menschlichen Faktor mit einfliessen lassen: Was dachten die Spieler - ich und mein jeweiliger Gegner? Es sind also drei Beispiele aus eigener Praxis. Da ich eher selten opfere - zumindest was betrifft unklare Opfer "auf Chance" - hat jeweils mein Gegner die Qualität geopfert. Gleich dreimal innerhalb von zwei Monaten - ich habe ja nicht alle Details meiner schachlichen "Karriere" parat, aber so eine Triplizität der Ereignisse hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie in über 30 Jahren. Es ist also Amateurniveau - aber vermutlich sind viele Leser Amateure wie ich und meine drei Gegner. Und was psychologische Aspekte während der Partie betrifft, da sind doch alle mehr oder weniger gleich? Ein Mensch ist ein Mensch, egal ob Elo unter 2000, FM, IM, GM oder Weltklassespieler. Ausserdem hat dieser Beitrag vielleicht auch für mich einen gewissen Trainingseffekt, mehr als andere Artikel aus meiner Feder und sicher Meta-Artikel in denen Partien und Diagramme (fast) gar nicht vorkommen.

Um eines vorweg zu nehmen: Alle drei Qualitätsopfer waren (laut Houdini) korrekt, wurden aber am Ende nicht belohnt. Aus dramaturgischen Gründen hätte es sich vielleicht angeboten, eine Partie zu verlieren - aber derlei Erwägungen spielten am Brett keine Rolle. Zwei Partien stammen aus der Vereinsmeisterschaft gegen alte Bekannte, die dritte aus einem Mannschaftskampf. Jeweils werde ich erst meinen Gegner kurz charakterisieren, und auch noch ein bisschen auf meine Eröffnungs-(Un)Kenntnisse eingehen - als Kontext zur Stellung jeweils vor dem Opfer.

Thomas Richter (1954) - Jaap de Wijk (1714), 23.9.2013

Mein Gegner ist Angriffsspieler und vor allem taktisch gefährlich, aber nach Elo bin ich halt besser. Er sagte auch mehrfach "wenn ich gegen Dich 'normal' spiele, habe ich eh keine Chance - also muss ich die Stellung komplizieren und chaotisieren". Im Laufe der Jahre führte das zu diversen turbulenten Partien - eine unter etwas anderen Vorzeichen (damals opferte ich munter, wild, inkorrekt und am Ende erfolgreich) hatte ich bereits veröffentlicht. Bei der Jahreshauptversammlung hatte ich angeregt, Partien aus Mannschaftskämpfen am nächsten Vereinsabend gemeinsam zu analysieren und eventuell auch Computer zu befragen - Jaap reagierte "allergisch": "Das ist doch nur frustrierend!!". Nun, mitunter habe ich Partien in denen Houdini mit meinen Zügen weitgehend einverstanden ist (obwohl ich ihn erst hinterher befragte!), manchmal - so auch diesmal - lacht er aber beide Spieler gnadenlos aus.

Eröffnung war ein anti-theoretischer spanischer Anti-Marshall - 8.-Te8 ist bereits sehr selten, 9.a4 gab es laut Datenbank nur einmal - in der turbulenten Partie Maddaloni (1812) - Romano (1572) aus der Meisterschaft von Umbrien in Italien im Jahre 2009. Danach spielte vor allem ich "ungenau" und irgendwann stand es so:

