September 2015
Der Weltmeister ist auch mit dabei!
Freigegeben in Blog

Es war schön mit der OSG Baden-Baden in den letzten Jahren – wir haben gestaunt über zehn Deutsche Meisterschaften in Folge, waren von Flensburg bis Fürstenfeldbruck und von Neubrandenburg bis Nordwalde beeindruckt über Spielstärke, Figurenkompetenz und ELO-Dichte der stets souveränen Équipe vom nördlichen Rande des Schwarzwalds. Teamchef Sven Noppes hat über Jahre für Titel gesorgt, sogar Weltmeister Magnus war und Weltmeister Vishy ist Teil dieser Traummannschaft, und fürwahr, wo sonst im Ligabetrieb bekommt man diese und andere legendär starke Spieler denn mal zu sehen?

Nein, es war wirklich sehr sehr schön mit Baden-Baden, doch leider, leider, nun ist es auch langsam mal gut. Zehn Titel in Folge, der Rest der Liga weit und weiter abgehängt, und trotz Schwäbisch-Hall, Solingen und den SF Berlin kaum mehr Spannung im Rennen um die Meisterschaft! So kann es nicht weitergehen, es wird zu einseitig, die Zuschauer bleiben schon weg, und nach zehn Jahren mühlsteinartiger Monotonie beim Meistermachen wird es darum endlich Zeit für ein neues Liga-Konzept.

noppes
       Geballte Liga-Kompetenz: Sven Noppes und Peter-Heine Nielsen

Schachwelt.de, der Blog für progressive Konzepte, scheut sich daher nicht, diese wenn auch unangenehme Wahrheit auszusprechen. In Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbeauftragten der Bundesregierung haben wir einige wegweisende Vorschläge entwickelt, die für mehr Fairness im Bundesligasport sorgen und damit auch anderen Schachteams endlich einmal wieder das Tor zum Meistertitel öffnen sollen.

Viele Vereine hätten den ersten Platz ja ebenfalls mal verdient – und da wollen wir natürlich gerne helfen.

Im Rahmen eines einstweiligen Eilverfahrens haben wir daher bei Liga-Schiedsrichter Jürgen Kohlstädt und bei Markus Schäfer, dem Präsidenten der Schach-Bundesliga, die folgenden konstruktiven Anträge eingereicht:

- Abwechselnd möge von nun an jedes Bundesliga-Team mal an der Reihe sein mit der Meisterschaft. Die Meistermannschaft könnte von Jürgen Kohlstädt vor Saisonbeginn unter allen 16 Erstligisten per Losentscheid bestimmt werden. Auf wen das Los gefallen ist, wird aber erst nach dem letzten Spieltag verraten. Für Spannung wäre gesorgt!

schwetzingen 8
    Hier ist noch etwas Platz zum Eingravieren eines neuen Meisters

- Im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung könnte Baden-Baden bis auf Weiteres nur noch zu sechst spielen. (Oder zu fünft? Ein Mannschaftssieg wäre für die Gegner dann noch ein wenig sicherer.)

- Für die Ooser SG Baden-Baden möge mit sofortiger Wirkung gelten: jeweils drei per neutralen Losentscheid ausgewählte Spieler der gegnerischen Mannschaft dürfen ihre Partien heimlich mit Smartphone spielen.

 - Baden-Baden darf eine Saison lang nur noch seine zwei Heimwochenenden spielen und kein Auswärtsspiel mit mehr als 25 km Abstand zum Schwarzwald bestreiten. Auch dann werden sie zwar mit mindestens acht Punkte den Klassenerhalt erspielen können, ein anderes Team wird aber möglicherweise endlich einmal Meister. Im Jahr darauf gewinnt dann wieder Baden-Baden!

- Auch die Schachwelt- Redaktion erklärt sich bereit, das Ringen um Chancengleichheit in der stärksten Liga der Welt selbstlos zu unterstützen - im Rahmen einer Quotenlösung
Die Internationale Krennwurzn und auch ich stünden zur Verfügung, um für die OSG zwangsaufgestellt zu werden und dabei zwei der acht Bretter zu belegen. Frank Hoppe (Berlin!) könnte ebenfalls für dieses Vorhaben rekrutiert werden, falls er beim DSB einmal abkömmlich sein sollte, und wir würden, falls erwünscht, auch bei Frank Zeller, Thomas „Texel“ Richter, Jörg GM Hickl und Dennis Calder anfragen, und ebenso bei Michael Buscher, Uwe Bekemann und natürlich Stefan Löffler, dem Blog-Urgestein aus Wien.
Eine solche 25%- Schachwelt-Redaktionsquote könnte die Chancen der gegnerischen Teams auf mehr als zwei Brettpunkte gegen den Dauermeister erhöhen – und wer weiß, auch mal zu einem Mannschaftssieg (!!) gegen die OSG führen. Doch wollen wir solch kühne Gedanken gar nicht erst zu denken wagen.

luke adams
           Gegen Baden-Baden ist es meistens knifflig.

