September 2011
Ganz ohne ELO-Lizenz beim Simultanspiel in Berlin, 1929: José Raoul Capablanca
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Die FIDE bemüht sich schon seit Jahren erfolgreich um ein schlechtes Image. Einer ihrer Repräsentanten prügelte sich auf einem olympischen Turnier, und die Regeln für die WM-Kandidatenkämpfe werden oft sehr spontan geändert. Mittlerweile verliert man seine Partien, wenn man nicht rechtzeitig auf die Sekunde zum Spiel erscheint, und der Vorsitzende sitzt beim Schach mit Außerirdischen zusammen (oder so).

Auch jetzt ist der großen Mutter FIDE wieder ein Coup gelungen, der hohe Wellen schlägt in der Schachgemeinde. Der holländische Schachverband fühlt sich hintergangen und hat sogar schon einen lesenswerten offenen Brief mit vielen Details geschrieben, um scharf zu protestieren (Danke, Jörg, für den Link!).

Worum geht es? Wie Kevin Spraggett in seinem Blog berichtet, plant die FIDE eine strenge Gebührenordnung, die für die Inhaber von ELO-Zahlen eine jährliche Zahlung von 30€ vorsieht – wahrscheinlich für das Verwalten der Zahlen und das Auswerten der Turniere. Eine lebenslange Lizenz würde 500,-€ kosten, für den allerersten Eintrag in die ELO-Listen soll dagegen eine Art Lizenzgebühr von 10,-€ fällig werden.
Veranstalter, die Spieler ohne eine solche ELO-Lizenz antreten lassen, würden dafür von der FIDE geächtet werden und müssten 50,-€ Ablass zahlen - für jeden einzelnen Spieler.

Man tut der FIDE vermutlich Unrecht, wenn man meint, sie würde das alles nur tun, um Geld in ihre Kassen zu spülen. Obwohl: was spricht schon dagegen? Irgendwie muss jeder ja sehen, wo er bleibt – auch die FIDE.

Wir verstehen das und sind darum sehr angetan von dem Vorschlag. Auch wollen wir der FIDE gerne helfen, weiteres Geld in ihre Kassen zu füllen. 

Wir regen daher die folgenden drei Dinge an - alles für die große Sache!

1) Schon Weltmeister und Wunderkind Capablanca wusste, dass das Schachspiel vom Remistod bedroht ist. Wir alle sollten aber ein Interesse daran haben, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. FIDE, wie wäre es daher mit einer kleinen Gebühr für Remisangebote? Wenn jedes Remisangebot die Spieler 2,-€ kostet, wäre diese Gefahr schnell gebannt. Geht die Partie am Ende tatsächlich unentschieden aus, könnten 3,50€ fällig werden – und sogar 4,10 €, wenn das schon vor dem 12.Zug passiert. Die Zuschauer würden spannende Kämpfe sehen, das Fernsehen käme endlich vorbei, alles wäre gut. Das sollte es uns wert sein.

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Hier ist Remis extrem unwahrscheinlich - Schachspieler im Budapester Széchenyi-Bad (Quelle: Wikicommons)

2) Langweilige Eröffnungen könnten schon bald der Vergangenheit angehören, wenn eine geschickte Gebührenordnung endlich  die richtigen Signale senden würde. "Globalsteuerung" hieß so etwas glaube ich in den Sechziger und Siebziger Jahren bei Helmut Schmidt. FIDE, was spricht zum Beispiel dagegen, den Gebrauch der Englischen Eröffnung 1.c2-c4 mit einer Sonderabgabe zu belegen? Die Welt würde ein wenig besser werden, und es bleiben ja immer noch genügend andere erste Züge übrig, die man kostenfrei spielen könnte. Auch andere eher langweilige Eröffnungen könnte die FIDE durch eine leichte Aufpreis verteuern und dadurch unattraktiver machen:

- The Berlin Wall in der Spanischen Eröffnung – niemand würde dieses Abspiel ernsthaft vermissen, oder? (Bei diesem Vorschlag könnte die FIDE auch auf die Unterstützung von Garri Kasparow hoffen, der gegen die Berliner Verteidigung und Wladimir Kramnik einst seinen Weltmeistertitel verlor.)

- Französisch Abtausch – jedesmal 3,-€, wenn 3.e4xd5 gespielt wird

- Slawisch – das ist zwar nicht wirklich langweilig, aber irgendwie schwer zu verstehen. Ich wäre dafür, dass diese Eröffnung weniger gespielt wird. Über den Preis kann man das sicher erreichen – fünf Euro für jedes Mal 2….. c7-c6 sprechen eine deutliche Sprache


3) Besonders lange Partien, sogenannte Seeschlangen, nehmen viel Speicherplatz in Anspruch, wenn man sie in die Datenbanken einpflegt. Auch braucht es länger, bis alle Züge erfasst sind – die Schiedsrichter, die in Dortmund die Partie Meier - Nakamura (150 Züge!) eingaben, können ein Lied davon singen. (Oft kann man noch nicht mal genau erkennen, was mit der Notation überhaupt gemeint gewesen sein soll - manche Spieler kritzeln einfach nur irgendetwas hin, damit die Zeile gefüllt wird). Damit könnte schnell Schluss sein – denn vieles spricht dafür, Partien von über 80 Zügen Länge mit einem gediegenen XXL-Aufschlag von 5,-€ zu belegen. Wer mehr spielt, soll schließlich auch mehr zahlen. Nach 80 Zügen werden die meisten Zuschauer sowieso schon nach Hause gegangen sein – da kann man mit dem Spielen eigentlich auch gleich aufhören. Oder aber – man zahlt 5,-€ extra. XXL eben.

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Die "Große Seeschlange" nach Hans Egede und Georg Meier (Illustration von 1734) (Quelle: Wikicommons)


Der Einzug all dieser Gebühren könnte sicher unkompliziert per Bankeinzug nach Kalmückien geregelt werden. Alternativ werden die Turnier-Schiedsrichter vor Ort sicher gerne behilflich sein bei der Abrechnung der einzelnen Partien. Wechselgeld ist mitzubringen.

Man sieht: unser Sport ist noch lange nicht am Ende. Es gibt immer wieder neue Möglichkeiten, und wir sollten uns freuen, das die FIDE zumindest das erkannt hat.

Oder ist das neue Gebührenprojekt gar nicht so unberechtigt? Auch bislang schon mussten die Spieler zahlen, wenn der Weltverband ihnen den Titel eines Großmeisters, Internationalen Meisters oder FIDE-Meisters verliehen hat. Billig war auch das nicht, doch es wurde akzeptiert.
Auch die Auswertungen für die Deutsche Wertungszahl sind für uns Spieler vollkommen kostenlos, obwohl für die ehrenamtlichen Helfer des Deutschen Schachbundes eine gewaltige Menge an Arbeit und Verwaltung dahintersteckt. Wäre es angemessen, hier eine Art Gebühr zu verlangen?

Wir sind also schon wieder bei der alten Frage: was ist uns unser Sport wert?!

Ob das neue, innovative, begrüßenswerte, lang ersehnte und irgendwie schöne ELO-Gebührenprojekt wirklich Wirklichkeit wird, wird sich zeigen. Im Oktober hält die FIDE in Krakau Hof – wir sind schon jetzt gespannt, wie die nationalen Schachverbände sich zu dem Vorschlag äußern werden.

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Ein Rätsel zum Schluss: Sergej Karjakin spielte beim Weltcup von Khanty Mansiysk die Berliner Verteidigung im Spanier – zum Glück für ihn war das für ihn noch kostenlos, denn die Gebühr für langweilige Eröffnungen muss erst noch beschlossen werden.

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Judit Polgár als Weiße am Zug hatte aber auch so schon eine schöne Idee, um etwas Leben in die Bude zu bringen. Was war ihr 20.Zug, mit dem sie in großen Vorteil kam?

Kindergärtnerin mit Schützlingen
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Jahrelang musste ich mir anhören: "Ja aber, das mit den Sponsoren - das haben wir doch schon so oft versucht, das hat doch noch nie funktioniert". Was beim Deutschen Schachbund so ganz genau "nicht funktioniert" hat, das waren etwa nicht die Sponsoren oder das Sponsoring im Schach unmöglich ist, sondern die Art und Weise wie man das Projekt anging. Vor allem muss man mal eins verstanden haben, bevor man anfängt: Man muss dem Sponsor auch was bieten können. sfk-sw4

Selbst Robert K. von Weizsäcker, der zumindest als selbständig nachdenkender Mensch gilt, bilanzierte nach seiner Amtszeit, er habe ja alles versucht und mit vielen potentiellen Geldgebern gesprochen. Aber um mit Schach zu werben, dafür brauche es den Deutschen Schachbund ja nicht. Das ist nur bedingt richtig, denn der Schachbund leistet ja eine ganze Menge. Die Frage ist nur: Wie vermittle ich das?

Zunächst mache ich mich mal nicht ganz so klein und schreibe auf, was ich alles leisten kann. Dann knüpfe ich Kontakte zu Leuten die wissen, worüber sie reden oder zumindest als solche gelten und lasse mir das von außen bewerten. Damit gehe ich dann zu Steinbrück oder wer sich sonst noch für prominent politisch hält und lasse ihn das unterzeichnen (wieso war eigentlich nie jemand bei Helmut, wenn er mit Loki spielte?).

Solchermaßen bewaffnet suche ich mir ein allgemein positiv besetztes Thema (Kinderförderung geht immer), verknüpfe es mit einem mir nützlichen und schachlichen Aspekt und werbe für die Umsetzung bei Geldgebern, die sich mit dem Projekt (nicht unbedingt mit dem Spiel selbst) identifizieren können und damit ihren Bekanntheitsgrad erhöhen. Damit wiederum erzeuge ich eine ordentliche Pressearbeit und mache weiter Geldgeber auf mich aufmerksam. Und vor allem lasse ich diejenigen in ihren Ämtern, die sich solch eine Mammutaufgabe noch freiwillig aufbürden wollen, einfach mal in Ruhe arbeiten und versuche nicht ständig aus Eitelkeit meinen eigenen Stempel aufzudrücken. 

sfk-sw1Projektname: "Schach für Kids". Projektstarter: Ralf Schreiber, der vorige Referent für Breitenschach. Begonnen im Kreis Hattingen, ausgeweitet auf den ganzen Ennepe-Ruhr-Kreis in 157 Kindergärten und demnächst in vierstelliger Anzahl in Kindertagesstätten (gleich zehntausende Kinder) präsent. Die Initiative wird in drei namhaften Städten stadtweit umgesetzt - die Namen der drei Städte werden erst nach gemeinsamer Pressemitteilung mit dem Hauptsponsor bekannt gegeben. Was sich zunächst wie Beschäftigungstherapie für Schachlehrer mit Geduld und Zeit liest, ist beim zweiten Hinsehen eine erfolgreiche Initiative nach genau oben beschriebenem Muster. "Tue gutes und rede darüber" muss entsprechend vorbereitet sein, damit es Erfolg hat. SFK, wie sich die Methode abkürzt, war nun beim Weltkindertag im Landtag Nordrhein-Westfalens. Kein weltumfassender Schritt, aber einer der vielen kleinen kontinuierlicher Arbeit, die letztendlich eine Reihe von Unterstützern fand. Und es geht ja noch weiter.

