Was ist los in der Bundesliga Süd?

Elf Mannschaften in der 2. Bundesliga Südwest

Griesheim hat die zweite Bundesliga West überzeugend gewonnen und den direkten Wiederaufstieg geschafft. In der ersten Liga werden die Gegner aber wieder einen wesentlich höheren Schnitt aufweisen als in dieser Saison mit ELO ~2265. Aufsteiger Bebenhausen ist nicht unerwartet sofort wieder abgestiegen und wird nächste Saison den Eloschnitt seiner Gegner von ~2345 sicher nicht mehr erreichen können. Die beiden Zahlen sollten einen stutzig machen, denn 80 ELO-Punkte mal 72 Partien bedeutet, dass alleine sieben Brettpunkte des Griesheimer Vorsprungs auf die leichteren Gegner zurück geführt werden können.

beispieltab2Beide Mannschaften spielten in der gleichen Liga und gegen die gleichen Vereine. Aber sie spielten gegen unterschiedliche Mannschaften. Denn es gibt da einen kleinen Verein, dessen eigentlich erste Mannschaft den Klassenerhalt in der sechsten Liga wohl nicht schafft. Um die Spieler trotzdem bei Laune zu halten, hat man aber da noch eine Mannschaft in der zweiten Liga. Wenn es nun dort gegen einen starken Gegner geht, dürfen die treuen Spieler des Vereins zeigen was sie draufhaben. Erfolg sehr mäßig. Damit dieser Spaß nach einer Saison nicht zu Ende ist, werden gegen schwache Mannschaften sieben (!) ausländische Profis gebeten die Mannschaft zu ersetzen. (Rechts: Beispieltabelle, Quelle: www. schachbund.de)
So spielt man über die Saison mit zwei (fast) komplett unterschiedlichen Mannschaften und hält sich mit optimiertem finanziellem Aufwand locker in der Liga. Denn wenn man das Ganze anders aufziehen würde und alle Runden mit vier starken und vier schwachen Spielern antreten würde, wäre der Abstieg wohl sicher. Der Bürgermeister wird sicher auch begeistert über einen "Bundesligaverein" im Dorf sein. Schade dass dieses Konzept noch kein Erstligaverein probiert hat. Statt innovativ zu sein, jammern dort alle nur über die hohen Kosten. Wann hat Anand zuletzt gegen einen von uns gespielt? Noch interessanter wäre es wenn sich diese Idee bei allen Vereinen einer Liga durchsetzen würde. Dann entstände eine Pokerliga der Mäzene. Du bist mit den Patzern gekommen? Ich hab die Guten dabei! Sollen wir noch spielen, oder schenkt ihr gleich ab? Aber auch drei solcher Vereine in einer Liga führen dazu, dass Aufsteiger praktisch chancenlos sind, wenn sie nicht gleich um den nächsten Aufstieg mitspielen können. Ihr Gegnerschnitt würde auf 2400 steigen, der des Meisters auf 2200 sinken. Vielleicht braucht man dann sogar eine höhere Performance um als Aufsteiger die Klasse zu halten als der Meister um aufzusteigen.


Ich verstehe allerdings unter Mannschaftskämpfen etwas anderes und es stellt sich die interessante Frage, wie man solche Auswüchse verhindern kann. Die einfachste Idee ist natürlich, dass ein Spieler in einer Saison nur in keinem anderen Verein in Europa spielen darf, wie man das so von anderen Sportarten kennt. Die anderen Länder müssen hierbei nicht unbedingt mitmachen. Dann wird man keine Profis für vier Partien finden. Es würde auch einen Fall in der Oberliga Württemberg verhindern, wo ein Verein für ein wichtiges Spiel während der Saison schnell einmal vier solche nachgemeldet hatte und dann mit 4.5-3.5 auch noch gewann. Das Jammern und Klagen der Betroffenen müsste man ertragen. Die Opens wären wieder stärker besetzt.

bannerostsee300Interessant ist aber auch die Regelung in Baden. Ein Spieler darf in einer Runde nur in einer Mannschaft spielen. Ob dies im obigen Fall abschreckend genug ist, ist nicht so klar. Der Eloschnitt der "eigentlichen" ersten Mannschaft in der sechsten Liga sank im obigen Fall in der Saison um bis zu 600 Punkte, da sich ihre Stammspieler in der Bundesliga festspielten. Auch in der sechsten Liga wird viel über die Auslosung der Paarungen entschieden. Verkleinerung des Kaders der Mannschaften kann das Problem nur reduzieren, wenn es wie hier extensiv ausgenutzt wird. Vielleicht hilft aber auch, dass dieser Missbrauch über die lokalen Grenzen bekannt und etwas mehr diskutiert wird.

