Emanuel Lasker vor Robert Hübner

Emanuel Lasker 1929 Emanuel Lasker 1929 Bundesarchiv

Ein interessantes Ergebnis brachte unsere Kurzumfrage zum „bedeutendsten deutschen Schachspieler“: 70% votierten für Emanuel Lasker, Deutschlands einzigen Weltmeister bisher (1894-1921). Weit abgeschlagen folgt mit 17% Robert Hübner, die klare Nr. 1 zwischen 1965 und 1995.

Arkadij Naiditsch, der Spieler der Neuzeit und unbestrittene aktuelle Nummer 1 des deutschen Schachs, konnte hingegen keine Stimmen für sich verbuchen.

Für mich kam das eindeutige Votum überraschend. Vielleicht liegt es an der jahrelangen Arbeit der Lasker-Gesellschaft, die den ehemaligen Weltmeister präsent hält!? Außerhalb der Schachszene ist Lasker kaum bekannt. Hier ist es Robert Hübner, der der „Bobby Fischer  - Generation“  noch ein Begriff ist. Mit seinen Erfolgen bei den Kandidatenturnieren zur Weltmeisterschaft, schaffte er es wiederholt in die Tagesschau und somit, bei damals nur drei Programmen, in das Blickfeld der Allgemeinheit.

Spürbar wurde dies bei einer Blindschach-Showveranstaltung anlässlich der 3. Schachtage Sonnenalp, als das ältere Publikum interessiert stehenblieb: „Den kenne ich noch.“…

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Robert Hübner und Dijana Dengler 

Vielleicht resultiert meine Bewunderung auch aus einem langen gemeinschaftlichen Schachweg und der Erkenntnis, dass Hübner in einer anderen Liga spielt.

Elomäßig sind wir auf einem Niveau, d. h. meine Erwartung in einer Turnierpartie liegt bei 50%. Analytisch ist er mir jedoch meilenweit voraus:

Beim Abschlussabend der Veranstaltung, kurz nach Mitternacht, galt es, Robert herauszufordern. Wir erwähnten eine Retro-Aufgabe, die zum Trainingsprogramm gehörte:

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Was passierte mit der weißen Dame?

15 Sekunden, nachdem ich ihm die Stellung durchgab, erschallte die Frage „Und was ist das Problem? Die Dame wurde auf XX geschlagen, weil …“ Und die Lösung sprudelte aus ihm heraus.

Sichtlich beeindruckt legte ich eine meiner Lieblingsaufgabe nach (ich habe diese im Artikel „König über Bord“ samt Lösung bereits im Blog veröffentlicht):

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Der weiße König fiel vom Brett. Wo gehört er hin und warum?

Nachdem die Lösung hier noch schneller als bei der Eingangsaufgabe geliefert wurde, musste der ansteigende Frustrationspegel schnell noch durch einen Absacker-Cocktail im Zaum gehalten werden. Bei aufgebautem Brett traue ich mir im Nomalfall nicht zu, die Aufgaben in weniger als 5 Minuten zu lösen (und natürlich nach oben offen)  Trotzdem, der gelungene Abschluss einer schönen Schachwoche.

Versuchen Sie es doch selbst einmal.

Veranstaltungen mit Robert Hübner: Seminarturnier Rotenburg, Schachtage Sonnenalp

Jörg Hickl

Großmeister, Schachtrainer, Schachreisen- und -seminarveranstalter.
Weitere Informationen im Trainingsbereich dieser Website
oder unter Schachreisen

Webseite: www.schachreisen.eu

Kommentare   

#1 Smitty 2013-02-14 21:06
xx = h6; 3 Min mit Diagramm.
#2 Christian Eichner 2013-02-15 13:52
xx=h6, gefühlte Zeit etwas länger als 3 Minuten.
Als Dresdner sei mir eine winzige Kritik an der "klaren Nummer 1" von Hübner gestattet. Zumindest für die Zeit bis 1971 ...
#3 Thomas Richter 2013-02-15 17:36
Dann löse ich noch die zweite Aufgabe - zugegeben ich kannte sie bereits brauchte aber zwei drei Minuten um das zu rekonstruieren (und weiss nicht ob ich sie "damals" selbständig lösen konnte). Der Reihe nach:
- Der schwarze König steht im Schach, also ist Schwarz dran.


Generell ist bei solchen Retro-Aufgaben vielleicht einschlägige Erfahrung wichtiger als Spielstärke am Brett oder allgemeines Schachverständnis? D.h. ein Spieler mit Elo 2200 _kann_ diesbezüglich besser sein als ein GM der Klasse 2700+.

Zum Artikel selbst: den hätte Jörg Hickl vielleicht vor oder zusammen mit der Umfrage schreiben sollen, dann wäre das Ergebnis womöglich anders ausgefallen? So ist es zumindest "witzig" dass vor allem der zweite Sieger gewürdigt wird.
#4 Tiger-Oli 2013-02-15 20:10
Kommt es nur auf die Lösungen an?

Vielen Dank für den schönen Artikel - mal was anderes hier und ein paar hübsche Wendungen darüber, wie GMs sich gegenseitig und die Welt sehen. Ich finde es schön, dass Robert Hübner hier mal so viel Platz bekommt!
Wen ich gewählt hätte, weiß ich nicht - aber ich glaube, so zwischen Lasker und Hübner hätte ich meine Punkte aufgeteilt. Sie waren ja am nähesten dran an der allgemeinen Weltspitze.
#5 Schachorganisator 2013-02-16 08:05
Klasse Artikel!
Sicher haben alle der aufgeführten Spieler es verdient, hier genannt zu werden.
Allerdings war von den Genannten nur einer wirklich dran an der Weltspitze, nämlich der Weltmeister Emanuel Lasker!
#6 Jörg Hickl 2013-02-16 16:30
Es war keineswegs mein Ziel, Lasker zu ehren. Ich kann seine Spielstärke nicht beurteilen oder mit der heutigen Zeit vergleichen. Spitzenschach zu Beginn des 20. Jahrhunderts basierte sicher auf anderen Grundlagen betreffend Leistungsdichte und Spielmöglichkeiten.

Hübners Fähigkeiten hingegen habe ich vielfach direkt zu spüren bekommen.
Zudem finde ich es großartig, dass das deutsche Schach noch immer eine solche Persönlichkeit aufweist in Zeiten, in denen anscheinend nur noch nach Elo bemessen wird.

@Thomas Richter:
Das Posten von Lösungen direkt unter einer Aufgabe nimmt vielen Lesern die Motivation am Lösen und den Spaß.
#7 Gerhard 2013-02-17 14:36
Schön, einen Artikel extra zu Dr. Hübner!
Elozahlen sagen vermutlich recht wenig über die Einsichten und das Spielverständnis eines Meisters.
Hübner war zeitlebens für mich schachliches Vorbild. Man könnte ihn als Keres des deutschen Schachs bezeichnen - ein ganz Grosser.
Mich freut jedenfalls, daß er von seiner Spieleinsicht noch nichts eingebüßt hat. Und daß er Mitgroßmeister noch manches zeigen kann, ist auch nicht verblüffend.
Ich denke in diesem Zusammenhang, daß etwa Karpov, um einen Vergleich zu ziehen, einem jeden Großmeister auf der Welt, wenn es zur Analyse käme, einiges zeigen könnte.
Ich durfte ja in einigen wenigen Fällen Topleuten wie etwa Korchnoi bei der Analyse zusehen - mann waren das Höhepunkte!!!

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