- Das Einfachste aber wäre: Baden-Baden muss eine Saison lang aussetzen. Die Mannschaft könnte sich ja trotzdem zu den Liga-Wochenenden treffen und an die verschiedene Spielorte reisen. Doch spielen und gewinnen – das muss ja nicht sein. Es gibt ja auch andere schöne Dinge, nicht immer nur Schach! Man kann im Schwarzwald klettern, im Biergarten sitzen, Kaffee trinken und Zeitung lesen. Und ein Jahr später dann wieder in die Bundesliga einsteigen und sich die Meisterkrone zurückholen – das wäre doch mal eine schöne Geschichte.

Saisonende
Saison-Ende und dann ein Jahr Schachpause - klingt das nicht ganz schön?

Die von uns unterbreiteten Vorschläge sind unbürokratisch und daher noch kurzfristig bis zum Liga-Start am Wochenende umsetzbar – man muss es nur wollen.
Wir sind gespannt, welchen Entschluss die Liga-Oberen Jürgen Kohlstädt und Markus Schäfer fällen werden.

Hoffen wir also auf eine spannende Saison, ob mit (oder doch ohne?) Baden-Baden!

********************************************************************************

Und wer bis hierhin durchgehalten hat:

Auch in diesem Jahr wollen wir unsere treuen LeserInnen natürlich mit einem tollen Tippspiel zum Saisonauftakt verwöhnen.

Bitte schickt uns Eure Vorhersagen, welche Mannschaft in 2015/2016 der OSG Baden-Baden am meisten Brettpunkte abluchsen wird!

Für den beste Prophezeiung loben wir wie immer aus:

Bester Tipp:            Ein Interview mit dem Sieger hier auf Schachwelt.de!

Platz zwo:                Eine Tafel Original Bremer Stadtmusikanten- Schokolade!

Platz drei bis fünf: Ruhm und Ehre

Sollten zwei Teams gleichviele Punkte gegen die OSG holen, und damit beide Sieger des Tippspiels sein, wird als Feinwertung die Berliner Wertung herangezogen (also zählen die am höheren Brett erzielten Punkte mehr – Brett Eins ergibt 8 Punkte, Brett Zwei erhält 7 Punkte, usw.).

Sollte selbst dann immer noch Punktgleichheit bestehen, gewinnt der oder die Teilnehmerin, der oder die näher an Baden-Baden wohnt!

Einsendeschluss ist am Samstag, 19.September, um 14:00 Uhr. Es gelten nur Zuschriften im Kommentarbereich.

Beteiligt Euch reichlich. Wir wünschen viel Erfolg!

Bundesligaauftakt in Schwäbisch Hall am 18.-20. 9. Spitzenkampf gegen starke Solinger
Freigegeben in Blog

Der Sommer bäumt sich noch gegen sein Ende auf, in Baden-Württemberg sind sogar noch Sommerferien – schon steht die neue Saison in der Deutschen Schachbundesliga vor der Tür!

2jh650
Ganz schön schräge Typen sind hier zusammengekommen. Summer has almost gone, nun will man wieder Haken schlagen!

Nanu? Gerade hat erst der September begonnen… doch, tatsächlich, die Bundesligasaison 2015/16 beginnt ziemlich früh. Der Terminkalender war im Herbst bereits ziemlich prall, internationale Turniere allerorten. Nach langem Hin- und Her und Abwägen wählten die Verantwortlichen der Schachbundesliga e.V. den Termin 19. und 20. September zum Auftakt der Saison. Für manche Teams beginnt der Zyklus bereits einen Tag früher: am 18. 9. wird in Baden-Baden und in Schwäbisch Hall bereits die vorgezogene 7. Runde, traditionell das Aufeinandertreffen der Reisepartner, absolviert. Somit sieht Schwäbisch Hall sogleich zum Saisonstart einen der Saisonhöhepunkte: ein langes Wochenende vor heimischen Publikum. Und im Duell mit den zur ersten Runde anreisenden Solingern kommt es am Samstag, den 19., sogleich zu einem Spitzenspiel in Hall!

