Schachwelt anno Tobak (1)

Lasker-Janowski (1) Lasker-Janowski (1) JER

Das waren noch Zeiten! Das eigene Telefon hatte keine ELO-Zahl und die Eröffnungstheorie kam noch ohne Endspieldatenbanken aus. An jene längst vergangenen Tage soll in dieser Rubrik erinnert werden.

Zum Start dieser Serie soll dem wohl abwechslungsreichsten Weltmeisterschaftskampf aller Zeiten gedacht werden. An einem Tag gewann Weiß, am nächsten Schwarz*. Am Ende hatte Weltmeister Emanuel Lasker seinen Herausforder Dawid Janowski mit 8:0 (bei 3 Remisen) deklassiert. Der Wettkampf fand vor genau 100 Jahren in Berlin statt. Obwohl Janowski bereits ein Jahr zuvor von Lasker in einem Privatwettkampf mit 1:7 abgefertigt wurde, bekam er seine WM-Chance. Im Gegensatz zu den heutigen Kandidatenauswahlprozessen wurde der Herausforderer damals nämlich auf eine für jedermann verständlich Art und Weise ermittelt: 5000 Frcs. cash auf den Tisch! Für Janowskis Sponsor Leo Nardus war dieser Betrag offensichtlich keine unüberwindbare Hürde.

Janowski war ein kompromissloser Angriffsspieler, der sich stets ohne Rücksicht auf Verluste auf den gegnerischen König stürzte. Über Laskers Spielstil äußerte er sich herablassend: „Er spielt so dumm, das ich gar nicht auf das Brett sehen mag ...“.  Bis zuletzt glaubte Janowski an seine überlegene Spielstärke. Die eigenen Niederlagen erklärte er stets mit allerlei unglücklichen Umständen. Wie er den Klops der ersten Matchpartie (Weiß: Lasker, Schwarz: Janowski) in sein Weltbild eingefügt hat, ist mir leider nicht bekannt:

s. obige Stellung im Artikelbild nach 19. ... Td8-d6??:

Es folgte 20. Txd5 Txd5 21. Dxd5 Dxb4 22. Txc6 1-0.

In einigen der späteren Begegnungen stand Janowski aber tatsächlich kurz vor dem Partiegewinn. Mit zunehmenden Vorsprung ging Lasker allerdings auch immer größere Risiken ein, in der elften Partie spielte er z.B. das Königsgambit. Insbesondere in der fünften Partie (Weiß: Lasker, Schwarz: Janowski) überlebte Lasker nur sehr knapp:

{fen}2kr1bnr/pp3ppp/2n1b3/q7/3N4/2N1B3/PP3PPP/R2QKB1R w KQ - 0 11{end-fen}

Die Eröffnung ist Weiß schon nicht gelungen, die Fesselung in der d-Linie ist sehr unangenehm. Nach dem Partiezug 11. a3? (besser (11. Dd2) hätte die Partie eigentlich in wenigen Zügen vorbei sein müssen. Lasker wollte 11...Lc5 offenbar mit 12. b4 beantworten. Nach 12...Lxd4 13. Lxd4 (auch 13. bxa5 hätte übrigens nicht geholfen: z.B. 13...Lxc3+ 14. Ld2 Txd2 15. Dxd2  Lxd2 16. Kxd2 Sxa5 -+.) 13...Dg5 wäre der Läufer auf d4 nicht mehr zu halten gewesen. Z.B. 14. Se2 Sxd4 15. Sxd4 De5+. Janowski ging aber an seinem Glück vorbei und spielte 11...Sh6? (statt 11...Lc5) und verlor die Partie schließlich sogar.

Die achte Matchpartie feiert heute übrigens hundertsten Geburtstag. Aus diesem Anlass hier die komplette Partie:

*Okay, okay, ich gebe es zu, die Pointe ist von Georg Marco (ehemals Herausgeber der Wiener Schachzeitung) geklaut. Nachzulesen z.B. in: „Umkämpfte Krone“ v. Raymund Stolze, Sportverlag Berlin 1988.

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