Richter - de Wijk

Der Leser ahnt wohl, was kommt: 26.-Txc2 Das hatte ich gesehen, nachdem ich 26.De1-h4 spielte (Houdini bevorzugte 26.Le3 mit Figurenentwicklung). In der Analyse hinterher dachten wir beide, dass das Qualitätsopfer quasi erzwungen war, da der weisse Königsangriff sonst zu gefährlich wird (Jaap dachte, dass er die Qualität zurück bekommt und übersah dabei das spätere 29.Le3). Houdini sieht das anders, z.B. 26.-h6 27.Lxh6 gxh6 28.Dxh6 und jetzt 28.-Txc2 oder auch 26.-g6 und Schwarz kann ein eventuelles Lc1-g5-f6 und Dh6 rechtzeitig mit Db6-b4-f8 entschärfen). Ich war optimistisch, da das Qualleopfer aus meiner Sicht eher aus der Not geboren war. Es ist aber Houdinis erste Wahl und er gibt Schwarz leichten Vorteil (etwa -0.3). Warum? Er redet nicht mit mir sondern spuckt nur Zahlen und Varianten aus - aber ich vermute, dass ihm der weisse Figurenknoten am Damenflügel aus schwarzer Sicht gut gefällt. Weiter ging es mit 27.Txc2 Lf5 28.Te2 Sb3 29.Le3! De6 30.Tae1 Ld3 31.Tf2 inzwischen ganz leicht besser für Weiss (+0.2) 31.-Le4?! 32.Lf4?! Hier ging 32.Sg5 ± 32.-h6 33.Kh1 fragt mich nicht, welche Feinheit ich hier sah ... 33.-g5 34.Dg3?! Houdini will mit 34.Sxg5 reinopfern 34.-Lxf3?! 34.-Sc5 mit Blick nach d3 und gelegentlich e4, etwa -0.5 35.Txf3 Sd4? Immer noch war 35.-Sc5 für Schwarz erträglich, erst jetzt geht es bergab - und nun verliert er total die Übersicht: 36.Dd3 Sf5? 37.Lxg5 hxg5 38.Dxf5 f6?! 39.Dg6+ Kh8 40.Txf6 1-0

Richter - de Wijk 2

Ich weiss nicht, ob Zeitnot (Zeitkontrolle ist bei uns nach 36 Zügen) eine Rolle spielte. War das ein glücklicher Sieg, oder hat halt der bessere Spieler gewonnen?

 

Gerard van Es (2140) - Thomas Richter (1953), 28.10.2013

Andere Vorzeichen - ich war Aussenseiter und hatte auch noch Schwarz. Ich nenne meinen Gegner (im Jux und eher als Kompliment) "den Carlsen von Texel", denn so spielt er meistens: ruhige Eröffnungen, auch danach solide ohne Risiko und gegnerische Fehler gnadenlos ausnutzen. Er ist gebürtiger Texelaar, hat einige Jahre am Festland höherklassig gespielt (mit der Elo ist er in der siebten Liga eher ein Fremdkörper) und ist seit dieser Saison wieder reif für die Insel.

Eröffnung war Damenindisch - damit wollte ich ihn überraschen denn das spielte ich zuletzt vor gut 15 Jahren, vor meiner Zeit auf Texel. Dann war ich schon nach fünf Zügen (1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.c4 b6 4.g3 La6 5.Da4) aus meinem Buch - ich wusste zwar, dass es diesen Zug gibt ("it's a legal move") aber nicht, dass es inzwischen auf hohem Niveau üblich ist (5.b3 ist zu remislich, 5.Dc2 nebst Bauernopfer d4-d5 wohl auch entschärft). Soviel zu meiner Vorbereitung - diese Entscheidung traf ich spontan am Brett, nicht dass ich mich generell vorbereite ... .