1jh650
Hall liegt recht idyllisch am Kocher. Fachwerkhäuser und viele Brücken bestimmen die Szenerie

Solingen scheint recht motiviert zu sein. Die Jungs aus der Klingenstadt haben nochmal ihre Messer gewetzt und ein paar Scharfrichter geholt: den unberechenbaren Richard Rapport nenne ich gleich als ersten. Auch Anish Giri ist nicht ungefährlich, allerdings neigt er unter seinesgleichen zu einem hohen Remisanteil. Fragt sich nur, wieviel seinesgleichen er noch in der Liga findet!

DSCF6156 615x1024
Richard Rapport geht sorgsam mit seinem Partieformular um 

Solingen will dem Dauermeister Baden-Baden die Feierlaune vermiesen. Immerhin verteidigt Solingen noch den Titel Rekordmeister mit elf Deutschen Meisterschaften (allerdings noch vor der digitalen Revolution und vor Erfindung des Privatfernsehens eingefahren) gegenüber nur 10 von Baden-Grenke.

Auch nicht zu verachten die weiteren Teams des Wochenendes: Trier gehörte in der Vorsaison auch zu den Spitzenmannschaften und ist sehr ausgewogen besetzt. Erfurt ist Aufsteiger, hat ein paar Profis dazugewonnen und stemmt sich mit aller Macht gegen den Abstieg.

Gastgeber Hall ist freilich auch hochmotiviert: als Neuling in der Liga gelang uns in der Saison 2014/15 auf Anhieb der 4. Platz – fast wäre es gar noch der Dritte geworden. Wie kann die Parole dann nur lauten: ein Platz auf dem Treppchen wird angepeilt!

DSCF6138 1024x1010
Wird vermutlich beim Knock-Out in Baku verweilen: Halls Neuzugang Maxim Rodshtein 

Wegen der Überschneidung mit dem FIDE-World Cup in Baku müssen die besseren Teams voraussichtlich auf einige ihrer Stars verzichten. So weilt der oben erwähnte Giri am Kaspischen Meer, Halls Nummer Eins, Dmitri Jakowenko, will es ihm gleichtun.

Stark genug bleiben beide Teams noch, die Großmeisterdichte in Hall wird sicherlich deutlich über 50 Prozent der beteiligten Spieler liegen.  

Dieser Kerl könnte Richie R. am Brett durchaus einheizen:

Li Chao II.jpeg
Markenzeichen Nuckelflasche: Li Chao, der chinesische Tiger

Seine Elozahl geht immer noch beständig nach oben, mit aktuell 2756 steht er auf Platz 14 der Welt: trotzdem ist Li Chao noch nie in einem Superturnier aufgetaucht. Immerhin bekam er die Chance, einen Beinahe-Weltmeister zu verprügeln: ein Wettkampf mit Peter Leko im August endete 4:2 für Li Chao. Da die chinesische Stärke, die offenbar in der richtigen Grünteemischung liegt, mittlerweile auf der ganzen Schachwelt anerkannt ist, haben die Haller ihren Star angehalten, einen hoffnungsvollen Schüler mit ins Süddeutsche zu bringen. Gesagt, getan, nun darf der Neugierige auf den Jugendlichen Jinshi Bai gespannt sein, der wahrscheinlich bald Großmeister werden wird und noch einiges an Potential besitzt.

jinshi bai
Jinshi Bai will Europa kennenlernen

Umrahmt wird die Veranstaltung von Livekommentaren, im Internet wird ein Videostream diejenigen unterhalten, die es am besagten Wochenende nicht nach Hall schaffen. Das ist ein toller Service, vielzählige Videokameras ermöglichen es Ihnen, die Spieler ganz von Nahem zuhause an Ihrem Bildschirm begutachten zu können. Aber noch besser ist, sie kommen vorbei und machen sich selbst ein Bild. Von den Stars, von der Spannung, der unvergleichlichen Bundesligaatmosphäre, oder auch vom hübschen Städtchen Schwäbisch Hall. Schönwetter ist angesagt! 