Hilft alles nichts dann sollte man vielleicht die totale Freigabe beschließen: Spieler können eine Spielgenehmigung für eine Saison vom Verband gegen eine Gebühr erwerben. Dann dürfen sie an einem Spieltag von einem beliebigen Verein eingesetzt werden. In der nächsten Runde können sie natürlich auch beim Gegner spielen. Das wäre ein Spaß! Man bräuchte nicht mehr zur Bundesliga zu pilgern. Wenn zwei verfeindete Nachbarvereine gegeneinander spielen, würde sicher auch etwas geboten.

Kommentare   

#1 braunge 2012-04-23 14:23
es ist schade, wenn ausschließlich eingekaufte Spieler den Klassenerhalt sichern...

mal abgesehen davon, dass es sich auch um "Wettbewerbsverzerrung" handelt, wenn an einem Tag 8 Top-Spieler (Titelträger) an den Brettern sitzen, und anderntags 8 "Amateure" ...
#2 Tiger-Oli 2012-04-23 16:30
Lieber Herr Hickl,

hübsch recherchiert, danke für den interessanten Artikel!

Ich bin ja seit jeher ein großer Freund des SC Schwegenheim.
Man könnte es ja auch so sehen: während andere Vereine auf Teufel komm raus ortsfremde Spieler einsetzen, ist man in Schwegenheim noch den eigenen Wurzeln verpflichtet und bietet so oft es geht auch den Spielern aus der Region eine Möglichkeit zum Einsatz.
Oft hören wir Klagen über zusammengekaufte Mannschaften und die fehlende Identifikation mit dem Verein. In Schwegenheim ist man einen mutigen Weg gegangen und sucht nach anderen Lösungen!
Dass es dadurch zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann, wird von anderen gerne behauptet. Ich sage dagegen: gegen Mannschaften von oben wurde jeweils mit der gleichen (eher schwächeren) Mannschaft gespielt, und gegen Mannschaften von unten jeweils mit der gleichen (eher stärkeren) Mannschaft gespielt. Wo ist da die Verzerrung?!-

Ich freue mich, dass die allermeisten Vereine/ Mannschaften im Lande das Fair Play noch hoch halten.
Es lohnt, über Lösungen für dieses Problem mit den "zwei Schwegenheimer Mannschaften" nachzudenken!
Umso besser, dass hier im Blog darüber berichtet wird.
#3 Krennwurzn 2012-04-23 17:47
Multispielberechtigung und Mannschaftspunkte

Zu Nebenwirkungen und unerwünschten Wirkungen fragen Sie ... ja wen?

Die FIDE, den Schachbund oder sind doch wir Schachspieler selbst schuld, weil wir so gerne etwas "großmannsüchtig" sind und uns ein System leisten, dass zwar vielen einen Profistatus ermöglicht, die eigentlich Amateure sein sollten.

PS: Der SC Schwegenheit hält sich an die gültigen Regeln - der "Missbrauch" ist nicht nur logisch, sondern auch regelkonform.
Zudem gibt es in der Liga mit dem SC Viernheim eine Mannschaft, die mit 29,5 Brettpunkten gegenüber von 35 noch minimalistischer 10 Mannschaftspunkte erreicht hat: http://www.schachbund.de/SchachBL/bedh.php?liga=2bls

Abhilfe würde zB eine Regelung schaffen, die besagt, dass von den ersten 6 der Kaderliste mind. 4 pro Wettkampf spielen müssen und die Pönalen so hoch sind, dass sie die Kosten für die Spieler übersteigen. Das wäre für alle Bundesligen interessant!
#4 Morgain Le Fey 2012-04-23 19:45
Ich bin selbst Mitglied in einem Verein, der hin und wieder ein oder zwei ausländische Profis einsetzt, um die nötigen Punkte gegen den Abstieg aus unserer Landesliga zu sichern.

Diese Praxis ist bei uns intern sehr umstritten, hat aber den Vorteil, dass jeweils 6 bis 8 Leute in einer Liga spielen können, die sie sonst nur im Zweijahres-Rhythmus besuchen könnten. Auf lange Sicht besteht so die Hoffnung, dass wir diese Klasse irgendwann aus eigener Kraft werden halten können.