Aber womit sollte der Deutsche Schachbund die Wünsche potentieller Sponsoren umsetzen? Wäre denn überhaupt ein Back-Office da, das sich um die Durchsetzung der getroffenen Vereinbarungen kümmert? Wäre der DSB seinen Mitgliedern, den Mitgliedsverbänden gegenüber überhaupt weisungsbefugt? Die Antwortenn lauten: Keine Ahnung, Nein und Sehr bedingt. Und sie kommen übrigens nicht von mir. Verwundert da die Aussage des Ex-Präsidenten?

http://www.schach-fuer-kids.de/ 

Nominierungsroulette zur EM - Der Fall Khenkin
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Gerade ein paar Tage ist es her, dass wir vom Comeback der alten Nationalmannschaft und der Hoffnung auf ein Ende der Querelen berichteten und schon verdunkelt sich der Himmel erneut. Betroffen ist diesmal der etwas undankbare fünfte Platz. Die Nominierung Rainer Buhmanns, mit Elo 2606 die Nr. 8 der deutschen Rangliste, löste bei vielen Lesern Verwunderung aus. Rangierte doch unter Anderem der amtierende Deutsche Meister, Igor Khenkin, deutlich vor ihm.

Darüber ob Ballack oder Lahm der bessere Fußballspieler ist, lässt sich trefflich streiten, im Schach hingegen gibt es eine klare Leistungseinschätzung über die Elozahl. Nur selten basieren Mannschaftsaufstellungen auf anderen Kriterien. Warum wich der Bundestrainer von dieser klaren Vorgehensweise ab? Wir machten uns auf die Suche und trafen dabei auf ratlose und enttäuschte Spieler:

Deutschlands Nummer 5 (Elo 2628), Alexander Graf:

Es ist schon 4 Jahre her, dass ich aus dem Team gestrichen wurde. Der Grund wurde mir nicht mitgeteilt. Wegen des Alters vermute ich. Seitdem hatte ich keinen Kontakt mit dem DSB.“

 

seminar-Banner-anz300Igor Khenkins Ratlosigkeit

Damit ist für Graf das Thema Nationalmannschaft wohl passé. Nicht jedoch für den amtierenden Deutschen Meister, Igor Khenkin (2624). Von ihm erreichte uns folgende Stellungnahme:

 

"Letztlich ist Uwe Bönsch natürlich der Bundestrainer und hat das Recht und die Pflicht die Mannschaftsmeldung für die EM zu machen. Aber wie Viele, frage ich mich natürlich auch, nach welchen Kriterien denn die Mannschaft aufgestellt wird ? Die ersten Vier werden wohl nach ELO-Zahl aufgestellt, der fünfte Teilnehmer aber nicht. Sowohl Alexander Graf wie auch ich haben doch eine erheblich bessere Zahl. Nicht einmal der Deutsche Meistertitel war hier ausschlaggebend, auch danach habe ich weiter sehr erfolgreich gespielt und meine ELO-Zahl weiter verbessert. Aktuell habe ich die gleiche ELO-Zahl wie Jan Gustafsson (ELO 2631).

Letztlich mag es noch neben der ELO-Zahl andere Kriterien geben, warum aber nur für den fünften und nicht für alle. Welche Kriterien sind es denn überhaupt?

Hierzu schrieb mir Uwe Bönsch nichtssagend:

"Heute wurden die Mannschaften für die Europameisterschaft nominiert. Leider muss ich dir mitteilen, dass du in der aktuellen Aufstellung nicht berücksichtigt wurdest. Verschiedene Faktoren haben bei der Wahl der Spieler eine Rolle gespielt. Am Ende fiel die Entscheidung jedoch auf Grund des Gesamtpakets."

Welche Faktoren, was für ein Gesamtpaket? - das sind leere Worthülsen. Da ich nicht weiß, warum man mich nicht berücksichtigt, fühle ich mich schlecht behandelt und bin sehr enttäuscht. Es ist eben besonders schmerzhaft, wenn man durch so einen Willkürakt - der nicht sinnvoll begründet wird – daran gehindert wird für sein Land zu spielen. Daher appelliere ich noch einmal an Uwe Bönsch und die Verantwortlichen vom DSB, mir doch irgendwie objektive Gründe für meine Nichtberücksichtigung mitzuteilen."

Igor Khenkin

Nun stellt sich die Frage, ob persönliche oder triftige interne Gründe für die Entscheidung vorliegen. Doch auch dann sollten diese zumindest den Betroffenen, unter Umständen auch der Öffentlichkeit, mitgeteilt werden und natürlich nicht in Form einer unpersönlichen e-Mail.

Khenkins Weg über unseren Blog wirkt wie das letzte Mittel und offenbart, dass die interne Kommunikation nicht funktioniert. Bei unbeteiligten Beobachtern kann schnell der Eindruck entstehen, es gäbe kein Miteinander und Funktionäre die selbstherrlich die Ohnmacht der einzelnen Spieler ausnutzen.

bannersr400anzVon einem der bestbezahlten Funktionäre des deutschen Schachs erwarte ich eine deutlich andere und intensivere Art der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Die Hauptaufgabe eines Bundestrainers liegt dabei in der Führung einer Nationalmannschaft, ihr sich gegebenenfalls unterzuordnen, eben alles für guten Teamgeist und bestmögliches Abschneiden zu tun. Schachliche Unterstützung hingegen kann er auf diesem Niveau kaum noch bieten, aber das muss er auch nicht.

Solange sich Erfolge einstellen, kann man über vieles hinwegsehen. Allerdings fällt mir auf Anhieb keine Veranstaltung innerhalb der letzten 10 Jahre ein, in der eine deutsche Mannschaft über den Setzlistenplatz hinauskam.

Es liegt vieles im Argen!

 

Trapp, trapp, trapp, die Bauern kommen
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Es muss ja immer weitergehen, auch in der Welt des Schachs. Das dachten sich auch einige Spieler des SK Wildeshausen und brachten mit Quickstep eine spannende Neuerung im Bereich der Turnierformate auf den Markt.

Das Quickstep-Schachturnier!

Der Quickstep ist nicht nur ein flotter Tanz, sondern auch eine neue Turnierform, die hier im Nordwesten des Landes für eine gewisse Furore sorgt. Manche mögen schon davon gehört haben. Es ist in der Tat eine plietsche Idee, und ich glaube, es waren Christian Bien, Dirk Rütemann und einige andere Spieler aus dem Schachklub Wildeshausen, die sie als Erste in eine tolle neue Turnierform gegossen haben:

http://www.quickstep-chess.de/start.php3

Beim Quickstep spielt man drei etwas flottere Turnierpartien an einem Tag, und jede dieser Partien dauert nicht länger als 3 Stunden. Für jede Partie hat man 1 Stunde Bedenkzeit, um die ersten 30 Züge gepflegt über die Bühne zu bekommen, und den Rest muss man dann in weiteren 30 Minuten absolvieren. Weil man gleich drei solcher Partien an einem Tag spielt, ist eine gewisse zeitliche Anspannung ein ständiger Begleiter. Wir erleben einen weiteren strengen Schritt in Richtung Beschleunigung des Schachlebens. So weit, so gut, gerade auch für den modernen „Wenigzeitinhaber“ (Turnierhomepage).

Quickstep-Turniere sind aber weit mehr als nur eine weitere Umformung und Verkürzung der Bedenkzeit. Raffiniert werden diese Ein-Tages-Turniere vor allem auch durch die Art der Auslosung. Man meldet sich zum Turnier und gibt seine Wertungszahl an. Das kennt man auch von anderen Turnieren, doch hier – Überraschung! – ist es erlaubt, die eigene Zahl um bis zu 100 Punkten nach oben oder unten zu verändern.
Zu Beginn des Turniers wird dann aus den Wertungszahlen dann die Rangliste der Teilnehmer aufgestellt – auch so etwas kennen wir schon von anderen Turnieren. Nun aber wird aus den ersten vier Spielern der Liste eine Gruppe gebildet – und nur diese vier spielen nun ein Art Mini-Rundenturnier. Dasselbe geschieht mit den Spielern mit der Ranglistennummer 5 – 8 – auch hier entsteht eine Gruppe, die ein charmantes kleines Rundenturnier austrägt. Und so geht es weiter mit allen Spielern des Teilnehmerfeldes.

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Seit jeher auch bei Großmeistern sehr beliebt - das Rundenturnier (Quelle: Wikicommons)

Der Charme dieser Turnierform besteht darin, dass alle Teilnehmer an nur einem Tag drei Gegner bekommen, die ungefähr eine ähnliche Wertungszahl haben wie sie selbst. Die Gewinner jeder Gruppe bekommen einen Preis – ungefähr 75% des Startgeldes, das in ihrer Vierer-Gruppe bezahlt worden ist. Man wird also nicht wirklich reich beim Quickstep – aber hat drei starke Gegner, und das ist prima.

Anders als beim Schweizer System fällt man hier durch eine Niederlage nicht dramatisch zurück und trifft auf einen Gegner mit einer deutlich niedrigeren Wertungszahl (oder nach einem Gewinn auf einen Großmeister). Stattdessen spielt man sein kleines Rundenturnier und hat drei relativ gleich starke Gegner an einem Tag. Es kann sogar sein, dass man alle drei Partien an einem Tag verliert. Schön ist das dann nicht, aber – beim Quickstep ist das Turnier dann ja auch schon wieder vorbei, und man kann nach Hause fahren und seine Wunden lecken.

  Die Beschleunigung des Schachs setzt sich also fort - im Nordwesten des Landes geht der Trend (auch bei Jugendturnieren) zum Quickstep. Eine erstaunliche Bewegung, und eine spannende, unkomplizierte Ergänzung im Turnierkalender.
Auch wenn mir die knappe Bedenkzeit noch einige Sorgen macht – ich bin mal gespannt, wie mein erstes Quickstep-Turnier am Wochenende laufen wird. Wenn Turnierschach wirklich das beste Training ist, hilft mir vielleicht ein Tag in Wildeshausen.