 van Es - Richter2

So stand es nach 17.-Ld5 - der Leser ahnt oder weiss (Titeldiagramm) was kommt. Ich stand nach diesem Zug auf, und als ich wieder ans Brett kam war der die Stellung zementierende Ld5 weg und da stand ein weisser Turm: 18.Txd5!? Auch aus Respekt vor meinem Gegner war ich geschockt - wenn ER opfert ist das sicher gut? Auf höchstem (weltmeisterlichem) Niveau: wenn Tal opfert, hat der Gegner ein Problem - aber das Opfer ist nicht unbedingt korrekt. Wenn Karpov opfert, dann gute Nacht! Zu meinem Glück war nicht nur die direkte Antwort erzwungen, auch die nächsten paar Züge sind zumindest plausibel - und zwischenzeitlich konnte ich meine Stellung und meine Nerven stabilisieren. Hinterher (wohl auch unter dem Eindruck des weiteren Partieverlaufs) meinte mein Gegner wie auch ein zwei Kibitze, dass das Opfer doch zu optimistisch/spekulativ war. Wir analysierten noch, ob nach 18.Dxc8 usw. das weisse Läuferpaar gewissen Vorteil verspricht - vielleicht, vielleicht auch nicht, das wäre eher sein Stil gewesen. Houdini plädiert zwar auch für 18.Dxc8, betrachtet die Stellung nach dem Qualitätsopfer aber als ausgeglichen - Weiss bekommt immerhin einen Bauern, hat das schon erwähnte Läuferpaar und Schwarz hat gewisse Koordinationsprobleme. Es ging weiter mit 18.-exd5 19.Dxd5 Sf6 20.Dg5 Ta7 vorsichtshalber weg aus der langen Diagonale 21.b3 Sd6 22.La3 laut Houdini gehört der Läufer nach b2, aber noch ist nicht viel passiert 22.-Sde4 23.De3 Sc5 ich hatte auch erwogen, mit 23.-Te8 noch einen Bauern zu geben um meine Figuren maximal zu koordinieren (laut Houdini etwa genauso gut wie der Textzug) 24.Tc1 Te8 25.Dg5? das kritisiert Houdini (-1), wohl da nun wieder ein schwarzer Springer mit Tempogewinn auf e4 landet (25.Df4 -0.2, Remisbreite) 25.-Tc7 26.Sd4 Sce4! 27.Txc7 Dxc7 28.Lxe4 Sxe4 29.Dg4? Dc3 30.Dd7?! Hier konnte ich es kaum glauben - ist es nun wirklich so einfach? 30.-De1+ 31.Kg2 Dxf2+ 32.Kh3 Df1+ 33.Kh4 g5+ 0-1 (Matt in neun Zügen sah ich hier - im Gegensatz zu Houdini - nicht, aber Damengewinn reicht völlig).

van Es - Richter3

Bei dieser Partie gilt: Kompensation für geopfertes Material haben ist eine Sache, diese behalten eine andere (das gilt ähnlich auch für manche Partien zwischen Weltklassespielern). Für wen war - unabhängig von Houdinis Urteil - die Stellung nach dem Qualitätsopfer leichter zu spielen?

 

Thomas Richter (En Passant, 1953) - Albert van der Meiden (Waagtoren 5, 1791), 23.11.2013

Diesen Gegner (aus einem grossen Verein in Alkmaar) kannte ich vorher nicht - auch wenn ich wusste, dass er taktisch stark und nicht zu unterschätzen ist: letzte Saison hatte er einen meiner Mannschaftskollegen (der "eigentlich" selbst taktisch stark ist) völlig auseinandergenommen. Er spielte Aljechin, was ich schon ein bisschen kenne - in mehreren Vereinen hatte ich mit Spezialisten in dieser Eröffnung zu tun. Aber diese Spezialisten kennen es im Zweifelsfall doch besser, da sie es öfters auf dem Brett haben. Ich stand erst durchaus gut, dann (nach einer sehr zweifelhaften Neuerung im verflixten 13.Zug - soweit hatte er es schon mehrfach auf dem Brett) schlecht. Schon davor waren die Rollen getauscht: Erst hatte Weiss - wie üblich - Raumvorteil aber ein etwas labiles Zentrum. Dann verschwand dieses Zentrum, und Schwarz stürmte vorwärts mit -e5 und -f5 (nicht ohne Risiko angesichts schwacher Felder am Königsflügel). Aber nachdem ich meinen weissfeldrigen Läufer abtauschen lassen musste, war das irrelevant - und improvisieren angesagt um nicht komplett erdrückt zu werden.