Hier nochmal das ganze Programm in der Übersicht:

    Ausrichter: SK Schwäbisch Hall, Stadtwerke-Arena an der Limpurgbrücke 1                                        

Fr. 18. 9.:

16:00  SK Schwäbisch Hall – Erfurter SK

Sa. 19. 9.:

14.00 SK Schwäbisch Hall         -  SG Solingen                       

14.00 Erfurter SK                -  SG Trier

So. 20. 9.:

10.00 SG Solingen                -  Erfurter SK                      

10.00 SG Trier                   -  SK Schwäbisch Hall

  

Sag mir wo die Spieler sind
Freigegeben in Blog

„Sag mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben ... wann wird man je verstehen?“ sind Textfragmente eines der wohl berühmtesten Antikriegslieder. Dieses Kettenlied handelt davon, dass wir oft und gerne immer wieder die gleichen Fehler machen und wenig aus der Geschichte lernen.

Nun geht es bei unserem schönen Spiel nicht um Leben oder Tod, aber dennoch neigen auch wir dazu immer im alten Trott zu verweilen – möglicherweise um uns unangenehmen Fragen nicht stellen zu müssen. Eine dieser Fragestellung ist die Jugendarbeit oder viel besser die Effizienz derselben. Nun möchte wohl niemand – auf keinen Fall der Schreiber dieser Zeilen – die Jugendarbeit schlecht schreiben oder reden, denn sie ist das Wichtigste im Schach, denn in ihr wird die Basis für die Zukunft gelegt. Dennoch wollte die Krennwurzn einmal einen kritischen Blick auf das Thema werfen, denn sie hatte das Gefühl, dass sich bei uns im Schach sehr viele Jugendliche tummeln, die dann so ab 20 einfach verschwinden. „Sag mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben?“

2015Blumen1995

Hier sieht man nur eine kleine Eindellung bei den 20er nach der Jugend und einen Berg in den 30er, den man auf die geburtenstarken Jahrgänge und dem Hype der Kasparov-Karpov Zeit und wohl auch noch auf die von Bobby Fischer hervorgerufene Schachbegeisterung zurückführen kann. Gleichzeitig begann aber schon der Mitgliederschwund und es wurde verstärkt in Jugendarbeit investiert.

2015Blumen2005

10 Jahre später ist die Eindellung nach der Jugendzeit schon massiver zu sehen, aber die Zahl der Jugendlichen ist fast gleich geblieben, obwohl über ein Tausend Spieler weniger gemeldet waren.

2015Blumen2015

Wieder 10 Jahre später hat sich die Eindellung zu einem großen breiten Tal nach der Jugend vertieft und wieder hat man weit über tausend Spieler verloren.

2015Blumen2015Verlust

Nun habe ich versucht die verlorenen 2.000 Spieler in die Grafik einzuschätzen, um das Tal mit Spielern aufzufüllen. Das ist natürlich eine sehr gewagte Sache, denn Verluste aus der Jugendarbeit sind natürlich und können viele Ursachen haben. Jetzt könnte man das Kind gleich mit dem Bade ausschütten und sagen was manche heimlich denken: die Jugendarbeit kostet nur viel Geld und bringt wenig bis nichts – die Leute spielen ein paar Jahre Schach, weil es beispielsweise in der Schule opportun ist, die Vereine betreiben Jugendarbeit weil es dem Zeitgeist entspricht und weil es dafür Förderungen gibt!

Nun wie fast immer bei einfachen populistischen Äußerungen fallen dabei ein paar Feinheiten unter den Tisch, aber das ist ja egal, wenn man nur heftig und laut auf den Tisch schlagen will. Der Kontakt mit Schach – auch wenn es dann nicht zum Hobby wird – schadet niemals, denn auch diese Leute können im späteren Leben mit dem Schachbetrieb in Berührung kommen, sei es als Entscheider über Förderungen, Sponsoring, usw. oder aber als Eltern, die ihre Kinder in eine Schachgruppe schicken. Also können wir mit Jugendarbeit keinen Fehler machen, aber dennoch müssen wir uns fragen, warum verlieren wir dennoch so viele „Blumen“ für immer oder nur zeitweise für über 10 Jahre.

Ein Ansatzpunkt könnten die Frauen sein, die sind ja in den Diagrammen ganz zart vertreten sind. Eine Frauenquote von unter 6% bei den Stammschachspieler liegt sogar drastisch unter der Frauenquote von 16% in österreichischen Vorstandsetagen! Es ist wohl kein Zufall, dass die Eindellung in die Jahre der Ausbildung und der Familiengründung fallen und dass wir dort dann mit den Frauen auch viele Männer für das Schach verlieren. Also müssten wir nachdenken, was wir nach der erfolgreichen Jugendarbeit unternehmen können!

„Sag mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben ... wann wird man je verstehen?“