Ein Problem allerdings bleibt - weil man drei Partien spielt, geht es schon um 9 Uhr morgens los. Ja, das ist früh, aber in solchen Fällen orientiert man sich dann gerne an einer alten Regel, die da lautet:  

Kaffee ist der beste Freund des Schachspielers

Nun gut, das stimmt natürlich nur bedingt. Der beste Freund des Schachspielers ist immer noch der volle Punkt, ist die Gewinnpartie, das Matt am Ende eines Mannschaftskampfes! Nichts anderes ist es, wonach uns dürstet. Kaffee allerdings, und hier stimmen wir den Spökenkiekern zu, Kaffee hilft uns dabei, die milde Irritation über einen viel zu früh begonnenen Sonntagmorgen beim Schach zu überstehen und langsam durch die Zugabe von reichlich Milch und etwas Zucker wieder in die Gänge zu kommen.
Ohne Kaffee ist alles nichts? Wir sagen es nicht gern, aber – so ist es. (Manche versuchten es schon mit Apfelsaft, aber die spielten dann auch 1.c2-c4.)

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Sieht doch nett aus, so eine kleine Tasse Kaffee (Photo: Julius Schorzman, Wikicommons)
Die Zeiten ändern sich

Warum aber überhaupt spielt man gleich drei Turnierpartien an einem einzigen Tag? Auf so eine Idee wäre früher niemand gekommen, doch früher war ja auch alles anders. Das Leben ist allgemein schneller geworden, und nicht immer bleibt viel Zeit für wirklich genussvolle, richtig lange Turnierpartien. Ulrich Schnabel hat in seinem Buch „Muße – vom Glück des Nichtstuns“ sehr schön beschrieben, wie das moderne Leben den Menschen durch einen intensiven Alltag treibt – wenn man nicht aufpasst, lauern überall Termine, Ansprüche, Handyklingeln, der Abwasch und eine diffuse Forderung nach ständiger Erreichbarkeit.

Das Tempo hat sich erhöht, und das Schachspiel als Abbild der modernen Gesellschaft ist diesem Trend gefolgt:

- Noch im Jahre 1834 lief der Wettkampf zwischen dem Franzosen La Bourdonnais und dem irischen Meister MacDonnell über 85 (in Worten, und bitte nicht erschrecken: fünfundachtzig) Partien. Das Match wurde von La Bourdonnais mit 45:27 gewonnen (bei 13 Remisen). Deutlich schneller ging es bereits in späteren Jahrzehnten zu. Dort endeten die Wettkämpfe zwischen Lasker und Tarrasch 1908 und zwischen Lasker und Schlechter 1910 schon nach knapp bemessenen 16 bzw.10 Partien.

- Anfang des 19.Jahrhunderts gab es auf Schachturnieren keine Uhren, und die Spieler konnten überlegen, bis der Arzt oder die Reinigungskräfte kamen. Martin Beheim-Schwarzbach beschreibt in Knaurs Schachbuch die Szenerie beim Wettkampf zwischen La Bourdonnais und MacDonnell:

Es kam vor, dass MacDonnell anderthalb Stunden und sogar noch mehr über einen einzigen Zug nachdachte. Er saß immer mit den Beinen auf der einen Seite des Stuhls und war so völlig in das Spiel vertieft, als ob das Schicksal seiner Seele davon abhinge [womit er ja vielleicht auch ganz richtig lag, O.St.].
[…] Manchmal verlor La Bourdonnais über die endlosen Grübeleien seines Gegners die Geduld und bezeugte sein Mißfallen durch allerhand sehr deutliche Gebärden, die sich in extremen Fällen bis zu offenem Schelten steigerten. Da weder La Bourdonnais ein Wort Englisch noch MacDonnell ein Wort Französisch sprach, hatten die beiden keinerlei Gespräch miteinander.
Das Wörtchen „Schach!“ war so ziemlich die einzige Silbe, die je zwischen ihnen gewechselt wurde.“

Was soll man dazu sagen? Gens una sumus!

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Louis de la Bourdonnais, heimlicher Weltmeister 1834 (Quelle: Wikicommons)

Man merkt, dass sich die Atmosphäre bei Schachwettbewerben mittlerweile doch um Einiges geändert hat:

Wie Mr Walker, der Gefährte MacDonnells, beschreibt, pflegte La Bourdonnais, wenn er nicht am Zuge war, und zumal, wenn er auf Gewinn stand, viel zu reden und zu lachen, während er laut saftige Flüche von sich gab, wenn es nicht nach seinem Geschmack ging. Ein anderer Beobachter schilderte, wie der Franzose sich ergiebig mit den Zuschauern meistens über Politik unterhielt und meist noch seine Züge machte, noch während er redete.
Gelegentlich flossen auch Witze und Schnurren wie eine Flut von seinen Lippen; die Meinungen gehen darüber auseinander, ob er es auch mit Gesang versuchte.

[…] MacDonnell selber scheint die Ergüsse seines Gegners mit einer Art grimmiger Resignation ertragen zu haben, war doch dieser Mann, so anstößig er sich auch benahm, der einzige auf der Welt, gegen den es sich lohnte zu spielen.“ (wenn das mal kein schönes Kompliment ist!) -

Irgendwann aber führte ein schlauer Kopf die Schachuhr ein, die Partien wurden kürzer und vorbei war es mit dem Nickerchen während des Spiels und dem zwanglosen Gespräch mit schönen Zuschauerinnen.

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Die Schachuhr, Quelle manchen Leidens (Quelle: bragcat/ wikicommons)

- Der Trend zur allgemeinen Verkürzung setzte sich fort: in den 1960er Jahren wurde das Fünf-Minuten-Blitzschach immer populärer, und man begann sogar damit, Deutsche Meisterschaften in dieser neuen, aber etwas hektischen Disziplin durchzuführen. Wie Bernd Feustel in seinem Blitzschachbrevier berichtet, hieß der erste Deutsche Meister im Jahr 1974 Karl-Heinz Podzielny - wer auch sonst hätte es sein sollen!?

- Auch danach sah man Beschleunigung allenthalben. So wurde die Schach-Weltmeisterschaft 1984 zwischen Kasparov und Karpov noch als lustige Open-End-WM ausgetragen, da die FIDE bei einer größeren Anzahl von Partien mehr Werbeblöcke an das amerikanische Fernsehen zu verkaufen hoffte. Weil diese Rechnung irgendwie nicht ganz aufging, wurde der Wettkampf nach 48 Partien beim Stand von 5:3 für Karpov abgebrochen. Schon die WM 1985 verlief beschleunigt und war nur noch auf äußerst knappe 24 Partien angesetzt.

- Die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts – wer erinnert sich noch? Man spielte Turnierpartien mit 50 Zügen in 2,5 Stunden, dann folgte eine halbstündige Analysepause. Im Anschluss spielte man eine weitere Stunde für je zwanzig Züge, und dann – nochmal 20 Züge in je einer Stunde. (Oder täusche ich mich? Neun Stunden Spielzeit für eine Partie, plus An-und Abreise – waren wir damals wirklich so hart? Wow.)
Heute dagegen hat man zum Beispiel in der Zweiten Bundesliga nur noch 150 Minuten für 60 Züge (90 Minuten für 40 Züge, 30 Minuten für 20 Züge, und pro Zug einen Aufschlag von 30 Sekunden). Ruckeldiekatz, das ist Beschleunigung pur.

- Um 1990 herum: die FIDE greift durch und schafft die Hängepartien ab, um das Spiel zu beschleunigen. Für unsere jüngeren Leser: bis dahin wurden die Partien nach dem 50.Zug unterbrochen und erst nach einer halbstündigen ---> Kaffeepause weitergespielt. Doch das war nun vorbei! Seitdem hatte man keine Möglichkeit mehr, Partien in einer oft sehr aufgeregten Analyse mit den anderen Spielern seiner Mannschaft zu analysieren, um die eigenen mauen Endspielkenntnisse zu kaschieren.

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Wir sehen – alles wurde immer schneller, und alles wurde auch immer eiliger, seit La Bourdonnais damals seinen Wettkampf gewann. Noch immer scheinen wir nicht am Ende dieser Entwicklung zu stehen. Irgendwie war die Zeit wohl schon wieder reif für eine weitere kleine Beschleunigung – und schon ersann die Evolution gemeinsam mit dem SK Wildeshausen das Quickstep-Turnier als gute Gelegenheit, an nur einem Tag eine ganze Reihe längerer Partien zu spielen. Der Erfolg dieses Turnierserie gibt der Idee Recht.

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Zum Schluss eine Verbeugung vor den alten Meistern und vor den Turnierpartien ohne den ganzen Bedenkzeitstress:

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MacDonnell - La Bourdonnais, 1834

In dieser umkämpften Stellung ließ der Franzose mit  ...

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einen weiteren Bauern in Richtung Grundreihe eilen. MacDonnell wird hier vielleicht wieder zwei Stunden überlegt haben, bevor er sich schließlich zu

36.Dc5-c3

entschied und drohte, mit 37.Tf1xe1 den schwarze Zauber erfolgreich zu beenden. Doch es sollte nichts mehr nützen - wie sicherte sich La Bourdonnais nun mit einiger Eleganz den vollen Punkt?

Iwantschuk studiert die Stellung
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19. September 2011

21 Jahre später

Iwantschuk ist schon soooo lange Weltklasse. Aber wenn es um viel geht, spielen ihm die Nerven oft böse mit. Richtig weit im Kampf um den WM-Titel hat er es nie gebracht. Fast nie. 2002 verlor er das Finale der FIDE-WM gegen den damals gerade 18jährigen Ponomarjow. Aber eine richtige WM war das ohne Kasparow und Kramnik eh nicht. Nun hat er, wieder gegen Ponomarjow, ein wichtiges Match gewonnen, das um Platz drei des Weltcups, der gerade noch zur Teilnahme am nächsten, bereits 2012 geplanten Kandidatenturnier berechtigt. 21 Jahre nach seinem Ausscheiden im Stechen des Kandidatenviertelfinals gegen Jussupow (der dabei die wahrscheinlich bisher beste Schnellpartie aller Zeiten spielte) ist Tschuki wieder WM-Kandidat. Um seine besten 21 Jahre älter. Aber im nächsten Kandidatenturnier gerade so alt wie Gelfand, als der es zum WM-Herausforderer gebracht hat.
 