Nach meinem 21. Zug stand es so - ich versuchte gerade, mit 21.Sc5 den lästigen Kollegen auf d3 los zu werden:

Richter - vd Meiden

Der Leser weiss was kommt - wieder wird eine die Stellung stabilisierende Leichtfigur auf d5 einfach weggehauen: 21.-Txd5!? Das hatte ich gesehen, konnte es aber ohnehin nicht verhindern - Augen zu und durch, wobei ich an meine Stellung glaubte. 22.cxd5 Sf4 der Springer wird nicht etwa abgetauscht, sondern hüpft munter weiter. 23.De3 Dg5 24.g3 Soweit mehr oder weniger forciert, und nun sagt Houdini zunächst 0.00 und gibt Schwarz später gewissen Vorteil. Grund ist eine lange Variante, in der Schwarz recht forciert die Qualität zurückgewinnt: 24.-Sxh3+ 25.Kg2 f4!

Richter - vd Meiden3

26.Dxe4 Lf5 27.De2 Tf8 28.Se4 f3+ 29.Dxf3 Lxe4 30.Dxe4 Sf4+ 31.Kh1 Dh5+ 32.Kg1 Sh3+ 33.Kg2 Sg5 34.Dh4 Df3+ 35.Kg1 Df5 36.Dh1 hmmmm 36.-Sh3+ 37.Kh2 Sxf2 38.Txf2 Dxf2+ 39.Dg2 Tf5 40.Dxf2 Txf2+ und nun stünde es so:

Richter - vd Meiden2

SECHZEHN recht forcierte Züge, kann Weiss das entstandene Endspiel halten? Der Anfang dieser Variante kam hinterher auf das Analysebrett - ich wollte statt 27.De2 das schwächere 27.Dc4 spielen. Kann ein Amateur 25.-f4 sehen? Mein Gegner sah es in der Analyse ziemlich schnell - ich hatte vorher nicht so weit gerechnet und vertraute (zu Unrecht) auf meine "Intuition". Und wie schwer ist der Rest dieser Variante? Stattdessen entkorkte mein Gegner die brilliante Gurke 24.-Ld4??!

Richter - vd Meiden4

Kurz dachte ich "was habe ich übersehen?" - schnell wurde mir klar, dass er etwas übersehen hat! Nach 25.Dxf4! war der Rest "Technik" - auch wenn er, in einem Mannschaftskampf, nicht sofort resignierte. Diese Partie hätte ich vielleicht, nicht nur aus dramaturgischen Gründen, verlieren können oder gar müssen.

Zum Schluss noch eine Einladung ans Publikum: Wenn ein Leser in relativ kurzer Zeit (dürfen statt 2 auch 6 oder 12 Monate sein) dreimal selbst die Qualität geopfert hat, ist er oder auch sie herzlich eingeladen, darüber zu schreiben!

 

 

 

Interview mit WIM Zhansaya Abdumalik
Freigegeben in Blog

Beim 22. Donauopen in Aschach/Donau nahe Linz in Oberösterreich spielen nicht nur immer traditionell viele Schachfreunde mit – dieses Jahr waren es über 250 verteilt auf drei Turniere – sondern aufgrund der Turnierphilosophie, dass jeder Spieler als Gast gesehen wird und nicht nach Titel und Elo präferiert wird, kommen interessante und aufstrebende Spieler gerne in den malerischen Schiffermarkt Aschach an der Donau. Dieses Jahr kam die erst 13jährige 4-fache Mädchenweltmeisterin und aktuelle U20 Vizeweltmeisterin WIM Zhansaya Abdumalik aus Kasachstan mit ihrem Vater, dem Trainer und einem Freund der Familie nach Aschach und die Krennwurzn nutzte die Gelegenheit mit einem kommenden Star des Damenschachs ein paar Worte zu wechseln.

Krennwurzn:
Zuerst einmal herzlich Willkommen und danke, dass Sie trotz Niederlage in der heutigen Partie zum Interview gekommen sind. Sie sind als Nummer 18 der Startrangliste schlussendlich auf Platz 9 und damit in den Preisgeldrängen gelandet – zufrieden oder unzufrieden mit dem Turnier?

Abdumalik:
Mit der heutigen Partie bin ich natürlich nicht zufrieden, aber ich spielte ein paar Ungenauigkeiten und mein Gegner nutzte diese gnadenlos aus – ich kann ihm nur zum Turniersieg gratulieren. Mit dem Turnier bin ich zufrieden, ich habe gute Partien gespielt und mein Rating weiter erhöht, so dass ich wohl meinen Ziel unter die Top 100 der Fraueneloliste zu kommen demnächst erreichen werde.