Und natürlich ist das Wettbewerbsverzerrung, denn regelmäßig muss statt uns eine andere Mannschaft den Gang in die Landesklasse antreten. Erschwerend kommt noch hinzu, dass wir uns diesen Kandidaten in gewissen Grenzen auch noch selbst aussuchen können...
#5 Bercher 2012-04-23 20:06
Ich würde sagen da besteht Regelungsbedarf.
- Nur einmal pro Runde Spielen
- Festspielen spätesten beim 3. mal "oben"
Kompliziert ab Juristisch korrekt (? ;-) ) Ausgeführt:

Einsatz von Spielern
1. Spieler, die pro Saison mehr als zweimal in übergeordneten Mannschaften gespielt haben, sind in niedrigeren Mannschaften nicht mehr spielberechtigt.
2. Der zweimalige Einsatz in einer Doppelrunde (Bundesliga, Oberliga) gilt als einmaliger Einsatz.
3. Mannschaftskämpfe an verschiedenen Tagen gehören dann zur selben Runde, wenn dies vom Bezirksspielleiter ausdrücklich so festgesetzt wurde. Die Verlegung eines Mannschaftskampfes ändert nicht seine Zugehörigkeit zur ursprünglichen Runde und zum ursprünglichen Spieltag.
4. Jeder Spieler darf in einer Runde nur einmal eingesetzt werden. Dies schließt überregionale Spielklassen mit ein. Zur Sicherung der Ersatzspieler dürfen höherklassige Runden nicht vorangehenden niederklassigen Runden zugeordnet werden.
5. Der zweimalige Einsatz an einem Kalendertag ist nicht zulässig. Der Einsatz von Ersatzspielern in einer am Samstag stattfindenden Doppelrunde – unter Beachtung von (2) – am folgenden Sonntag in
einer anderen Spielklasse ist nicht zulässig.
6. Die vorgenannten Bestimmungen finden keine Anwendung im Verhältnis zu Mannschaftspokalkämpfen oder nur speziellen
Teilgruppen(z.B. Senioren, Damen, Jugend, Schüler, Mädchen) offenstehenden Mannschaftskämpfen.
#6 Zuppi 2012-04-24 02:33
Auswüchse verhindern, wie drollig!
Das würde ja Vernunft und Einsicht bei den beteiligten Vereinen und Funktionären voraussetzen.
Es gäbe eine einfache Regelung, die sämtliche Auswüchse auf allen Ebenen sofort ins richtige Maß rücken würde, eine kompromisslose Financial Fairplay Regel:
Vereine dürfen nur noch das Geld für den Ligabetrieb ausgeben, was sie durch Sponsoring (nicht Mäzene) zweckgebunden eingenommen haben.
Da würden sich aber einige umgucken und die Bundesligavereine nicht mehr das Geld für die Fahrkarten zusammenkriegen.
Ok, sowas lässt sich niemals verordnen.
So bleibt nur eine freiwillige Selbstbeschränkung der verantwortlich handelnden Vereine. Die spielen dann zwar "nur" noch in der vierten Liga und überlassen die oberen Spielklassen dem Schwanzvergleich der "Mäzene". Aber die Mitglieder werden es danken.
#7 Thomas Richter 2012-04-24 09:13
Tja, Schwegenheim kann man als Auswuchs betrachten, aber die vorgeschlagenen Konsequenzen hätten auch diverse Nebenwirkungen: Was ist z.B. mit einem Eigengewächs an einem der vorderen Bretter das aus beruflichen oder privaten Gründen nur sporadisch spielen kann? Den Fall gibt es sicher auch mehr als einmal!?

@Bercher: Gibt es diese Regeln nicht bereits, jedenfalls die meisten?

@Zuppi: Wie würdest Du den Unterschied zwischen Sponsoren und Mäzenen definieren? Und selbst die genaue Definition von 'zweckgebunden' könnte problematisch werden. Ganz konsequent wäre die erste Mannschaft nur aus Mitgliedsbeiträgen zu finanzieren und auch freiwillige Spenden von Mitgliedern zu verbieten (denn sonst würde ein Mäzen einfach Mitglied im Verein)??!

Was ginge wäre eine Ausländerbeschränkung in den unteren Ligen - in der Bundesliga sorgen die Ausländer mit dafür dass die Liga auch international medieninteressant wird, Titelnormen möglich sind usw. . Und Nachmelden während der Saison könnte man sicher verbieten.
#8 Lather 2012-04-24 10:22
Hallo zusammen!