An Swidlers verdientem Weltcupsieg gibt es nichts zu rütteln. Er hat reichlich mit Schwarz gewonnen, in Chanti-Mansisk auch einiges Material geopfert und seine gute Form, in der er vorigen Monat Russischer Meister wurde, bestätigt. Dass Swidler gut Freund mit zwei anderen Kandidaten, Kramnik und Grischtschuk ist, kann man ihm nicht vorwerfen, steht aber einer Reform zu einem Rundenturnier im Weg. Bleibt der FIDE also nur, die Kandidatenmatche zu verlängern, wenn es nicht wieder wie in Kasan laufen soll. Noch ein Wörtchen zu Grischtschuk. Als er in Kasan im Kandidatenturnier Zweiter wurde,verlor er Elopunkte, ich glaube drei. In Chanti-Mansisk nun schon wieder, diesmal acht. Aber dank Schnellschach hat er beide Male reichlich Preisgeld gesammelt. Sorry, dass ich seinen Zweitberuf Pokern erwähne. Auch da kommt es darauf an, aus den wenigen guten Blättern möglichst viel zu machen. Ich fände lieber sein Schach beeindruckend.
Endlich wieder Nationalmannschaft
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Es scheint wieder alles im Lot - Deutschland wird bei der Anfang November im griechischen Porto Carras stattfindenden Mannschaftseuropameisterschaft endlich wieder mit der nahezu stärksten Mannschaft antreten! Gestern nominierte Bundestrainer Uwe Bönsch die TOP 4 der Rangliste sowie Rainer Buhmann (Nr. 8):

GM Arkadij Naiditsch 2707
GM Daniel Fridman 2652
GM Georg Meier 2648
GM Jan Gustafsson 2631
GM Rainer Buhmann 2606

Dazu DSB-Präsident Herbert Bastian.

"Das Präsidium des Deutschen Schachbundes ist sehr erleichtert darüber, dass es dank der guten Vorarbeit der Kommission Leistungssport unter der Führung von Klaus Deventer gelungen ist, wieder unsere stärksten Spieler für die Nationalmannschaft zu berufen. Damit wird ein Schlussstrich unter die Querelen der Vergangenheit gezogen und der Blick gemeinsam nach vorne gerichtet"...

...Und an unsere Mitglieder in den Vereinen ist die Erwartung gerichtet, dass sie unsere Nationalspieler moralisch unterstützen, wenn diese auf der Europameisterschaft nicht zuletzt um die Wiederherstellung des guten Ansehens der Schachnation Deutschland spielen werden.

Money makes the world go round

Die finanzielle Situation konnte mithilfe eines neuen Sponsors für beide Seiten zufriedenstellend geklärt werden. Mit einer anderen Kernforderung, der Absetzung Uwe Bönschs, setzte sich das Team jedoch nicht durch.

Allerdings scheint mit dieser Konstellation neues Ungemach vorprogrammiert. Nach der über Monate heftig geführten Auseinandersetzung wird es mehr als schwierig sein, ein harmonisches Klima zwischen Mannschaft und Teamkapitän/Delegationsleiter Bönsch herzustellen.

KSWS - Krennwurzn sucht weltgrößten Schachserver
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Und zwar rechtzeitig zum 10. Geburtstag des „Fritzservers“ am 14.September! – Glückwünsche nach Hamburg. Erstaunlich ist, dass viele Betreiber das Prädikat „weltgrößter“ oder etwas Vergleichbares für sich in Anspruch nehmen, aber nach welchen Kriterien das bewertet wird und warum es so viele „weltgrößte“ Schachserver gibt, bleibt im Dunkeln. Oder ist alles nur Marketing und wenn ja, wie sieht es mit der Prospektwahrheit aus, die uns Konsumenten vor allzu optimistischen Produktbeschreibungen schützen sollte?

Aber was soll’s – starten wir einen - wie bei KSWS & Co üblich - einen sehr, sehr oberflächlichen und showhaften Blick auf die Kandidaten:

Schach.de – www.schach.de

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Natürlich ist das Geburtstagskind nach Eigenangabe der „weltweit größte Schachserver“

Folgende Daten konnten aus Betreiberangaben bzw. Veröffentlichungen recheriert werden:

Registrierungen:       200.000         (Mehrfachregistierungen  waren möglich)

Spieler pro Tag:         20.000

Partien pro Tag:       200.000

Schacharena - www.schacharena.de

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Sonst keine leicht auffindbaren Informationen zu Registrierungen, Partien pro Tag, etc.

ICC – www.chessclub.com

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Überraschenderweise ist keine direkte Aussage zu finden, dass es sich um den weltgrößte Schachserver handelt, aber man hat mehr Mitglieder, mehr Großmeister, etc als alle anderen.

Registrierungen:       200.000         verkaufte Mitgliedschaften

Partien pro Tag:       100.000

FICS - www.freechess.org

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Je nach Sichtweise die Fortführung bzw. Abspaltung von ICC als dieser Service kostenpflichtig wurde – ebenfalls – vielleicht wegen der strengen US-amerikanischen Bestimmungen nicht ganz der „weltgrößte“ Schachserver, obwohl 300.000 Registrierungen im Vergleich mit den bisherigen Mitbewerbern der höchste angegebene Wert ist und zudem vollkommen kostenfrei zu benutzen.

Registrierungen:       300.000

Nun das sind wohl die großen Drei und hierzulande hat fast jeder Schachspieler zumindest davon einmal gehört, aber die Krennwurzn sucht noch immer weiter:

Chess net - www.chess.net

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500.000 registrierte Nutzer – eindeutig der weltgrößte Schachserver – wenn die Zahlen stimmen oder hat jemand Zweifel?

Chess Cube - www.chesscube.com

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Mehr als doppelt so viele Registrierungen als schach.de! Alles Gute zum Geburtstag hin oder her, da kann doch niemand mehr Zweifel haben, das ist DER weltgrößte Schachserver!! Zweifelt wirklich noch wer? JA – zum Beispiel die Krennwurzn!

Laut UNO soll es nur knapp unter 200 anerkannte Staaten geben und noch ein Duzend nicht anerkannte Gebiete, aber die Zahl 230 erreicht man damit nicht.

Convecta Ltd - http://chessok.com und http://chessplanet.ru/

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Möglicherweise auch nicht so klein und vor allem der russische Teil hätte wohl ebenfalls das Potential zum „Weltgrößten“ – und die was es bei den Chinesen und Inder gibt oder nicht – wer weiß das schon so genau.

Dann gibt es noch einige Server, die von der Fernschachschiene kommen, aber auch Spiele mit kürzerer Bedenkzeit bieten, natürlich gibt es auch dort eine „ungeprüfte“ Nummer 1:

Chess.com -  www.chess.com 

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Fast 4 Millionen Mitglieder klingt nicht schlecht – wie sich diese auf der Seite mit Training, Fernschach, Liveschach, etc. verteilen ist nicht bekannt.

Sollte ich – was sehr wahrscheinlich ist – einen oder mehrere „weltgrößte Schachserver“ übersehen haben, so bitte ich dies zu entschuldigenJ!

Die Schachbundesliga wirft ihre Schatten voraus
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Gut drei Jahrzehnte nach Einführung der einteiligen Schachbundesliga kommt es vom 14.-16. Oktober erstmalig zu einer gemeinsamen Runde aller 16 Vereine. Mit 128 Spielern, davon ca. 100 Großmeistern, unter anderem Weltmeister Anand, wird es die weltweit stärkste Veranstaltung des Oktobers. Das bedeutendste Großereignis des deutschen Schachs (neben dem kleinen Dortmunder Einladungsturnier) seit der Schacholympiade 2008 findet mit der RWE-Sporthalle in Mülheim einen repräsentativen Austragungsort. Ein breites Rahmenprogramm soll ebenfalls dazu beitragen, die Zuschauer zu begeistern. Neben einer Livekommentierung macht eine Simultanvorstellung Viktor Kortschnois die Veranstaltung zu einem Erlebnis für jeden Schachliebhaber. DETAILS

Licht und Schatten

Nicht alles läuft jedoch so, wie ich es mir wünschen würde. Der Schachbundesliga e. V. überträgt die Partien kostenlos live auf der eigenen Website und kannibalisiert somit die grandiose Veranstaltung. Anscheinend traut man es sich nicht zu, genügend Zuschauer für einen einzigartigen Schachevent begeistern zu können, denn auch der Eintritt vor Ort ist frei. Für mich völlig unverständlich – offenbar schätzen die Veranstalter den Wert der Darbietung als gering ein. Dabei erfordert die Organisation unzweifelhaft erheblichen finanziellen und personellen Einsatz. Ich kann mir kaum vorstellen, dass andere Sportarten Weltklasseveranstaltungen zum Nulltarif bieten.

Dass es möglich ist, Zuschauer zu finden, erlebte ich als Mannschaftsführer der Stuttgarter Schachfreunde und Mitorganisator einer BL-Runde in Stuttgart im Jahr 2002. Zu Gast waren mit Castrop-Rauxel und Wattenscheid nicht die attraktivsten Mannschaften, doch unser Reisepartner Baden-Baden mit Anand&Co. machte dies mehr als wett. Ohne großen Vorlauf fanden rund 500 Zuschauer den Weg zu dem leicht außerhalb liegenden Veranstaltungsort.

Was wäre mit entsprechender Bewerbung einer Spitzenveranstaltung möglich? Doch hier krankt es im Schach erheblich. Wir schaffen (bzw. versuchen) es gar nicht, die große Masse der Spieler unter 1800 zu erreichen und für Schachveranstaltungen zu begeistern. Werbung und Vermarktung scheint unnötig oder verpönt. Auch Mülheim hätte mich nicht gefunden, wenn ich es nicht gesucht hätte…

Aber egal – ich bin trotz allem dabei.

Reise nach...
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12. September 2011

Reise nach...

Der Weltcup hat mich bis zum Viertelfinale nicht besonders interessiert. Das Schach war nicht besonders. Der Modus eignet sich, um genau einen Sieger zu ermitteln, aber nicht, um die drei Besten zu finden. So viele Plätze aber werden in Chanti-Mansisk für das nächste Kandidatenturnier vergeben. Wer unter die letzten vier gekommen ist, hat nun beste Chancen auf einen dieser drei Plätze. Sorry, dass ich das so eng sehe, aber die WM-Quali ist aus meiner Sicht das Entscheidende.