Krennwurzn:
Darf ich Sie bitten, dass Sie sich den Lesern ein wenig vorstellen?

Abdumalik:
Ich bin 13 Jahre alt, komme aus Almaty der mit fast 1,5 Millionen Einwohnern größten Stadt Kasachstans im Südosten unweit der Grenze zu Kirgisistan.

2014Abdumalik1
Krennwurzn:
Wie lange spielen Sie schon Schach und was sind Ihre größten Erfolge?

Abdumalik:
Ernsthaft mit Schach habe ich im Alter von 6 Jahren begonnen, dann kamen schnell Erfolge, ich wurde viermal Mädchenweltmeisterin in verschiedenen Altersklassen und heuer im November in der Türkei wurde ich Vizeweltmeisterin bei der U20 WM der Damen.

Krennwurzn:
Das ist ja beeindruckend – welche Ziele setzt man sich dann?

Abdumalik:
Zuerst möchte ich Damenweltmeisterin werden und dann möchte ich meinem Vorbild Judith Polgar nacheifern und in die allgemeine Weltspitze vordringen? 2008 bei der Blitzschach Weltmeisterschaft in Almaty konnte ich sie persönlich treffen und ein Foto von ihr mit mir machen lassen.

2014Abdumalik2
Krennwurzn:
Und dann Carlsen schlagen und Weltmeisterin werden?

Abdumalik:
Warum nicht – aber alles Schritt für Schritt!

Krennwurzn:
Ihr Trainer GM David Arutinian spielt auch mit im Turnier – wie viele Stunden trainieren Sie für Schach?

Abdumalik:
Meist um die sechs Stunden täglich, davon etwas weniger als die Hälfte mit dem Trainer.

Krennwurzn:
Bleibt da noch Zeit für andere Hobbies?

Abdumalik:
Natürlich ist die Zeit eher knapp, aber ich schwimme jeden Tag eine Stunde und gehe im Sommer bei uns in der Bergen gerne mit Freunden wandern.

Krennwurzn:
Spielen Sie für einen Klub Meisterschaft oder eher nur Turniere?

Abdumalik:
Leider gibt es in meiner Heimat wenig Turniere und auch für einen Klub Meisterschaft zu spielen ist aus geografischen Gründen schwierig, daher spiele ich meist lieber Turniere.

Krennwurzn:
Fällt das nicht schwer, immer von zu Hause weg zu sein?

Abudmalik:
Schon ein wenig, aber ich reise nie alleine – mein Vater ist immer mit dabei, mein Trainer und oft noch Freunde der Familie – hier sind wir zu Viert und es ist sehr schön hier – es gefällt uns gut in Aschach. Allerdings freue ich mich auch schon auf den heutigen Silvesterabend in Wien, da wir erst morgen von dort via Frankfurt nach Hause fliegen.

Krennwurzn:
Ich habe gesehen, dass Sie hier in Mitteleuropa in Pilsen, Brünn und Wien gespielt haben – bleibt da ein wenig Zeit sich auch die Städte touristisch anzusehen.

Abdumalik:
Leider wenig, aber wir versuchen schon die wenige Freizeit zu nutzen um touristische Ziele anzusehen – aber das Hauptaugenmerk liegt auf Schach.

Krennwurzn:
Danke für das Interview und Alles Gute für 2014 und vielleicht besuchen Sie uns nächstes Jahr wieder!

Turnierergebnisse, Partien, Fotos des Schachfotographen IM Peter Kranzl, Rundenberichte der Krennwurzn und vieles mehr finden Sie auf der Internetseite des 22. Donauopen Aschach. Vielleicht haben auch Sie mal Lust, die Krennwurzn live und in Farbe kennenzulernen oder aber wollen Sie einfach nur einmal ein „Turnier bei Freunden“ spielen und die Atmosphäre in Aschach genießen!