Ich muss an dieser Stelle mal eine Lanze für meinen Ex-Verein SC Schwegenheim brechen.
Auch wenn die Aufstellungen und deren Deutung in obigem Artikel durchaus hinterfragt werden dürfen, so bestand zu meiner aktiven Zeit dort - die nicht fern in der Vergangenheit liegt - ein sehr gutes Mannschaftsgefüge.
Sämtliche Spieler, insbesondere auch alle ausländischen Titelträger, nahmen am gemeinsamen abendlichen Essen teil. Keiner der 'Profis' war sich zu schade, seine Ideen weiterzugeben (meist auf englisch, zur Not mit 'Übersetzer'). Ebenso wurden regelmäßig Partien von Spielern der (nominell) zweiten und dritten Mannschaft analysiert, man saß gesellig beisammen bei gutem Essen im Stammlokal, das Bier wurde in Steinen (1Liter-Gläser) bestellt und herumgegeben wie der berüchtigte Stiefel unter Fussballern...
Das war eine sehr schöne, gemütliche Atmosphäre. Bei weitem nicht jeder 'reine Amateurverein' kann von sich behaupten, dass der halbe Verein nach den Spieltagen bei Schnitzel und Bier zusammenkommt!
#9 Zuppi 2012-04-25 03:08
@Thomas Richter: Was einen Sponsor von einem Mäzen unterscheidet ist eindeutig definiert:
Der Mäzen verschenkt sein Geld, der Sponsor investiert es. Sponsoring ist eine Geschäftsbeziehung und beinhaltet Leistung und Gegenleistung.
Leider gibt es in unserem Schachligabetrieb nur Mäzene. Privatleute, die ihr Geld verschenken, Idealisten, die ihre Zeit und Arbeitskraft verschenken und Klinken putzen, selbst die Spenden der omnipräsenten Sparkassen kommen nie aus dem Marketingetat, sondern dem gemeinnützigen Spendentopf.
Und bereitwillig wird das mühsam erbettelte Geld verbrannt, um der Illusion einer starken Ligamannschaft nachzujagen. Reihenweise zerbrechen Vereine daran und zahlreiche verkrachte Existenzen glauben sie wären Profis. Dagegen hilft keine Spielordnung, den Wahnsinn kann man nicht reglementieren. Man kann sich dem nur durch Vernunft entziehen.
#10 Thomas Richter 2012-04-26 09:29
@Zuppi: Ich meinte nicht die formale Definition von Sponsor vs. Mäzen, sondern wie es in der Praxis ausschaut und zu beurteilen ist. Zum Beispiel wird Baden-Baden von Grenke Leasing gesponsort, oder ist Wolfgang Grenke deren Mäzen? Das kann man doch nicht daran festmachen ob das Geld aus der Firmen- oder Privatkasse kommt, bzw. an der wohl eher symbolischen Gegenleistung (Sponsor-Logo auf der Vereinshomepage und anderswo).

Eindeutig Mäzen wäre ein anonymer Spender, oder eine reiche Privatperson die keine Firma (mehr) hat wie z.B. Joop van Oosterom. Eindeutig Sponsor wäre ein Hotel das für ein Open Spielsaal und Preisgeld spendiert, und im Gegenzug übernachten die Teilnehmer dort. Wobei: ist es noch Sponsoring wenn von vornherein klar ist dass man das investierte Geld mit Zinsen zurück bekommt? Dazwischen gibt es jedenfalls eine breite Grauzone.

"Verkrachte Existenzen" - mag sein, positiver betrachtet sind es Lebenskünstler. Mit Fussball-Elo von 2400 oder 2500 kann man übrigens bereits von seinem Sport leben bzw. sein Hobby zum Beruf machen, und das stört oder wundert niemand.

"Reihenweise zerbrechen Vereine ..." - mag auch sein, aber es gibt sicher auch Beispiele wo Vereine durch Sponsoring aufblühen, wo die erste Mannschaft in den Gesamtverein integriert ist usw. . Es ist auch Schuld des Vereins selbst wenn er zu abhängig ist von einem Geldgeber und dessen Launen und vom Erfolg seiner ersten Mannschaft.

Und es gibt ja genug Vereine die das nicht mitmachen weil sie keine Geldgeber finden bzw. diese bewusst nicht suchen. Als Spieler hat man die freie Wahl in welchen Verein man ein- und eventuell auch wieder austritt.
-1 #11 ufuk 2012-05-24 16:17
Griesheim hat die zweite Bundesliga West überzeugend gewonnen und den direkten Wiederaufstieg geschafft.


Dazu sage ich mal nichts :lol:

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