 

Nun ändert der Wettbewerb seinen Charakter radikal. Bis zum Viertelfinale hatte niemand eine Chance von 50 Prozent. Jetzt haben alle Verbliebenen eine deutlich höhere Chance. Gespielt wird quasi die Reise nach Jerusalem. Oder nach Chanti-Mansisk, wo es genug Ölgeld gibt, um vermutlich (Gott behüte) das nächste Kandidatenturnier praktisch ohne nichtrussische Berichterstatter und Zuschauer abzuwickeln. Dass ausgerechnet der Kampf um Platz eins, in dem sich zwei Qualifizierte gegenüberstehen, über vier statt zwei Partien angesetzt ist, macht nur Sinn, weil das halt auch bei früheren Weltcups so war. Idiotisch. Also typisch FIDE.

 

Ich freu mich, dass Iwantschuk Radschabow rausgeworfen hat. Aber gerecht ist das nicht. Radschabow hat diesen Weltcup großartig gespielt, und sein mutiges Opfer auf g5 gegen Iwantschuk war nur eines von ihm gesetzten Highlights. Kein bisschen so destruktiv wie im Kandidatenmatch gegen Kramnik. So sympathisch mir Swidler ist, der mit Te2 gegen Kamsky den stärksten Zug des Turniers fand, so bedauernswert ist, dass Polgar gegen ihn überzogen hat und sich auskontern ließ. Je internationaler das Kandidatenturnier wird umso besser. Nun drohen mit Kramnik (nach Elo), Swidler und Grischtschuk drei (befreundete) Russen, was die Wahrscheinlichkeit einer weiteren russischen Austragung sicher nicht reduziert. Apropo Grischtschuk. Auf ihn hätte ich nach seinem blitzorientierten Spiel im Kandidatenturnier verzichten können. Der Glücksvogel wurde im Viertelfinale von Navara wie schon im Mai von Aronjan und Kramnik schlicht ausgelassen. Hoffentlich wirft er nun nicht Tschuky aus der Bahn. Gaschimow hätte ich die Quali im Unterschied zu seinen mit weniger Skrupeln behafteten Landsleuten ein Weiterkommen gegönnt, aber Ponomarjow tue ich es auch.

Michail Tchigorin, Entdecker der Russischen Schachschule
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Viszontlátásra – das war es für Judit Polgár beim Weltcup in Khanty-Mansiysk. Das Aus kam im Viertelfinale gegen Peter Svidler, der als russischer Meister und Mannschaftskollege von Jan Gustafsson zwei exzellente Referenzen vorweisen kann. Nachdem Polgár die erste Partie noch recht locker mit den schwarzen Steinen zum Remis abwickeln konnte, wurde ihr taktisches Spiel in der zweiten Partie von Svidler geduldig ausgebremst, so dass sie sich  von einem geopferten Bauern nicht mehr erholen konnte.
Früher Rückflug also für die Ungarin, die sich als Nr. 33 der Setzliste äußerst respektabel geschlagen hat und nun immerhin mit dem schönen Titel „Beste Frau der Welt“ nach Hause reist.

Neben Svidler haben sich Alexander Grischuk (nach Stechen gegen David Navara), Ruslan Ponomariov (1,5:0,5 gegen Vugar Gashimov schon in den regulären Partien) und Vassili Ivanchuk (im Tiebreak gegen Teimour Radjabov) für das Halbfinale qualifiziert. Die Paarungen dort lauten:

Svidler - Ponomariov

Ivanchuk - Grishuk

Gespielt wird schon ab morgen, und wiederum zwei Turnierpartien mit nachfolgenden Tiebreaks. Erst im Finale gibt es ein Mini-Match, für das vier Partien mit langer Bedenkzeit angesetzt sind. -

Einige längere Analysen zum Match Radjabov vs Ivanchuk findet man auf der sehr abwechslungsreichen Homepage des kanadischen Großmeisters Kevin Spraggett. Sehr gut gefallen hat mir die zweite Partie, in der Radjabov unbedingt gewinnen musste, um im Rennen zu bleiben. Kein leichtes Unterfangen gegen einen Riesen bzw. Bären wie Ivanchuk, doch Radjabov spielte einfach ein paar muntere Züge:

radjabov - ivanchuk

Nach sechs gespielten Zügen und einer relativ englisch aussehenden Eröffnung ist hier eigentlich noch nicht viel los. Umso schöner, dass Weiß hier in weniger Zügen eine Figur opfern wird!

7.h2-h4!

Radjabov schickt einen Außenstürmer auf dem rechten Flügel ins Rennen. Ähnliches probierte auch Levon Aronjan vor kurzem - Frank Zeller hat von dieser turbulenten Partie berichtet. Aber wie sieht es hier aus - die schwarze Verteidigung steht doch eigentlich. Was will der Bauer genau erreichen?

7..... h7-h6

Ivanchuk bleibt cool und stellt sich darauf ein, nach h4-h5 einfach mit g6-g5 zu antworten. Danach bleiben die Linien am Königsflügel weiterhin geschlossen. ( ... so könnte man zumindest meinen!) 

8. Lc1-d2, b7-b6

Spraggett kritisiert diesen Zug, weil das Feld d6 dadurch geschwächt wird. Er hat wohl Recht damit - aber es ist schwer, das an dieser Stelle schon zu ahnen.

Radjabov spielt nun munter weiter - und zwar mit den lustigen Zügen ...

9.h4-h5!

radjabov - ivanchuk1

Das kann man ja erstmal so spielen. Ivanchuk antwortete mit dem geplanten ... 

9.... g6-g5

und fiel nach der unbeschwerten Antwort

10.Sf3xg5!!

wahrscheinlich erst einmal vom Stuhl (Videobilder liegen der Redaktion leider nicht vor.).

radjabov - ivanchuk2

 

Hoppla!

Tatsächlich hat Radjabov einige Kompensation für seinen Läufer. Ein tolle Idee, die man wahrscheinlich ganz ohne die Hilfe von Fritz finden muss. Toll finde ich, dass Radjabov diesen Zug spielte, obwohl es für ihn um alles oder nichts ging und er unbedingt gewinnen musste. Aber so ist das manchmal - und der Druck lastet dann ja auch auf dem Gegner. -

Die stärkste Frau des Teilnehmerfeldes ist nicht mehr dabei, und nach dem Ausscheiden von Jörg Hickl stehen nun also je zwei Spieler aus der Ukraine und aus Russland in der Runde der letzten Vier. Somit sind die Vertreter der russischen Schachschule mal wieder ganz unter sich (auch wenn sich die Ukrainer streng genommen wahrscheinlich nicht dieser Schule zugehörig fühlen werden – ich bitte vorsorglich um Verzeihung). Interessant ist an dieser Stelle vielleicht, dass GM Alexander Yermolinski in seinem Buch "The Road to Chess Improvement" die Existenz einer russischen Schachschule ziemlich direkt in Frage stellt und sie als reinen Mythos beschreibt. Doch wie dem auch sei - die Besetzung des Halbfinales gibt der von Michail Tchigorin schon vor langer langer Zeit entdeckten russischen Schachschule wieder einmal Recht!

Mal schauen, wem wir von nun an die Daumen drücken. Das Spektakel geht weiter!

10. September 2011

"Error Rates"

Schachpartiequalitätsmessung

oder auch „Error rates“  im Schach

1) Die guten alten Zeiten und die Legenden... 

Nun denn, mutig hinein in dieses Thema. Eine häufig gehörte Diskussion unter Sportlern lautet, wie denn eine ehemalige Legende im heutigen Spiel dastehen würde. Man müsste diese also für das Gedankenexperiment exhumieren, wieder herstellen, sie aber exakt auf dem Wissensstand seiner höchsten Schaffenskraft (und Qualität) belassen. Sie hätte also nicht die Erlaubnis, sich erst einmal ein paar Stunden, Tage, Wochen lang mit dem heutigen Spiel, den Spielsystemen, den Entwicklungen und was auch immer zum heutigen Standard gehört zu beschäftigen sondern müsste heute hinein ins Spiel, so wie sie es vor 50 oder 100 Jahren – also zu Lebzeiten -- getan hätte.

Sicher, eben, genau, es ist ein Gedankenexperiment und man spürt schon, wie man diesem Menschen in diesem Moment unrecht tut, denn ab der Sekunde der Wiederherstellung seiner Befähigungen hätte er selbstverständlich sofort die Chance, sich dem Standard anzunähern, sein Wissen und Verständnis zu vervollständigen, nur würde uns dies eben im Wege stehen, um eine Antwort auf unsere Fragestellung zu finden. Also spinnt man weiter. Er (nein, Quotenregelung„es“ handelt sich doch um eine SIE! ) tritt an, muss seine Kräfte messen mit der aktuellen Weltelite und ihm stünden für den Moment keine weiteren Informationen zur Verfügung als jene zu seiner Zeit.

Ob es sich nun um Fußball, Tennis oder Schach handelt. Ja, die Frage interessiert, sie brennt beinahe: wie würde der Fußballweltmeister von 1970, das geheiligte Brasilien, heute in einem Duell mit einer Spitzenmannschaft, wie im Duell mit einer zweitklassigen, wie eventuell auch nur im Duell mit einer drittklassigen Mannschaft aussehen? Hätten sie überhaupt gegen einen von jenen eine Chance, würden sie gar an der Spitze mitmischen oder im Grau des tiefen Mittelmaßes versinken? Könnte man jenen Pele von 1970 direkt und bedenkenlos einwechseln in einem Bundesligaspiel, würde er der Star, Torschätze und Matchwinner werden oder würde er nach 10 Minuten bei dem heutigen Höllentempo nach dem achten Ballverlust frustriert um Auswechslung bitten? Wie würde Pete Sampras, wie Jimmy Connors, wie Martina Navratilova oder Chris Evert (der Mann denkt doch an die Quote!) aussehen in einem Grand Slam Turnier, wie ein Paul Morphy, ein Emanuel Lasker, ein Alexander Aljechin oder ein Bobby Fisher in einem heutigen Topturnier, wäre es nur möglich, sie 1 zu 1 exakt wie damals zu reinkarnieren? Man würde es gerne einmal, nur ein einziges Mal sehen können.

So bleibt es bei gerne wiederholt angestellten Spekulationen. Aber halt, man hätte doch den Artikel nicht anzubieten gehabt, wenn man nicht eventuell eine Lösung anzubieten hätte, sei es auch „nur“ für das königliche Spiel, bei welchem immerhin die damals und heute ausgeführten Züge, anders als ein Pass oder ein Torschuss oder ein Aufschlag, in der Qualität miteinander verglichen werden können?

Immerhin gibt es ja nun einmal die Schachcomputer und, wer würde es noch leugnen mögen, die nicht nur eine Maßzahl für jede Stellung anzubieten haben („ich stand schon bei +2.87 ... und habe noch verloren.“), sondern zusätzlich eine eigene Zugqualität einzubringen, bei der doch bis hin zum Weltmeister einem jeden die Knie schlottern, in welche man alsbald gezwungen wird. Also: der Computer ist anerkannt in der Lage, ein Urteil abzugeben. Falls man noch immer Zweifel hätte – und für jene gar in Ansätzen eine gewisse Berechtigung, denn, wer weiß schon, ob heute eine +2.87 in 20 Jahren noch immer eine +2.87 wäre oder womöglich längst durch ein „Matt in 32“ oder ein „+-0.00“ ersetzt wurde, da sich der Stellungsbenachteiligte doch auf wundersame Art in dem natürlich längst durchgerechneten Spiel zu retten vermag, insofern auch da keine Objektivität gegeben sein kann – so hätte man doch immerhin einen Ansatz und ein paar Zahlenergebnisse zum Vergleich, sofern man dem weiteren Vorschlag zu lauschen bereit ist.

 2) Error Rates“ im Backgammon

Die Idee der „Error Rates“ stammt aus dem Backgammon. Die heutigen Programme dort haben eine ebenso anerkannte höhere Spielstärke als selbst die Elite im menschlichen Antlitz. Der Computer sagt einem sofort, was man falsch gemacht hat, sofern man die Partien, ein ganzes Match, von ihm analysieren lässt. Er bietet einem sogar die Möglichkeit, sofern man zweifelt, ein so genanntes „Rollout“ durchzuführen, bei welchem er diese Stellung – natürlich in zukünftigen Stellungen mit seinen als den besten erachteten Zügen, die er auf die Zufallswürfe (ja, dieses Spiel, das mit Würfeln, was man als Schachspieler zu hassen verpflichtet ist) hin ausführt  – beispielsweise 1236 Mal auswürfelt, nur um einem dann wiederholt vor Augen zu führen (allergleich dem Schachcomputer) wie dumm man war, seinem Urteil nicht zu vertrauen. Denn: die erste Einschätzung bestätigt sich fast immer.

Eine geniale Idee wurde allerdings hinzugefügt, die sich da nennt „outplayed“. Das „outplayed“ tritt nämlich dann ein, wenn das menschliche Urteil dem des Computers überlegen war, der Computer mit seiner Überprüfung per Rollout feststellt, dass ein zuvor angekreideter Fehler gar keiner war sondern der menschliche Zug schlichtweg besser war.

Wie beurteilt er nun das gesamte Spiel eines Spielers, außer, dass er einem sagt, dieser und jener Zug waren falsch? Sicher, zunächst gibt es mal Kategorien von Fehlern. Es gibt sozusagen ganz grobe Böcke und kleinere Ungenauigkeiten. Beim Backgammon sieht es so aus, dass die Züge, miteinander verglichen, die Chancen auf den Sieg in der Partie oder auf das gesamte Match hin beeinflussen und, sofern man nicht konsequent den besten Zug macht die Siegchancen logischerweise insgesamt verschlechtern (es sei denn, das noch geboren zu werdende Genie hat den Computer permanent „outplayed“).

Sprich: eine Error Rate in jenem Spiel würde messen können, wie viele Prozentpunkte man auf den Sieg verschenkt hat. Selbst wenn der heute gehandelte und überall anerkannte Wert, den man ausgibt nicht direkt eine Prozentzahl sondern eher eine Art Gewohnheitswert darstellt. „Hast du schon gehört? Der xxx  hat im Halbfinale ne schlanke 8.2 gespielt. Die spiele ich noch mit 2 Promille.“ (Man folgert: 8.2 ist im Spitzenbackgammon keine anerkannt hohe Zahl). Die absoluten Topspieler spielen im Bereich von 3.0, nur, wen es interessieren sollte. Was immer diese Zahl bedeuten würde: jeder kann sie, da vergleichbar gemacht, einstufen. 3.0 ist absolute Weltklasse. Wenn es in einem Match gelingt: Hut ab. Wenn es konstant gelingt: sofort Karriere wechseln.

3) Auf das Schach übertragen

Der einfache Vorschlag an dieser Stelle: gebt den Computerprogrammen diese einfach zu installierende Funktion mit. Welche Funktion gemeint ist? Nun gut, hier eine etwas exaktere Beschreibung dieses Gedanken:

Mit jedem Zug, den der Mensch ausführt, ausgeführt hat, hat er zwei Möglichkeiten, im Vergleich mit dem Computer: entweder, er erhält die Stellungsbewertung, da er nämlich den besten Zug gefunden hat, oder er verschlechtert sie. Das Verbessern ginge zwar auch, analog zum Backgammon, jedoch nur, wenn man die Analysestufe hochstellt bei jedem angeblichen Fehler und diesen auf der höheren (oder hieße es tieferen?) Stufe abchecken ließe. Dennoch wäre es im Schach vermutlich entschieden seltener (auch im Backgammon stellt es schon eine Ausnahme dar).

Es bliebe also dabei: man erhält die Einschätzung, von Nuancen abgesehen, oder man verschlechtert sie. Da die Stellungsbewertung nach wie vor in Bauerneinheiten vorgenommen wird (welche theoretisch in Prozentchancen auf Sieg/Remis/Niederlage zu übersetzen wären, jedoch dies eigentlich nicht erforderlich ist), bliebe das Ergebnis folgendes: wie viele Bauerneinheiten hat man im Schnitt verschenkt? Eine derartige Zahl wäre gar ein wenig plastischer als die vergleichbare Zahl aus dem Backgammon, da es dort nicht einmal diese Analogie gibt: „wie viele Bauerneinheiten pro Zug verschenkt man“ ist, worauf es hinausliefe, was die Spielstärkemaßzahl anginge.

Nun bietet zunächst ein jedes Computerprogramm diese Funktion an. No harm done oder auch: eigentlich kein Problem. Was man damit anfinge?

Zunächst einmal könnte man ja wütend werden und Fritz in die Tonne kloppen (was vermutlich die meisten längst getan haben), da nämlich jener einem eine Error Rate von 0.33 Bauerneinheiten pro Zug zur Last legt, wohingegen Rybka einen mit einer 0.28 davon kommen lässt. Gut und schön.

Andererseits könnte es sich nach und nach herauskristallisieren, wie gut man selbst wirklich in den eigenen Partie gespielt hat. Zunächst ein rein experimenteller Wert. Nach und nach würden sich die Schachfreunde untereinander austauschen, was ihre eigenen Error Rates waren, die sie in diesem oder jenem Turnier aufs Brett gebracht hätten. Man hätte zwar nur 4 aus 9 erzielt, jedoch, gegenüber dem letzten Turnier, da man 5 aus 9 hatte dieses Mal dank der Error Rate von nur 0.48 verschenkten Bauerneinheiten pro Zug gegenüber den 0.54 im Vorgängerturnier doch erkennbare Fortschritte erzielt?

Man könnte gar herausfinden, mit welcher Error Rate ein WM Match zwischen Capablanca und Lasker, eines zwischen Fisher und Spasskij oder eines zwischen Karpov und Kasparov ausgestattet war, falls man sich nicht mit Zürich 1953 im Vergleich mit Karlsbad 1909 beschäftigen möchte. Oder man hätte eine Lebensleistung von Bobby Fisher im Vergleich mit Paul Morphy, Richard Reti gegnüber Harry Nelson Pillsbury oder dem vielleicht allzeit unterschätzten Akiba Rubinstein oder eine aus eines jeden besten Jahres. Wo könnte das Problem liegen?

Noch lange ist nicht die Frage nach einer endgültigen Objektivität gestellt. Dennoch gäbe es mit Sicherheit interessante Erkenntnisse. Vielleicht noch die eigene Leistung auf Vormittag gegenüber Abend, Rundenturnieren gegenüber Mannschaftskämpfen? Es gäbe eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten.

Wenn man es natürlich noch viel weiter denkt, dann könnte man gar anhand dessen richtige Ranglisten erstellen, möglich, dass die Welt eines Tages eher auf diese blickt als auf die aktuelle Elo-Rangliste, welche einzig und allein die Partieausgänge, jedoch in keinster Weise die Qualität einzelner Züge beurteilt? Möglich gar, dass man Spielerprofile anfertigen könnte: Ivantchuk spielt beispielsweise konstant auf dem höchsten Level, wie man feststellt, jedoch sind es die groben Böcke, Einsteller,  Übersehen, welche in der Error Rate mächtig zu Buche schlagen und den Schnitt insgesamt verderben, da er ab und an in einem Zug 2 oder mehr Bauerneinheiten einbüßt.

Dies nur Beispiele und Ideen. Die gesicherte Vielfalt der Einwände oder auch der weiteren Anwendungen seien nun dem geneigten Leser anheim gestellt.

 

Das waren noch Zeiten: "The Master Game" im Fernsehen!
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Beim Wandern durch verschiedene Webseiten streunte ich heute eher zufällig beim Weltcup in Khanty Mansiysk vorbei. Ich muss sagen: wer immer diese Online-Übertragung arrangiert hat, verdient ein großes WOW !!

Schon vor einiger Zeit sah man bei den russischen Meisterschaften (oder so) eine sehr noble Live-Übertragung. Auf der Turnier-Homepage gab es ein Live-Schachbrett, einen Live-Audiokommentar (auf russisch allerdings, was für manche Zuschauer eine gewisse Hürde darstellte) und (!) Live-Videos (!) von den Spielern am Brett. Sehr innovativ war das alles, und die Bilder auf dem Bildschirm kamen gestochen scharf in die Wohnstuben. 
(Wenn sich die Schach-Bundesliga nochmal reformierern will – hier ist ein Ansatz dafür. Kostet wohl leider nur ein Heidengeld.)

Und heute nun – tolle bewegte Bilder vom Weltcup in Sibirien auf chess.ugrasport.com. Wir sehen die zweite Partien des Achtelfinales mit folgenden Paarungen:

Polgar – Dominguez: 1:1 nach den langen Partien, morgen heißt es: go Judit go!

Bu – Ivanchuk: hier ebenfalls 1: 1 – morgen geht´s weiter

Zherebukh – Navara: Hoppla - Navara marschiert mit 2:0 ins Viertelfinale

Bruzon Batista – Ponomariov: zweimal Remis, morgen geht´s weiter

Gashimov – Nielsen: Nielsen konnte heute ausgleichen – morgen wird auch hier gestochen

Potkin – Grishuk: nach Grishuks Sieg steht es 1:1 – auch hier geht es morgen weiter

Radjabov – Jakovenko: Radjabov zieht mit 1,5:0,5 ins Viertelfinale ein 

Nakamura - Hickl: 0:2 für den Hofheimer - eine tolle Vorstellung gegen den Sieger von Wijk aan Zee

Svidler – Kamsky: 2:0 für Svidler – der russische Meister in guter Form!

Die Videobilder zeigen hübsche Impressionen, und holla! – um wie viel vielseitiger und spannender ist es nun, die acht Partien live zu verfolgen. (Wenn man sich wirklich die Zeit dafür nehmen kann und will - ansonsten werden morgen ab 15 Uhr Ortszeit die Schnellpartien auf http://chess.ugrasport.com/ übertragen.)

 In den alten Zeiten gab es für uns im Internet ja „nur“ die Bretter zu sehen, auf denen ab und zu mal eine Figur auf ein anderes Feld rutschte. Aber immerhin - auch das war schon sehr aufregend. Heute sieht man aus Sibirien dazu nun auch die Menschen, wie sie grübeln, kämpfen und sich mühen – und gleich wird der Sport Schach viel besser fassbar und sogar noch etwas emotionaler. Kompliment für diese Übertragung!, oder um es auf Russisch zu sagen: ????????????!

gashimov

Vugar Gashimov hat schwer zu kämpfen

die einsamkeit des turnierpartiespielers

Die Einsamkeit des Turnierpartiespielers

aus den pioniertagen des schachfernsehens - manchmal luft noch jemand durch das bild

Aus den Pioniertagen des sibirischen Schachfernsehens: manchmal läuft auch mal jemand durchs Bild! 

Das alles hat natürlich ein Vorbild, und das stammt wie so oft von der alten Tante BBC in London. In den späten Siebzigern wurden dort für das Fernsehen (unglaublich, unglaublich!!) Schnellpartien gespielt und man filmte die Großmeister am Brett, während sie nachdachten. Hinterher sprachen die Spieler ein paar Kommentare zur Partie im Hotelzimmer auf Band, und fertig war eine Folge von „The Master Game“ (auf Deutsch: Turnier der Schachgroßmeister). Nigel Davies hat auf seiner Webseite The Chess Improver  ein paar dieser schönen Folgen (auch mit dem jungen Helmut Pfleger und dem legendären Tony Miles) verlinkt. Großer, großer Tip!

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Jan Hein Donner fürchtet um seine Bauern c3 und e4

In dieser wegweisenden Serie entstand vielleicht sogar die weltberühmte Pfleger-Diagonale (mit den leuchtenden, blinkenden Feldern von h1 bis nach a8). Sie scheint sich zuallererst in diesen BBC-Filmen materialisiert zu haben.

Ich gucke nicht oft Dart im Fernsehen, und auch nicht Snooker. Und wenn es doch mal irgendwo auftaucht, zappe ich schnell weiter, weil es mich nicht direkt interessiert. Frauen jedoch bleiben scheinbar gerne mal hängen, wenn Snooker gezeigt wird. Denn da gibt es ja diesen Spieler, wie heißt er noch …Sullivan? Den mögen viele Frauen gerne, und außerdem tragen die Snooker-Spieler ja schicke Anzüge, und es ist alles sehr stilvoll und dezent. (Das mag sogar ein Argument sein für die geplante neue Kleiderordnung im Schach - aber warten wir lieber erstmal ab, wie die genau aussehen soll.)
Nun ist Schach nicht Snooker, doch wenn M. Carlsen beim nächsten Welt-Cup wieder mit einsteigen sollte und es eine „LIVE-Coverage“ mit Video gäbe, wäre einiges Zuschauerinteresse gewiss (vielleicht sogar bei Frauen).

Ein Problem jedoch bleibt: die schwierigen Schachregeln! Wenn nur das Verstehen der Züge und Ideen nicht so kompliziert wäre – dann hätte Schach richtig gute Chancen, auch für das Fernsehen attraktiv zu werden. Aber was soll´s – da wird der FIDE-Weltzentrale sicher auch noch etwas einfallen.

geico

Die Firma Geico ist mir zwar unbekannt, aber immerhin machen sie tolle Schachvideos.

Ein visionäres Video zum Thema „Schach als Publikumssport“ findet man im Netz bei Youtube. Im Vordergrund knobeln die Schachmeister, und hinten lauert der spanische Kommentator mit seinem (wie man bald sehen wird) brodelnden Temperament.

Man merkt auch hier: echte Schachmeister sind eigentlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Beeindruckend! Vielleicht sieht so ja die Zukunft aus, und vielleicht bekommen wir dann auch endlich ein paar Cheergirls. Aber bis es soweit ist, können wir uns zurücklehnen und noch ein paar Tage an den Bildern aus dem fernen Sibirien erfreuen . ????, ?? ?????? ???????!

Wiederverienigungskampf 1989 Berlin West - Ost: vlnr. Cladouras, Rabiega, Volke, Poldauf, Tischbierek, Muse, Grünberg, Paulsen
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06. September 2011

Das Scheveninger System

Eine Laudatio auf das...

Scheveninger System

Als etwa Mitte der 70er Jahre einmal eine Schachdelegation aus einem (halbwegs) fernen Land und einer fremden Stadt – aus der Erinnerung heraus war es Stockholm – zu einem Aufenthalt in Berlin weilte und ihre Kräfte messen wollte mit den Spitzenspielern aus Berlin, es jedoch anscheinend organisatorische Probleme gab und weder Räumlichkeiten noch Schiedsrichter noch Spielmaterial verfügbar gemacht werden konnten, beratschlagte in dem damals am Nollendorfplatz gelegenen Schachcafé, wie man denn nun diese Hindernisse aus dem Weg räumen könnte und die freundlichen Besucher nicht etwa unverrichteter Dinge nach Hause schicken müsste.

Die Idee war geboren, Peter Teubert, damaliger Inhaber des Treffpunkts für Schachspieler hatte selbstverständlich sowohl Figuren und Bretter als auch Uhren, aber auch Räumlichkeiten, inklusive Verköstigung anzubieten. Da nun die Notationspflicht und auch andere Kleinigkeiten – an erster Stelle wohl der Krach des mit dem Treff verbundenen Billardsalons zu nennen – nicht das Hindernis darstellen sollten wurde, für den Autor erstmals gehört, das so genannte Scheveninger System zur Austragung vorgeschlagen. Die gespitzten Ohren transportierten die Informationen, was das denn nun sein, alsbald an das aufnahmebereite Gehirn weiter.

Alle 8 schwedischen Schachfreunde würde gegen die verfügbaren 8 verfügbaren „Spitzenspieler“ aus Berlin antreten, jeder gegen jeden, aber eben nur jeder Stockholmer gegen jeden Berliner Spieler. Man entschied sich für eine heute sehr häufig anzutreffende Bedenkzeitregelung, mit jeweils 15 Minuten pro Spieler, so dass man von einer Austragungszeit von etwa 8*30 Minuten = 4 Stunden ausgehen konnte, vergleichbar, aber etwas geraffter, einer Turnierpartie.

Die riesige Freude und Begeisterung über ein derartiges System hat sich bis heute gehalten, selbst wenn der Ausgang des Kampfes völlig entfallen ist und, sagen wir es ruhig, auch beinahe zur Nebensache geriet. Man hatte eine recht ernsthafte Auseinandersetzung und hatte die Gelegenheit, mit JEDEM angereisten Schachfreund die Kräfte zu messen.

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Als sich gegen Ende des Jahres 1989 das geteilte Deutschland vereinigte war ebenfalls alsbald eine Idee entstanden, dass man doch dringend den Westteil der heutigen Hauptstadt mit dem Ostteil einmal in einem schachlichen Duell der räumlich so nahen, aber politisch so fernen und von daher gänzlich unzugänglichen Nachbarn, zu einem Kräftemessen laden müsste.

In dieser Aufbruchzeit gab es allenthalben auch nur Wohlwollen und Freude, so dass die noch getrennten Verbände im Nu übereinkamen – eine Tatsache, die vielleicht ein paar Monate zuvor noch undenkbar war. Auch die von beiden Seiten angeschriebenen, angesprochenen Spitzenspieler (diesmal wirklich die Spitze) waren zuhauf nicht nur bereit, nein, sie waren begeistert von der Idee. Als sich logischerweise die Frage nach dem Austragungsmodus (an möglichst vielen Brettern) stellte, hatten die Veranstalter eine absolut geniale Variante gefunden, präsentiert – und letztendlich durchgeführt:

Die Verbände stellen ihre Mannschaften in Vierergruppen auf. Brett 1-4, 5-8, etc. Und die jeweils vier spielen untereinander, jeder von dieser Seite gegen jeden von der anderen Seite, eine Partie mit jeweils 30 Minuten Bedenkzeit. Eine Veranstaltung, die bis heute höchsten Erinnerungswert hat, waren doch auch die für eine derartig spannende Veranstaltung gefundenen Räumlichkeiten Zentrumsnah und bestens geeignet, ein gehobenes Ambiente.

1989-011250

Foto: Dimitri Gerasimou

Reichlich Zuschauer beim Kampf Berlin (W) - Berlin (O)

Vorne Dirk Poldauf - Panagiotis Cladouras, dahinter Karsten Volke - Mladen Muse, an 3 Raj Tischbierek - Dirk Paulsen und an 4 Hans-Ulirch Grünberg - Robert Rabiega


Auch hier ist der Ausgang nicht mehr in Erinnerung geblieben, abgesehen von dem Faktum, dass der Autor in den Genuss kam, sich mit den vier Topspielern des Ostteils zu messen, welche da waren Hans-Ulrich Grünberg, Karsten Volke, Dirk Poldauf und Raj Tischbierek, und dort mit zwei Remisen und zwei Siegen aufwarten konnte (ja, sicher, es MUSSTE doch andere Gründe geben für sowohl Verfassung des Textes als auch Liebe zu dem Modus), welches unterm Strich in der Gruppe das beste Einzelergebnis darstellte (ach, diese Eitelkeit, oh je).

Im Anschluss saß man übrigens im damals an der Lietzenburger Straße gelegenen Café „Remis“, wobei der Name richtigerweise andeutet, dass auch dort Schachspieler willkommen waren – es hat sich nicht gehalten --, welche bei einem Buffet und natürlich diesem oder jenem Bierchen, mit welchem sie zur Wiedervereinigung anstießen, zusammen saßen und die ersten Freundschaften entstehen ließen.

Übrigens fühlte sich der zuvor etwas weniger freiheitliche Teil natürlich bemüßigt, einige Zeit später einen „Revanchekampf“ auf eigenem Territorium durchzuführen. Mit Verlaub und ausgesprochener Entschuldigung an die zahlreichen Freunde aus den neuen Bundesländern: diese Veranstaltung konnte bei weitem nicht an jene im Westteil heranreichen, was eventuell so ein wenig plastischer gemacht werden kann: als man, in einer Gruppe von vielleicht fünf, sechs zu jener Zeit schon äußerlich als „Wessis“ auszumachenden Personen die zur Austragung verfügbare Schule per Fußmarsch (vermutlich nach Ausstieg aus Bahn oder Bus) suchte und nicht recht weiter wusste, war doch alles neu um einen herum, befragte man einen Passanten. Seine Auskunft war höchst amüsant. Ja, er kannte die Schule, so meinte er, man müsse „da vorne, bei dem grauen Haus, rechts abbiegen“. Nun war er zwar freundlich und auch sicher ortskundig, jedoch erstaunlich, dass er es für erhellend und hilfreich hielt, uns „bei jenem grauen Haus“ um die Ecke zu schicken, waren doch ALLE Häuser in der Gegend AUSNAHMSLOS grau. Geschmunzelt wurde jedenfalls auf Seiten der arroganten Wessis – und diese kleine Geschichte bis heute gerne jedem Ossi unter die Nase gerieben. Grau, grau, alles grau, so war es nun mal....

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Banner-JH-Sonnenalp2Ein weiteres Ereignis gab es, als einmal ein Mannschaftskampf der letzten Runde in der Oberliga Nord nach wenigen Zügen (ohne vorherige Absprache) an allen Brettern Remis vereinbart wurde, so beschloss man, einmal angereist – übrigens war es in Oberschöneweide, gelegentlich von Westlern auch zuvor schon als „Oberschweineöde“ verballhornt; jedoch ist es wirklich malerisch schön dort und weder schnöd noch öd... --, sich dennoch die Zeit mit einem Mannschaftskampf zu vertreiben.

Endlich hatte der Autor einmal die Gelegenheit, das so hoch geschätzte System einzubringen, vorzuschlagen und zur Durchführung zu bringen.

Ja, es hat Spaß gemacht. Und wie. Allen Spielern, von denen sich übrigens alle auch für den Mannschaftskampf gemeldeten bereit erklärten, mitzumachen. 15 Minuten, jeder gegen jeden, macht 8 Partien pro Nase – und einen ehrlichen Vergleich, wie man hier gerne als Ansicht vertritt.

(Kein Schelm, wer denkt, dass es keinen Zusammenhang gibt: auch hier erzielte der Autor mit 6.5 aus 8 das beste Ergebnis ALLER Spieler).

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Sollte es denn nicht möglich sein, derartige Veranstaltungen regelmäßig, vielleicht sogar in Turnierform, durchzuführen? Man meldet eine Mannschaft, 10 Mannschaften finden sich, alle vier Wochen ein Kampf, machte 9 weitere Termine, sicher. Nur könnte man es ja, als Alternative, einfach mal ausprobieren? Wer wäre dabei? Sicher spielt doch dieser oder jener auch ab und an ein Schnellturnier, welches vom Zeitaufwand her keineswegs geringer wäre?


Kazimdzhanov, Olympiade Dresden 2008
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Oftmals bescheren uns Funktionäre des Weltschachverbandes FIDE Regeländerungen, die schwer nachvollziehbar sind und Volks- und Praxisnähe vermissen lassen. Doch verwundert dies wenig. Ein Blick auf die 13 Mitglieder der FIDE Regelkommission (Commission for Rules and Tournament Regulations)  erweckt nicht den Eindruck eines schachnahen, entscheidungsfähigen Teams. Eine babylonische Zusammensetzung von 13 Mitgliedern aus 13 Nationen und einem Vorsitzenden, der, zumindest im neuen Jahrtausend, keine Partie nach seinen abgesegneten Regeln gespielt hat, sprechen für sich selbst. Doch auch für die Regelkommission des Deutschen Schachbundes (sog. Technische Kommission), mit einem möglicherweise etwas höheren Schachspieleranteil, scheint der Austausch mit den aktiven Spitzenspielern, für die die meisten Regeländerungen wohl eingeführt werden, nicht dringlich zu sein.

Nicht endender Diskussionsbedarf zu Karenzzeitregelung, Verkürzung der Bedenkzeit, Verbote elektronischer Hilfsmittel etc. ist die Folge. Schach soll aber in erster Linie Spaß machen und nicht unter der Verwaltung leiden. Wie bei anderen Sportarten sind die Regeln ein unabdingbares Beiwerk, das unter keinen Umständen in den Vordergrund treten darf oder benutzt werden kann, um einzelne Spieler zu maßregeln.

Abschaffung des Remis?

Anfang Mai wiesen die Kandidatenkämpfe in Kazan, die der Ermittlung des WM-Herausforderers dienten, eine unerfreulich hohe Remisquote von fast 90% auf. Sofort rief man auch hier nach Regeländerungen. Aus meiner Sicht war einzig der unglücklich gewählte Austragungsmodus die Ursache, doch Wladimir Kramnik regte an, das Rochaderecht erst ab dem zehnten Zug zu erlauben um eröffnungstheoretische Vorbereitung, die zum Verflachen der Stellungen führen kann, zu erschweren. Auch wenn er nachträglich die Aussage zum Scherz erklärte, scheint das Thema einige Spitzenspieler zu beschäftigen. Jüngst erkannte nun auch Rustam Kasimdzhanov, wenig beachteter FIDE-Weltmeister des Jahres 2004, das Remis als Quelle allen Übels und forderte in einem offenen Brief das häufigste Ergebnis des Schachs abzuschaffen. Nur so könnte unsere Sportart attraktiv werden, Sponsoren anziehen und irgendwie auch Tennis einholen….

Viel Lärm um nichts. Das Remis als taktische Waffe bereichert Schach immens. Wer glaubt, durch Regeländerungen Schach attraktiver machen zu können, scheint mir auf dem Holzweg zu sein. Hier sind die Veranstalter gefragt, und wie die großen privaten Turniere (London, Biel, Dortmund etc.) zeigen, hat man dort das Problem im Griff. Zuletzt konnte man überall großes Kampfschach beobachten, ohne einen Gedanken an Schachregeln zu verschwenden..

Sponsoren kommen nicht aufgrund von Regeln (eine Ausnahme stellen vielleicht die Bekleidungsrichtlinien bei Beachvolleyball dar..). Bekanntheitsgrad und Image der Sportart sind bestimmende Faktoren und hier führt Schach nunmal ein Dornröschendasein, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sind gefragt!

Hier der genaue Wortlaut Kazimdzhanovs Begehrens:

Open letter with a proposal

Dear chess friends,

I am writing this open letter, addressed both to FIDE and the entire chess playing world, due to a certain crisis, in which our noble game finds itself lately. This crisis is not only defined by a general dissatisfaction, coming from sponsors, organizers and amateurs; also among the professionals there has been some growing distress. Quite a number of traditional tournaments are no longer organized; in those still out there an ever growing number of extremely strong players is competing for the same money. At the same time voices from all around are expressing serious concern about lackluster play in some top tournaments, and notorious short draws.

To understand the reasons why our sport has never made it to the heights it deserves I find it useful to take a look at a sport very similar to ours – tennis. Both games feature the battle of two personalities, showing a whole array of technical weapons in their fight, competing in speed and precision, in patience and wisdom. Why, despite this apparent similarities, despite the fact that many more people worldwide are capable of playing chess properly, do we stand light-years behind tennis in everything that defines success in professional sport?

The reasons are numerous, no doubt, but the main problem, as I see it, is an existence of a draw as a result in chess. Short draws (and I also have made a number of those) make our game look more like an insider academic activity, rather than sport; but they can’t be avoided – the preparation of today and the inherent qualities of chess are such, that a draw, and in fact a short draw, is a most likely result in a game between strong well-prepared players. Still, in a well-organized tournament, top players, getting up to go to their hotel rooms after a ten minute draw, do not add attractiveness to chess.

Returning to tennis, the main attraction is, as I see it, the fact that every single fight produces a result; a winner and a loser at the end of the day. And there is a thrill for every spectator to see, say, Nadal and Federer, come to court, and know with certainty that one of them will triumph and the other one will lose. In short, to put it figuratively, there will be blood. And there will be great champions.

In our game, however, things are different. We also have great champions, but their greatness is sometimes limited to insiders of the game. In order to be successful outside of our little world, in order to make front pages and TV, and thereby also the finance that comes in a parcel, we need champions that appeal to a general public, even to a public far from intricacies of chess. Such was a winning streak of Novak Djokovic this year, for instance. Something that a win in a chess super tournament with 8 out of 13 simply cannot match.

And now comes my proposal. If we want success, sponsors, public and the rest of the parcel, we need to abolish those draws in classical tournaments. And not by Sofia rules – tournaments with Sofia rules produced as many draws as any other; and not by 30 move rule, where players are often just waiting for move 30. We need something entirely different. Like a tie-break in tennis. We need a result. Every single day.

And here is how it works. We play classical chess, say with a time control of four to five hours. Draw? No problem – change the colors, give us 20 minutes each and replay. Draw again? Ten minutes each, change the colors and replay. Until there is a winner of that day. And the winner wins the game and gets one point and the loser gets zero; and the game is rated accordingly, irrelevant of whether it came in a classical game, rapid or blitz.

This way the expectations of the crowd will never be deceived. There will always be a winner, there will always be blood. There will come an age of great champions, since withthis system there will be times when Vishy or Magnus will win Wijk-aan-Zee with 13 out 13; and there will be winning streaks, when some of the great champions will win 50 games in a row. We’ll make front pages.

And much more than that. It will be good for our sport. Not just sponsors and attention and prizes. It will be essentially good for our game. People will try extremely hard with white, in order to decide the issue now, and not in a black rapid game. Instead offering a draw in a slightly better ending in order to save energy and catch a movie, chess players will show their whole ability and will win these endings. As a matter of fact this will develop classical chess.

And there is so much more. Often players, playing white, feeling rough in the morning, get to the game with an attitude “I’ll just make a draw today” Imagine, what will happen to this attitude? Chess will become a true sport. We’ll wake up to win or to lose that day. We’ll come tho the board, ready to play chess. And just like when we come to see Federer play – we see his whipping forehand, his effortless slice, his hammer serve and immaculate return – same will happen in chess. Every single day we’ll see players like Aronian or Grischuk pressing with white, wriggling out of trouble with black and showing some blitz skills to an ever larger public. That is something I would like to watch and play.

Grandmaster Rustam Kasimdzhanov